Tagesordnungspunkt 10: Zweite Beratung: Förderung der Baukultur in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2209 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Drs. 15/2989
Ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich für die SPD-Fraktion der Kollege Harden. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Abwicklung der Baukultur“ - das wäre die richtige Überschrift über dem Änderungsantrag von CDU und FDP gewesen. Die Überschrift „Weiterentwicklung der Baukultur in Niedersachsen“ ist nämlich ein Euphemismus. Ihnen geht es nicht um die Förderung der Baukultur, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, sondern Ihnen geht es darum, sich ein missliebig gewordenes Thema vom Halse zu schaffen.
Damit sind wir bei der Verbindung von Baukultur und politischer Kultur, soweit man bei Ihnen davon reden kann.
- Das hat Sie wohl getroffen. - Gut. War nicht ganz so schlimm gemeint, aber in diesem Fall trifft es zu.
Der Umgang der CDU mit dem Thema Baukultur zeigt nämlich beispielhaft auf, wie wenig sich die CDU um das kümmert, was sie vor der Landtagswahl 2003 großspurig verkündet hat. Der Slogan war: ehrlich, mutig, klar. - Aber nichts davon ist wahr.
Im Herbst 2002 - also kurz vor der Landtagswahl brachte die CDU-Fraktion einen Antrag mit dem Titel „Förderung der Baukultur in Niedersachsen“ in den Landtag ein. Er beinhaltete so schöne Forderungen wie ein Aktionsprogramm „Niedersachsen baut auf Kultur“ und die Selbstverpflichtung der Landesregierung zu dem Grundsatz: „Der Staat schützt die kulturelle Überlieferung“. In bester Wulff‘scher Schwülstigkeit heißt es da:
„Die Gestaltung unseres Landes in der Tradition Niedersachsens, die Bewahrung des Landes vor Gleichartigkeit und Gleichförmigkeit und vor Einheitsarchitektur und Zersiedelung ist von herausragender Bedeutung. Planen, Konstruieren und Bauen sind heute mehr denn je Vorgänge, die neben fundiertem technischen Wissen und Können hohe Verantwortung verlangen vor dem Bürger, vor der Umwelt und vor Zeit und Zukunft.“
- Ja, ja, sicher. - Diesen Antrag brachte die CDUFraktion im Dezember 2002 in den Landtag ein. Weniger als drei Jahre später, im September 2005,
hat sich in Sachen Baukultur nichts getan, aber auch gar nichts, in Sachen Bauen übrigens auch nichts. Deshalb bringt die SPD einen Antrag zur Förderung der Baukultur ein, und zwar wortgleich zu dem Antrag, den die CDU hier im Jahr 2002 vorgelegt hat.
- Das brauchten wir nicht. Das kann man ja jetzt übernehmen. - Den haben wir nicht etwa deshalb genommen, weil uns dessen Duktus so gut gefallen hätte, sondern deshalb, weil er doch bedeutende Teile enthielt, die unserer Meinung nach alle im Hause unterschreiben könnten. Uns ging es doch um das Ziel, die Baukultur zu fördern.
Etliche Monate haben die Fachpolitiker an durchaus möglichen Verbesserungen gefeilt, bis die Regierungsfraktionen mit dem vorliegenden Sammelsurium an Versatzstücken herausgekommen sind. Dieses Sammelsurium ist nicht einmal diskussionswürdig. Der erste Absatz macht überhaupt keinen Sinn. Ich lese ihn einmal vor. Da heißt es:
„Niedersachsen verfügt über ein umfangreiches baukulturelles Erbe, anerkannte Planungs- und Umweltstandards und eine hoch entwickelte Infrastruktur. Gerade bei den Veränderungen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist ein innovatives und wettbewerbsfähiges Planungs- und Bauwesen wichtig, ein sichtbares ‚MARKENZEICHEN‘, mit dem die Bürger sich ebenso identifizieren wie die Fachleute des Baugewerbes. So wird Lebensqualität gesteigert und die Attraktivität der Städte und Gemeinden gesichert.“
- Das bringt uns doch nicht voran. Es ist lediglich eine Feststellung. Wir wollen doch etwas machen, um die Baukultur zu fördern. Das macht überhaupt keinen Sinn.
Weiterhin soll der Landtag begrüßen, dass sich das staatliche Baumanagement bereits im Jahr 2001 im Leitbild zur Baukultur bekannt hat. - Ist ja
schön, dass es so ist. Aber ist denn der Antrag, der uns hier vorliegt, im Finanzministerium geschrieben worden? - Das Staatliche Baumanagement kann einer der Akteure sein, aber doch nicht der einzige und der wichtigste Akteur.
Dann folgt in Ihrem Sammelsurium das übliche Bekenntnis zu mittelstandsfreundlichen Vergaben. Schöner wäre natürlich eine aktive Baupolitik anstelle des Stop and Go der letzten Jahre gewesen. Davon hätte der Mittelstand wirklich etwas gehabt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch.
Ja, selbstverständlich, Herr Kollege Harden, bekomme ich von hier oben aus Ruhe rein. Das hängt aber auch vom Grad der Provokation und den Formulierungen ab, sodass man auch selbst ein bisschen zur Ruhe beitragen kann.
Jetzt ist aber Ruhe. Sie haben die volle Aufmerksamkeit. - Herr Kollege Dinkla und Herr Kollege Rolfes, auch Sie hören jetzt zu. - Herr Harden, Sie haben das Wort.
Weiterhin soll der Landtag die Landesregierung bitten, den Dialog mit Kammern und Verbänden zu führen, damit sich diese bitte schön um die Förderung der Baukultur kümmern. Also, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP: In Sachen Baukultur ist das ein schlichter Offenbarungseid. Da werden 2002 die Backen aufgeblasen, nach gewonnener Wahl wohlfeile Gespräche mit den Kammern geführt und Erwartungen geweckt, dann aber folgt lange nichts. Wir konfrontieren Sie mit Ihrem eigenen Antrag aus dem Jahr 2002. Nach Ablauf eines knappen Jahres schreddert die CDU ihren eigenen Antrag aus dem Jahr
2002 und lässt sich mutmaßlich im Finanzministerium etwas zusammenstoppeln, was sie uns als Weiterentwicklung der Baukultur unterschieben will. Wir sind ja einiges an Pfusch gewöhnt, aber das geht nun wirklich zu weit.
Mit Baukultur hat Ihr Änderungsantrag absolut nichts zu tun, mit Debattenkultur auch nicht und mit politischer Kultur ebenfalls herzlich wenig.
Das passt aber zum Umgang von CDU und Landesregierung mit ihren Ankündigungen. Im Wahlprogramm war noch von einer Stärkung der Bauwirtschaft die Rede. Auf Seite 21 ist nachzulesen, dass Sie höhere Mittel für Städtebauförderung und eine Anhebung der Mittel für Wohnungsbauförderung wollten. Außerdem haben Sie die Kürzung der Mittel im Landesstraßenbereich kritisiert. Wohlgemerkt: Sie wollten überall mehr. - Was aber haben Sie gemacht? - 2005: Streichung der Städtebauförderung. 2006: Streichung der Wohnungsbauprogramme, Verzicht auf Bundesmittel beim Stadtumbau West und Kürzung der Mittel für die Landesstraßen um 55 % auf 30 Millionen Euro. Kurz gesagt: Ihnen ist es piepegal, was Sie vor der Wahl versprochen haben. Ihre Regierungsjahre sind mit gebrochenen Versprechen gepflastert. Selbst dort, wo man ein Versprechen - wie bei der Förderung der Baukultur - fast umsonst halten könnte, pfeifen CDU und Ministerpräsident auf ihr eigenes Wort.
Tun Sie sich und uns und damit auch der Bau- und der politischen Kultur einen Gefallen: Ziehen Sie diesen unsäglichen Änderungsantrag zurück, und stimmen Sie wenigstens dem Antrag zu, den Sie bereits 2002 vorgelegt und den wir für Sie 2005 wieder eingebracht haben!
(Zuruf von der CDU: Jetzt spricht end- lich jemand, der Ahnung von der Sa- che hat! - Gegenruf von der SPD: Kleingärtner, sei ruhig dahinten! - Bernd Althusmann [CDU]: Das sind ganz ehrenwerte Menschen!)
- Es wäre schön, wenn immer nur einer hier im Hause sprechen würde. - Herr Kollege Beckmann, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dass wir 2002 einen Antrag gestellt haben, den Sie im Jahre 2005 abgeschrieben und dann unter Ihrem Namen hier noch einmal eingebracht haben. In der Zwischenzeit sind aber vier Jahre vergangen. Sie sind in Ihrem Antrag bei der Förderung der Baukultur stehen geblieben. Wir sprechen in unserer Beschlussempfehlung hingegen von der Weiterentwicklung der Baukultur; denn es ist in der Tat schon einige Zeit ins Land gegangen.
Es ist sicherlich richtig, dass wir alle uns in den Zielen einig sind und dass eine gute Baukultur eine entscheidende Voraussetzung für die Schaffung und für die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt ist. Wir sind uns einig, dass der Verlust von Bauqualität in unseren Städten, aber auch im ländlichen Raum nur durch Unterstützung und Förderung der Baukultur aufgehalten werden kann. Wir sind uns auch einig, dass eine hoch entwickelte Baukultur nur durch gemeinsame Anstrengungen aller, d. h. durch das Engagement von öffentlichen und privaten Bauherren, durch Initiativen von Kammern und Verbänden sowie durch Impulse aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft, erreicht werden kann.