Protocol of the Session on January 27, 2006

(Zustimmung bei der CDU)

Die Forderungen, die im Entschließungsantrag gestellt werden, finden prinzipiell meine Unterstützung. Im Wesentlichen geht es darum, den Schulen für spezielle Fördermaßnahmen zusätzliche Förderstunden für Kinder und Jugendliche mit diagnostiziertem Autismus zur Verfügung zu stellen. Gestatten Sie mir, darauf hinzuweisen, dass wir mit unserem Erlass zur Klassenbildung und Lehrerstundenzuweisung an den allgemein bildenden Schulen von 2004 bereits die Grundlagen dafür geschaffen haben. Für besondere Fördermaßnahmen kann die Landeschulbehörde den Schulen einen Zusatzbedarf genehmigen, wenn ein genehmigtes Förderkonzept für Schüler mit diagnostiziertem Autismus vorliegt. Das Stundenkontingent für besondere Fördermaßnahmen - für das ganz System - beträgt 36 900 Stunden, das sind rund 1 340 Stellen, meine Damen und Herren. Das ist schon eine Größenordnung, die auch bei Etatberatungen immer wieder gesehen werden muss. Wir geben schon rund 650 Millionen Euro - für Lehrerstellen usw. - für den Förderbedarf aus. Die Förderschulen für Geistige Entwicklung haben mit der Neuberechnung der Unterrichtsversorgung einen Stundenpool im Umfang von 4,9 % des Grundbedarfs erhalten, der für besondere Fördermaßnahmen, z. B. auch bei diagnostiziertem Autismus, in Anspruch genommen werden kann. Voraussetzung für die Anerkennung eines Zusatzbedarfs für besondere Fördermaßnahmen ist gemäß Erlass, dass für diese genügend Stunden von hierfür qualifizierten Lehrkräften zur Verfügung

stehen und die Fördermaßnahmen tatsächlich durchgeführt werden können. Die Schule muss im Rahmen der zur Verfügung stehenden Lehrerstunden entscheiden, wofür diese verwandt werden, wobei der Pflichtunterricht Vorrang hat. Auch im Bereich der Förderschulen gilt: Pflichtunterricht hat Vorrang. Aber auch aus dem, was wir an Stundenvolumina für Fördermaßnahmen übrig haben, können natürlich die entsprechenden Maßnahmen organisiert werden.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung strebt an, alle Schulen möglichst gleichmäßig mit Lehrkräften zu versorgen. Das gilt auch für die Förderschulen. Diese sollen bis zum Jahr 2007 auf 100 % angehoben werden, sofern der anhaltend überproportionale Anstieg der Schülerzahlen im Bereich des Schwerpunkts Geistige Entwicklung und das Angebot an ausgebildeten Förderschullehrkräften dies zulassen. Da haben wir in der politischen Diskussion mit allen, die an den Förderschulen unterwegs sind, einen Konsens, dass wir hierbei in den letzten Jahren generell eine Menge gemacht haben. Weil der Lehrkräftemarkt nur bedingt Lehrkräfte zur Verfügung stellt, hoffe ich, dass wir es bis zum Jahr 2007 hinbekommen, die Unterrichtsversorgung auch hier auf 100 % anzuheben. Ich glaube, da gibt es keine Kritik. Man weiß, dass wir das sauber und redlich abarbeiten und dass wir das Ziel wohl auch erreichen werden.

Unabhängig von der Frage der Ressourcen werden wir Konzepte für den Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit Autismus erarbeiten. Diese müssen sich vor allem auf die Inhalte und auch auf die Orte der Förderung beziehen. Es ist richtig, dass wir neben der Förderschule auch andere Förderorte in den Blick nehmen müssen. Wir sollten aber nicht eine Verkürzung auf die Methode der so genannten Gestützten Kommunikation vornehmen. Ergänzend zu einer vorurteilsfreien Konzeptentwicklung gehören eine breite Orientierung und Information aller Schulen sowie die Vernetzung mit anderen Angeboten und die Unterstützung durch andere Stellen, beispielsweise durch den Einsatz von Integrationshelfern.

(Unruhe)

Herr Minister, einen Augenblick mal. - Meine Damen und Herren, wenn es etwas ruhiger ist, dann werden alle diejenigen, die zuhören wollen, nicht

gestört. Diejenigen, die von der Rede des Ministerpräsidenten

(Zurufe)

- des Ministers! - nicht gestört werden wollen, sollten den Saal verlassen. Vielleicht wird er das ja irgendwann einmal.

Herr Präsident! Zum Wochenende geht das so richtig warm herunter. Aber ich war auch fast fertig.

Meine Damen und Herren, ich glaube, Sie merken, wir sind an dem Thema dran. In der Landesregierung generell, aber auch für den Bereich Förderschulen versuchen wir, die bestmöglichen schulischen Wege für unsere Kinder vorzuhalten.

Ich schlage Ihnen vor - der Kultusausschuss ist ja an dem Thema schon dran -, dass das Thema weiter diskutiert wird. Wo wir im Rahmen der Bezahlbarkeit vernünftig weitermachen können, werden Sie, denke ich, den Kultusminister an Ihrer Seite haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Kultusausschuss sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung: Atomausstieg fortsetzen - Wettbewerb am Energiemarkt durchsetzen - Energiesparen jetzt! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2541

Eingebracht wird dieser Antrag durch den Abgeordneten Meihsies. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, ich danke Ihnen. - Meine Damen und Herren, mit unserem Antrag wollen wir nicht nur eine Antwort geben auf die energiepolitischen Fahrlässigkeiten des Ministerpräsidenten Wulff und des Ministerpräsidenten Koch, wir wollen auch einen Weg skizzieren, mit dem auf intelligente und verantwortungsvolle Weise die Zukunftsherausforderung einer klimafreundlichen, sicheren und bezahlbaren Energieversorgung gemeistert werden kann.

(David McAllister [CDU]: Das haben wir doch schon am Mittwoch bespro- chen!)

- Wir haben am Mittwoch darüber diskutiert. Wir mussten feststellen, dass es aufseiten der CDU eine absolute Ignoranz gegenüber der Problematik der Atomenergie gibt. Meine Damen und Herren, Ministerpräsident Wulff redet die deutschen Atomkraftwerke wider besseres Wissen sicher. Doch die Realität sieht anders aus.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD - David McAllister [CDU]: Was soll diese Verunsiche- rung?)

Es geht konkret um die Abschaltung der vier Atomkraftwerke Biblis A und B, Neckarwestheim I und Brunsbüttel gleich bei uns hier um die Ecke. Diese vier Atomkraftwerke gehören zu den ältesten und gefährlichsten in Deutschland. Sie weisen besondere bauartbedingte Mängel auf. Sie sind Spitzenreiter beim Unfallrisiko und sie sind besonders verwundbar bei Terrorangriffen. Wir alle wissen das. Solche Atomkraftwerke würden heute nicht mehr genehmigt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihre Sicherheitsmängel sind auch durch Nachrüstungen nicht zu beheben. Eine längere Laufzeit für diese Reaktoren, wie von Wulff gefordert, würde absolut unverantwortlich sein und das Risiko in diesem Bereich noch weiter erhöhen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir müssen gar nicht weit schauen. Das AKW Esenshamm, vor unserer Haustür in der Wesermarsch, eines der ältesten Atomkraftwerke, hatte in den letzten Jahren zahlreiche Störfälle und hat Schwachstellen, die nicht behoben werden können. Die Reaktorkuppel ist

mit einer Wandstärke von nur 80 cm sehr dünn. Im Vergleich dazu haben Atomkraftwerke der jüngeren Generation - hören Sie genau zu -, der „Konvoi-Linie“, die in den Jahren 1980 bis 1989 in Betrieb gegangen sind, eine Wandstärke von 180 cm. Sie sehen den großen Unterschied, meine Damen und Herren.

(Zurufe von der FDP)

Meine Damen und Herren, derzeit laufen noch rund 16 Atommeiler in Deutschland, und trotzdem steigen die Strompreise enorm an. Warum sollen dann beim Weiterbetrieb aller 16 Atomkraftwerke auf einmal die Preise sinken? Wo ist hierin die Logik festzustellen? Wir sehen sie jedenfalls nicht. Fakt ist vielmehr, bei längeren Laufzeiten müssten erhebliche Investitionen zur Sicherheit der Atomkraftwerke durchgeführt werden. Die Strompreise würden nicht sinken.

Auch die Situation auf dem Gasmarkt, in den letzten Wochen auch in Deutschland virulent geworden, ist kein Argument für die Verlängerung der Laufzeiten der AKW; denn Gas wird überwiegend zum Heizen genutzt - wir alle wissen es -, Atomkraftwerke hingegen erzeugen Strom, und mit der anfallenden Abwärme werden lediglich die Flüsse aufgeheizt. Das sehen wir überall an der Elbe, wo sich kein Eis mehr bildet. Das ist eine unglaubliche Verschwendung von Energie. Wir sehen das sehr deutlich jedenfalls an der Elbe bei Krümmel.

Eine Begrenzung der Laufzeiten erlaubt eine relativ genaue Festlegung der Atommüllmengen und erleichtert damit die Suche nach einem Endlager, das natürlich so sicher wie möglich sein sollte. Dieser Suche, Herr Dürr, verweigern Sie sich aber.

Fakt ist auch: Mit längeren Laufzeiten steigt die Abhängigkeit vom Uran. Das wird verschwiegen. Dessen Verfügbarkeit ist ebenfalls endlich. Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, wollen die Abhängigkeit von Öl und Gas gegen die Abhängigkeit von Uran einfach austauschen. So einfach geht das nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Unfälle wie in Harrisburg und die Katastrophe von Tschernobyl, die sich in diesem Jahr zum 20. Mal jährt, haben gezeigt, wie lebensbedrohend und zerstörerisch die Atomenergienutzung ist. Beinaheunfälle in Deutschland, wie in Biblis und in Brunsbüttel, las

sen uns ahnen, was auch in Deutschland geschehen könnte.

Meine Damen und Herren, für eine klimafreundliche, sichere und bezahlbare Energieversorgung muss vor allem auf dem Energiemarkt endlich der Wettbewerb durchgesetzt werden. Das ist eine zentrale Forderung vieler Verbänden. Ein Blick auf die Versorgungslandkarte in Deutschland zeigt es auch jedem Laien - dafür muss man nicht studiert haben, meine Damen und Herren -:Vier Anbieter kontrollieren den Strommarkt, vier Anbieter kontrollieren die Übertragungsnetze, und vier Anbieter diktieren uns Verbrauchern die Preise. Die marktbeherrschende Stellung dieser vier Anbieter wird von der EU-Kommission nachdrücklich kritisiert. Die ersten Ergebnisse einer Untersuchung der Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes liegen vor. Sie bescheinigen eindeutig: Die europäischen Energiemärkte funktionieren nicht nach dem Prinzip des freien Wettbewerbs.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die EU-Kommission bescheinigt u. a., dass Stromkunden und energieintensive Industriekunden, die immer wieder genannt werden, die über die hohen Strompreise Klage führen, nur noch geringes Vertrauen in die in Deutschland bestehenden Preisbildungsmechanismen haben. Dieser Satz sagt vieles aus, Herr Minister Sander.

Kritik kommt auch vom Präsidenten des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft. Jetzt werden natürlich gleich die Ohren bei der FDP und von Minister Sander aufgehen. Mario Ohoven sagt, der starke Anstieg der Strompreise bedroht immer mehr die mittelständischen Betriebe in ihrer Existenz. Er stellt dann fest, die Nutzungsentgelte, die in Deutschland bis zu 50 % über dem EU-Durchschnitt liegen, mindern zugleich die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft insgesamt in Europa. Das ist ein zentrales wirtschaftspolitisches Thema. Die Bundesregierung muss endlich die vier großen Energieversorger wettbewerbspolitisch zur Ordnung rufen.

Meine Damen und Herren von der FDP, was sagen Sie eigentlich als selbst ernannte Kreuzritter für den freien Wettbewerb zu einer solchen Situation?

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Christian Dürr [FDP])

Sie sind uns bis zum heutigen Tag eine Antwort in dieser Frage schuldig geblieben. Sie verstecken sich bei der Beantwortung dieser Frage. Wir finden Minister Sander jedenfalls in der Rolle des Knappen Sancho Pansa an der Seite seines Herrn, des Ministerpräsidenten Wulff, als Don Quichotte, dem Ritter von der traurigen Gestalt. Sie kämpfen gegen Windmühlen und singen das Renditelied von E.on, RWE, Vattenfall und EnBW. So sieht es hier in Niedersachsen aus.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, dafür hat niemand Verständnis, die Bürger am allerwenigsten. Für die mittelständische Wirtschaft, die unter diesen wettbewerbsfeindlichen Strukturen zu leiden und die hohen Preise zu zahlen hat, interessieren Sie sich nicht im geringsten. Meine Damen und Herren von der FDP, Sie haben hierzu noch nichts gesagt. Sie sind eine Antwort schuldig geblieben, wie der Wettbewerb in Deutschland eingestellt werden kann.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Ja, kommt gleich, kein Thema! Ich habe da gar keine Sorge!)

Meine Damen und Herren, das im letzten Jahr verabschiedete und von der FDP bekämpfte rotgrüne Energiewirtschaftsgesetz schreibt eine weitgehende Entflechtung der Unternehmensbereiche vor. Auch dem haben Sie widersprochen. Der letzte Schritt der Entflechtung, nämlich die Trennung zwischen Stromerzeugung und Netzbetrieb, konnte nicht durchgesetzt werden. Es gab zu starke Widerstände der großen Energiekonzerne. Diese Trennung wird auch in Deutschland kommen müssen. Wir arbeiten daran. Nur so lässt sich verhindern, dass die Töchter eines Konzerns gegenüber Konkurrenten bevorzugt werden. Nur so wird es einen diskriminierungsfreien Zugang für kleine und mittelständische Anbieter - Sie wollen ja auch den Wettbewerb für sie - zum Netz geben können. Nur so gibt es einen Wettbewerb und letztlich niedrigere Preise. Unsere europäischen Nachbarn sind uns hier deutlich voraus. Meine Damen und Herren, wir brauchen nur nach Schweden zu gucken, nach Finnland und nach Großbritannien zu gucken. Herr Sander, da würden Sie vieles lernen und Ihre Haltung in diesem Bereich ändern.

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine Energiewende. EU-Kommissar Andris Piebalgs

wies mit einer Präsentation des Grünbuchs mit dem bezeichnenden Titel „Weniger ist mehr“ darauf hin, dass bei einem jährlich steigenden Energieverbrauch von 2 % bis 3 % die Importabhängigkeit Europas bereits 2030 rund 90 % erreichen würde. Das schreibt nicht irgendein Grüner, sondern der EU-Kommissar für Energiepolitik im Grünbuch nieder: Weniger ist mehr! Aus Gründen der Versorgungssicherheit sei es deshalb notwendig, den Energieverbrauch zu senken.

Meine Damen und Herren, Energiekosten im Strombereich sinken durch Energiesparen, durch Geräte, deren Energieeffizienz hoch ist. Nach Angaben des Europaparlaments kann der Gesamtverbrauch an der Endenergie in der EU ohne Einschränkungen - das ist für alle immer wieder wichtig - des Komforts und des Lebensstandards durch höhere Effizienz bis 2010 um 30 % gesenkt werden.

Meine Damen und Herren, wir haben Ihnen einen durchdachten Antrag vorgelegt.