Wie empfindlich und verunsichert die Bürger sind, haben wir erlebt, als die Energiepreise erst bei Benzin und später bei Gas gestiegen sind. Über die Abhängigkeit haben wir in diesem Hause ja in den letzten Sitzungen immer wieder gesprochen. Wenn wir heute darüber reden, dass wir wieder mehr Wettbewerb brauchen, ist festzustellen - das ist einfach ein Fakt -, dass der Wettbewerb im Augenblick nicht vorhanden ist, und zwar in Deutschland nicht und auch in Europa nicht. Man kann Frau Merkel nur Recht geben und ihr die Unterstützung der Bundesregierung dabei wünschen, wenn sie auf dem Energiegipfel dafür eintritt, dass der Wettbewerb auf europäischer Ebene wiederhergestellt wird.
(Zustimmung bei der CDU - Klaus- Peter Dehde [SPD]: Fangen Sie doch mal mit Niedersachsen an! Sie haben doch hier die Strompreisaufsicht!)
Wettbewerb kann aber nur wiederhergestellt werden, wenn man die unterschiedlichen Energieformen ideologiefrei behandelt.
Es hilft auch wenig, hier immer mit einem Angstszenario zu arbeiten. Herr Schack, Sie haben das ja vorzüglich gestaltet. Ich vermute, Sie waren an dem Abend auch bei „Fleisch und Wurst“, als es darum ging, die Wirkungen des Meeresspiegelanstieges hier in Hannover zu beschreiben. Wenn der Meeresspiegel jährlich um 25 cm ansteigt, wäre das Ergebnis, dass Hannover in wenigen Jahren am Meer liegen würde.
Erst auf eine Kurzintervention des Finanzministers hin, der gesagt hat, Hildesheim würde dann am Meer liegen und der Kronsberg wäre dann eine hannoversche Insel, ist jemandem aufgefallen, dass man mit solchen Berechnungen relativ wenig machen kann.
Meine Damen und Herren, wir werden weiterhin die notwendige Forschung betreiben. Gerade wir in Niedersachsen haben im Bereich der erneuerbaren Energien alle Möglichkeiten, unseren ländlichen Raum zu stärken. Wir müssen aber erst dafür sorgen, dass sich die erneuerbaren Energien am Markt rechnen.
Wir müssen in Deutschland auch zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht auf einer Insel leben. Wir müssen also auch die Bestrebungen in anderen Ländern - sei es in den Niederlanden oder in Finnland - mit betrachten. Wir werden nachher in einer Debatte noch auf die Ukraine zu sprechen kommen. Auch dort haben wir meines Erachtens Unterstützung zu leisten.
Allerdings sage ich zu den erneuerbaren Energie jetzt noch eines: Herr Kollege Dehde, es wäre sehr schön, wenn Sie bei Ihrem Bundesumweltminister dafür sorgen würden, dass dann, wenn wir die Nutzung der erneuerbaren Energien und die Offshorenutzung weiter vorantreiben wollen, auch die Länderinteressen entsprechend berücksichtigt werden.
Wenn der erste Energiegipfel vorbei ist, muss der zweite danach schnellstmöglich stattfinden, damit diese Fragen gemeinsam mit den Bundesländern besprochen werden können. Wir hoffen, dass der Energiegipfel ein Anfang ist, um eine Wende im Denken herbeizuführen. Uns muss bewusst werden, wie wichtig es ist, die Anforderungen an die Wirtschaft zu erfüllen, die Energiepreise für die Verbraucher bezahlbar zu machen und insbesondere einen Beitrag für mehr Arbeitsplätze in unserem Land zu leisten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich plädiere sehr dafür, dieses Thema nicht als reines Umweltthema bzw. als reines Wirtschaftsthema zu betrachten, sondern als Zukunftsthema. Wir müssen uns nicht nur mit der Thematik von 80 Millionen Deutschen und 5 Millionen Arbeitslosen, sondern auch mit der Entwicklung der Weltbevölkerung befassen, die auf 10 Milliarden Menschen zugeht.
Meine Damen und Herren, in China ist beschlossen worden, dass 40 neue Kernkraftwerke gebaut werden. Indien wird 30 bauen. In Südafrika sind 25
in der Planung. Die EU versucht, eine Entwicklung voranzutreiben, bei der endlich alle Technologien ihren Platz haben, nämlich die erneuerbaren Technologien, die CO2-armen Kohlekraftwerke, die Gastechnologie und die Kernenergie, meine Damen und Herren.
Überall werden neue Entwicklungen gestartet: Finnland, Estland, und jetzt gibt es auch die Diskussion in den Niederlanden. Meine Damen und Herren, nach meiner festen Überzeugung werden wir auf dem Weg der Entwicklung in Richtung erneuerbare Energien die preiswürdige Kernenergie und die Kohle brauchen. Das ist auch die Überzeugung aller, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigen und insbesondere an Arbeitsplätzen interessiert sind.
Die Position der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, die sich im Arbeitnehmerlager intensiv mit dem Thema beschäftigt, geht genau in diese Richtung.
Meine Damen und Herren, wenn man den Korridor für Lohnanteile für Beschäftigte in Deutschland wieder vergrößern will, dann muss man sich unbedingt damit auseinander setzen, dass die anderen Faktoren, nämlich die Rohstoffe, die eingesetzt werden, nicht künstlich verteuert werden dürfen. Das geht nämlich zulasten der Beschäftigen.
Wenn wir bei Verhüttungsprozessen, wenn wir in der Chemie einen sehr hohen Energieeinsatz haben, dann werden die Produkte in Deutschland unnötig teurer als die Produkte unserer europäischen Mitkonkurrenten, und wir verlieren Arbeitsplätze. Das heißt, wer sich gegen einen offenen Energiemix stellt, der betreibt eine Vernichtung von Arbeitsplätzen in Deutschland. Das lassen wir nicht durchgehen!
Deswegen ist die EU seit den 80er-Jahren - ich bekenne das für mich genauso - für eine Förderung der erneuerbaren Energien. Das haben CDU und FDP in Niedersachsen zuerst auf den Weg gebracht.
Herr Minister, einen Moment, bitte! - Meine Damen und Herren, bitte seien Sie etwas ruhiger! - So, Herr Minister, jetzt können Sie weiterreden.
Entschuldigen Sie bitte, ich tue Buße. Aber bitte verstehen Sie: Ich habe mich mit diesem Thema auch im Bundestag in der Enquete-Kommission beschäftigt. Da kann einem der Gaul schon mal durchgehen. Ich bin davon überzeugt, dass wir dieses Thema in Deutschland viel zu klein kariert bezogen auf Niedersachsen oder Deutschland diskutieren.
Energie ist ein Thema, das die Welt betrifft. Es ist ja nicht politische Willkür, wenn in anderen Ländern Entscheidungen anders getroffen werden als in Deutschland, wenn die Bevölkerung in anderen Ländern dies anders beurteilt, als es bei uns der Fall ist. Man kann das selbstverständlich anders entscheiden. Ich möchte aber nicht, dass wir in Deutschland weiter freiwillig Technologien hergeben, die andere Länder weiterentwickeln, und dass bei uns die Arbeitslosigkeit übrig bleibt. Das dürfen wir nicht tun.
Das war so beim Faxgerät; dieses Beispiel führen alle gerne an. Das war so beim Transrapid. Das ist so mit der Fusionstechnologie, bei der die letzte Bundesregierung zugelassen hat, dass diese Technologie nach Frankreich geht und dort weiterentwickelt wird. Wenn umweltpolitische Gründe eine Rolle spielen würden, meine Damen und Herren, dann müsste man sagen: Entwicklungen in Frankreich betreffen Deutschland genauso wie Entwicklungen in Deutschland.
- Und dann ruft Herr Dehde auch noch „Ja“. - Ich muss Ihnen sagen: Wenn das so wäre, dann hätte der Umweltminister Trittin von den Grünen oder der Umweltminister Gabriel von der SPD diese Kernkraftwerke sofort stilllegen müssen.
Das ist ein Vorwurf an früher oder jetzt verantwortliche Minister der Bundesregierung - Trittin von den Grünen oder Gabriel von der SPD -, den die Opposition in Berlin noch nicht erhoben hat. Aber es bleibt der SPD vorbehalten - in diesem Fall ist es die SPD -, diesen Vorwurf zu erheben. Ich bin sehr gespannt darauf, welchen Schluss Herr Gabriel daraus ziehen wird. Meine Damen und Herren, so dürfen wir mit Sachverhalten nicht umgehen, nur weil es uns so in den Kram passt.
Herr Kollege Schack, wir haben doch in den 80erJahren gemeinsam für die Einführung erneuerbarer Technologien im Lande Niedersachsen gekämpft - gemeinsam, auch wenn Sie damals in der Opposition waren. Wir haben die Windenergie auf den Weg gebracht, das Wachsen von ENERCON und anderer Technologien ermöglicht. Lassen Sie doch davon ab, das eine gegen das andere auszuspielen!
Wir brauchen alle Varianten, wir brauchen alle Technologien, wenn wir in Deutschland das Soziale stärker in den Vordergrund heben wollen. In Wirklichkeit ist Ihre Überzeichnung, die Sie hier betreiben, ein Angriff auf das soziale Element in der Bundesrepublik Deutschland. Das lassen wir nicht mit uns machen.
Meine Damen und Herren, ich rufe die dritte Wortmeldung der Landesregierung auf. Herr Minister Stratmann, Sie haben das Wort.
(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wir wol- len jetzt gerne alle Minister dazu an- hören! - Dorothea Steiner [GRÜNE]: Herr Busemann soll auch noch re- den!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die Energiepolitik zunehmend auch eine forschungspolitische Komponente hat, möchte ich mich dazu äußern.
Ich hoffe sehr - ich richte meine Äußerungen vor allem an die Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion -, dass wir zumindest in diesem Punkt einen Konsens erzielen können. Ich stelle ganz bewusst, um nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, die folgende Bemerkung voran: Man kann über die Nutzung der Kernenergie sehr unterschiedliche Auffassungen haben. Jeder hat das Recht, dazu unterschiedliche Auffassungen zu haben.
Herr Kollege Hirche und ich werden relativ häufig mit Meinungen beispielsweise ausländischer Politiker oder auch Wissenschaftler konfrontiert. Ich bin immer sehr stolz darauf, zu hören, dass Niedersachsen in Fragen der Energiepolitik und insbesondere in Fragen der Energieforschung eine unglaublich hohe Reputation in der Welt genießt. Darauf können wir sehr stolz sein. Wir sollten gemeinsam daran mitwirken, dass das so bleibt.