Protocol of the Session on June 22, 2006

Für die SPD-Fraktion hat sich noch einmal Frau Kollegin Merk zu Wort gemeldet. Sie haben noch eine Redezeit von 1:22 Minuten. Bitte schön!

Herr Minister! Erstens. Sie haben das Auswärtige Amt zitiert und gesagt, dass genau kontrolliert werde, vor allem die Rückführung und auch die Wiederaufnahme bei Familien im Einzelfall.

Nun haben wir einen Fall im Petitionsausschuss schon zweimal behandelt. Gestern haben wir den Bericht über die Abschiebung einer schwangeren jungen Frau mit zwei kleinen Kindern bekommen. Wir wissen: Die zwei kleinen Kinder sind im Kongo, über die Frau wissen wir noch nichts. Herr Minister, wenn Ihnen gesagt wird, das Auswärtige Amt kontrolliere all dies über die Botschaft, dann haben wir auch schon die Frage gehabt: Wieso fragt man nicht die Kinder? Ich kann Ihnen nur sagen: Diese Äußerung des Auswärtigen Amts vermag ich angesichts des Falles, über den ich hier im Einzelnen nicht reden kann, weil wir ihn noch im Ausschuss diskutieren, nicht nachzuvollziehen.

Zweitens. Sie sagten, die Kompetenzzuweisung liege beim Bund. Herr Minister, Sie haben diese sechs Monate. Sie können von den sechs Monaten Gebrauch machen. Sie tun es nicht. Meine Damen und Herren, wenn es nicht so traurig wäre, würde ich sagen, dass das ein Treppenwitz ist. Da schicken wir Soldaten in ein Land, das im Chaos versunken ist,

(Zuruf)

- 17 000 Soldaten der Vereinten Nationen stehen insgesamt vor Ort, und wir schicken noch zusätzliche Soldaten, um die Wahlen zu sichern. - Aber wir schaffen es nicht - Herr Minister, ansonsten führen Sie in Berlin das große Wort -, sechs Monate durchzusetzen, um wenigstens diesen Familien mit Kindern eine Chance zu geben. Da begreife ich mein Deutschland leider nicht mehr.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung noch einmal Herr Innenminister Schünemann. Bitte schön!

Frau Merk, Sie waren einmal - -

(David McAllister [CDU] - zur SPD -: Wie redet ihr denn gegen Steinmeier? Das ist doch euer Außenminister! - Gegenruf von Silva Seeler [SPD] - Weitere Zu- und Gegenrufe der bei- den Abgeordneten)

Frau Kollegin Seeler, Herr Kollege McAllister, bitte setzen Sie Ihren Dialog draußen fort. Jetzt spricht der Herr Innenminister Schünemann. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Merk, Sie waren einmal Justizministerin. Deshalb gehe ich davon aus, dass Sie die Rechtslage genau verfolgt und sich auch das neue Zuwanderungsgesetz angesehen haben. Sie haben hier erneut behauptet, dass ich eine Kompetenz habe, in diesem Fall einen Abschiebestopp von sechs

Monaten zu verhängen. Ich stelle hier fest: Dies ist aufgrund des Zuwanderungsgesetzes nicht möglich,

(Zustimmung bei der FDP)

weil klar definiert ist, dass das nur möglich ist, wenn dort plötzliche politische Umstürze stattfinden oder in der Zeit nach Naturkatastrophen beim Bundesamt bzw. beim Auswärtigen Amt noch einmal geprüft werden muss. Das ist die klare Rechtslage.

Sie haben einen Fall angesprochen, auf den Sie nicht näher eingehen wollten. Deshalb kann und will ich es nur vielleicht etwas pauschaliert sagen: Sofort, als wir Hinweise bekommen hatten, hatten wir uns an die zuständigen Stellen gewandt, um genaueste Untersuchungen hierzu vornehmen zu können. Bis zum heutigen Zeitpunkt sind all die Angaben, die leider auch schon in der Zeitung standen - meiner Meinung nach ist es schwierig, wenn man etwas aus einem laufenden Petitionsverfahren in der Presse liest -, nicht bestätigt worden. Alle neuen Informationen, die nachgelegt wurden, sind weitergegeben worden. Auch diese sind bis zum heutigen Zeitpunkt nicht bestätigt worden. Deshalb wäre ich immer vorsichtig, sich auf solche Fälle zu beziehen, die hier auch fast nicht angesprochen werden können.

Ich bitte, nun wirklich darauf zu achten, wer die Zuständigkeit hat. Ich habe aus dem Bericht des Auswärtigen Amtes vorgetragen. Dort hat man über die Botschaften und andere Institutionen die Möglichkeit, sich ein umfassendes Bild zu machen. Diese Möglichkeit habe ich als Landesinnenminister nicht. Insofern gibt es nur die Möglichkeit, dass der Bund hierfür die Kompetenz hat. Der Bund hat diese Kompetenz ausgeübt. Deshalb bitte ich auch, das zur Kenntnis zu nehmen, und nicht zu suggerieren, das hier eine Möglichkeit besteht, obwohl sie rechtlich definitiv nicht besteht.

Herr Minister, gestatten Sie noch eine Frage des Kollegen Meinhold?

Immer!

Herr Kollege Meinhold, bitte schön!

Herr Minister, ich möchte auf den Punkt der Ermessensentscheidung, den Sie angesprochen haben, zurückkommen. Es ist in Deutschland immer wieder vorgekommen, dass Minister durch außergewöhnliche Handlungen Dinge in Bewegung gesetzt haben. Die Frage ist doch ganz einfach: Was könnte Ihnen eigentlich auf der Bundesebene passieren, wenn Sie davon Gebrauch machen würden, weil die Umstände, so wie sie beschrieben worden sind, nicht bestritten worden sind? Ich sehe überhaupt kein Problem darin, wenn ein Innenminister eines deutschen Bundeslandes das hier täte. Ich glaube, Sie würden mit diesem Schritt etwas bewegen. Ich kann nicht nachvollziehen, dass Sie keinen Spielraum haben. Man kann sich durch außergewöhnliche Maßnahmen und Schritte auch Spielraum holen oder gestalten. Warum ziehen Sie sich so eng auf das Gesetz, wie Sie es interpretiert haben, zurück? Nach dem, was ich - auch von Ihnen - gehört habe, ist das für mich nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister!

Herr Meinhold, ich schätze Sie wirklich sehr. Aber wenn ein Parlamentarier ein Mitglied der Landesregierung auffordert, das Gesetz nicht zu beachten und sich darüber hinzusetzen, dann halte ich das, ehrlich gesagt, für etwas schwierig - auch in dieser Frage.

Es ist doch völlig klar, dass man sich beim Zuwanderungskompromiss Gedanken gemacht hat, wo die Zuständigkeiten liegen sollen, wer wirklich als Erster den Überblick gewinnen kann. Da ist es völlig klar, dass die Möglichkeiten nur auf der Bundesebene existieren. Dann wurde klar gemacht, dass es sinnvoll ist, den Länderinnenministern die Karenzzeit von sechs Monaten zu geben, wenn plötzlich etwas passiert, wenn das Bundesamt überhaupt keine Möglichkeit hat, schon intensiv zu prüfen, um in dieser Zeit prüfen zu können. Das liegt aber nicht vor.

Insofern finde ich es zwar ganz interessant, hier aufgefordert zu werden, sich nicht daran zu halten. Aber Sie können nun wirklich von keinem Innenminister verlangen, sich nicht an Recht und Gesetz zu halten. Das wäre für einen Innenminister sicherlich überhaupt nicht akzeptabel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich nunmehr um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Wir sind uns einig: Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 32: Zweite Beratung: Norddeutschlands Rundfunklandschaft stärken - NDR-Staatsvertrag weiterentwickeln - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2720 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien - Drs. 15/2959

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

(Unruhe)

Nun herrscht Ruhe. Für die SPD-Fraktion: Frau Kollegin Wiegel! Ihnen gilt unsere uneingeschränkte Aufmerksamkeit.

Wie schön, Frau Präsidentin! - Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Das Pressegesetz und das Rundfunkgesetz sind Länderrecht. Die Medienpolitik insgesamt ist ein wesentlicher Baustein im Gesamtbau der Länderkompetenzen. Das hört sich erst einmal sehr gut an. Aber sind wir doch einmal ehrlich, Kolleginnen und Kollegen:

Wie sieht es im wirklichen Leben dieses Parlaments aus?

Beispiel 1. Unser Niedersächsisches Pressegesetz ist von anno Tobak, und niemand in der Staatskanzlei oder in der CDU/FDP-Koalition ist daran interessiert, es den heutigen Anforderungen anzupassen.

Beispiel 2. Unser Mediengesetz wurde von Ihnen umgemodelt, damit die Einflussnahme der neuen Mehrheit in der Landesmedienanstalt gestärkt wird.

Beispiel 3. Auch der NDR-Staatsvertrag musste dran glauben, damit sich der Ministerpräsident einen Rundfunkrat nach seinem Gusto zurechtschnitzen kann.

(David McAllister [CDU]: Quatsch!)

Dafür hat er sogar die anderen NDR-Länder unter Druck gesetzt und mit Kündigung gedroht.

(David McAllister [CDU]: Quatsch!)

Diese seine Interessenpolitik wurde mit der Forderung nach „mehr Niedersachsen“ in der Berichterstattung verbrämt.

(David McAllister [CDU]: Ist doch rich- tig!)

Die hat er auch bekommen.

(David McAllister [CDU]: Na also!)

Das war ein großer Auftritt für ein paar Sendeminuten mehr. Wir sagen: Das hätte Herr Wulff auch auf anderem Wege erreicht, wenn dieses Plus an Sendeminuten wirklich sein wichtigstes Ziel gewesen wäre.

(David McAllister [CDU]: Ein Ziel!)

Aber Medienpolitik ist mehr als ein bisschen Landesmedienanstalt und ein bisschen mehr „Herman & Tietjen“. Während man in Brüssel zum wiederholten Male die Gebührenstruktur des gesamten deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunks infrage stellt, gibt sich die CDU-Landtagsfraktion damit zufrieden, den NDR immer ein wenig mehr zu ihrem Haussender zu machen, und scheut auch vor ganz persönlicher Intervention nicht zurück. Da hört dann auch schon das medienpolitische Engagement der Regierungsfraktionen auf.