Protocol of the Session on July 11, 2006

Zweitens. Bei grundstücksbezogenen Abgaben wird aus Gründen der Transparenz ein gesetzliches Einsichtsrecht in die Ermittlungsgrundlagen eingeführt. Das ist sehr bürgerfreundlich und trägt dazu bei, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Staat durchaus befördert wird.

Drittens. Im Beitragsrecht wird auch ein Rückzahlungsanspruch für Vorausleistungen begründet. Das ist ebenfalls sehr wichtig, damit der Bürger nicht das Gefühl hat, er gibt das Geld dem Staat und sieht es nie wieder und hat keinerlei Rechtsansprüche. Das ist hier durchaus sehr bürgerfreundlich geklärt.

Die wichtigsten Entscheidungen sind, dass der Fremdenverkehrsbeitrag in Zukunft in anerkannten Erholungsorten für das gesamte Gemeindegebiet erhoben werden kann, wenn dort der Tourismus auch wirtschaftliche Vorteile bietet. Dasselbe gilt vom Grundsatz her in Zukunft auch für den Kurbeitrag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fasse die wichtigsten Punkte dieses Gesetzentwurfes zusammen. Zum einen wird damit den Wünschen der kommunalen Spitzenverbände recht umfänglich gefolgt. Es gibt durchaus - das hat die Anhörung ergeben - Bedenken der Industrie- und Handelskammern. Aber auch die werden wohl noch ausgeräumt werden können.

Ich darf feststellen, dass bei den Benutzungsgebühren für Grundstücke Bürgerinnen und Bürger künftig - das finde ich sehr wichtig - grundsätzlich ein Einsichtsrecht haben. Das schafft auch Vertrauen in staatliches Handeln. Das schafft mehr Kostentransparenz. Selbst bei durchaus etwas vertretbarem Mehraufwand bei der Verwaltung rechtfertigt es dieses Vertrauen in staatliches Handeln, dass wir so verfahren.

Bei Fremdenverkehrsgemeinden können die Gemeinden durch Satzung bestimmen, dass in allen Teilen des Gemeindegebietes ein Fremdenverkehrsbeitrag erhoben wird. Das erscheint zumindest mir als Kompromiss sehr sinnvoll und geeignet. Damit werden die Lasten auf viele Schultern verteilt. In den Tourismusgemeinden haben viele für diese Verbesserung gekämpft.

Ich wünsche mir aber auch - davon bin ich fest überzeugt -, dass gerade vor Ort mit hoher Ver

antwortung und auch mit hohem Augenmaß hinsichtlich der Höhe des Kurbeitrages oder des Fremdenverkehrsbeitrages vorgegangen wird.

Mehr Verantwortung für die Kommunen, meine Damen und Herren, bedeutet Stärkung von Selbstverwaltung. So wird Verantwortung nach unten verlagert. Die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Verantwortung der Gemeindegremien sind hier gefragt. Das ist im besten Sinne bürgerfreundlich.

Daher meinen wir, dass wir nach intensiven Beratungen diesem Gesetzentwurf, wenn es so weit ist, die Zustimmung geben können. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen damit zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport sein, mitberatend die Ausschüsse für Rechts- und Verfassungsfragen sowie für Haushalt und Finanzen. Wer möchte so entscheiden? - Wer ist dagegen? - Dann ist einstimmig so entschieden worden.

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 9: Zweite Beratung: Fahrgastrechte verankern - Kundencharta auch im Nahverkehr - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1609 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 15/2988

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr in der Drucksache 2988 lautet auf Annahme in geänderter Fassung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich erteile Herrn Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Knapp eineinhalb Jahre nach Einbringung unseres Antrages für gesetzlich verankerte Fahrgastrechte auch im Nahverkehr erkennen nun auch CDU und FDP das Problem der Einschränkung von Verbraucherrechten im Bereich Bus und Bahn an. - So zunächst Ihr Bekenntnis im vorliegenden Änderungsvorschlag. Dennoch wollen Sie sich aber weiterhin vor einer Lösung drücken: Sie schieben die nationale und europäische Ebene vor, obwohl bei uns auf Länderebene gehandelt werden könnte und müsste. Der Änderungsvorschlag der Koalitionsfraktionen kann nur als Lippenbekenntnis bezeichnet werden, weil er nichts Konkretes zu bieten hat. Da ist ja selbst die große Koalition in Schleswig-Holstein mit ihrem Modellversuch weiter als Sie in Niedersachsen.

Sie in Niedersachsen wollen bei der Landesaufgabe Nahverkehr auf nationale und europäische Regelungen warten. Beim Kombi-Lohn, wo es wirklich Sinn gemacht hätte, eine bundeseinheitliche Regelung zu vereinbaren, startet aber der Ministerpräsident einen medienwirksamen niedersächsischen Alleingang. Was soll nun gelten?

Die Rechte von Verbrauchern im ÖPNV schieben Sie aufs tote Gleis. Rund 50 % der Bevölkerung haben keinen regelmäßigen Zugang zu einem Pkw; sie sind auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Bei Ausfall, Verspätung oder verpassten Anschlüssen sind die Kundenrechte gegenüber den Verkehrsunternehmen bei uns nicht ausreichend.

Unser Antrag zielt nicht nur auf eine national einheitliche gesetzliche Regelung der Verbraucherrechte der Bus- und Bahnkunden im Fern- und Nahverkehr - das wollen Sie ja letztendlich auch -, sondern wir wollen auch auf Landesebene jetzt handeln und gemeinsam mit den Verkehrsunternehmen und -verbünden eine einheitliche Kundencharta erarbeiten. Das geht, und dazu sind die auch bereit.

(Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Das würde zu einem fairen Wettbewerb führen und die Attraktivität und Qualität des ÖPNV bei uns entscheidend verbessern. Fahrgastrechte sind ein Gewinn für alle - für die Fahrgäste, aber auch für die Unternehmen; denn zufriedene Kunden kommen wieder. Die Erfahrungen anderer europäi

scher Länder haben das belegt: Klar geregelte Fahrgastrechte führen zu einer Steigerung der Pünktlichkeit von Bus und Bahn, ohne die Fahrpreise zu verteuern.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP! Mit dem von CDU und FDP vorgelegten Änderungsvorschlag zeigen Sie einmal mehr, dass Sie den ÖPNV als wichtigen wirtschaftlichen und sozialen Faktor für die gesamte Infrastruktur unseres Landes immer noch nicht ausreichend erkannt und anerkannt haben. Wenn Sie den Umstieg auf Bus und Bahn attraktiver machen wollten, dann würden Sie sich nicht gegen mehr Transparenz und Verbraucherrechte sperren. Dieser Leistungs- und Innovationsmotor ist dort wie im übrigen Wirtschaftsleben dringend nötig, und zwar nicht erst übermorgen, sondern schon heute. Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Will von der SPD-Fraktion hat jetzt das Wort. Bitte schön, Herr Will!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bereits im Januar 2005 vorgelegte Entschließungsantrag befasst sich mit der Sicherung der Fahrgastrechte im Nahverkehr. Obwohl dieser Antrag in der Beratung der Ausschüsse lange geschmort hat, ist er heute nicht weniger aktuell. Die Verkehrsunternehmen fallen bei der Personenbeförderung nach wie vor unter die besonderen Bestimmungen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und des Personenbeförderungsgesetzes. Diese schließen eine Verantwortung der Verkehrsunternehmen für die Folgen einer Verspätung bzw. eines Fahrtausfalls ausdrücklich aus.

Diese Regelungen sind jedoch nicht mehr zeitgemäß. Die Verkehrsunternehmen treten ihren Kunden gegenüber als Wirtschaftsunternehmen auf und sind deshalb auch grundsätzlich haftungsrechtlich mit anderen Unternehmen gleich zu behandeln.

Darauf hat die Bahn selbst reagiert. Denn im Fernverkehr hat der Kunde inzwischen einen Anspruch auf Entschädigung. Seit Ende 2004 gilt die neue Kundencharta der Deutschen Bahn im Fernver

kehr. Kommen ICE oder IC mehr als eine Stunde zu spät ans Ziel, gibt es 20 % des Ticketpreises als Gutschein zurück. Selbst nach Bahnangaben hat sich diese Regelung sehr bewährt. Pro Tag werden ca. 700 Gutscheinkarten ausgegeben.

Meine Damen und Herren, nach unserer Auffassung ist die Kundencharta ein erster wichtiger Schritt. Einen darüber hinausgehenden Regelungsbedarf sieht jedoch auch die Europäische Union. Dort ist eine Regelung bzw. eine Richtlinie in Vorbereitung, die bei Verspätung entsprechende Erstattungen vorsieht. Die Bundesregierung bereitet Entwürfe für nationale Regelungen vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der öffentliche Personennahverkehr ist ein wesentlicher Bestandteil staatlicher Daseinsvorsorge und wird durch Steuergelder entsprechend gestützt. Es ist daher auch notwendig, die Fahrgastrechte entsprechend zu stärken. Bei öffentlich ausgeschriebenen und vergebenen Fahrdienstleistungen verankert der Auftraggeber in den Verträgen Qualitätskriterien der Beförderung. Dabei geht es insbesondere auch um Pünktlichkeit.

Es ist auch in den Beratungen im Wirtschaftsausschuss deutlich geworden, dass in der Vergangenheit bei Verspätungen entsprechende Pönalen von den Verkehrsunternehmen gezahlt werden mussten. Auch das hat zu einer deutlichen Leistungsverbesserung und -steigerung geführt, sodass in den letzten Jahren diese Pönalen nicht angefallen sind. Sie haben sich damit als sinnvoll und richtig erwiesen. Das Gleiche muss gegenüber dem Fahrgast gelten, der seine Fahrkarte bezahlt und - ob beruflich oder privat - auf funktionierende pünktliche Nahverkehrsbeförderung angewiesen ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Änderungsvorschlag der Fraktionen von CDU und FDP bleibt jedoch im Allgemeinen und hat einen starken Appellationscharakter. Darin heißt es u. a.:

„Die Landesregierung wird gebeten, diesen Entscheidungsprozess auf europäischer und nationaler Ebene zu begleiten.“

Das reicht uns nicht aus, zumal viele Verkehrsunternehmen bereits häufig vor Ort die Dinge auf freiwilliger Basis regeln.

Aber auch das größte Verkehrsunternehmen beginnt sich zu bewegen. Ich verweise auf den am

28. Mai begonnenen Modellversuch der Deutschen Bahn AG in Schleswig-Holstein, die Kundencharta des Fernverkehrs auch im Nahverkehr anzuwenden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Gesetzentwurf der Fraktion der Grünen zur Stärkung der Fahrgastrechte ist im April in den Deutschen Bundestag eingebracht worden. Dieser ist zusammen mit dem Bericht der Bundesregierung zur „Qualitätsoffensive im öffentlichen Personenverkehr Verbraucherschutz und Kundenrechte stärken“ zur Grundlage einer tatsächlichen Stärkung der Fahrgastrechte im Nah- und Fernverkehr zu machen. Die Landesregierung ist hier in der Pflicht, sich aktiv in diese Diskussion einzubringen.

Im Anhang dieses Berichtes wird über Fahrgastrechte in ausgewählten europäischen Nachbarstaaten wie Belgien, Dänemark, Frankreich und die Niederlande - um nur einige zu nennen - ausführlich berichtet. Man muss feststellen: Diese Länder sind wesentlich weiter. Was dort möglich und nicht wettbewerbsmindernd ist, muss auch hier bei uns möglich sein.

Schauen wir z. B. in die GVH-Kundengarantien: Der Großraumverkehr Hannover garantiert seinen Fahrgästen bereits seit dem 1. November 2003 eine pünktliche Ankunft und saubere Beförderung.

(Zustimmung von Walter Meinhold [SPD])

Dort heißt es u. a. unter „Pünktlichkeitsgarantie“:

„Sollten Sie als Fahrgast aus Gründen, die das Verkehrsunternehmen zu verantworten hat, um mehr als 20 Minuten später Ihr Ziel erreichen, als der aktuelle Fahrplan... vorgibt, erhalten Sie vom GVH ein entsprechendes Tagesticket zugesandt. Abo-Kunden bekommen den Gegenwert auf ihr Konto überwiesen. In der Zeit von 23 bis 5 Uhr werden die Kosten für eine Taxifahrt bis maximal 20 Euro erstattet.“

Was für den Großraumverkehr Hannover als regionaler Dienstleister möglich ist, muss auch für die großen Verkehrsunternehmen wie die Bahn möglich werden.

(Walter Meinhold [SPD]: Sehr richtig! - Zustimmung von Enno Hagenah [GRÜNE])

Vor diesem Hintergrund werden wir der Empfehlung des Ausschusses nicht folgen und damit den Änderungsvorschlag ablehnen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)