Protocol of the Session on March 24, 2006

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Eines will ich an dieser Stelle noch ganz deutlich sagen: Ich habe es für einen großen Fehler der Energieversorger gehalten, dass sie dem so genannten Atomausstieg zugestimmt haben. Sie haben bei dieser Entscheidung das Wohl ihrer Kunden nicht im Blick gehabt.

(Andreas Meihsies [GRÜNE]: Das war eine gute Entscheidung!)

Von daher ist es auch ein Fehler der neuen Bundesregierung, dieses Thema beim Energiegipfel am 3. April auszuklammern. FDP und CDU hier im Landtag fordern mit Nachdruck, dass wir uns die Option der friedlichen Nutzung der Kernenergie offen halten müssen. Das, meine Damen und Herren, muss ein Thema beim Energiegipfel in Berlin sein.

(Beifall bei der FDP)

Es stellt sich nämlich nicht die Frage, ob wir erneuerbare Energien oder die Kernenergie haben wollen; denn wir werden beides brauchen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Anneliese Zachow [CDU]: Genauso ist es!)

Genauso wie die erneuerbare Energie muss aber auch die Kernenergie die Möglichkeit haben, sich weiter zu entwickeln. Dazu zählt auch die Forschung im Bereich der Kernfusion. Das ist eben schon angesprochen worden. Wir dürfen solche Chancen für eine sehr effiziente Energienutzung nicht einfach an uns vorbeiziehen lassen. Dass

Sicherheit dabei an allererster Stelle steht, ist selbstverständlich. Gerade weil wir in Deutschland in diesem Bereich noch führend in der Sicherheitstechnik sind, dürfen wir diese Technologie nicht einfach verbieten. Das ist eine schlichte Frage von Verantwortung.

(Beifall bei der FDP)

Man muss nur einmal zu unseren europäischen Nachbarn schauen. Dort wird das deutsche Vorgehen einfach nur noch mit einem Kopfschütteln begleitet und quittiert. Es gibt einen netten Spruch, den ich Ihnen an dieser Stelle einmal kundtun möchte. Er lautet: Atomkraftgegner überwintern bei Dunkelheit mit kaltem Hintern. - Meiner Meinung nach bringt dieser Spruch das Problem auf den Punkt.

(Andreas Meihsies [GRÜNE]: Düm- mer kann es ja wohl wirklich nicht mehr sein!)

Es geht also nicht um ein Entweder-oder. Die wirtschaftliche Nutzung der erneuerbaren Energien ist schon deshalb ein Gebot, weil die fossilen Träger endlich sind. Die Verbrennung von Gas und Öl ist auch deshalb nicht zukunftsfähig, weil wir Gas und Öl für die Herstellung von Produkten brauchen. Wir dürfen diese Stoffe nicht einfach nur verheizen. Es bringt aber auch nichts, die Probleme, die die wetterabhängigen erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne haben, einfach totzuschweigen. Ohne zuverlässige und vor allem wirtschaftliche Speichertechnologien wird es in Zukunft nicht mehr gehen.

Die jetzige Strategie, den Strom sofort und vorrangig ins Netz einzuspeisen, ist sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich irrsinnig. Durch die vorrangige Einspeisung der Windenergie haben wir schon heute in Niedersachsen erhebliche Probleme.

(Beifall bei der FDP)

Im Rahmen der notwendigen Erneuerung des deutschen Kraftwerkparks wird Niedersachsen bei den jetzigen Rahmenbedingungen leider den Kürzeren ziehen. Dieses Problem dürfen wir nicht unterschätzen.

(Unruhe)

Herr Abgeordneter, einen Augenblick! - Meine Damen und Herren, jetzt kann jeder dem Redner zuhören.

Wir haben in Niedersachsen eine Reihe von energieintensiven Unternehmen, die von bezahlbarem Strom aus Kraftwerken abhängig sind. Erste Auswirkungen haben wir in Stade bereits bemerkt. Es geht hier sehr konkret, meine Damen und Herren von der Opposition, um Arbeitsplätze in Niedersachsen, die durch Gesetze wie das ErneuerbareEnergien-Gesetz mit seinem Vorrang für die Windenergie gefährdet werden.

(Andreas Meihsies [GRÜNE]: Nein, gut gefördert!)

Ob Sie es wollen oder nicht, dafür tragen Sie die Verantwortung aus Ihrer Regierungszeit.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Da Sie, meine Damen und Herren von der SPD, dieses Problem immer wieder bestreiten, werde ich gleich aus einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 17. März zitieren, das mit dem Chef eines Unternehmens geführt worden ist, das relativ unverdächtig ist, der FDP besonders nahe zu stehen. Michael Feist, seines Zeichens Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Hannover AG, hat auf die Frage, warum Mehrum bei Peine nicht als Standort für ein neues Kraftwerk in Frage komme, neben anderen Gründen folgenden wirtschaftlichen Grund unterstrichen:

„Zum anderen macht uns im Norden die Windenergie zu schaffen. Aufgrund der Gesetzeslage dürfen Windkraftanlagen ihren Strom mit Vorrang ins Netz einspeisen. Wenn also der Wind kräftig bläst, müssen die Kraftwerksbetreiber ihre Anlagen herunterfahren. Das verringert die Auslastung eines Kraftwerks um bis zum 20 %.“

Ich teile diese Einschätzung von Herrn Feist ausdrücklich. Er hat sich im Übrigen leider für einen Standort in Hessen entschieden. Es stellt sich die Frage, ob die SPD das auch tut. Ich meine nicht, sich für einen Standort in Hessen zu entscheiden;

da wären wir doch ein bisschen traurig. Mir geht es darum, ob die SPD die Einschätzung von Herrn Feist teilt. Immerhin ist Ihr Kollege Walter Meinhold - ich weiß nicht, ob er im Moment im Saal ist - Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Hannover AG. In Richtung der SPD kann ich nur sagen: Hören Sie auf die Worte von Herrn Feist!

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Wir wissen also, dass uns das EEG massive Probleme bereitet. Vor allem leisten wir uns in Deutschland den Luxus, gleich zwei Instrumente parallel einzusetzen. Wir haben den Emissionshandel auf Basis des Kyoto-Protokolls, der eine bestimmte Menge an CO2-Emissionen einschließlich des Strombereichs festlegt. Daneben haben wir das EEG, das die Netzbetreiber zwingt, den Strom aus erneuerbaren Energien zu einem bestimmten Preis abzunehmen und einzuspeisen. Die Wahrheit ist: Durch das EEG wird in der Summe kein einziges Gramm an CO2 eingespart. Es wird so viel CO2 ausgestoßen, wie es Lizenzen im Rahmen des Emissionshandels gibt. Wenn durch die EEG-Stromeinspeisung diese CO2-Lizenzen für teures Geld gespart werden, dann können sie an anderer Stelle, auch im Ausland, genutzt werden. Die deutschen Verbraucher subventionieren mit ihren hohen Strompreisen CO2-Emissionen im Ausland. Das ist die Wahrheit. Das sage nicht ich, sondern das sagt der Sachverständigenrat des ehemaligen Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir müssen daher weg von staatsdirigistischen Instrumenten und hin zu mehr Markt. Wir brauchen alle Energieträger gleichermaßen und dürfen nicht durch eine interventionistische Politik nach Gutsherrenart in einen Markt eingreifen, für den wir stattdessen auf klare Rahmenbedingungen setzen sollten, damit wir für Ökonomie und Ökologie das Beste herausholen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Punkt ansprechen, der bei energiepolitischen Debatten von der Opposition immer wieder ins Feld geführt wird. Es wird behauptet, dass die Liberalisierung des Strommarktes zulasten des Wettbewerbs gegangen sei. Das Gegenteil ist der Fall, meine Damen und Herren: Die Preise sind gesunken und wären ohne die zusätzlichen Belastungen aus der

rot-grünen Regierungszeit heute noch unter dem Niveau aus der Zeit vor der Liberalisierung.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Erst Rot-Grün hat versucht, den Wettbewerb auszuschalten. Durch die Ministererlaubnis zur Fusion von E.ON und Ruhrgas haben Ihre Parteifreunde in Berlin dazu beigetragen, dass es im Strom- und Gasmarkt weniger Wettbewerb gibt. Dies war eine Entscheidung zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Wer so etwas tut, handelt unredlich, wenn er sich gleichzeitig den Verbraucherschutz ans Revers heftet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Schack das Wort.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Nun stell‘ mal einiges klar! - Karl-Heinz Klare [CDU]: Jetzt mal die Wahrheit! - Ge- genruf von Hans-Dieter Haase [SPD]: Ihr müsst die Wahrheit aber auch ver- stehen!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Antrag von CDU und FDP ist ein Sammelsurium energiepolitischer Aussagen, die im Kern verdecken sollen, dass CDU und FDP die Atomenergie in Deutschland weiter betreiben und weiter ausbauen wollen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Diese neue Pro-Atom-Kampagne ignoriert die vielfältigen atomaren Risiken und versucht, wirtschaftliche Existenzängste zu wecken. Heute wird die Laufzeitverlängerung gefordert, morgen werden neue Atomkraftwerke gefordert.

(Beifall bei der SPD - Anneliese Za- chow [CDU]: Woher wissen Sie das denn?)

Wie wir alle wissen, sind die Risiken der Atomenergie nicht kleiner, sondern größer geworden. Auch die Uranvorkommen werden bei einer weltweit gleichbleibenden Zahl von Atomkraftwerken in 40 bis 50 Jahren erschöpft sein.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist falsch!)

Eine Fortführung der Atomenergie oder gar deren Ausweitung wäre deshalb nur durch Kernfusion möglich. Trotz weltweiter staatlicher Förderung in dreistelliger Milliardenhöhe ist aber kein einziger Fusionsreaktor, der im Übrigen die atomaren Gefahren erhöhen würde, betriebstauglich. Genau diese Technologie wird jetzt von der CDU/FDPKoalition im Niedersächsischen Landtag gefordert. Sie begeben sich auf einen abenteuerlichen energiepolitischen Weg; Sie stochern mangels Alternativen im energiepolitischen Nebel. Als letzter Strohhalm bleibt Ihnen der Verweis auf die zukünftige Kernfusion, von der niemand weiß, ob sie jemals funktionieren wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Unruhe)

Herr Abgeordneter, einen Augenblick! - Meine Damen und Herren, es ist wirklich wieder sehr laut. Es hält nur höchstens zwei Minuten an, dass Sie etwas ruhiger sind und dem Redner zuhören. Geben Sie sich doch einmal ein bisschen mehr Mühe! - Herr Schack, Sie haben das Wort.

Hinzu kommt neben der Gefährdung der Umwelt durch diese Art Reaktoren, dass es keinen wirtschaftlich rationalen Grund für die Einführung solcher Reaktoren gibt. Drei Studien beweisen dies. Es gibt eine japanische Studie zur Fusionsforschung, die von Konstruktionskosten zwischen 2 400 und 4 800 Dollar pro KW Leistung spricht, was einen Strompreis von 14 bis 38 Cent pro erzeugter Kilowattstunde ausmachen würde. Zur Erinnerung: 14 Cent sind höher als der Preis des bei uns erzeugten Windstroms; die 38 Cent liegen über den Photovoltaikkosten in Südeuropa.

(Hans Peter Thul [CDU]: Das ist abenteuerlich, was Sie vortragen!)

12 bis 16 Cent wurden auch von der deutschen Fusionsforschung bei einem Hearing des Deutschen Bundestages genannt. Eine Studie im Auftrag der EU-Kommission kommt auf siebenmal höhere Stromkosten als bei einem Spaltreaktor; die Kosten liegen oberhalb von 20 Cent pro Kilowattstunde.

Den Protagonisten der Atomenergierenaissance mangelt es wohl nicht an Erkenntnisfähigkeit, auf jeden Fall aber an dem Willen, sich Kenntnisse über erneuerbare Energien anzueignen und diese voranzubringen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)