Protocol of the Session on November 10, 2005

Es ist richtig - ich habe die Zahl dargestellt -, dass die Höhe der Kassenkredite jetzt bei etwa 4 Milliarden Euro liegt. Sie steigt sicherlich immer noch - das ist keine Frage -, aber genaue Zahlen und Prognosen lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht nennen bzw. abgeben

Herr Kollege Hagenah!

Wie rechtfertigt die Landesregierung vor dem Hintergrund der dargestellten, über mehrere Jahre aufgebauten dramatischen Finanzlage der Kommunen denn ihren eigenen Griff in die kommunalen Kassen mit der Kürzung in Höhe von 150 Millionen Euro beim KFA im vorigen Jahr angesichts der Situation, dass die Kommunen in Niedersachsen schon zum damaligen Zeitpunkt bundesweit die höchstverschuldeten waren, dass das Land selbst aber bundesweit im Vergleich zu den anderen Bundesländern im oberen Mittelfeld liegt? Kann man das noch als Symmetrie der Schuldenlast bezeichnen?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Während die alte Landesregierung, wie ich dargestellt hatte, in den 90er-Jahren und gerade Mitte der 90er-Jahre bis zum Jahr 2002 den Kommunen zwischen 1,6 und 1,8 Milliarden Euro entzogen hatte, ohne dies in irgendeiner Weise zu kompensieren, hat diese Landesregierung erstmalig im Jahr 2005, in einer finanziell noch erheblich schwierigeren Situation, dem Finanzausgleich 150 Millionen Euro entnommen.

Parallel dazu hat sie allerdings Entlastungen herbeigeführt oder beschlossen. Im Jahr 2004 ist die Gewerbesteuerumlage aufgrund unserer Initiative im Bundesrat gesenkt worden. Die jährliche Entlastung für die Kommunen in Niedersachsen beträgt 200 Millionen Euro netto. Darüber hinaus haben wir das Weihnachtsgeld und das Urlaubsgeld für die Beamten gekürzt bzw. ganz gestrichen, was die Kommunen in Höhe von etwa 70 Millionen Euro entlastet hat. Das heißt, im Jahr 2004 sind die Kommunen in Höhe von 270 Millionen Euro entlastet worden und im Jahr 2005, in dem wir 150 Millionen Euro aus dem Finanzausgleich genommen haben, immerhin noch um 120 Millionen Euro.

Die Finanzlage der Kommunen ist dramatisch, die des Landes auch. Aber immerhin haben wir mit begleitenden Maßnahmen dafür Sorge getragen, dass es anders als in anderen Jahren für die Kommunen nicht weniger wird. Ich glaube, das ist

angesichts der finanziellen Situation des Landes durchaus beachtlich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Wenzel, bitte schön!

Herr Minister, ich habe zwar keine monokausalen Erklärungen für die Ursachen erwartet, aber ich bin schon irritiert, dass Sie die Ursachen so weit in die Vergangenheit verlagern. Wie können Sie sich denn diese Grafik erklären,

(Der Redner zeigt ein Schaubild)

die ausweist, dass sich seit dem Beginn Ihrer Regierungszeit das Volumen der Kassenkredite verdoppelt hat? Gerade in dem Zeitraum, in dem die neue Regierung angetreten ist, ist bei den Kassenkrediten noch einmal ein Sprung nach oben von 800 Millionen Euro zu verzeichnen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das war die zittrige Hand des Grafikers!)

Vielen Dank. - Herr Minister!

Man muss sich schon anschauen, auf welcher Basis die Kassenkredite aufgenommen worden sind. Wenn die Verschuldung bereits hoch ist, steigen die Kassenkredite in wirtschaftlich und finanziell dramatischen Zeiten natürlich exponentiell; das ist doch gar keine Frage. Deshalb ist es notwendig, in die Vergangenheit zu schauen.

Von Mitte der 90er-Jahre bis Anfang 2002 waren Hessen und insbesondere Niedersachsen - mit 2 Milliarden Euro - die einzigen Bundesländer, in denen die Kommunen Kassenkredite aufnehmen mussten. In anderen westdeutschen Bundesländern haben Kassenkredite so gut wie keine Rolle gespielt, erst recht nicht in Flächenländern. Ab dem Jahr 2002 sind die Kassenkredite aber auch in den anderen Bundesländern exorbitant gestiegen, nicht mehr nur in Niedersachsen und in Hessen. Die Steigerungsrate in Niedersachsen liegt zwar auf einem höheren Niveau, ist aber auf jedem

Fall noch geringer als in anderen Ländern. Dieser exorbitante Anstieg hat damit zu tun, dass die Steuereinnahmen in Deutschland dramatisch eingebrochen sind. Wenn man die Kommunen vorher derart belastet hat, sind sie natürlich nicht in der Lage, diese Einnahmeausfälle auszugleichen. Das ist der Grund dafür, dass die Kommunen in Niedersachsen ab dem Jahr 2003 in eine noch schwierigere Lage gekommen sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Kollege Jüttner!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schünemann, habe ich Sie richtig verstanden, dass die Kürzung im kommunalen Finanzausgleich im Jahre 2005 und dann wahrscheinlich auch die in der Mittelfristigen Planung vorgesehenen weiteren Kürzungen in den nächsten Jahren zu der negativen Finanzsituation der Kommunen nicht beitragen?

(Heiterkeit bei der SPD - Heiner Bart- ling [SPD]: „Das haben Sie falsch ver- standen!“)

Herr Minister!

150 Millionen Euro mehr zu haben ist immer besser, als 150 Millionen Euro weniger zu haben; das ist doch überhaupt keine Frage.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD)

Ich habe nur darstellen wollen, dass man auch dann, wenn man sich in einer finanziell schwierigen Lage befindet, Verantwortung für die Kommunen hat und alles dransetzen muss, dass sie nicht schlechter gestellt werden, auch wenn man selbst notwendigerweise eine solche Kürzung vornehmen musste. Ich habe Ihnen dargestellt, dass aufgrund der Entscheidungen, die wir parallel zu der Kürzung getroffen haben, unter dem Strich 120 Millionen Euro mehr stehen. Sie hingegen haben den Kommunen seinerzeit einfach zwischen

1,6 und 1,7 Milliarden Euro weggenommen, ohne andere Maßnahmen zu ergreifen. Und das ist der Grund dafür, dass wir in Niedersachsen diese Sondersituation haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Die Frage ist doch noch nicht beantwortet!)

Vielen Dank. - Herr Dr. Lennartz, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, die kommunalen Spitzenverbände haben sich am 27. Oktober, also vor sehr kurzer Zeit, in einer Stellungnahme zu dem Thema Verschuldung geäußert und sozusagen auf die Dramatik der Situation hingewiesen. Mich interessiert die Höhe der Kassenkredite im Verhältnis zum Haushaltsvolumen der niedersächsischen Gebietskörperschaften. Welches sind denn die Gebietskörperschaften, die die höchsten Kassenkredite im Verhältnis zu ihrem Haushaltsvolumen aufzuweisen haben?

(Reinhold Coenen [CDU]: Hannover! - Zuruf von der CDU: Das ist ein Ei- gentor, Herr Kollege!)

Vielen Dank, Herr Dr. Lennartz. - Herr Minister!

Die genaue Auflistung werde ich Ihnen nachreichen; denn ich kann das jetzt natürlich nicht für jede Stadt sagen.

Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang aber vielleicht noch einmal darstellen, dass nicht nur der Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich Mitte der 90er-Jahre bis zum Jahr 2002 für große Probleme gesorgt hat, sondern dass auch die Kommunalaufsicht im Lande sehr unterschiedlich agiert hat. Die Bezirksregierung Weser-Ems und auch die Bezirksregierung Hannover haben eine sehr strikte Kommunalaufsicht betrieben. Dies hat dazu geführt, dass die Kommunen in diesen Regierungsbezirken nur sehr geringe Probleme in diesem Bereich hatten. Ganz anders sah es leider bei

den Bezirksregierungen Lüneburg und Braunschweig aus. Vielleicht hatte man dort ein schlechtes Gewissen - ich darf das einmal so sagen -, weil so viel aus dem Finanzausgleich genommen wurde, und hat in der Folge nicht so genau hingeguckt und das eine oder andere genehmigt. Das insofern schlechteste Beispiel ist Lüchow-Dannenberg. Weil man dort Mitte der 90erJahre die Augen einfach zugemacht hat, sind wir dort jetzt in dieser schwierigen Situation.

Wir haben daraus, dass die Kommunalaufsicht im Lande seinerzeit unterschiedlich agiert hat, die Konsequenzen gezogen und sie im Innenministerium gebündelt. Jetzt geht sie so strikt vor, wie es in der Vergangenheit nur in Teilen des Landes der Fall gewesen ist. Wir brauchen einheitliche Kriterien. Die Verwaltungsreform hat dazu beigetragen, dass die Kommunalaufsicht für das gesamte Land jetzt strikter, besser und konsequenter agiert.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Möhrmann, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, besser als die Höhe der Kassenkredite zeigt das strukturelle Fehl der jeweiligen Landkreishaushalte die Entwicklung der kommunalen Finanzen. Wie erklären Sie sich, dass dieses strukturelle Fehl gerade seit Beginn Ihrer Regierungszeit von null auf 700 Millionen Euro explodiert ist - nach der Aufstellung des Landkreistages -, und welchen Anteil hat Ihre Entscheidung des Eingriffes und der Nichtanwendung des Konnexitätsprinzips daran?

Herr Minister!

Ich habe Ihnen die Gründe ja schon dargestellt. Ein Indikator für die Entwicklung der kommunalen Finanzen ist die Höhe der Kassenkredite, ein anderer - da haben Sie natürlich Recht - ist das strukturelle Defizit in den Haushalten.

Ich habe darauf hingewiesen, dass diese Entwicklung nicht nur in Niedersachsen zu verzeichnen ist.

Die Kommunen und Landkreise sind bundesweit in einer schwierigen Situation, eben weil die Steuereinnahmen drastisch weggebrochen sind. Das hat etwas mit der Konjunktur zu tun.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Wie konn- ten Sie dann noch eingreifen, wenn das so wegbricht?)

- Ich habe Ihnen doch dargestellt, welche Maßnahmen wir parallel dazu umgesetzt haben.

Sie wollen ja sogar gegen unseren Haushalt klagen. Wenn Sie sich überlegen, welche Folgen das haben könnte, tun Sie es ja vielleicht doch nicht. Aber wir hätten mit einer solchen Klage auch kein Problem.

Auf der einen Seite sagen Sie, der Landeshaushalt ist nicht verfassungsgemäß, aber auf der anderen Seite kritisieren Sie uns, wenn wir Maßnahmen ergreifen. Wir haben immer die Lage der Kommunen mit im Auge und sorgen dafür, dass sie unter dem Strich nicht weniger, sondern sogar noch 120 Millionen Euro mehr haben. - Für irgendetwas müssen Sie sich einmal entscheiden, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD])

- Herr Jüttner, Mathe geht nun einmal so: 200 plus 70 sind 270, 270 minus 150 sind 120.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: 150 weg und 120 drauf sind bei mir minus 30! - Weitere Zurufe)

- Wir können das ja noch einmal mit dem Taschenrechner nachrechnen.