Protocol of the Session on June 22, 2006

Nach wie vor gilt also die Haftung des anbauenden Landwirtes für den Fall einer Übertragung von gentechnisch verändertem Material auf Nachbarfelder unabhängig vom Verschulden. Das ist die Rechtslage. Das ist Fakt. Minister Seehofer will, dass die Landwirte durch die gute fachliche Praxis der Haftungsgefahr entgehen. Bislang gibt es aber keine verbindliche Definition dafür, was beim Gentechnikanbau unter „guter Praxis“ zu verstehen ist.

Meine Damen und Herren, es darf aber auch nicht dazu kommen, dass der Staat mit Steuergeldern in den Haftungsfonds eintritt und sich der Haftungsverpflichtung unterwirft.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Bundesrepublik Deutschland und in der EU gibt es keinen relevanten Markt für GVO-Pflanzen in Lebensmitteln. Fast alle Verbraucher lehnen diese Lebensmittel ab - Hans-Jürgen Klein hat darauf hingewiesen -; sie werden sie nicht kaufen. Das Landvolk ist skeptisch gegenüber der Gentechnik. Es rät nicht zum Anbau von Genmais. Wir waren kürzlich in der Obstbauversuchsanstalt in Jork. Im Bereich des Obstbaus wird GVO im Obstbau und in den Beerenobstplantagen generell abgelehnt. Die großen Kirchen in Deutschland sind aus ethischen Gründen ebenfalls gegen den Anbau von Genpflanzen.

Es ist auch darauf hingewiesen worden, dass es immer noch keine EU-einheitliche Festlegung von Grenzwerten bei Saatgutverunreinigungen gibt. Diese sind für eine funktionierende Koexistenz mit ökologischem und konventionellem Anbau ohne gentechnisch veränderte Pflanzen aber unabdingbar.

Gentechnik bringt möglicherweise auch Chancen für die Landwirtschaft und für die Ernährung mit sich. Es gibt aber überhaupt noch keine Risikofolgenabschätzungen. In diesem Bereich besteht noch großer Forschungsbedarf. Herr Stünkel, es geht hier nicht um übertriebene Sorgen von Bündnis 90/Die Grünen; es geht in diesem Fall um die Sorgen der Landwirte und der Bevölkerung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der SPD geht es um belastbarere Fakten und Folgeabschätzungen, um dann zu Entscheidungen zu kommen. Wir wollen keine Zukunftstechnologien behindern, wohl aber wollen wir vernünftige Abschätzungen. Die FDP ist in dieser Hinsicht auf einem ganz anderen Wege. Sie fordert und will alles, was machbar ist. Wir sehen das auch bei der Kernenergie. Das Risiko in diesem Bereich kann nicht ausgeschlossen werden, aber jeder, der in diesem Bereich etwas unternehmen oder produzieren will, soll es tun können.

Meine Damen und Herren, es gibt nach wie vor mehr Fragen als Antworten bei dieser Problematik. Es gibt quasi auch keine neuen Argumente. Wir treten auf der Stelle. Das hat Herr Oetjen ja gesagt. Wir werden dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen heute zustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Voraussichtlich letzter Redner ist jetzt Herr Minister Ehlen.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Argumente, die hier in dem Antrag gebracht werden, hören wir in fast jeder Sitzungswoche des Landtages einmal.

(Zuruf von den Grünen: Ihr wollt ja nicht lernen!)

Es ist ja interessant, dass wir uns hier laufend mit den Themen zu befassen haben, die die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ins Spiel bringt. Ich sage Ihnen: Ich kann diesen Argumenten sehr, sehr wenig abgewinnen. Ich meine, auch die Grünen müssten in ihre Argumentation einmal klare Gedanken hineinbringen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wenzel?

Ja, gerne.

Herr Minister, können Sie mir sagen, warum die evangelische Kirche auf ihrem Kirchenland keine gentechnisch veränderten Organismen zulassen will?

Wir haben hier in Deutschland im Moment überhaupt noch keine gentechnisch veränderten Organismen in großem Stil. Die evangelische Kirche ist nicht die Niedersächsische Landesregierung. Sie muss selber wissen, wie sie damit umgeht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege, insofern kann ich Ihnen dazu schlecht etwas sagen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Gibt Ih- nen das aber nicht zu denken, Herr Minister?)

Ich gehe davon aus, wenn wir klare Regelungen hätten, hätten wir - das ist aus den verschiedenen Beiträgen hier auch hervorgegangen - auch klarere Entscheidungen der Landwirte, ob sie mitmachen oder nicht mitmachen. Wir sind im Moment in einer Phase, in der vieles noch schwimmt. Natürlich spielt auch eine Rolle, wie sich die Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen Jahren verhalten hat. Man muss der ehemaligen Bundesregierung leider den Vorwurf machen, dass sie sehr viel Verunsicherung gestreut und nicht gerade dazu beigetragen hat, Klarheit zu schaffen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Ausschuss hat vorgeschlagen, den Antrag abzulehnen. Ich sehe das genauso. Ich meine, Sie versuchen, hier ein Geschäft mit der Angst zu machen. Das glaube ich Ihren Argumenten entnehmen zu können. Ich weiß nicht, warum Sie hier nicht in der Lage sind, klar und nüchtern zu diskutieren. Es ist bei Ihnen ungefähr so, als wären Sie, wenn dieses Thema zur Sprache kommt, immer im

Wahlkampf und als wollten Sie reißerisch etwas an die Frau oder an den Mann bringen.

(Beifall bei der CDU)

Es kann doch wohl nicht angehen, dass man sich hier immer wieder hinreißen lässt, Gegensätze aufzubauen und aufzubauschen. Wir haben den klaren Auftrag der Europäischen Union, letztendlich eine Koexistenz der verschiedenen Anbaumethoden zu ermöglichen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir diese Thematik einmal sachlich angingen. Es ist in der Tat so, dass wir es hier mit einer Materie zu tun haben, bei der wir auch mit Risiken umgehen müssen. Insofern glaube ich, dass wir daran arbeiten müssen, diese Risiken auszuschließen oder sie zu minimieren, so weit es geht. Wegen der großen Bedeutung dieser Thematik, die gerade jetzt auf Bundesebene und auf europäischer Ebene zu erkennen ist, wollen wir hier am Ball bleiben. Wir brauchen dann aber auch Konzepte, die zeigen, wie es letztlich gehen kann und soll. Wir brauchen keine Gesetzgebung der Grünen, die letztendlich alles, aber auch wirklich alles, was sich auf dieser Ebene seitens der Saatgutzucht, seitens der Gesetzgebung in die richtige Richtung, in Richtung der Europäischen Union entwickelt, verhindern wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das ist doch platt, Herr Minister!)

Das Land Niedersachsen hat die meisten Saatgutzüchter. - Lieber Herr Kollege Klein, das ist nicht platt. Unsere Saatgutzüchter erheben eine ganz klare Forderung. Ich bin in letzter Zeit fast jede Woche eingeladen gewesen, mir die Zuchtfelder anzuschauen. Bei den Besuchen war ganz klar die große Angst zu erkennen, dass der große Vorteil, den wir in Niedersachsen haben, weil wir viele Saatzüchter haben, von Ihrer Ideologie weggebürstet werden soll. Dann könnten die Züchter ihre Bücher zuklappen. Das wollen wir nicht.

Wir lehnen den Antrag ab.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat um zusätzliche Redezeit gebeten. Herr Klein, Sie haben für zwei Minuten das Wort.

Herr Minister, Herr Kollege Oetjen, irgendwie scheinen Sie meiner Rede vorhin nicht richtig zugehört zu haben. Erstens muss ich hier sagen, dass wir hier Anträge einbringen müssen, solange Sie sich weigern, eine sachliche Diskussion zu führen. Sie argumentieren hier ständig nach dem Motto „Gentechnik macht schön, reich und glücklich“. Das kann es doch nun wirklich nicht sein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Minister, ich habe Ihnen sechs Punkte genannt. Ich habe nicht die alten Argumente vorgetragen, sondern mich auf neuere Entwicklungen bezogen. Warum sagen Sie nichts zum Bericht über die Technikfolgenabschätzung in der zweiten und dritten Generation? In diesem Bericht steht: Das ist Schrott. Da ist nichts zu erwarten. Alle Entwicklungen im konventionellen Bereich sind erfolgversprechender. Warum sagen Sie nichts zur BUND-Studie? Darin steht, es werde so gut wie keine Arbeitsplätze im Gentechnikbereich geben. Es gibt aber 150 000 Arbeitsplätze im Bereich des Biolandbaus, die Sie in dem Augenblick kaputt machen und beseitigen würden, Herr Minister, in dem Sie versuchen, die Fiktion von Koexistenz in irgendeiner Form umzusetzen. Die Koexistenz ist eine Fiktion, der Sie nachjagen. Spanien zeigte, dass eine solche Koexistenz nicht möglich ist. Auch in Übersee - z. B. in Kanada - können Sie sehen, dass sie nicht möglich ist. Werden Sie also doch endlich einmal realistisch und geben Sie diese Träume auf, damit wir hier endlich eine Wirtschaftspolitik betreiben können, die auf Grundlagen und echten Fakten und nicht auf irgendwelchen Hirngespinsten beruht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen deswegen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit.

Ich möchte mitteilen, dass die Abstimmungsklingel jetzt wieder funktioniert; dafür hakt die Uhr hier wieder einmal ein bisschen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 28: Einzige (abschließende) Beratung: Bedarfsabhängigen Gebäudeenergiepass nicht den Lobbyinteressen der Wohnungswirtschaft opfern - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2853 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 15/2919

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Herr Janßen von Bündnis 90/Die Grünen hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei jeder Waschmaschine und jedem Kühlschrank, bei jedem Küchenmixer erfahren Sie inzwischen, wie viel Energie das Gerät verbraucht. Wenn Sie eine Wohnung mieten oder kaufen wollen, erfahren Sie in dieser Hinsicht bis jetzt aber noch immer nichts. Dabei machen die Kosten für Heizung und Warmwasser den größten Teil der Nebenkosten und den weitaus überwiegenden Teil des Energieverbrauchs im Haushalt aus. Durch die auf europäischer Ebene beschlossene Einführung des Gebäudeenergiepasses besteht die Chance, das zu ändern. Endlich sollen Mieter und Käufer ein Anrecht haben zu erfahren, mit welchen Energiekosten sie zu rechnen haben.

Aber, meine Damen und Herren, die konkrete Ausgestaltung des Gebäudeenergiepasses hat die große Koalition auf Bundesebene leider völlig versemmelt. Der Eigentümer soll beim Gebäudeenergiepass künftig die Wahl haben, ob er bei einem Mieter- oder Eigentümerwechsel einen bedarfsabhängigen, also ingenieurtechnisch berechneten Gebäudeenergiepass vorlegt - also so etwas, was wir zurzeit bei der Waschmaschine als Effizienzklasse haben -, oder aber lediglich einen verbrauchsabhängigen Energiepass erstellen lässt. Dieser verbrauchsabhängige Gebäudeenergiepass sagt jedoch über den objektiven Energiebedarf eines Gebäudes so gut wie nichts aus, weil das Nutzerverhalten eben sehr unterschiedlich ist. Das mag man sich bei der Waschmaschine dann so vorstellen, dass Herr Meier mit 100 kWh pro Monat ausgekommen ist, Frau Was-weiß-ich aber 150 kWh verbraucht hat. Auch das sagt reichlich

wenig aus, weil es von der Nutzung abhängig ist. So ist es auch bei Gebäuden.

Meine Damen und Herren, die Chancen, die der Gebäudeenergiepass bieten würde, werden mit Ihrer Politik weitgehend vertan. Die Bundesminister Tiefensee und Glos sind mit ihren Optionsmöglichkeiten für den verbrauchsabhängigen Energiepass vor den Lobbyisten der großen Wohnungsbauunternehmen eingeknickt, die eine objektive Vergleichbarkeit nicht so gerne haben. Denen geht es eher darum, aus dem Bestand herauszuholen, was herauszuholen ist.

Meine Damen und Herren, diese Politik nutzt vielleicht kurzfristig großen Wohnungsbauunternehmen, die vor allem in Ballungsräumen vertreten sind. Den privaten Eigentümern, die bereit sind, in Energieeinsparung zu investieren, schadet diese Politik ganz massiv. Wenn sie den teureren und genaueren Bedarfspass erstellen lassen, konkurrieren sie am Markt mit den verbrauchsabhängigen Billigpässen, die vorgaukeln, sie hätten die gleiche Qualität. Das schafft Intransparenz und Wettbewerbsnachteile. Da nutzt auch das Gerede von Wahlfreiheit und den Mechanismen des Marktes nichts.

Indem Sie, meine Damen und Herren von CDU, FDP und SPD diese Politik mittragen, schaden Sie den niedersächsischen Interessen ganz massiv. Meine Damen und Herren von der SPD, bei Ihnen bin ich besonders erstaunt darüber, dass Sie unseren Antrag ablehnen. Hören Sie doch einmal auf Ihren ehemaligen Fraktionsvorsitzenden und jetzigen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel! Der verbrauchsorientierte Ansatz sei zur Bewertung der Gesamteffizienz völlig ungeeignet, zitiert die Frankfurter Rundschau am 9. Juni aus einem Brief von Herrn Gabriel an die Bundesminister Glos und Tiefensee. Ihre Position ist unerklärlich.

Meine Damen und Herren, die Einsparung von Energie ist immer noch die beste und effektivste Möglichkeit, das Klima zu schützen und unsere Volkswirtschaft unabhängiger von Energieimporten zu machen. Wer dabei nicht konsequent an den Heizenergieverbrauch herangeht, der wird dieses Ziel verfehlen. Dass Sie in diesem Bereich keinen Schwerpunkt setzen wollen, meine Damen und Herren von der SPD und der CDU, hat bereits Ihr Energiegipfel vom Frühjahr dieses Jahres gezeigt. Auch die FDP ist hier nicht besser aufgestellt. Im Umweltausschuss hat sie bei der Beratung unse