Protocol of the Session on June 21, 2006

Gott sei Dank, so mag mancher in diesen Tagen gedacht haben, wird die Fußballweltmeisterschaft von der FIFA und nicht von der GEW veranstaltet.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Man stelle sich das vor: Wer fröhlich ist, bekommt die rote Karte, wer die Nationalhymne mitsingt, erhält Stadionverbot, und wer am miesepetrigsten gucken kann, gewinnt ein Abendessen mit dem GEW-Vorsitzenden.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wie auch immer, die Funktionäre dieser Gewerkschaft

(Bernd Althusmann [CDU]: Ist Herr Jüttner eigentlich GEW-Mitglied? Herr Jüttner, distanzieren Sie sich davon?)

können offensichtlich eine gute Nachricht innerlich nur deshalb verkraften, weil sie ständig in der sicheren Erwartung leben, dass es schon bald wieder eine schlechte geben wird. Die Behauptung jedenfalls, es handele sich bei dieser Organisation um eine Bildungsgewerkschaft, klingt in Wahrheit wie eine Verballhornung der deutschen Sprache.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Goethe hat einmal gesagt: „Einseitige Bildung ist keine Bildung.“ Der Mann hatte Geist; das kann man nicht bestreiten.

Nun ja, wir sind Gott sei Dank ein freies Land, in welchem man sogar das Lied der Deutschen sowie Schwarzrotgold nicht schön finden muss. Bei einer Organisation allerdings, die sich aus Lehrern zusammensetzt, sollte man jedoch abseits aller Meinungsverschiedenheiten im Einzelnen wenigstens erwarten können, dass sie historisch korrekt argumentiert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, genau daran - lassen Sie mich das an dieser Stelle sagen - machen sich die Sorgen vieler Eltern fest. Sie sind nach diesem Vorgang nämlich nicht mehr sicher, ob ihre Kinder hinter den verschlossenen Klassentüren nicht unzulässig von diesen Leuten indoktriniert werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dieses Lied z. B. in die Nähe der Nationalsozialisten zu rücken, ist - ich sage das mit Klarheit - eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jeder, der sich mit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts historisch ein wenig befasst hat, weiß, dass das Lied von Hoffmann von Fallersleben in die Freiheitstradition der deutschen Geschichte gehört.

(Bernd Althusmann [CDU]: Warum klatscht auf der anderen Seite eigent- lich keiner?)

Erfreulicherweise gab es diese Tradition sowohl 1841, als das Lied geschrieben wurde, als auch am 9. November 1989, als die Berliner Mauer unblutig gestürzt wurde.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auf eine andere Tatsache will ich in diesem Zusammenhang noch verweisen: Die dritte Strophe des Liedes der Deutschen hat Hitler nie singen lassen. Wie sollte er auch! Einigkeit und Recht und Freiheit lagen ihm, wie wir wissen, relativ fern. Er missbrauchte die erste Strophe, die aus guten Gründen eben nicht zu unserer Nationalhymne gehört.

(Bernd Althusmann [CDU]: Mich wun- dert, dass auf der anderen Seite nicht ein Einziger klatscht!)

Wenn wir entsprechend der Logik der GEW künftig auf die Nutzung aller kulturellen Errungenschaften in unserer Geschichte verzichten würden, die von den Nazis bedauerlicherweise vereinnahmt wurden, wäre dies nicht nur ein später Sieg Hitlers; vielmehr bliebe von unserer Kultur herzlich wenig übrig. Denn er hat fast alles missbraucht, was seinen Zielen diente. Bayreuth z. B. müsste man als erstes schließen. Ich möchte nur auf diese Konsequenz hinweisen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, als Demokraten haben wir über alle Parteigrenzen hinweg gelernt, mit den guten und den bösen Epochen unserer Geschichte verantwortungsvoll umzugehen. Das wurde uns übrigens noch vor wenigen Tagen - hier sitzt eine Reihe von Zeugen - während unseres Besuches in Yad Vashem in Jerusalem ausdrücklich bestätigt.

Wir als Demokraten wissen, dass wir immer auf die Grenzziehung zwischen Patriotismus und Nationalismus - das will ich hier betonen - zu achten haben. Nach zwei Weltkriegen und einer gescheiterten Demokratie brauchen wir aber in diesem Zusammenhang keinerlei Nachhilfeunterricht von der GEW, ganz im Gegenteil.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Gansäuer, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.

Es ist aber in jeder Hinsicht völlig unsinnig, uns Deutsche auf Dauer an einem fröhlichen Bekenntnis zu unserem schönen Land, z. B. auch durch das Singen einer der friedlichsten Hymnen der Welt, hindern zu wollen. Auch in anderen Ländern werden die Hymnen übrigens mit großer Freude und Selbstverständlichkeit gesungen.

Die Benotung dieses Vorganges, um es einmal schulisch auszudrücken, kann jedenfalls nur lauten: GEW, setzen! Fünf!

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der CDU und von der FDP: Sechs!)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion Herr Kollege Poppe. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 1990, bei der WM in Italien, sang Gianna Nannini den Hit „Un’Estate Italiana”. - Deutschland wurde Weltmeister. 2006 feiern wir einen deutschen Sommer, ein Vielvölkerfest.

(Bernd Althusmann [CDU]: Und wir werden wieder Weltmeister!)

- Wer Weltmeister wird, wissen wir noch nicht, aber weltmeisterlich gefeiert wird schon jetzt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Hannover war für einen Tag fest in italienischer Hand, in mexikanischer Hand und gestern ganz in polnisch Rot-Weiß gekleidet. Schwarz-Rot-Gold war immer mittendrin, und niemanden hat es gestört. Alle haben sich vertragen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Allen Warnungen zum Trotz sind die Fanmeilen Orte der guten Laune und der Verschwisterung und Verbrüderung, und das ist gut so.

Aber „Halt!” heißt es da plötzlich, da stören doch zwei Zwischenrufer die Idylle, wie die GEW und Professor Walter Jens. Sie treten als Warner und Mahner vor einem neuen Nationalismus auf und fordern eine andere, unbelastete Nationalhymne.

(Zurufe von der CDU)

- Ich habe bewusst alle Texte dabei.

Bei einigen Personen und in vielen Presseorganen haben ihre Äußerungen für große Aufregung gesorgt. Ich will dazu nur Robert Leicht aus der Zeit zitieren: Dies ist eine Scheindebatte mit völlig überzogenen Aufgeregtheiten, und zwar auf beiden Seiten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zunächst zur GEW, und zwar um dies gleich richtig einzuordnen, zu einer Aktion der GEW Hessen, die eine alte Broschüre mit Kritik an der Nationalhymne neu verschickt hat. Um es deutlich zu sagen: Dies ist ein falsches Signal zum falschen Zeitpunkt.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Warum? - Erstens. Die Befürchtung, unsere Jugendlichen würden allen Rattenfängern nachlaufen, ist nach allen aktuellen Eindrücken unangebracht.

Zweitens. Aus Anlass der WM eine Broschüre neu zu verteilen, die in den Zusammenhang der Wiedervereinigungsdiskussion gehörte, ist einfach unpassend.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Drittens. Die Entscheidung für unsere Nationalhymne ist demokratisch gefallen. Ihr Text ist auch im Vergleich zu anderen Hymnen völlig unverdächtig.

(Beifall bei allen Fraktionen - Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Bei aller Vorsicht und aller berechtigten Zurückhaltung im Umgang mit nationalen Symbolen: Einigkeit und Recht und Freiheit darf jeder und jede in Deutschland mit gutem Gewissen besingen.