Protocol of the Session on February 24, 2006

Das ist ihr gutes Recht, es ist nur die Frage, ob SPD und Grüne sich mit derartigen Versuchen, doch noch Haare in der Suppe zu finden, tatsächlich einen Gefallen tun. Uns kann Ihr Agieren im Grunde nur recht sein.

Über die Rolle der niedersächsischen SPD bei der Erarbeitung der Föderalismusreform habe ich beim vorletzten Beratungspunkt das Nötige gesagt. Nur eines noch: Mit verhandelt hat insbesondere auch die frühere und jetzige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries aus Niedersachsen. Sie hat genau diese Übertragung des Strafvollzugs auf die Länder mit ausgehandelt, mit unterschrieben und mitgetragen. Statt hier zu lamentieren, sollten Sie vielleicht Frau Zypries fragen, warum sie das mitgetragen hat.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Die hat ei- nen hessischen Wahlkreis!)

Herr Briese, ist Frau Zypries in Ihren Augen deswegen eine „reaktionäre Bestrafungsfetischistin“?

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie wissen genau, was passieren würde, wenn wir das Paket Föderalismus wieder aufschnüren würden: Es würde insgesamt scheitern. Aber genau das wollen Sie offenbar. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, Sie wollen die bedeutendste Reform unserer Staatsverfassung seit ihrem Bestehen verhindern, zerreden und zernörgeln, weil Ihnen die ganze Richtung nicht passt.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Sie sagen das Gleiche wie vorhin!)

- Entschuldigung, es ist ja auch das gleiche Thema, das Sie so miserabel bearbeiten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Und da haben Sie sich als eine vermeintliche Schwachstelle den Justizvollzug herausgepickt.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Vorhin war es die Hochschule, jetzt ist es der Straf- vollzug!)

Aber Ihre Argumentation ist dünn. Es hat in der Tat sehr lange Diskussionen gegeben, bis 1976 schließlich hinreichend viele davon überzeugt werden konnten, dass der Justizvollzug gesetzlich geregelt werden sollte. Das war er vorher nicht.

Der Justizvollzug in der Bundesrepublik funktionierte vorher auch ohne gesetzliche Regelung 27 Jahre lang nicht schlecht. Wir waren kein Folterstaat, und wir werden auch nicht ins Mittelalter zurückfallen, wenn der Strafvollzug wieder Ländersache ist. Im Gegenteil, es eröffnet sich die Chance, dass der Wettbewerbsföderalismus die Länder anspornen wird, die besten und effizientesten Wege zur Resozialisierung von Strafgefangenen bei gleichzeitigem Schutz der Bürger auszuloten.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Wie bei der Bildung! Da ist der Wettbewerb ja auch so gut!)

So können wir erstmals die Mitarbeitsbereitschaft der Gefangenen gesetzlich verankern und der Arbeit im Justizvollzug ein größeres Gewicht geben. Die von Ihnen apostrophierte Abwärtsspirale der Standards in den Haftanstalten vermag ich beim besten Willen nicht zu erkennen. Im Gegenteil, es ist eine Chance, und es ist an uns, sie zu nutzen im Interesse aller Menschen in Niedersachsen.

(Beifall bei der FDP)

Noch ein Wort zum Schluss: Ich habe mich gefragt, wieso Sie als Landespolitiker der SPD vor mehr Kompetenzen für das Land zurückschrecken, und ich sehe nur eine Erklärung: Tief im Innern, so als Bauchgefühl, ahnen Sie, dass auf lange Zeit Landespolitik in Niedersachsen eben nicht von der SPD gestaltet werden wird.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Heister-Neumann das Wort.

(Unruhe)

- Einen Augenblick, bitte! - Meine Damen und Herren, eine Rednerin ist aufgerufen worden. - Bitte schön, Frau Ministerin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal kurz zu der langen Liste der Gegner der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug, die

von Frau Müller und Herrn Briese vorgetragen wurde. Ich kann Ihnen sagen: Es ist ein typisches Kennzeichen der Föderalismusdiskussion, dass es, wenn es um die Übertragung von Kompetenzen geht, eine lange Liste von Personen, auch von vermeintlich kompetenten Persönlichkeiten gibt, die sich gegen diese Übertragung wenden. Das ist in allen Bereichen so, das ist kein typisches Kennzeichen für den Strafvollzug.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Aber gibt es Befürworter? Wo sind die Befürwor- ter?)

Es ist genau dasselbe wie bei der Übertragung der Kompetenzen im Bereich Beamtenbesoldung und in anderen Bereichen. Alle sind für diese Föderalismusreform, alle sind für die Übertragung von Kompetenzen, aber wenn es dann um die einzelnen Punkte geht, sagen sie: Aber bloß nicht das! So kommen wir in diesem Land nicht weiter, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nach den Ausführungen zu den Gegnern im Allgemeinen jetzt zu den Entschließungsanträgen der Oppositionsfraktionen, die mich wirklich sehr überrascht haben. Es ist meines Erachtens nicht alltäglich in diesem Haus, dass die eigene Kompetenz angezweifelt wird.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Was sagt die CDU in Schleswig-Holstein?)

Aber genau darauf laufen die beiden Entschließungsanträge hinaus. Sie, meine Damen und Herren von den Oppositionsfraktionen, sprechen sich mit Ihren Anträgen dafür aus, dass die Gesetzgebungskompetenz für den Justizvollzug beim Bund verbleiben soll. Deutlicher können Sie gar nicht zum Ausdruck bringen, dass Sie sich in diesem Parlament überfordert fühlen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir stehen an der Schwelle einer grundlegenden Reform der Bundesrepublik Deutschland, und meines Erachtens gibt es zu der Modernisierung des deutschen Föderalismus keine Alternative. Unser Ministerpräsident hat es wiederholt, und er hat deutlich gesagt: Von der Entflechtung verschiedener Gesetzgebungskompetenzen werden nicht nur der Bund und nicht nur die Landtage, sondern eben auch die Bürger profitieren. Diese werden in die Lage ver

setzt, die politische Verantwortung nun eindeutiger zuzuordnen und diese Gemengelage einmal aufzubröseln. Ich glaube, das ist für Bürger sehr wichtig. Wir, meine Damen und Herren, sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, und das muss auch und gerade für den Justizvollzug gelten.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sind als Land für die Vollstreckung der Haft bereits jetzt politisch und finanziell zu 100 % verantwortlich. Auch jetzt statten wir den Vollzug mit den erforderlichen finanziellen Mitteln aus. Dafür brauchen wir keine Belehrungen durch den Bund. Da ist es nur konsequent, wenn auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür in diesem Land geschaffen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für diese Verlagerung der Gesetzgebungszuständigkeit für den Strafvollzug auf die Länder sind wir darüber hinaus auch bestens vorbereitet. Sie haben ja schon darauf hingewiesen, dass wir tatsächlich bereits an einem Entwurf arbeiten.

(Zuruf von Ralf Briese [GRÜNE])

- Wir arbeiten eben sehr vorsorglich, und wir arbeiten auch sehr gründlich, mein lieber Herr Briese. - Auch dieser Landtag hat immer wieder - das möchte ich an dieser Stelle auch einmal sagen - -

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist mit jeder Brise so: Die kommt und geht!)

Frau Ministerin, einen Augenblick, bitte! - Herr Biallas, nachher entschuldigen Sie sich bei ihm!

Auch dieser Landtag hat immer wieder sein hohes Verantwortungsbewusstsein für die im Strafvollzug Inhaftierten und die dort Beschäftigten unter Beweis gestellt.

Der Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“ nimmt seine Aufgabe, jedenfalls nach meiner Wahrnehmung, sehr ernst. Er widmet sich schon jetzt sehr sachkundig allen im Vollzug auftretenden Problemen. Wie bei kaum einer anderen

Einrichtung des Landes besichtigen die Abgeordneten dieses Hauses unsere Strafvollzugseinrichtungen im Land. Ich weiß nicht, liebe Frau Müller, ob Sie noch wissen, wie oft Sie inzwischen die niedersächsischen Justizvollzugseinrichtungen besucht haben. Ich bin mir aber sehr sicher, dass sich kein Bundestagsabgeordneter in diesem Umfang um die Belange des Strafvollzuges vor Ort kümmern könnte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vor diesem Hintergrund wirkt es für mich mehr als befremdlich, wenn ehemalige Justizminister in einem offenen Brief das politische Verantwortungsbewusstsein der Länderparlamente anzweifeln und sich gegen die Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz aussprechen.

(Zuruf von der CDU: Schlimm ist das! - Ralf Briese [GRÜNE]: Alles Deppen, nicht?)

Ich zitiere: Sie befürchten, dass die Länderparlamente bei jedem Vorfall unter massiven und irrationalen Druck geraten, und weisen darauf hin, dass Bundestag und Bundesrat in diesen Fragen erfahrungsgemäß rationaler agieren. - Meine Güte, alle Achtung!

(Zustimmung von Roland Riese [FDP])

Frau Merk - leider ist sie jetzt nicht im Hause

(Jens Nacke [CDU]: Wo ist sie eigent- lich?)

- Verleihung der Ehrenbürgerwürde in Hannover, vermute ich