Protocol of the Session on September 14, 2006

Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung: Sofortprogramm zur Schaffung von Ausbildungsplätzen auflegen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3133

Zur Einbringung erteile ich Herrn Lenz von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen, meine Herren! In wenigen Tagen, am 30. September, steht der neue Berufsbildungsbericht ins Haus. Obwohl wir derzeit noch keine verlässlichen Zahlen zur Verfügung haben, gehen alle Experten von einem erheblichen Mangel an betrieblichen Ausbildungsplätzen aus. Die Bundesagentur für Arbeit schätzt die Lücke auf rund 30 000 Ausbildungsplätze bundesweit, heruntergebrochen auf Niedersachsen schätzen wir die Lücke auf 3 000 fehlende Ausbildungsplätze ein.

Meine Damen, meine Herren, die Konjunktur brummt, die Gewinne steigen, zum Teil auf Rekordniveau.

(Wolfgang Hermann [FDP]: Wo denn?)

- Außer bei Ihnen, Herr Hermann, aber das hat andere Gründe.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Doch immer mehr Schulabgängerinnen und Schulabgänger bleiben auf der Strecke, auch weil sich

immer mehr Unternehmen aus der Verantwortung stehlen. Das ist ein gesellschaftlicher Skandal, meine Damen, meine Herren!

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Landtagsfraktion sagt: Alle ausbildungsfähigen und -willigen Jugendlichen müssen einen Anspruch auf einen Ausbildungsplatz haben. Für die jungen Menschen darf der Start ins Berufsleben nicht zum Fehlstart werden.

(Beifall bei der SPD)

Für die SPD-Landtagsfraktion ist die größer gewordene Ausbildungsplatzlücke keine Überraschung. Der Kreis der Jugendlichen, die nun aus dem sogenannten Übergangssystem zusätzlich zu den Schulabgängerinnen und Schulabgängern auf den Ausbildungsplatzmarkt drängen, wird immer größer. Im Jahr 2005 überschritt die Zahl derer aus dem Übergangssystem in Niedersachsen mit rund 59 000 Jugendlichen erstmalig die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge.

Herr Ministerpräsident, Herr Minister Hirche, der niedersächsische Ausbildungspakt - dies ist unsere feste Überzeugung - reicht längst nicht mehr aus. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie das endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Nicht dass mich jemand falsch versteht: Wir unterstützen alle Anstrengungen. Jeder Handwerksmeister, der eine zusätzliche Auszubildende oder einen zusätzlichen Auszubildenden einstellt, verdient unsere Anerkennung.

(Beifall bei der SPD)

Programme für zusätzliche Ausbildungsplätze, wie sie beispielsweise in der Metallindustrie gefahren werden, finden unseren Beifall. Jeder, der sich, wie viele von uns, auf den unterschiedlichsten Ebenen um zusätzliche Ausbildungsplätze bemüht, leistet einen wichtigen Beitrag. Aber egal, wie viele Telefonaktionen Sie auch machen, das strukturelle Problem, das wir auf dem Ausbildungsplatzmarkt haben, wird damit nicht ansatzweise gelöst. Deswegen hat die SPD-Landtagsfraktion bereits am 15. März 2006 einen Entschließungsantrag mit dem Ziel eingebracht, der negativen Entwicklung frühzeitig entgegenzuwirken.

(Bernd Althusmann [CDU]: Wir haben glatt darauf gewartet!)

Herr McAllister, in Ihrer Haushaltsrede haben Sie gestern kritisiert, die SPD-Fraktion bestehe nur aus Miesmachern

(David McAllister [CDU]: Und Dauer- nörglern!)

- und aus Dauernörglern -, die selbst keine Vorschläge entwickelten.

(Bernd Althusmann [CDU]: Würden Sie sich auch dazu zählen?)

Dass Sie dies hier wider besseren Wissens behaupten, ist schon ein starkes Stück.

(Bernd Althusmann [CDU]: Ich glaube, wir zählen Sie auch dazu!)

Aber wie erklären Sie sich die Tatsache, dass unsere Vorschläge sechs Monate lang im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr schmoren mussten, bevor sie erstmalig behandelt wurden?

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Was haben Sie denn da gemacht, Herr Lenz?)

Die Wahrheit ist eigentlich eine andere: Sie sehen nur Vorschläge als solche an, die in Ihr neoliberales Weltbild passen. Alles andere kommt bei Ihnen nicht vor.

(Beifall bei der SPD)

Sie sind offensichtlich noch nicht einmal mehr in der Lage, sich mit den Gedanken und Vorschlägen anderer auseinander zu setzen, obwohl wir doch wohl alle wissen, dass die besten Konzepte zumeist im konstruktiven Streit und nicht dann entstehen, wenn man meint, man habe die Weisheit mit Löffeln gefressen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist nur bei McAllister so!)

In unserem heute zu beratenden Antrag schlagen wir einen weiteren Beitrag zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vor. Wir wollen, dass ein Teil des voraussichtlichen diesjährigen Überschusses der Bundesagentur in ein Sofortprogramm zur Schaffung von 4 000 zusätzlichen überbetrieblichen Ausbildungsplätzen investiert wird. Damit verabschieden wir uns nicht - Herr Hirche, ausdrücklich nicht - von der Priorität der dualen Berufsausbildung. Vielmehr halten wir es mit dem Ministerpräsidenten Koch, CDU, der in diesem

Punkt offensichtlich unserer Meinung ist. Ich zitiere ihn:

„Da nach wie vor nicht genügend normale Lehrstellen zur Verfügung stehen, brauchen wir einen einmaligen Befreiungsschlag, um diesen Ausbildungsstau zu beenden und den Jugendlichen eine Ausbildung und damit eine Perspektive fürs Leben zu geben.“

Wohl wahr!

(David McAllister [CDU]: Lenz zitiert Roland Koch!)

Er sagte weiter:

„Wir schieben in Deutschland eine riesige Welle von Lehrstellen suchenden Jugendlichen vor uns her. Inzwischen sind es Zehntausende, die dringend auf eine Ausbildung warten, Warteschleifen drehen, von einer schulischen Maßnahme zur nächsten geschoben werden und herumjobben.“

Das Zitat geht folgendermaßen weiter:

„Deshalb fordere ich, dass mit 600 Millionen Euro ein kleiner Teil des Überschusses der Bundesagentur für Arbeit in einen solchen einmaligen Befreiungsschlag gesteckt wird.“

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Jüttner klatscht für Koch!)

Meine Damen, meine Herren, ich kann gar nicht besser argumentieren, als Roland Koch es gemacht hat. Wir schließen uns seinem Vorschlag ausdrücklich an. Deswegen bitte ich um Zustimmung nach der Beratung im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. - Frau Präsidentin, ich habe die Bitte, dass auch der Kultusausschuss mitberatend dabei behilflich sein kann, diesen Antrag zum Erfolg zu bringen. - Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt Ernst-August Hoppenbrock das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lenz, Ministerpräsident Koch ist ein sehr kluger Mann. Wenn er erkennt, dass eine seiner Ideen nicht zielführend ist, dann verkündet er sie auf einer Veranstaltung der Gewerkschaften in der Hoffnung, dass die SPD sie aufgreifen und Anträge in Deutschland schreiben werde. So ist es auch hier gewesen, und das ist der Grund, dass wir uns mit diesem Antrag befassen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Darauf wartet die ausbildungsfähige Jugend auch, dass die SPD Anträge schreibt! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Wie hoch war der Witzanteil an Ihrer Bemer- kung? - Gegenruf von Bernd Althus- mann [CDU]: Der Witz ist Ihr Antrag!)

Gleichwohl ist es leider richtig, dass es in Deutschland zu wenige betriebliche Ausbildungsplätze gibt. Das Angebot reicht nicht, um jedem Bewerber und jeder Bewerberin oder jedem Schulabgänger die gewünschte Lehrstelle anzubieten. Doch dafür, Herr Jüttner, gibt es Gründe. Ich kann es Ihnen nicht ersparen: Eine wichtige Ursache dafür ist die desolate Wirtschaftspolitik der abgewählten rot-grünen Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lebhafter Widerspruch bei der SPD)

Diese Wirtschaftspolitik war nämlich hauptsächlich auf große Konzerne und nicht auf kleine und mittlere Unternehmen ausgerichtet. Betriebe, die kein Geld verdienen und ums Überleben kämpfen, bilden nicht aus. Ausgerechnet Handwerker und Mittelständler, die Stützen des dualen Systems, haben besonders unter dieser mittelstandsfeindlichen Politik gelitten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielleicht erinnern Sie sich noch daran - es ist noch gar nicht lange her -, als Tag für Tag, Samstag, Sonntag und Feiertage eingeschlossen, 1 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verlorengingen.