Protocol of the Session on October 7, 2005

gehen. Sie haben bestätigt, dass Sie das faktische Renteneintrittsalter erhöhen wollen. Ich frage mich, wie das im Verhältnis zu der Personalpolitik im Rahmen der Verwaltungsreform steht, bei der Sie bis zum 1. Juli dieses Jahres 423 Beamte in den vorzeitigen Ruhestand versetzt haben.

(Zuruf von der CDU: In den einstweili- gen Ruhestand!)

Die jüngste Beamtin war gerade erst einmal 47 Jahre alt.

(Axel Plaue [SPD]: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, als Querschnittsthema zog sich die Umweltpolitik durch die Große Anfrage. Hier liegen große Chancen für neue Arbeitsplätze, die Niedersachsen in den vergangenen Jahren trotz der Politik dieser Landesregierung nutzte.

(Beifall bei der SPD)

Die Umweltpolitik wird unter dieser Landesregierung weitgehend ausgeblendet. Denn obwohl auch die umweltpolitische Dimension in der LissabonStrategie einen herausgehobenen Stellenwert haben soll, finden wir in der Beantwortung durch die Landesregierung hierzu nur Allgemeinplätze oder Alibisprüche. Die Übersicht über die Mittel zur Förderung ökoeffizienter Innovationen aus dem Wirtschaftsförderfonds gibt einem zu denken.

Die Zuführung zum Wirtschaftsförderfonds hat der Wirtschaftsminister ja von Jahr zu Jahr abgesenkt. Waren es 2002 noch 78 Millionen Euro, sollen es 2006 nur noch 34 Millionen Euro sein. Wirklich nachdenklich hat mich aber gestimmt, dass bis zum 3. August 2005 noch nicht ein einziges Projekt zur ökoeffizienten Innovation gefördert wurde. Das hat nichts zu tun mit einer innovationsfreundlichen und in die Zukunft gewandten Politik.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Landesregierung fehlt es an Perspektiven. Das zeigt sich insbesondere daran, dass sie den gesamten Bereich der Umwelttechnologie sehr stiefmütterlich behandelt. Zahlen lägen nicht in ausreichendem Maße vor. In der Antwort wird ausgeführt, dass niedersächsische Unternehmen bundesweit eine führende Rolle beim Export von Wasseraufarbeitungstechnik einnehmen, ebenso von Pump- und Filtertechnik sowie von Bohrgeräten und Bohrtechnologie. Gerade vor diesem Hintergrund ist es absolut unverständlich, warum die

Landesregierung nicht in der Lage ist, genauere Zahlen zur Entwicklung dieser Technologiezweige und der Wachstumspotenziale vorzulegen.

(Beifall bei der SPD)

Es scheint auch mehr als fraglich zu sein, dass die einzigen Umwelttechnologien, die Niedersachsen zu bieten hat, im Bereich der Abfallwirtschaft und Wasseraufarbeitung zu suchen sind.

Denken Sie doch einmal an die erneuerbaren Energien. Beste und beeindruckende Beispiele finden wir auf diesem Feld in unserem Land. Die Firma Enercon z. B. gehört zu den Globalplayern. Aber bei diesem Umweltminister, der keine Gelegenheit auslässt, gegen die erneuerbaren Energien und besonders die Windenergie zu Felde zu ziehen, muss man sich wohl nicht wundern, dass solche Erfolgsgeschichten in der Beantwortung der Großen Anfrage keine Rolle spielen. Warum auch? Der Boom der Branche war erst durch eine rotgrüne Bundes- und eine rote Landesregierung möglich.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, im einleitenden Text Ihrer Antwort werden zahlreiche Handlungsfelder zur Umsetzung der Lissabon-Strategie gezeigt. Doch auf den ökologischen Handlungsfeldern ist bei dieser Landesregierung wieder einmal eine Fehlanzeige.

(Zuruf von Ulrike Kuhlo [FDP])

Nicht einmal Vorschläge gibt es dazu, Frau Kuhlo; Sie haben es sicherlich gelesen.

Immerhin - so muss man wohl sagen - hat mittlerweile auch die CDU/FDP-Landesregierung die Nachhaltigkeit für sich entdeckt und will diese nun in allen Politikfeldern einführen, was auch immer das heißen soll.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Tja!)

Die Ernsthaftigkeit dieses Unterfangens muss allerdings mehr als bezweifelt werden,

(Beifall bei der SPD)

hat doch gerade der Umweltminister nun sämtliche Mittel für den Agenda-21-Prozess in seinem Haushalt gestrichen. Aber es klingt doch prima: Wir machen jetzt in Nachhaltigkeit.

Abschließend möchte ich noch bemerken, dass es nicht mein Eindruck war, dass die Europapolitik, insbesondere die Lissabon-Strategie, der zentrale Anknüpfungspunkt Ihrer Arbeit war. Dabei böte diese Strategie einen zukunftsfähigen Handlungsrahmen für eine moderne und soziale Landespolitik.

Sie dagegen vernachlässigen in eklatanter Weise die wichtigen Zukunftsfelder unseres Landes. Sie schwächen die Hochschullandschaft. Sie haben ein Schulsystem aus den 50er-Jahren eingeführt. Sie behindern innovative Unternehmen, wie z. B. im Umweltbereich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Landesregierung ist nunmehr zweieinhalb Jahre im Amt. Es waren kalte, rückwärts gewandte Jahre.

(Beifall bei der SPD)

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen dagegen nach vorne schauen. Unsere Zukunft liegt in Europa. Das ist die Perspektive für Niedersachsen. Deshalb sind wir sehr gespannt auf Ihr europapolitisches Konzept, das Sie im Herbst vorlegen wollen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Nun hat sich von der Landesregierung Herr Minister Hirche zu Wort gemeldet. Bitte schön!

(Axel Plaue [SPD]: Es ist ja schön, dass er da ist!)

- Herr Plaue, falls Sie sich zu Wort melden möchten, der SPD-Fraktion steht noch eine Redezeit von einer 1:44 Minuten zur Verfügung. Aber bei einer Großen Anfrage kommt nach dem Fragesteller zunächst einmal die Landesregierung.

Herr Minister Hirche hat jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung schweigt zunächst einmal, wenn es im Parlament Diskussionen darüber gibt, wie die Dinge weiter abgewickelt werden. Ich bedanke mich deswegen für die Worterteilung und darf gerade nach dieser Rede sagen: Sie reiht sich darin ein, wie die EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2000 die Lissabon-Strategie mit großem Anspruch be

schlossen haben. Ziel sollte es ja sein, die wachstumsstärkste Wissenschafts- und Wirtschaftsregion der Welt zu werden. Meine Damen und Herren, das sind viele große Worte, aber wirklich nur Worte.

Die Halbzeitbilanz ist enttäuschend ausgefallen. Dies hat die EU-Expertengruppe unter der Leitung des Sozialdemokraten Wim Kok festgestellt. Der Bundesrat teilt die Einschätzung, dass die Nationalstaaten, die diese Strategie beschlossen haben, nicht genug dafür getan haben. Der Grund ist, dass bei der Umsetzung der Lissabon-Strategie versäumt wurde, klare Prioritäten für Wachstum und Arbeitsplätze zu setzen.

Die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Umsetzung der Lissabon-Strategie mit insgesamt 106 Fragen und zahlreichen Unterpunkten ist ein unfreiwilliger zusätzlicher Beweis, wie sehr die Konzentration auf das Wesentliche fehlt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zur Beantwortung dieser - um den rundblick zu zitieren - „monströsen Anfrage“ haben neben den Ressorts der Landesregierung weitere Institutionen, z. B. das Landesamt für Statistik und das Niedersächsische Institut für Wirtschaftsforschung, Daten und Informationen zu den unterschiedlichsten Politikbereichen zusammengestellt. Dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten bedanken, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In dieser Großen Anfrage wird alles und jedes abgefragt. Frau Kollegin, nachdem Sie die Filtertechnik im Lande Niedersachsen so gelobt haben, hätte ich mir gewünscht, dass die SPD-Fraktion eine vernünftige Filtertechnik für die Konzentration auf das Wesentliche angewandt hätte.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Leider fällt die Halbzeitbilanz zu Lissabon gerade auch für Deutschland negativ aus. Dass es dabei um eine nationalstaatliche Dimension geht, ist wohl deutlich.

Die Sachverständigengruppe mit Wim Kok - wohlgemerkt ein Sozialdemokrat - kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland zusätzliche Reformen in den sozialen Sicherungssystemen, auf dem Arbeitsmarkt, bei der Arbeitsvermittlung und in der Haushalts- und Steuerpolitik notwendig sind. Genau das hat Rot-Grün in Berlin nicht gemacht.

Vordringliche Ansatzpunkte bleiben, so Wim Kok, mehr Innovation, eine spürbare Senkung der Lohnzusatzkosten, eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und Bürokratieabbau. - Das hört sich nicht gerade wie ein Programm der SPD an, sondern das ist die Aufforderung von Wim Kok, auf diesen Feldern einschneidende Schritte zu tun.

Meine Damen und Herren, weil aufseiten der Bundesregierung so wenig passiert ist, hat die Landesregierung im Bundesrat zahlreiche Vorstöße gemacht. Beispiele sind die Bundesratsinitiative für nachhaltige Reformen am Arbeitsmarkt und der Vorstoß für eine Reform der gewerblichen Unfallversicherung und des Insolvenzgeldes.

In unserem eigenen Wirkungskreis haben wir zusätzlich viele Projekte und Initiativen mit wachstums- und arbeitsmarktpolitischen Aspekten gestartet. Das enge Finanzkonzept, das wegen der Altschulden leider da ist, hat zusätzlich eine Konzentration der knappen Ressourcen auf die Technologien, Industrien und Regionen erfordert, die die besten Aussichten auf ein dynamisches Wachstum versprechen. Dazu nur vier Anmerkungen:

Ein Beispiel ist unser Engagement bei der geplanten INEOS-Investition in Wilhelmshaven, die ein Gesamtvolumen von bis zu 1 Milliarde Euro ausmacht. Die gemeinsame Erklärung des Landes Niedersachsen und der Bundesregierung zu den Unterstützungsmöglichkeiten für das Vorhaben hat dieses Projekt ein großes Stück vorangebracht. Wie Sie wissen, hat INEOS bei einem Treffen in Hannover das Engagement der Landesregierung gewürdigt und den Start einer Pre-EngineeringStudie in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro zugesichert.

Ein anderes, zweites Beispiel ist der Forschungsflughafen Braunschweig. Nach langen und schwierigen Verhandlungen haben wir das Projekt Forschungsflughafen Braunschweig auf die Beine gestellt und hier ein neues PPP-Modell in die Wege leiten können. Das Land, die Städte Braunschweig und Wolfsburg sowie die Volkswagen AG teilen sich die Kosten. Durch diese Maßnahme wird die Zukunft des Forschungsflughafens gesichert, mit dem 1 500 hoch qualifizierte Arbeitsplätze verbunden sind. Wir unterstützen damit die Wachstumspotenziale der Region Braunschweig als führende EU-Region hinsichtlich der F & EIntensität und des Anteils des F & E-Personals an den Erwerbspersonen insgesamt. Das ist ein kla

res Beispiel für die Umsetzung der LissabonStrategie.

Ein drittes Beispiel ist der konsequente Aufbau des CFK-Valleys in Stade. Das beginnt mit dem Technologiezentrum Stade, für das das Land einen Landeszuschuss von 4 Millionen Euro bereitstellt. Allein der Blick auf die Liste der festen Mieter zeigt, dass dieses Geld entsprechend der Fördermaxime international und innovativ gut angelegt ist.