Protocol of the Session on July 13, 2006

de, bei der Vorgeschichte sollten Sie lieber keine Zwischenrufe machen.

(Beifall bei der SPD)

Dieser sich wiederholende Umgang mit behinderten Menschen ist nicht mehr hinnehmbar. Ich hoffe - ich denke, das ist aus den Zwischenrufen von Herrn Thiele zu entnehmen -, dass die Ministerin ihren Zeitplan gleich noch vorstellen wird.

Auf die Regierungsfraktionen brauchen die Behinderten in dieser Frage jedenfalls nicht zu hoffen. Der Gestaltungsspielraum von CDU und FDP ist in der Sozialpolitik gleich Null. Das haben wir gestern bereits bei dem Thema Substitution mit Heroin erlebt und bei dem Thema Landeskrankenhäuser, als sich die Fraktion mit dem Ausschuss im Ausland befand.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das glaubt Ih- nen niemand!)

Das haben wir beim Landesblindengeld erlebt. Das haben wir beim Einknicken hinsichtlich der Vorsorgeuntersuchungen in Kindergärten und Schulen erlebt. Dies setzt sich beim Behindertengleichstellungsgesetz nahtlos fort, meine Damen und Herren.

Unser Gesetzentwurf war angeblich inhaltlich zu schwach. Das mag sein. Sie aber bringen es selbst nach dreieinhalb Jahren immer noch nicht fertig, endlich einen eigenen Entwurf vorzulegen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Warte mal ab!)

Die SPD-Fraktion hatte den alten Gesetzentwurf hier am 23. Februar 2005 konsequenterweise wieder eingebracht, um Ihnen die Arbeit zu erleichtern.

(Zurufe von der CDU)

- Da gab es überhaupt noch kein Bundesgesetz. Sie sollten wirklich wissen, wie die Sachlage ist, wenn Sie hier dazwischen rufen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Anneliese Za- chow [CDU]: Das wünsche ich mir von Ihnen manchmal auch, Herr Schwarz!)

Beides - den Gesetzentwurf und die Entschließung - lassen Sie seit Jahren unbearbeitet liegen. Das ist ein parlamentarisch nicht zu akzeptierender

Vorgang. Unliebsame Initiativen der Opposition gegen Ende der Legislaturperiode durch Nichthandeln zu erledigen und der Diskontinuität zuzuführen, ist zwar unschön, aber noch erträglich. Parlamentsinitiativen fünf Jahre aussitzen zu wollen, zeugt hingegen von einem gestörten Demokratieverständnis und macht Ihre ganze Hilflosigkeit deutlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Das ist ein ganz schöner Hammer!)

- Das ist in der Tat ein ganz schöner Hammer, Herr Böhlke.

Bereits vor drei Jahren, am 19. März 2003, hat Herr Staatssekretär Hofe vor dem Landesbehindertenbeirat erklärt, man sei auf gutem Wege, und lediglich die Verbandsklage und die Barrierefreiheit seien noch strittig. - Vier Monate vorher hatte die CDU hier im Parlament noch erklärt, die Verbandsklage sei als neues Instrument ausdrücklich zu begrüßen.

Ein weiteres Jahr später, im April 2004, hat der gleiche Staatssekretär wiederum vor dem Landesbehindertenbeirat - diesmal schriftlich - erklärt:

„Schon kurze Zeit nach der Regierungsübernahme wurde mit den Arbeiten am Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen begonnen. Inzwischen liege ein entsprechender Entwurf vor, der bereits in weiten Teilen abgestimmt werden konnte.“

Erneut zwei Jahre später, am 20. April 2006, haben die jetzige Sozialministerin und ihre Staatssekretärin - wiederum vor dem Landesbehindertenbeirat - angekündigt, dass die Landesregierung demnächst ein Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderungen vorlegen werde. Inzwischen gebe es einen mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmten Entwurf, der in Kürze vom Kabinett zur Anhörung freigegeben würde.

Meine Damen und Herren, ich fände es ja ganz toll, wenn Sie Ihre Sozialgesetze zukünftig von den kommunalen Spitzenverbänden schreiben ließen. Ich fände es aber noch toller, wenn Sie endlich überhaupt einmal einen Gesetzentwurf vorlegen würden, den Sie auch mit den Betroffenen abgestimmt haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, was bei anderen die jährlichen Neujahrsansprachen sind, sind bei Ihnen seit drei Jahren die jährlich im April wiederkehrenden unverbindlichen gleichen Zustandsbeschreibungen in Sachen Behindertengleichstellung. In Wahrheit haben Sie es bis zum heutigen Tage noch nicht einmal fertig bekommen, einen zwischen den Ressorts abgestimmten Gesetzentwurf zu erarbeiten. Seit faktisch dreieinhalb Jahren tragen Sie die mangelnde Einigungsfähigkeit der Landesregierung auf dem Rücken der Behinderten aus.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie wecken bei diesen Menschen Hoffnungen und vertrösten die Behinderten ständig neu. Dieser Umgang ist nicht nur unerträglich für Behinderte, sondern er ist leider ein unrühmliches Markenzeichen Ihrer Sozialpolitik geworden.

(Norbert Böhlke [CDU]: Das ist dum- mes Zeug!)

- Nein, das ist kein dummes Zeug. Sie wissen auch ganz genau, wie toll alle das gefunden haben, was Sie mit den Blinden und in der Heimerziehung gemacht haben. Das ist in Niedersachsen schon zu einem Markenzeichen geworden.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt in der ganzen Republik keine vergleichbare Landesregierung, die so rumgekürzt hat wie Sie, und zwar immer bei den Schwächsten.

(Beifall bei der SPD - Norbert Böhlke [CDU]: Kennen Sie die einvernehmli- chen Regelungen mit dem Landes- blindenverband? Tut das immer noch weh?)

- Sie glauben doch wohl nicht, dass das, was Sie da ausgehandelt haben, ein tolles Aushängeschild ist. Sie wissen doch genau, warum dieser Kompromiss zustande gekommen ist.

(Norbert Böhlke [CDU]: Eine einver- nehmliche Regelung!)

Es hat doch etwas damit zu tun, dass Sie trotz dieses Kompromisses den Blinden mit Abstand das geringste Blindengeld in der Republik zahlen. Sie haben doch selbst in diesem Bereich gekürzt,

wo Sie nur konnten. Das ist doch kein Kompromiss, auf den man stolz sein kann.

(Norbert Böhlke [CDU]: Eine einver- nehmliche Regelung, die der Opposi- tion nicht gefällt! Das kann ich mir gut vorstellen!)

- Zu der einvernehmlichen Regelung ist zu sagen, dass der Blindenverband bis heute die Klage bzw. das Ansinnen eines Volksbegehrens nicht zurückgezogen hat. Das steht immer noch im Raum. Wir können gern darüber diskutieren.

Meine Damen und Herren, schon im Juni 2004 hatte die frühere sozialpolitische Sprecherin der CDU, Frau Jahns, Frau von der Leyen im Ausschuss gebeten - ich wiederhole: im Juni 2004 -, den Abstimmungsprozess innerhalb der Regierung so schnell wie möglich abzuschließen und den Ausschuss nach der Sommerpause 2004 zu unterrichten, wohlgemerkt: nach der Sommerpause 2004, nicht nach der Sommerpause 2005 oder 2006. Diese Unterrichtung gab es vonseiten der Regierung nicht. Das ist bei einem immer peinlicher werdenden Vorgang verständlich.

Im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen 2006 stellte die damalige Sozialministerin fest, dass die internen Beratungen kurz vor dem Abschluss stünden. In Wirklichkeit lag das gesamte Thema auf Eis, weil erst die Beratungen über die Konnexität abgewartet werden sollten. Zwischenzeitlich ist auch das Thema Konnexität erledigt. Sie können dieses nicht mehr als Grund für Ihre Untätigkeit vorschieben.

Dass Behindertenpolitik bei Ihnen keine Lobby hat, hat sich spätestens nach Ihrem Husarenritt in Sachen Landesblindengeld bundesweit herumgesprochen.

(Beifall bei der SPD)

Ich wiederhole es noch einmal: Den Behinderten ist das noch gut in Erinnerung. Sie wissen genau, dass Ihr Rückzug in Sachen Blindengeld nicht mit neuen Erkenntnissen verbunden war, sondern ausschließlich mit der Angst vor der bevorstehenden Kommunalwahl.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der mehrfache Wortbruch dieser Landesregierung in der Debatte um das Blindengeld ist den Betroffenen auf alle Fälle noch in frischer Erinnerung.

Sie erneuern Ihren Wortbruch gegenüber den behinderten Menschen beim Behindertengleichstellungsgesetz inzwischen jährlich. Sie sind auf dem besten Wege, Ihren letzten sozialpolitischen Kredit zu verspielen.

(Beifall bei der SPD)

Als Opposition könnte uns das freuen. In der Sache ist das, wie ich finde, aber katastrophal.

Die sozialpolitische Sprecherin des Sozialverbandes Niedersachsen, Frau Edda Schliepack, die für die CDU-Fraktion keine Unbekannte ist, stellte dazu Anfang dieses Jahres fest:

„Nun ist der Regierungswechsel drei Jahre her und das Thema Gleichstellungsgesetz wird immer noch von der einen Stelle zur nächsten geschoben. Dieser Vorgang ist nicht hinnehmbar.“

Meine Damen und Herren, Frau Schliepack hat mit dieser Feststellung uneingeschränkt Recht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich fordere die Landesregierung auf, mit diesem unwürdigen Schauspiel endlich Schluss zu machen und den wiederholt versprochenen Gesetzentwurf dem Landtag unverzüglich zur Beratung vorzulegen, und zwar so, dass er definitiv noch in dieser Periode verabschiedet werden kann.