Protocol of the Session on February 23, 2006

Jetzt erreichte uns im Dezember 2005 aus heiterem Himmel die Festlegung in der Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD, für das Ziel grünes Licht zu geben, die „landseitigen Anbindungen der deutschen Seehäfen gezielt und koordiniert auszubauen“. Gemeint ist damit die Wiederaufnahme der alten Ausbaupläne aus der Zeit vor dem Hochwasser 2002. Die mittlere Elbe soll zu einer zuverlässigen Wasserstraße werden: garantiert 1,60 m tief an 345 Tagen im Jahr.

Meine Damen und Herren, die Elbe ist der letzte auf weiten Strecken frei fließende Strom in Mitteleuropa. Die Anrainerländer an der mittleren Elbe haben die Elbtalaue als Biosphärenreservat ausgewiesen, und die UNESCO hat die Flusslandschaft Elbe als Schutzgebiet von internationalem Rang anerkannt. Man kann es selbst in Augenschein nehmen. Man kann aber auch auf die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Elbe-Ökologie“ zurückgreifen. Der Spiegel fasst dieses Ergebnis so zusammen:

„Der Öko-Schatz des Flusses, so ergab das Forschungsprojekt, sind seine feuchten Flanken: die Auen. Denn die DDR unterließ es - aus Geldmangel -, den Strom in ein Bett aus Beton und Spundwänden zu zwängen, wie dies in der Bundesrepublik allerorten geschah. Insgesamt sind in Deutschland heute nur zwei Prozent aller Flusskilometer unverbaut.

Die Elbe hingegen tauscht sich - dem Atem der Au folgend, wie der Rhythmus des mit dem Fluss fallenden und steigenden Grundwassers genannt wird - noch immer mit ihren Uferlanden aus.“

So weit der Spiegel. Die so entstandene Landschaft, die Ansiedelung von seltenen Pflanzen und Tieren - das alles macht die Einzigartigkeit der Elbtalauen aus: Altarme, Weichholzauen, Hartholzauen, Seeadler, Milane, Schwarzstörche, Flussregenpfeifer und Biber, um nur einige Beispiele zu nennen.

In der Elbe kann man wieder baden - im Gegensatz zu den meisten Strecken des Rheins.

(Bernd Althusmann [CDU]: Da kann man auch baden gehen! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Sehen Sie sich einmal an, Herr Althusmann, welche Erfolge der jährlich veranstaltete Elbebadetag hat!

Der Preis einer Elbvertiefung und eines Ausbaus mit Uferbefestigungen aus Beton und Stein wäre: Die Uferlandschaft würde zerstört, der Grundwasserspiegel würde mit der Vertiefung absinken, und irgendwann würden die Auen vertrocknen. Dieser Preis würde für ein Projekt gezahlt, dessen Wirtschaftlichkeit noch niemand herbeirechnen konnte, nicht einmal die Wasser- und Schifffahrtsdirektion. Ein wirtschaftlicher Güterverkehr ist auf der Mittelund Oberelbe nicht möglich. Das Bundesverkehrsministerium musste in der Vergangenheit immer wieder einräumen, dass die Prognosen für den Güterverkehr auf der Elbe zu hoch angesetzt worden seien. Der Güterverkehr ist seit Jahren rückläufig. Der Wasserstand der Elbe ist für einen Massenguttransport, der volkswirtschaftlich sinnvoll sein soll, unzureichend. Auch ein wie immer gearteter Ausbau wird nichts daran ändern. Alle Untersuchungen zeigen auf, dass eine durchgehende Fahrrinnentiefe von 1,60 m trotz millionenschwerer Investitionen nicht zu erreichen wäre.

Eine kürzlich vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung vorgelegte Studie belegt, dass die Niedrigwasserhäufigkeit in den Sommermonaten als Folge des Klimawandels in Zukunft noch weiter zunehmen wird. Die Elbe ist, wie Sie alle wissen, auf den Regen angewiesen, der in ihrem Einzugsgebiet fällt; und der fällt im Sommer eher spärlich. Es wäre ökonomisch einfach unsinnig, noch weitere Millionen in dem Flussausbau zu versenken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Alternativen zum Transport auf der mittleren Elbe existieren doch: Mittellandkanal und ElbeSeitenkanal. Am Elbe-Seitenkanal sind doch schon Millionensummen für wasserwirtschaftliche Verkehrsstrategien verbaut worden. Was wir brauchen, ist eine Optimierung des Elbe-Seitenkanals. Dazu gehört mittelfristig auch der Neubau des Schiffshebewerks in Scharnebeck.

Meine Damen und Herren, die mittlere Elbe hat ein wirtschaftliches Potenzial. Dieses liegt aber nicht in

einem forcierten Ausbau. Der naturnahe Tourismus boomt in den Regionen an der Elbe eben wegen der einzigartigen Auenlandschaft, die an den Flüssen der anderen Bundesländer und auch der angrenzenden europäischen Länder kaum zu finden sind. Hier muss gemeinsam mit den anderen Elbanrainern ein länderübergreifendes Konzept entwickelt werden, um die Flusslandschaft als Anziehungspunkt für naturnahen Tourismus, als Modellregion für Klimaschutz und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu präsentieren. Diese Modellregion sollte und könnte man dann europaweit vermarkten. Ich wage einmal eine Prognose, welcher Schwerpunkt die Nase vorn hat, wenn man die Wirtschaftsbelebung durch naturnahen Tourismus gegen die tatsächlich zu erwartende Erhöhung des Güterverkehrs durch den Elbausbau aufrechnet. Ich sage Ihnen: Die Zukunft der Elbregion liegt eindeutig in der Erhaltung der Elblandschaft und in der Entwicklung eines naturnahen Tourismus. Meine Damen und Herren, deswegen müssen wir in Niedersachsen gemeinsam unsere Stimme erheben und auf die Regierungsfraktionen im Bundestag und auf die Bundesregierung einwirken, dass das Betonierkonzept der Wasser- und Schifffahrtsdirektion aus den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts in der Aktenvernichtung verschwindet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn alle niedersächsischen Parteien an einem Strang ziehen, sähe ich auch gute Erfolgschancen für die Elbelandschaft. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Nahrstedt das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD wird unter dem Kapitel „Maritimen Standort und Binnenschifffahrt stärken“ u. a. erklärt:

„Unser Ziel ist es, die notwendigen seewärtigen und landseitigen Anbindungen der deutschen Seehäfen gezielt und koordiniert auszubauen.“

Daraus kann man lesen, dass die mittlere Elbe ausgebaut werden soll, man muss es aber nicht.

Im Spiegel stand zwar, dass der Verkehrsexperte der CDU Odenwald bestätigt hätte, dass auch die Elbe gemeint sei; aus dem zuständigen Ministerium habe ich Derartiges bis heute aber noch nicht gehört. Ich glaube, dass es letztendlich auch egal ist. Wir sollten hier nicht interpretieren, sondern deutlich machen, dass der Landtag den Ausbau der Elbe erneut ablehnt. Das gilt sowohl für die Staustufen als auch für den so genannten naturnahen gemäßigten Ausbau. Dies hat der Landtag bereits zweimal beschlossen. Wir sollten es erneut tun; denn bekanntlich sind aller guten Dinge drei.

Nur so schützen und sichern wir die unvergleichlich schöne und einzigartige Flusslandschaft der niedersächsischen Elbtalaue. Die Elbe ist unser letzter frei fließender Fluss. Es gibt in Mitteleuropa kaum eine andere so schön erhaltene Flusslandschaft. Darum müssen wir dieses einzigartige Biosphärenreservat auch weiterhin gemeinsam schützen.

Meine Damen und Herren, wir müssen den Ausbau der Elbe auch deshalb verhindern, weil ein weiterer Ausbau - auch der so genannte naturnahe gemäßigte Ausbau - kontraproduktiv für den notwendigen Hochwasserschutz ist. Allein schon aus Hochwasserschutzgründen ist der Ausbau der Elbe nicht zu verantworten. Eine ausgebaute Elbe würde das Hochwasser noch schneller nach Niedersachsen bringen, und Hochwasserkatastrophen würden sich häufiger wiederholen. Das kann niemand von uns wollen.

Nur in diesem Zusammenhang verstehe ich die aktuelle Anfrage des Lüneburger Abgeordneten Jens Kaidas an die Landesregierung zum Hochwasserschutz an der Elbe. Auf die Antwort bin ich sehr gespannt, Jens.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist auch unter dem Aspekt, dass wir den Elbe-Seitenkanal haben, nicht notwendig, die Elbe auszubauen. Der Hauptzweck beim Bau des Elbe-Seitenkanals bestand darin, die Elbe mit ihren schwankenden Wasserständen zu umgehen und einen Zugang zum Mittellandkanal zu schaffen. Der Elbe-Seitenkanal ermöglicht es also, die schützenswerten Elbtalauen zu umfahren. Die erneute Entscheidung gegen den Elbeausbau und eine Entscheidung für den Elbe-Seitenkanal sind strukturpolitisch für die gesamte Region am Kanal von großer Bedeutung. Das heißt aber auch, dass wir den ElbeSeitenkanal für die heutigen Ansprüche tauglich machen müssen. Schiffe von 135 m Länge wie auf

dem Rhein sollten den Kanal nutzen können, und Container müssen mehrlagig gelagert werden können. Dies hat zur Folge, dass das Schiffshebewerk in Scharnebeck zu vergrößern ist und alle Kanalbrücken zu erhöhen sind. Hierfür könnten Mittel für das Ziel-1-Gebiet landkreisübergreifend eingesetzt werden.

Meine Damen und Herren, als Abgeordneter der Metropolregion Hamburg, zu der auch Lüneburg und der Hamburger Hafen gehören - in Hamburg boomen Transport und Logistik -, möchte ich eines nicht verschweigen: Wer den Elbeausbau nicht will, der muss sich für den Elbe-Seitenkanal und das dritte Gleis zwischen Hamburg und Lüneburg aussprechen, der muss sich aber auch - das sage ich bewusst in Richtung der Grünen-Abgeordneten - für den Ausbau der A 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg aussprechen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir sollten gemeinsam und einvernehmlich Folgendes zu erreichen versuchen: erstens wirtschaftlichen Fortschritt für die Region, zweitens einen nachhaltigen Hochwasserschutz, drittens die Sicherung des Biosphärenreservats Elbtalaue und viertens den Erhalt der einmaligen Elbe-Flusslandschaft. Hierüber können wir im Ausschuss in Ruhe reden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Kaidas das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern: Ausbau der Elbe stoppen, kein Ausbau der Elbe-Reststrecke. Heute: Kein weiterer Ausbau der Elbe, den Angriff auf die Auenlandschaften abwehren. Dieses Thema beschäftigt den hiesigen Landtag schon über zehn Jahre.

Seitdem hat es mehrere, aber immer anders lautende Unterrichtungen gegeben. Da wurde ein Gesamtkonzept zum Restausbau der Mittel- und Oberelbe gefordert. Für Unterhaltungsmaßnahmen wurde ein ökologisches Konzept gefordert. Der Elbe-Seitenkanal sollte ertüchtigt werden. Sie alle

können selbst beurteilen, was Rot und Rot-Grün von diesen Forderungen umgesetzt haben.

(Björn Thümler [CDU]: Nichts!)

Der heutige Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen bezieht sich auf die Beschlüsse von 1996 und 2002, die den geplanten, nachweislich sanften Ausbau in Restabschnitten der Mittelelbe zu einem für die Öffentlichkeit unannehmbaren Vorhaben manipuliert haben, indem sie immer wieder nie gewollte und geplante Ausbauvarianten unterstellt haben. In diesem Zusammenhang seien nur die auch in diesem Entschließungsantrag wieder aufgenommenen Staustufen erwähnt. Die Möglichkeit einer durchgängigen Regulierung mit Staustufen entlang der Elbe ist Anfang der 90erJahre endgültig verworfen worden, wie eigentlich jeder wissen müsste, der sich mit dem Thema Elbausbau beschäftigt.

Die Folge dieser Unterstellungen war nach dem Elbehochwasser von 2002 ein völliger Stopp der Unterhaltungsmaßnahmen an der Elbe, etwa an den Buhnen, der fachlich nicht das Geringste mit der Problematik des Hochwasserschutzes und der Hochwasserprävention zu tun hat. Im Gegenteil, der Unterhaltungsstopp ist eher dazu geeignet, die Wasserabfuhr negativ zu beeinflussen - übrigens genauso wie die Elbverbuschung. So führen die 2004 begonnenen Aktivitäten der Elbanrainer zur Verbuschung den vormals in erster Linie von den Bündnisgrünen forcierten Schutz der Weichholzauen ad absurdum.

Jetzt steht endlich der Mensch als schutzwürdiges Gut im Vordergrund und nicht mehr eine ungehemmte Vegetationsentwicklung im Deichvorland. Jetzt müssen wir erst einmal die Minimalforderungen durchsetzen, die früher auch von der SPD gestellt worden sind, d. h. eine Bestandsgarantie für die Schifffahrt auf der Elbe erreichen. Dazu gehören Baggerarbeiten, die Instandsetzung und Erneuerung der Buhnen.

Wir müssen uns auch mit der veränderten Situation beim Gütertransport mit Binnenschiffen auseinander setzen: Expansion des Containerhafens Hamburg, Zunahme des Containerverkehrs, Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals für Europaschiffe, berechtigte Forderung der Verlagerung von Gütertransporten von der Straße auf Binnenschiffe. Frau Steiner, wir müssen alte Beschlüsse überprüfen, Absichtserklärungen überdenken und gegebenenfalls neu formulieren.

Der von den 30er-Jahren bis Mitte der 50er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts unternommene Ausbau im Rahmen der Niedrigwasserregelung ist bis auf minimale Reste - nämlich die 13 km lange Reststrecke zwischen Hitzacker und Dömitz - abgeschlossen. Die trotz der teilweise massiven Unterhaltungsmaßnahmen positive Entwicklung der Elbe in den bereits abgeschlossenen Ausbaubereichen widerlegt die heute behaupteten schweren Schäden, die ein weiterer Ausbau angeblich verursachen würde.

Lassen Sie mich dazu einige Fakten nennen. Seit 1815 ist die Elbe in drei großen Ausbauschritten durchgehend ausgebaut worden. Lediglich die dritte Ausbaustufe ist auf der bereits erwähnten Reststrecke unvollendet geblieben. In Zahlen ausgedrückt heißt das: 97,8 % der Elbstrecke zwischen der tschechischen Grenze und der Staustufe in Geesthacht sind bereits fertig ausgebaut und werden heute unterhalten. Das heute vorhandene Biosphärenreservat schließt jetzt bereits einen Großteil der ausgebauten Strecke ein. In diesem Bereich haben sich Fauna und Flora in der Kulturlandschaft dennoch - auch ohne die Grünen - hervorragend entwickelt, sodass man heute von einem Naturkleinod Elbe sprechen kann.

Die Rastgebiete für durchziehende Zugvögel, die Rückkehr des Biber, viele hier noch vorhandene stabile Bestände bedrohter Pflanzen und Tiere sind ein eindeutiges Indiz für den bislang maßvollen und verantwortungsvollen Umgang mit dem Fluss.

Den größten Sprung in der ökologischen Entwicklung der Elbe nach vorn ist durch die Verbesserung der Wasserqualität erfolgt. Das ist durch Maßnahmen geschehen, die durch den Ausbau und die Unterhaltung der Wasserstraße nachweislich nicht betroffen sind.

Also ist die dynamische Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt durch die Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen nicht behindert worden. Die Unterhaltung der Buhnen und der Freischnitt auf den Buhnen hat viel mehr im Rahmen der Hochwasserprävention ungewollte Abflusshindernisse beseitigt.

Der Beschluss der rot-grünen Bundesregierung - unter dem Hochwassereindruck von 2002 -, die Ausbauplanungen und die Unterhaltung einzustellen, ist von echten Sachverständigen - nämlich Professoren verschiedener Fachhochschulen für

Wasserbau - bereits mehrfach als sachlich völlig unzutreffend kritisiert worden. Denn Ausbau- und die Unterhaltungsmaßnahmen werden prinzipiell hochwasserneutral geplant und realisiert.

(Zustimmung von Wilhelm Heidemann [CDU])

Außerdem finden die baulichen Veränderungen im Niedrigwasserabflussprofil statt, die bei Hochwasser meterhoch überflutet werden. Darum wird es auch für fachlich nicht so Bewanderte verständlich sein, dass sie kaum einen Einfluss auf die Höhe des Hochwassers ausüben können.

(Zustimmung bei der CDU)

Entsprechende intensive Untersuchungen der Bundesanstalt für Wasserbau haben diesen Umstand auch für den Bereich der Ausbauplanung nachgewiesen. Die Unterhaltung bereits vorhandener Bauwerke kann den bisher hochwasserneutralen Ausbau ohnehin nicht zum Negativen verändern.