Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind also nicht allein niedersächsische Phänomene, über die wir uns hier unterhalten. Auch der Bundesinnenminister ist besorgt. Innenminister Schäuble schreibt: Noch mehr Neonazis schlagen zu. Ich bin sehr besorgt. Wir müssen also auf jeden Fall mehr gegen Rechtsradikalismus unternehmen.
Es ist eine Schande, wenn Menschen in Deutschland allein wegen ihrer Hautfarbe Angst haben müssen, und es ist skandalös, wenn wir weiterhin jüdische Einrichtungen in Niedersachsen unter Polizeischutz stellen müssen, weil diese Einrichtungen eben nicht unbehelligt bleiben.
Solange Minderheiten in unserem Land nicht angstfrei und gleichberechtigt leben können, so lange dürfen wir in unserem Kampf und bei unseren Bemühungen gegen den menschenfeindlichen Rechtsextremismus nicht nachlassen. Wir müssen dies gemeinsam tun, und zwar sowohl im Bund als auch im Land und in den Kommunen. Es ist nicht hilfreich, wenn man sich in dieser Debatte die Verantwortung gegenseitig zuschiebt. Es muss vielmehr eine Verantwortungspartnerschaft geben. Laut dem niedersächsischen Verfassungsschutzbericht hat die Anzahl rechtsextremer Straftaten deutlich zugenommen. Dabei geht es eben nicht nur um Propagandadelikte - diese wären schon schlimm genug -, sondern es geht auch um Bedrohung, Einschüchterung und massive Gewaltanwendung. Niedersachsen weist in dieser Hinsicht leider eine ganz traurige Bilanz auf. In der Bilanz steht Niedersachsen bei Gewaltdelikten seit langen Jahren im Bundesvergleich immer weit oben auf der Liste. In diesem Bereich müssen wir folglich mehr tun.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist insbesondere die verfassungsfeindliche, rassistische und antisemitische NPD, die in Niedersachsen weiterhin einen sehr starken Zulauf hat. Der Zulauf ist deutlich. Er hat im Vergleich zum letzten Jahr um über 10 % zugenommen. Wir haben es weiterhin mit der Problematik zu tun, dass es gewalttätige Kameradschaften gibt, die sich in unterschiedlichen Regionen vernetzen und eine sehr strategisch ausgerichtete Jugendarbeit betreiben. Ich will hier eines sehr deutlich sagen. Ich sage ausdrücklich nicht, dass die Landesregierung den Rechtsextremismus in irgendeiner Art und Weise bagatellisiert oder verharmlost. Nein, dem ist nicht so. Es gibt einige vernünftige Ansätze, so z. B. den Präventionstag, der in diesem Jahr unter einem Leitmotto gegen den Rechtsextremismus stand. Es gibt eine Ausstellung des Landesamtes für Verfassungsschutz, die sich mit diesem Phänomen beschäftigt. Es gibt auch die Institution „Aussteigerhilfe Rechts“, die beim MI angedockt ist. Man muss aber sagen, wenn die Zahl der Straftaten und das Gewaltaufkommen trotzdem massiv steigen, reicht das, was die Landesregierung in diesem Bereich tut, eben nicht.
Ich weiß, dass man dies hier im Landtag auf Ihrer Seite nicht besonders gern hört. Sie müssen den Menschen immer wieder einmal erklären, wie Sie in Zeiten von schwärendem Rechtsradikalismus, in Zeiten von Globalisierungsängsten, in Zeiten von Politapathie eine politische Bildungseinrichtung schließen konnten. Das bleibt völlig schleierhaft.
Ich will ein Zweites sagen. Es reicht auch nicht, wenn man versucht, den Verfassungsschutz quasi als Bildungseinrichtung umzufunktionalisieren, wenn man hier also quasi eine Metamorphose erreichen will. Herr Innenminister, ich weiß nicht, welche Antwort Sie Schülerinnen und Schülern geben wollen, wenn gefragt wird, warum es mit dem NPD-Verbotsverfahren nicht geklappt hat. Wenn die Verfassungsschützer in den Schulen auftreten und gefragt werden, warum die NPD in der Bundesrepublik nicht verboten ist, und dann gesagt werden muss, leider habe man diese Partei so stark unterlaufen und unterwandert, dass das Verbotsverfahren gescheitert ist, so ist das wenig glaubwürdig.
Lieber Herr Innenminister, insgesamt stehen die deutschen Geheimdienste momentan sehr unter Beschuss. Ich weiß nicht, ob es glaubwürdig ist, wenn die deutschen Geheimdienste, die mehrfach die Verfassung gebrochen haben und momentan schwere Attacken auf die Pressefreiheit reiten, sich so darstellen, als wollten sie die Verfassung retten und auch bildungspolitisch gegen den Rechtsradikalismus aktiv werden. Ich finde, das ist wenig glaubwürdig.
Der Verfassungsschutz kann eben nicht Erziehungsinstitution der Nation sein. Das passt einfach nicht zusammen. In die deutschen Geheimdienste kann man gegenwärtig nur wenig Vertrauen haben. Der BND bricht eben selbst die Verfassung. Sie kennen die Debatte darüber. Ich weiß nicht ganz genau, ob es hilfreich ist, wenn man immer nur auf Repression setzt.
Wir fordern in unserem Antrag jedenfalls ein unabhängiges Bildungsinstitut gegen Rechtsextremismus und Gewalt. Das Institut soll in unseren Augen Schulung und Fortbildung gegen rechtsextremistisches Gedankengut für die Kommunen, Behörden und Unternehmen anbieten und Multiplikatoren ausbilden. Es soll Ansprechpartner und Schnittstelle im Kampf gegen rechtsextremistisches Gedankengut sein. Es ist uns wichtig, dass der Kampf gegen diese menschenverachtende Ideologie kein politisches Konjunkturthema ist. Wenn bei der Bilanzierung im Verfassungsschutzbericht festgestellt wird, dass das Gewaltaufkommen wieder etwas gestiegen ist und es mehr Probleme in der Fläche gibt, reicht es nicht aus, einfach ein paar Verfassungsschützer mehr einzustellen. Wir haben es hier mit einer politischen Daueraufgabe zu tun und brauchen folglich eine langfristige Absicherung.
Ich will hier Folgendes deutlich sagen, weil wahrscheinlich gleich wieder das Argument zu hören sein wird: Aha, die Grünen fordern wieder ein weiteres Institut. Wie wollen wir das bezahlen? Die Grünen versuchen quasi auf verstecktem Wege, die Landeszentrale für politische Bildung zu reanimieren. - Nein, das ist ausdrücklich nicht so. Es gibt ja sehr gute niedersächsische Institutionen, die sich im Kampf gegen rechtsextremistisches Gedankengut stark machen. Diese Institutionen befinden sich im Moment aber in einer sehr labilen Phase. Sie sind eben nicht langfristig abgesichert. Es gibt das große Problem, dass der Bund zwar jahrelang eine Anschubförderung betrieben hat und sehr gute Programme aufgelegt hat, wobei er auch immer gesagt hat, die Länder müssten diese Programme verstetigen, sonst bringe es nichts - es gebe eben eine Verantwortungspartnerschaft zwischen Bund, Ländern und Kommunen -, diese Verantwortungspartnerschaft aber nicht praktiziert wird. Verschiedene Initiativen in Niedersachsen befinden sich momentan in einer seiner prekären Situation. Wir fordern mit unserem Antrag eigentlich nichts anderes als dass die Sicherheit gegeben ist, dass diese Institutionen auch langfristig weiterarbeiten können.
Die Landesregierung braucht also keine neuen Organisationen zu gründen, sondern sie soll sich nur dafür verantwortlich zeigen, dass gute Initiativen in Niedersachsen weiterarbeiten können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Rechtsextremismus ist eben keine Randerscheinung und auch keine saisonale Erscheinung, die man gelassen aussitzen kann. Der Rechtsextremismus - ich glaube, darüber herrscht Einigkeit - ist eine gefährliche, sich strukturell verfestigende und sehr menschenfeindliche Ideologie. Deshalb müssen auch unsere Antworten darauf langfristig, hartnäckig und dauerhaft angelegt sein. - Ich bedanke mich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt in diesem Lande tatsächlich nichts zu beschönigen, und im Grunde genommen ist es angesichts der bitteren Erfahrungen, die wir gemacht haben, für die deutsche Gesellschaft fast skandalös, dass der Rechtsextremismus immer wieder auf fruchtbaren Boden fällt und dass diese böse Saat leider immer wieder aufgeht. Ich will allerdings hinzufügen: In allen Städten, in denen die Nazis Demonstrationen veranstaltet haben, haben sich sehr schnell große Bürgerbündnisse gebildet, die mit ihrer vielfach höheren Zahl von Mitstreitern klargemacht haben, wofür sie stehen und was sie radikal ablehnen.
Das verdient von unserer Seite, die wir hier im Landtag Politik machen, deshalb große Anerkennung, weil die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus eine sein muss - und auch eine ist -, die die Gesellschaft insgesamt führen muss.
Herr Kollege Briese hat es schon gesagt: Es gibt keinen Grund zu sagen, dass die Regierung hier nichts täte. Man kann aber fragen: Muss man an bestimmten Stellen nicht noch mehr tun?
In dem Zusammenhang ist die Frage nach der Schließung der Landeszentrale für politische Bildung schon eine wichtige. Denn wenn man ein
solches Institut aufhebt, dann mag man dafür zwar Gründe haben, aber dann muss dafür auch eine Alternative her. Eine solche Alternative ist aber nicht erkennbar.
Die Schulen - das, Herr Schünemann, richtet sich mehr an Herrn Kultusminister Busemann - müssen gute und aktuelle Materialien bereithalten, die auch überzeugen.
Aber wovon wollen wir eigentlich überzeugen? Meines Erachtens müssen wir deutlich machen, dass die Demokratie außerordentlich attraktiv ist, dass sie das Gesellschaftssystem ist, das uns gegen jede Form von Gewaltanwendung, Missachtung und Unterdrückung immun macht.
Die Frage ist: Leben wir das Element der Demokratie genügend vor? - Ich sage Ihnen in aller Klarheit: In dem Bereich haben wir Handlungsbedarf, aber nicht im Sinne der schlichten Auseinandersetzung gegen Rechts, sondern im Sinne des Werbens für Demokratie. Sorgen wir dafür, dass der demokratische Gedanke z. B. in unseren Schulen nachhaltig verankert wird! Sorgen wir dafür, dass junge Menschen merken, dass sich Mitsprache, Mitreden lohnt und dass dabei auch etwas herauskommt.
Genauso gilt es klarzumachen, dass diese Gesellschaft eine aktive Mitbestimmung in den Betrieben, ein starkes Betriebsverfassungsgesetz braucht, damit die Menschen mitreden und dadurch gegen eventuelle Parolen eines „starken Mannes“ oder einer wie auch immer gearteten Führungsperson immun gemacht werden und erkennen, dass man so einen nicht braucht.
Aber wir haben uns auch noch um mehr zu kümmern. Bevor man sich für rechtsextremistische Ideen begeistert, erliegt man häufig so genannten rechtsextremistischen Orientierungen. Rechtsextremistische Orientierungen basieren im Wesentlichen auf dem Prinzip der Ungleichheit: Es gibt eben die „wertvollere Rasse“ oder - im Verhältnis zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen - die „wertvolleren Menschen“. Es gibt auch das „wertvollere Geschlecht“, nämlich den Mann.
Unser Motto muss sein, schon in frühester Kindheit zu zeigen, dass es keinen Unterschied macht, welchem Geschlecht, welcher Rasse, welcher Hautfarbe und welchem Kulturkreis man angehört, und dass es keinen Unterschied zwischen Men
Auf diesem Feld haben wir noch eine Menge zu tun. Das will ich Ihnen an einem Beispiel deutlich machen - jetzt wende ich mich an den Kultusminister -: Warum erlauben wir es uns eigentlich noch, auf Dauer Menschen mit Behinderungen in den Sonderschulen - jetzt heißen sie „Förderschulen“ - zu beschulen?
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ursula Körtner [CDU]: Jetzt kommt wieder der alte Meinhold heraus!)
Warum gehören sie eigentlich nicht zu uns? - Allein dass wir es uns in dieser Gesellschaft, einer demokratischen Gesellschaft, erlauben, hier Unterscheidungen vorzunehmen - „wir hier und die dort“ -, leitet unsere Orientierung in die falsche Richtung. Ich sage: Alle Menschen sollen gefördert werden, und wir können an unseren Schulen auch alle zusammen fördern.
Wir müssen den Mut haben, an bestimmten Stellen deutlicher zu machen, was für uns Demokratie ist, was Gerechtigkeit ist, was Toleranz ist und was Mitmenschlichkeit ist. Alle diese Elemente müssen mehr gelebt werden.
Hier sehe ich nicht nur Regierung, sondern auch die Parteien und das Parlament in seiner Gesamtheit in der Verantwortung. Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir uns insgesamt viel mehr anstrengen, als wir es bisher getan haben.
Allerdings will ich vor einer naiven Einschätzung warnen: Ich glaube, es wird uns nicht gelingen - wohl nur im Paradies -,
zu verhindern, dass es in unserer Gesellschaft immer wieder Menschen gibt, die rechtsextremen Neigungen nicht nur gedanklich folgen, sondern sie auch in die Tat umsetzen. Deshalb ist für uns als Demokraten auch eines klar: Es gibt keine Entschuldigung für jemanden, der der Meinung ist, er hätte aufgrund von Erlebnissen in seiner Vergangenheit das Recht, einen anderen niederzuschlagen oder zu quälen. Da müssen wir den kla
Wir können nur hoffen, dass die Bevölkerung insgesamt noch wachsamer als bisher ist. Wir können nur hoffen, dass rechtsextremistische Parteien bei Wahlen keine Zustimmung finden - dafür gibt es im Übrigen gute Anzeichen -, und wir könne nur hoffen - daran müssen wir arbeiten, und dafür sind die Grundlagen gut gelegt -, dass demokratische Parteien, auf welcher Seite dieses Hauses sie auch sitzen mögen, immer wieder die Mehrheit finden.
Der Kampf gegen Rechts, der Blick nach Rechts kann nicht hell und wachsam genug sein. Wir müssen nach wie vor wissen: Die Demokratie ist an dieser Stelle immer gefährdet.