Wir wollen eine starke, leistungs- und wettbewerbsfähige Landwirtschaft in Deutschland. Wir wollen sie nicht knebeln und fesseln durch ein
Unmaß an Bürokratie. Deshalb haben wir, CDU und FDP, diesen ambitionierten Antrag auf den Weg gebracht, angespornt von den Erfolgen der Niedersächsischen Landesregierung, die sich den Bürokratieabbau auf die Fahnen geschrieben und bereits ein Drittel aller Vorschriften abgeschafft hat.
Dazu zählen auch die Reformen der Agrarverwaltung und der staatlichen Forstwirtschaft. Im Bereich der Landwirtschaft müssen jetzt vergleichbare Erfolge zum Abbau der Überregulierung auch auf Bundesebene erzielt werden. Wir wissen: Unser Entschließungsantrag ist in seiner Zielsetzung mutig und ehrgeizig. Er beinhaltet auch ein hohes Maß an bürokratischer Selbstdisziplin in der Landespolitik bei der Umsetzung von EU-Verordnungen.
Das Drohpotenzial der so genannten EU-Anlastungen muss auf in der Praxis nachvollziehbare Kriterien reduziert werden. Unser Antrag soll aber auch die Landes- und die Bundesregierung ermutigen, die längst überbordende EU-Bürokratie zu minimieren. Bei der Umsetzung der EU-Agrarreform sind viele Auflagen einzuhalten, wie z. B. die so genannten Cross-Compliance-Verpflichtungen. Dieses System verknüpft die EU-Direktzahlungen an die Landwirte mit der Einhaltung von 19 EU-Verordnungen. Diese so genannten Überkreuzverpflichtungen führen bei Nichteinhaltung einzelner Vorschriften zu einer Ahndung bis hin zu Bußgeldern und zu Kürzungen bei den Direktzahlungen. Dies ist in der Schwere der Auswirkungen für die Betriebe unverhältnismäßig und widerspricht allen bisherigen nationalen ordnungspolitischen Vorgehensweisen.
Natürlich sind die Landwirte bereit, sich den Kontrollen zu unterziehen. Doch der Aufwand für Cross-Compliance- und Fachrechtskontrollen ist auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Sie müssen EU-weit vergleichbar sein. Um einen Kontrolltourismus auf den Betrieben zu verhindern, sollten zukünftig vorhandene Daten aus anerkannten Qualitätssicherungssystemen und Tierdatenbanken sowie aus weiteren vergleichbaren behördlichen Erhebungen mehrfach Verwendung finden. Das gilt vor allem auch für die Agrarstatistik und für die Agrarstrukturerhebungen, über die wir bereits
Der Automatismus, durch den bereits bei kleinen Abweichungen von den Vorschriften Prämienkürzungen vorgenommen werden, muss durch eine Neuregelung der Sanktionsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ermöglichung von Nachbesserungen bei Verstößen gegen Cross-ComplianceVorschriften abgelöst werden;
denn dass Ausgleichszahlungen gekürzt werden, weil bei einem Rind die zweite Ohrmarke fehlt, obwohl das Tier anhand der vorhandenen Ohrmarke einwandfrei identifiziert werden kann, ist heute keinem Landwirt mehr zu vermitteln.
Der Grundsatz von Treu und Glauben als fester Bestandteil unseres juristischen Alltags wird hier aufs Ärgste verletzt. Offensichtliche Irrtümer der Antragsteller dürfen in der Antragskontrolle nicht als ein vorsätzliches Handeln zum Nachteil der Landwirte ausgelegt werden.
Im Bereich des Baurechtes muss eine Verkürzung der Dauer von Baugenehmigungsverfahren erreicht werden, da eine lange Dauer von Verfahren zunehmend investitionswillige Landwirte belastet und die Verfahrenskosten erhöht. Spötter behaupten: Während ein Grieche bereits die ersten Mastschweine aus dem neuen Stall abliefern kann, feiert der Niederländer gerade Richtfest, und der Deutsche erhält seinen ersten Bescheid über die Bauvoranfrage.
(Beifall bei der CDU - Karin Stief- Kreihe [SPD]: Das ist aber eine Sache der Kommunen! Ist das bei euch so?)
Generell ist das Antragswesen auf eine optionale, zeitgemäße EDV-Bearbeitung umzustellen, um durch den Wegfall der Antragstellung in Papierform eine schnelle und effektive Bearbeitung zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren, die Aufgabe des Bürokratieabbaus besteht darin, Standards in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Naturschutz sowie Tierschutz besser handhabbar zu machen und Verwaltungsverfahren ohne Mehrkosten zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Es geht uns nicht darum, notwendige Anträge, Auflagen und Kontrollen abzuschaffen. Für Erzeuger von Lebensmitteln, die mit den natürlichen Lebensgrundlagen Wasser, Boden und Luft arbeiten, muss es gesetzliche Vorgaben und Kontrollen geben. Aber wir wehren uns gegen den Anspruch des Staates, alles bis ins kleinste Detail per Ordnungsrecht regeln zu wollen, was den unternehmerischen Spielraum der Landwirte immer weiter einengt und sie die Lust am Wirtschaften verlieren lässt, meine Damen und Herren.
Wir wollen nicht ein Weniger bei den Standards im Tier-, Verbraucher- und Umweltschutz, sondern wir wollen ein Weniger an die Wettbewerbsfähigkeit einschränkenden Regelungen und Gängelungen. Wir wollen ein Mehr an unternehmerischer Freiheit, und wir wollen ein Mehr an unternehmerischer Zuversicht im Hinblick auf den europäischen Wettbewerb.
Dazu gehört eine grundsätzliche 1 : 1-Umsetzung der EU-Richtlinien. Dort, wo Praxis und Wissenschaft unter Zustimmung der Landvolkverbände und des Tierschutzes sich auf weitergehende Standards verständigt haben, sind Abweichungen von möglicherweise überalterten EU-Richtlinien akzeptabel - aber nur dort.
Die Folgen der Politik des nationalen Draufsattelns ist, dass Betriebe aus Deutschland abwandern, sich der Strukturwandel beschleunigt und sich die Verbraucher mit niedrigen Schutzstandards bei Importen zufrieden geben müssen. Das ist keine Verbraucher- und Tierschutzpolitik, wie wir sie uns vorstellen.
In unserem Antrag gehen wir speziell auf die 1 : 1Umsetzung von EU-Vorschriften, beispielsweise zum Immissionsschutz und zur EU-Pflanzenschutzrichtlinie, ein. Hier gibt es nach unserer Meinung Handlungsbedarf.
Trotz aller Begeisterung, meine Damen und Herren: Wir dürfen uns keinerlei Illusionen hingeben. Wir können in wenigen Wochen nicht das beseitigen, was in Jahren vorher entstanden ist. Bürokratieabbau muss als Dauerprozess gesehen werden, da man die langjährig gewachsene Widerstands
Wernher von Braun, ein deutsch-amerikanischer Raumfahrttechniker, hat einmal gesagt: Wir können die Schwerkraft überwinden, aber der Papierkram erdrückt uns. - Um ähnliche Erfolge wie bei der Überwindung der Schwerkraft zu erzielen, meine Damen und Herren, sollte neben einer spürbaren Vereinfachung bestehender Regelungen ein weiterer Schwerpunkt auf die Vermeidung der Bürokratie gelegt werden. Dazu bedarf es eines Umdenkens aufseiten der Politik, der Verwaltung und der Wirtschaftsbeteiligten. Wo es möglich ist, sollte auf gesetzgeberische Maßnahmen verzichtet und auf private und freiwillige Initiativen der Wirtschaft gesetzt werden.
Gängelungen, ständige Ermahnungen und nicht nachvollziehbarer Bürokratismus ersticken innovative Entwicklungen von unternehmerisch denkenden Landwirten im Keim.
Meine Damen und Herren, Bürokratieabbau heißt nicht, dass wir künftig in der Landwirtschaft ohne Schreibtischarbeit und Kontrollen auskommen. Das Ende der erträglichen Regulierungswut ist aber erreicht. Wir müssen den deutschen Landwirten die Luft und den Raum für eine freie unternehmerische Entfaltung geben. Landwirte dürfen nicht zu Antragswirten werden. Die Feder, aus der die Bürokratie entspringt, darf nicht zur Lanze gegen die Gesellschaft und erst Recht nicht zur Lanze gegen die Landwirtschaft werden. - Danke schön.
Meine Damen und Herren, bevor ich Herrn Johannßen von der SPD-Fraktion das Wort erteile, gebe ich Ihnen bekannt, dass die Fraktionen übereingekommen sind, zu den Tagesordnungspunkten 28 und 31 ohne Aussprache abzustimmen und den Tagesordnungspunkt 32 direkt in die Ausschüsse zu überweisen. - Herr Johannßen, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Biestmann hat eine flammende Rede zu dem Antrag „Bürokratieabbau in der Landwirtschaft“
gehalten. Diese Rede hätten Sie natürlich für alle Gebiete halten können. Bürokratie ist ein Problem nicht nur für die Landwirte,
sondern für alle Bereiche. Auch von anderen Wirtschaftszweigen und Institutionen wird dieses Übel beklagt. Wenn es aber an die Konkretisierung geht, stellen sich häufig Probleme ein.
Ihr Antrag basiert jedoch auf der Initiative „Bürokratieabbau jetzt“, die der Deutsche Bauernverband gemeinsam mit dem Bund Deutscher Landjugend und dem Deutschen Landfrauenverband gestartet hat. Diese Initiative ist als ein Bottom-upProzess initiiert worden; es werden Vorschläge von den Betrieben gesammelt, die bis zum 30. April Fragebögen ausgefüllt und bei den Bauernverbänden abgegeben haben sollten.
- Das ist sicherlich so. Sie haben gut abgeschrieben, Herr Biestmann. Sie und Ihre Fraktion sind wieder auf einen fahrenden Zug aufgesprungen.
Der Deutsche Bauernverband wird die Vorschläge, die von den Landwirten und von den Betrieben gekommen sind, in einem so genannten Schwarzbuch zusammenfassen, das an die EU-Kommission, an die Bundesregierung und an die Landesregierungen gehen soll. Die Übergabe dieses Schwarzbuches an unsere Bundeskanzlerin Frau Dr. Merkel soll am 26. Juni 2006 auf der DBVMitgliederversammlung in Magdeburg erfolgen.
Sie, Herr Biestmann, schießen praktisch in diese Kampagne hinein. Während diese Kampagne läuft und überhaupt noch keine Auswirkung zeigen kann, kommen Sie mit Ihren allgemeinen und diffusen Vorschlägen.
- Nein, sie sind nicht konkret, sondern sagen nur, wir müssten die Bürokratie in vielen Bereichen beibehalten, aber in anderen Bereichen auch für die Beschleunigung von Verfahren sorgen.