Protocol of the Session on May 18, 2006

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, seit 1990 sind in der Elbmarsch sage und schreibe 16 Kinder an Leukämie erkrankt. Vier von ihnen sind bisher an Blutkrebs gestorben. Das Leukämiecluster in der Elbmarsch stellt die welthöchste regionale Leukämierate bei Kindern dar. Nirgendwo auf der Welt gibt es eine solche Häufung von Leukämieerkrankungen wie dort an der Elbe. Die Ursache aber ist uns allen bis heute unbekannt.

(Unruhe)

Herr Meihsies, warten Sie einen Augenblick! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss hier leiser werden. Wir können Herrn Meihsies gar nicht verstehen. Ich bitte um Ruhe! Inhaltlich können wir Sie natürlich verstehen.

(Andreas Meihsies [GRÜNE]: Es ist hier einfach ein bisschen anstren- gend! Der Hintergrund tritt geräusch- voll auf!)

- Sie sind jetzt nicht dran, Herr Meihsies!

(Andreas Meihsies [GRÜNE]: Nein!)

Jetzt können Sie fortfahren.

Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin. - Jahrelang forschten Wissenschaftler im Auftrag unserer Landesregierung und der Schleswig-Holsteins nach den Gründen für die unheimliche Leukämieserie, bis heute ohne eindeutiges Ergebnis. Wir sind der Meinung, dass der Auftrag falsch formuliert wurde. Als möglichen Verursacher der Erkrankungen hatten Anwohner und einige Wissenschaftler zunächst das AKW Krümmel in Verdacht. 1984 ging der Reaktor ans Netz, fünf Jahre später wurden die ersten Leukämiefälle bekannt. Vier bis acht Jahre beträgt nach meinem Wissen bei Leukämie die Zeitspanne zwischen Einleitung und Ausbruch einer Erkrankung. Ein Indiz, kein Beweis, wie auch wir Grüne selbstverständlich einräumen.

Auch die immer wieder geäußerten Vermutungen, im Reaktor sei es zu einem größeren Umfall gekommen, lassen sich ebenso wenig beweisen wie die Behauptung, die Betriebsmannschaft des Kraftwerks habe im Schatten der TschernobylKatastrophe große Mengen radioaktiver Gase einfach in die Luft abgelassen. Beides ist aus unserer Sicht falsch. Doch eines ist sicher, meine Damen und Herren: Immer wieder wurden in der Umgebung des AKWs Spuren radioaktiver Substanzen gefunden - das kann man nicht verleugnen -, mal in einem Trinkwasserbrunnen oder an Regenwassermessstellen, mal auf Hausböden, mal in Baumwurzeln.

Über zehn Jahre haben Wissenschaftler, Politiker und Juristen über die Ursachen dieser weltweit einmaligen Häufung von Leukämie bei Kindern gestritten - ohne Ergebnis, ohne Erklärung, ohne dass alles geprüft worden ist.

Die niedersächsische Expertenkommission hat Ende 2004 ihren Abschlussbericht vorgelegt, der nur von zwei Mitgliedern unterzeichnet wurde. Den anderen 16 Mitgliedern wurde keine Gelegenheit zur Kommentierung gegeben - ein sehr ungewöhnlicher Vorgang.

Mit dem Rücktritt von sechs der acht Mitglieder der Expertenkommission, die im Auftrag der schleswigholsteinischen Landesregierung den Ursachen des Leukämieclusters in der Umgebung der Atomanlage nachging, hat dieser Streit auch dort einen wenig erfreulichen Abschluss gefunden. Das muss man einfach so feststellen.

Für den damaligen Kommissionsvorsitzenden, den Kieler Toxikologen Professor Wassermann, versuchen die zuständigen Landesbehörden eine unzulässige radioaktive Kontamination der Umgebung des AKWs Krümmel und des Kernforschungszentrums Geesthacht zu verschleiern. So habe es laut Professor Wassermann bereits während der Arbeit der Kommission wiederholt Behinderungen gegeben. Weder die Staatsanwaltschaft noch das Landeskriminalamt hätten die Untersuchungen in umfassender Weise unterstützt. Auch von der Kommission geforderte engmaschige Messungen und Probenentnahmen im betroffenen Gebiet seien von der Landesregierung abgelehnt worden. Die zurückgetretenen Wissenschaftler sind mittlerweile überzeugt, dass nicht das AKW Krümmel, sondern ein mutmaßlicher Unfall im benachbarten GKSSForschungszentrum zu den Krebserkrankungen geführt haben muss.

2000 und 2001 fanden zwei Wissenschaftler der Arbeitsgemeinschaft physikalische Analytik und Messtechnik aus Gießen bei Untersuchungen im Auftrag der Bürgerinitiative gegen Leukämie, der Herr Harden, unser Kollege aus der SPD-Fraktion, ja auch angehört, Partikel, die stark Alfastrahlen aussandten. Die heißen Teilchen wurden an verschiedenen Stellen gefunden. Ihre Radioaktivität überstieg den normalen Pegel mindestens um das Zehnfache. Man muss sich einmal vorstellen, was dort passiert ist.

Für die ZDF-Dokumentation „Tod an der Elbe“, für die Frau Diekmann verantwortlich zeichnet, und auf Initiative der Bürgerinitiative „Leukämie“ und der internationalen Organisation „Ärzte gegen den Atomkrieg“ wurden seit 2004 erneut Bodenproben genommen. Diese Bodenproben wurden an einer Schule in der Nähe der GKSS gefunden und an einem Denkmal in der Gemeinde Elbmarsch genommen und durch die internationale SacharowUniversität in Minsk analysiert. Die Ergebnisse sind bestürzend, meine Damen und Herren. Die Gegend weist eindeutig eine erhöhte künstliche Radioaktivität auf, darunter Plutonium und Thorium, die - das muss man ganz deutlich sagen - eindeutig weder aus Tschernobyl noch aus dem Fallout der Atombombenversuche der 60er-Jahre stammen können. Das kann man nicht wegdiskutieren.

Auch in den Proben von Dachstaub nahe gelegener Häuser wurde eine erhöhte Konzentration radioaktiver Stoffe nachgewiesen. Bereits zuvor waren in dem Gebiet Spuren von Plutonium und Americium im Dachstaub nachgewiesen worden, die nach den Aussagen zahlreicher anerkannter unabhängiger Experten ebenfalls nichts mit dem Unfall in Tschernobyl zu tun haben. Es sind immer wieder Nebelkerzen geworfen worden. Es wurde behauptet, das hätte etwas mit den Fallouts oder mit Tschernobyl zu tun, das könne man nicht in einen Zusammenhang stellen. In Zusammenhang kann man aber stellen, dass es eine am 12. September 1980 im Kernkraftwerk Krümmel gemessene erhöhte Radioaktivität gab, und diese Radioaktivität wird von zahlreichen Wissenschaftlern in einen Zusammenhang mit einem Vorfall auf dem Gelände der GKSS gebracht.

Meine Damen und Herren, Lügen, Vertuschung, aber auch sehr viele Ungereimtheiten - und was Sie jetzt von mir hören werden, hört sich an wie ein Krimi - führen zu Vermutungen und zu Unsicherheit in der Bevölkerung im Bereich der Elbmarsch. Verschiedene Augenzeugen berichteten von ei

nem Brand auf dem Gelände des benachbarten GKSS-Forschungszentrums. Die örtliche Zeitung meldete für diesen Tag - es war der 12. September 1986 - ein Brandereignis, das nicht näher beschrieben wurde. Eine Augenzeugin erinnert sich an eine Flammensäule und kann Uhrzeit und Ort genau nachvollziehbar einordnen. Auch das wird in dem ZDF-Bericht noch einmal dokumentiert. Mittlerweile haben sich sieben Personen eingefunden, die sich an solche Vorfälle am 12. September 1986 erinnern können.

Eine weitere Notiz der Tageszeitung berichtet von Personen in Strahlenschutzanzügen, die in dem Bereich tätig waren. Bei einer Begehung der Örtlichkeit wird eine größere Stelle im Wald gefunden, auf der es keine alten Bäume gibt. Es finden sich stattdessen verkohlte Stümpfe alter Stämme. Und nach Angaben von Nachbarn - das ist auch sehr interessant - verkauften im Zeitraum 1986 mehrere Angehörige der GKSS ihre Häuser und Grundstücke im Bereich Grünhof, also dort, wo die GKSS angesiedelt ist, und zogen einfach weg. Ich finde das schon sehr interessant.

Auf Nachfragen zu dem Feuer, das ich gerade beschrieben habe, erteilen die Behörden nicht zutreffende Auskünfte und stützen sich dabei auf die Aussage des Kreisbrandmeisters der Gemeinde Elbmarsch. Der allerdings verneint und sagt, er hätte sich dazu nicht geäußert. Im Archiv der Feuerwehr ist kurze Zeit nach Einrichtung der Untersuchungskommission ein Feuer ausgebrochen und hat ausgerechnet den Ordner mit den Aufzeichnungen aus dieser Zeit vernichtet. Ein merkwürdiger Zufall, meine Damen und Herren.

Verschiedene Stationen der Umgebungsüberwachung verzeichnen auffällige Erhöhungen radioaktiver Werte. Behördliche Erklärungen, wie die Steilkurven auf den Messschreibern zustande gekommen sind, erweisen sich als nicht belastbar. Der Papierstreifen, einer von vielen Papierstreifen eines Messgerätes, ist erkennbar manipuliert. Eine andere Messstation in der Nähe der fraglichen Stelle wurde aus technischen Gründen merkwürdigerweise abgebaut.

Meine Damen und Herren, die Landesaufsichtsbehörde in Schleswig-Holstein erklärte, dass sich das natürlich vorkommende radioaktive Edelgas Radon, das aus dem Erdboden und natürlich bodennah austritt, an diesem Tage durch eine Inversionswetterlage in der Umgebung des Kernkraftwerkes in Bodennähe angereichert hat. Und dann

wurde dieses Radon seltsamerweise in 44 m Höhe gemessen. Selbst einem Laien kann niemand erklären, wie so etwas zustande kommen soll, wie sich bodennahes Radon, das man normalerweise auch im Keller antrifft, gegebenenfalls noch in anderen bodennahen Bereichen, in 44 m Höhe so angereichert haben soll. Es müsste eine riesige Wand von Radon gewesen sein, die die gesamte Umgebung belastet hat. Es ist ein großes Fragezeichen hinter diese Aussagen zu setzen.

Meine Damen und Herren, wir beantragen, dass die Aktivitäten zur Ursachenforschung weiterbetrieben bzw. neu aufgenommen werden. Wir bitten Sie mit unserem Antrag um Unterstützung für eine neue Kommission, die sich mit Experten zusammensetzt, die einen klaren Auftrag bekommen und nicht an den Ursachen vorbei forschen sollen. Die Kommission soll einen klaren, präzisen Auftrag für die Ursachenforschung bekommen, nämlich die Kügelchen, die gefunden worden sind, durch verschiedene Institute analysieren zu lassen bzw. weitere Bodenproben in diesem Bereich zu nehmen.

Die Menschen in der Elbmarsch sind verunsichert. Das Land Niedersachsen ist in der Fürsorgepflicht für diese Menschen und für die Kinder, die bislang von Krankheiten betroffen worden sind. Wir können weitere Ungereimtheiten in diesem Bereich nicht zulassen. Wir wollen Aufklärung. Wir fordern Sie auf: Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr! Unterstützen Sie den Antrag der Grünen! Lassen Sie uns für Sicherheit in diesem Bereich sorgen! Lassen Sie uns die Ursachen konkret erforschen! Wir müssen uns auf den Weg machen; das ist unsere Aufgabe. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion nimmt Herr Böhlke zu dem Antrag Stellung.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen trägt die Überschrift „Leukämiefälle in der Elbmarsch müssen geklärt werden - Bürgerinnen und Bürger in der Elbmarsch nicht allein lassen“. Ich halte diese Überschrift für

sehr missverständlich; denn es könnte durchaus der Eindruck entstehen, dass in der Vergangenheit nicht ausreichend viel unternommen wurde, um eine Klärung herbeizuführen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das stimmt ja auch!)

Aufgrund der sehr ungewöhnlichen Häufung von Leukämieerkrankungen haben die Niedersächsische und die Schleswig-Holsteinische Landesregierung bereits zu Beginn der 90er-Jahre wissenschaftliche Fachkommissionen zur Aufklärung der Ursachen für Leukämieerkrankungen einberufen. Diese Kommissionen haben ein umfangreiches Untersuchungs- und Messprogramm unter besonderer Berücksichtigung strahlungsabhängiger biologischer, infektiologischer und umwelttoxikologischer Erkenntnisse durchgeführt. Bekanntlich wurde im Rahmen der norddeutschen Leukämie- und Lymphomstudie, abgekürzt NLL, mit drei Hauptthesen in diesem Bereich untersucht, und die Wissenschaftler kamen zu dem Ergebnis, dass bei keiner der untersuchten Leukämie- und Lymphdrüsenkrebserkrankungen ein signifikant höheres Risiko für die Exposition gegenüber radioaktiven Belastungen aus norddeutschen Kernkraftwerken im Normalbetrieb festzustellen ist, dass Erwachsene, die Insektizide und Holzschutzmittel in ihren privaten Haushalten einsetzen, ein erhöhtes Leukämie- und Lymphomrisiko haben und dass bezüglich der Belastungen durch elektromagnetische Felder von Hochspannungsleitungen keine einheitlichen Befunde für Männer und Frauen zu ermitteln waren.

Weitergehende Untersuchungen erschienen angesichts der anhaltenden Erkrankungsvorkommnisse notwendig. Das Kieler Kabinett hat im Jahre 2004 einer vertiefenden Auswertung der NLL-Daten zugestimmt. Die Ergebnisse liegen vor. Die Analysen ergaben keine neuen Erkenntnisse, sondern sie bestätigten das Ergebnis.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Unabhängig von der jeweiligen Zusammensetzung der Landesregierung - ob nun rot oder rot-grün oder schwarz - machen diese auch in der Öffentlichkeit über zwölf Jahre hinweg bewerteten wissenschaftlichen Ergebnisse, die übrigens nicht immer einheitlich waren, sondern mit Mehrheitsund Minderheitsmeinungen von Kommissionsmitgliedern erarbeitet wurden, deutlich, dass eine

überzeugende unstrittige wissenschaftliche Antwort trotz hoher fachlicher und im Übrigen finanzieller Einbringung nicht herbeigeführt werden konnte.

Das Deutsche Kinderkrebsregister in Mainz hat im Februar 2006 erneut darauf hingewiesen, dass erneut registrierte Leukämieerkrankungsfälle bei Kindern in der Samtgemeinde Elbmarsch und auch in der Stadt Geesthacht zu verzeichnen waren, und hat zugesagt, dass die Überprüfung, ob mittlerweile international neue Methoden existieren, mit denen die Erforschung von Ursachen von Leukämie auch schon im Kindesalter weiter vorangetrieben werden kann, mit Hochdruck durchgeführt wird. Ein Ergebnis, ob neue Untersuchungsmethoden möglich sein werden, wird es voraussichtlich im Frühherbst 2006 geben.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Deutsche Krebsregister mit der Durchführung einer epidemiologischen Studie beauftragt wurde. Sie beschäftigt sich mit der Frage, ob die Nähe des Wohnortes zu einem westdeutschen Kernkraftwerk ein Risikofaktor für das Entstehen von Krebserkrankungen im Kindesalter ist. Ergebnisse dieser Studie sollen Ende des Jahres vorliegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, meine Ausführungen machen bereits deutlich, dass mit Hochdruck - in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart - an einem Klärungsergebnis gearbeitet wird. Damit will ich deutlich machen, die Bürgerinnen und Bürger in der Elbmarsch werden nicht allein gelassen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass sich auch der Landkreis Harburg und der Kreistag des Landkreises intensiv mit der Thematik befassen und bereits Initiative ergriffen haben und sich, nicht zuletzt auch aufgrund der Anträge der Kollegen Kreistagsabgeordneten aus der Elbmarsch, stetig mit der aktuellen Situation inhaltlich auseinander setzen.

Während der jüngsten Kreistagssitzung am 31. März 2006 beschloss der Kreistag einstimmig, also auch mit den Stimmen der Grünen, nachdem die Verwaltung umfangreich informiert hatte, die gegenwärtig noch laufenden Untersuchungen abzuwarten und anschließend - voraussichtlich im Herbst - die Bürgerinnen und Bürger in der Elbmarsch im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung über den aktuellen Sachstand zu informieren.

Dabei unterstützt der Kreistag die Verwaltung dabei, dem Kinderkrebsregister bei der Suche nach weiteren Methoden der Ursachenforschung hilfreich zur Seite zu stehen. Die Kreisverwaltung wurde darüber hinaus aufgefordert, mit den zuständigen Behörden weiter nach Möglichkeiten der Aufklärung zu suchen, der Frage nachzugehen, ob es bei einer wissenschaftlich soliden Arbeitsgrundlage - das ist ganz wichtig - Sinn macht, eine Untersuchungskommission wieder tätig werden zu lassen.

Ich will damit sagen, meine Damen und Herren - der Kollege Meihsies hat darauf hingewiesen und das wie einen Krimi vorgetragen hat -, es gab zwischenzeitlich natürlich auch staatsanwaltschaftliche Untersuchungen. So, wie das hier vorgetragen wurde, auch so, wie der Bericht im Fernsehen dargestellt wurde, denke ich, ist auch die Staatsanwaltschaft gefordert, den Dingen nachzugehen. Ich hoffe, dass hier etwas mehr Erkenntnisse zum Tragen kommen, die zumindest die Unsicherheit der Bevölkerung beenden. Die damaligen Beauftragungen der Staatsanwaltschaft haben zumindest dazu geführt, dass die Angelegenheit niedergeschlagen wurde.

Vor diesem Hintergrund, denke ich, ist es schon sehr wichtig, dass man sich darüber im Klaren ist, dass wir auf der einen Seite als Politiker sehr wohl einen Auftrag haben, den wir sehr ernst zu nehmen haben. Wir haben im Ausschuss darüber in der nächsten Sitzung, wenn die Thematik auf der Agenda steht, nachzudenken und zu erarbeiten, ob es sich bei den Erkenntnissen, die hier vorgetragen wurden, tatsächlich um seriöse neue Erkenntnisse handelt oder ob lediglich Ansätze bereits zu früheren Zeitpunkten ausgewerteter Sachverhalte oder Bewertungen neu gewichtet und daraus neue Rückschlüsse gezogen werden sollen, die bisher nicht mehrheitsfähig in der Expertenkommission beraten bzw. beschieden wurden.

Meine Damen und Herren, die Erkrankung und der Tod der Betroffenen und die Unsicherheit und die Sorgen der Menschen in dieser Region verpflichten uns, unserer Verantwortung und unseren Aufgaben gerecht zu werden. Aber, meine Damen und Herren, es ist eben nicht nur eine politische Entscheidung zu treffen, sondern es ist auch eine wissenschaftliche Arbeitsleistung einzufordern. Es ist gegebenenfalls auch eine juristische Auseinandersetzung herbeizuführen, die durch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen eingeleitet werden könnte. Denn bekanntlich, wie gesagt, gab es ja in

der Vergangenheit bereits entsprechende Aktivitäten, die niedergeschlagen wurden.

Wir von der CDU-Fraktion werden uns im Ausschuss mit diesen Fragen bei der Beratung des Antrages sehr intensiv auseinander setzen und bei aller emotionaler Berührung die Sach- und Fachkunde entsprechend einsetzen. Ziel muss es sein, wenn es möglich ist, eine verlässliche Risikoabschätzung bzw. Erarbeitung der Risikominimierung realistischerweise zu erzielen. Ganz in diesem Sinne werden wir unsere Ausschussarbeit an diesem Antrag ausrichten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat sich nun der Kollege Harden gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Land Deutschland ist vieles möglich, z. B. die rechtswidrige Bespitzelung von Journalisten durch den BND über zehn Jahre lang unter drei verschiedenen Regierungen, von unterschiedlichsten Parteien getragen. Frei von Schuld kann sich also keiner sprechen, der einer der Parteien angehört, die hier im Landtag vertreten sind.

Hätte ich an dieser Stelle vor elf Jahren behauptet, die Ursache der Serie kindlicher Leukämieerkrankungen in Geesthacht und meiner Heimatgemeinde Elbmarsch sei ein durch die Atomaufsicht in Schleswig-Holstein verschwiegener kerntechnischer Unfall, man hätte bezüglich meines Geisteszustandes erhebliche Zweifel angemeldet. Genau diese These ist in einer ZDF-Dokumentation am 2. April 2006 belegt worden.

Es gibt eine Vorgeschichte, davon ist schon gesprochen worden. Seit 15 Jahren versucht die Bürgerinitiative gegen Leukämie in der Elbmarsch, die Ursachen dieser weltweit einzigartigen Häufung frühkindlicher Leukämien zu ergründen. Untersuchungskommissionen wurden in diesem Lande und in Schleswig-Holstein übergreifend eingesetzt. Die schleswig-holsteinische Kommission hat nach zwölf Jahren entnervt aufgegeben. Die in Niedersachsen hat die Arbeit beendet. Ich muss sagen, es gibt durchaus Unterschiede, wie man die Wissenschaftler behandelt hat. Man hat sich über