Herr Minister Stratmann, seit ungefähr einem Jahr versuchen Sie, ein Modell für die Finanzierung von Studiengebühren mit den einzelnen Modalitäten vorzulegen. Ich finde, die Studierenden und Studierwilligen haben ein Recht darauf, bald zu wissen, auf was sie sich einlassen, auch um Planungssicherheit zu haben und um eine Standortentscheidung treffen zu können. Ich frage Sie: Schaffen Sie es noch in diesem Jahr, ein Modell mit einzelnen Konditionen vorzulegen? Ich habe das Gefühl, dass Sie bei der Finanzierung bei vielen Sachen noch am Schwimmen sind.
Herr Minister, ich möchte Sie noch einmal fragen: Wer trägt die Kosten für die 10 % Härtefälle, die keine Studiengebühren zahlen, weil sie davon befreit werden? Bleiben die Kosten bei den Hochschulen, oder beteiligt sich das Land daran?
Dieser Sachverhalt scheint ja sehr komplex zu sein. Ich habe es doch eben gesagt! Ich habe eben gesagt, dass diejenigen, die befreit sind - nomen est omen, das ergibt sich schon aus der Begrifflichkeit -, keine Studiengebühren zahlen.
Ich versuche es einmal mit dem kleinen Einmaleins. Angenommen, ich habe eine Hochschule mit 20 000 an sich beitragspflichtigen Studentinnen und Studenten. Wenn ich dort 1 000 Studierende habe, die Kinder erziehen, die Angehörige pflegen, die sich im Ausland befinden oder die sonstige Ausnahmetatbestände erfüllen, dann zahlen diese 1 000 Studierenden an dieser Hochschule keine Studienbeiträge. Das ist ein ganz normaler Vorgang, der weltweit die gleichen Sachverhalte abdeckt.
(Silva Seeler [SPD]: Sie hat eine Fra- ge gestellt! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Er hat sie jetzt beantwortet! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
(Minister Lutz Stratmann [CDU]: In meinem nächsten Leben werde ich Pädagogik studieren! - Zurufe von der SPD)
- Ich erkläre es noch einmal. Also: Eine Universität hat 20 000 Studierende. 1 000 dieser Studierenden erfüllen einen Ausnahmetatbestand. Das heißt, von den 20 000 Studierenden zahlen 1 000 keinen Studienbeitrag. So einfach ist das. Dafür kommt niemand auf.
(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsidenten - Hans Peter Thul [CDU]: Hört doch einfach einmal zu! - Zurufe von der SPD)
Meine Damen und Herren, wenn es etwas ruhiger geworden ist - Herr Schwarz, Frau Korter! -, können wir fortfahren. - Die nächste Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Wenzel.
Herr Minister, ich habe den Eindruck, dass Sie Modelle entwickeln, die sich von denen in allen anderen Bundesländern - offenbar auch von denen in CDU-regierten Bundesländern - völlig unterscheiden. Was passiert denn, wenn eine Studentin in Hannover anfängt zu studieren und dann für ein Semester nach Freiburg und ein Semester nach Paris geht? Muss die dann überall mit verschiedenen Modellen rechnen?
Ich bin sehr dankbar für diese Frage, weil es eine wirklich wichtige Frage ist. Erlauben Sie mir, dass ich dazu eine Vorbemerkung mache.
Insbesondere die norddeutschen Kolleginnen und Kollegen - dazu darf ich mich ja auch zählen hätten sich gewünscht, dass ein Kreditfinanzierungsmodell entwickelt wird, das für alle Länder
quasi gleich ist. Wir haben deshalb sehr viele Hoffnungen auf Angebote gesetzt, die seitens der Kreditanstalt für Wiederaufbau im Frühjahr dieses Jahres gemacht worden sind.
Diese Angebote hatten allerdings mehr oder weniger den Charakter eines Vorentwurfes, eines Vorkonzeptes. Ich will auch begründen, warum: weil die Kreditanstalt für Wiederaufbau immer betont hat: „Wir möchten das gerne mit euch allen machen, aber die Bundesregierung in Berlin“ - die ja von Rot-Grün gestellt worden ist, wie jeder weiß „besetzt bei uns den Verwaltungsrat und hat uns untersagt, Kredite für Studienbeiträge anzubieten. Deshalb müssen wir mit konkreten Angeboten bis nach der Bundestagswahl warten. Wir hoffen, dass sich nach der Bundestagswahl die Mehrheiten in unserem Verwaltungsrat geklärt haben.“
Dem ist jetzt, wie jeder weiß, nicht so; wenngleich ich mir ziemlich sicher bin - gestatten Sie mir diese Randbemerkung -, dass das Thema „Studienbeiträge“ in einer großen Koalition keine Rolle mehr spielen wird, weil sie von allen gewollt werden.
Als wir feststellten, dass es ein solches Angebot der KfW nicht mehr rechtzeitig geben wird, habe ich die KfW - ich glaube, andere Kollegen haben das auch getan - noch einmal mit Fristsetzung gebeten, uns ihr endgültiges Angebot vorzulegen. Dazu war die KfW nicht in der Lage. Daraufhin haben sich Länder wie etwa Baden-Württemberg - das aus anderen Gründen etwas frühzeitiger -, aber auch andere Länder entschlossen, ihre Förderbanken zu bitten, Konzepte vorzulegen. Wir haben das auch getan, und deshalb haben wir uns für die LTS entschieden.
Wenn jetzt ein Student oder eine Studentin beispielsweise von Hannover nach Freiburg wechselt - das ist sogar etwas, was wir uns wünschen; wir möchten mehr Mobilität bei den Studierenden -, dann wird Folgendes passieren: Wenn er bzw. sie einen Studienkredit beantragt - das ist ja immer die Voraussetzung -, dann tut er bzw. sie dies zunächst bei der Förderbank des Landes, in dem er bzw. sie sich erstmalig immatrikuliert; in Niedersachsen bei der LTS. Wenn dann nach sechs Semestern der Wechsel erfolgt, wird die Kreditierung in Niedersachsen quasi abgeschlossen. In BadenWürttemberg würde er bzw. sie zu der dortigen LBank gehen und auch dort einen Kredit beantragen und auch gewährt bekommen, weil die Bedingungen gleich sind. Das gilt im Übrigen auch für so gut wie alle anderen Länder.
Übrigens: Schleswig-Holstein, Hamburg, die norddeutschen Länder werden mit großer Wahrscheinlichkeit unser Modell kopieren, weil wir am weitesten sind. Insoweit gibt es da auch keine Probleme.
Die Frage ist jetzt: Was passiert, wenn zurückgezahlt werden muss? Bekommt der Student bzw. die Studentin dann von zwei oder von drei Banken Rückzahlungsaufforderungen? Um zu verhindern, dass die sich kumulieren, werden wir auf Länderebene eine Vereinbarung schließen, wonach zuerst der Kredit zurückgezahlt werden muss, der in dem Land aufgenommen worden ist, in dem man sich erstmalig immatrikuliert hat. Wenn dieser Kredit zurückgezahlt worden ist, dann kommt der zweite - im Regelfall geringere - im nächsten Land.
Im Ausland gibt es das Problem der Studienbeiträge heute ohnehin schon. Da ändert sich nichts. Da mag es bilaterale Vereinbarungen zwischen den Hochschulen geben, dass z. B. eine Hochschule in Paris eine Vereinbarung mit der Universität Göttingen abschließt, wonach Studierende, die von der einen zu der anderen Hochschule zur kommen, studienbeitragsfrei gestellt werden. Das ist etwas, was die Länder der Bundesrepublik Deutschland nicht regeln können, sondern was die Hochschulen untereinander regeln müssen. Das ist aber heute schon Alltag, Herr Wenzel, da betreten wir kein Neuland.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mich interessiert das Verhältnis von Langzeitstudiengebühren zu Studiengebühren. Herr Minister, wenn sich Ihr System irgendwann demnächst einmal etabliert haben sollte, werden Sie dann für die Gruppe der Langzeitstudiengebührenpflichtigen weiterhin parallel zu den Studiengebühren, die verlangt und durchgesetzt werden, auch die so genannten Langzeitstudiengebühren erheben?
Unser Entwurf sieht Folgendes vor - damit stellt sich die Frage mit den Langzeitstudiengebühren nicht mehr so wie bisher -: Sie haben einen Anspruch - nur darum geht es ja - auf Kreditierung der Studienbeiträge, wenn Sie die Regelstudienzeit plus vier Semester studieren. Das heißt, wenn Sie über dieser Semesterzahl liegen, haben Sie keinen Anspruch mehr auf Kreditierung. Wenn Sie so wollen, sind Sie dann ein Langzeitstudent, der Gebühren zahlen muss, bei dem diese Gebühren aber nicht mehr durch einen Kredit abgedeckt werden. Das ist übrigens bei den Langzeitstudenten auch jetzt schon so: Die bekommen auch jetzt schon keinen Kredit.
Ich sage noch einmal: Wir reden hier im Grunde über die Kreditierung. Jeder kann in Deutschland künftig so lange studieren, wie er will, soweit die Prüfungsordnungen dies zulassen. Die Frage ist nur, ob man dafür später noch einen Kredit bekommt. Den bekommt man nicht mehr, wenn man die Regelstudienzeit plus vier Semester studiert hat. - Damit hat sich, glaube ich, diese Frage auch weitestgehend erledigt.
Da ich mir nicht vorwerfen lassen will, dass ich hier etwas verschwiegen hätte, will ich noch Folgendes sagen: Wir beabsichtigen - unterstellt, dies wird von der Regierung und vom Parlament so akzeptiert -, die Gebühren für Langzeitstudenten zu erhöhen, um eine klare Abgrenzung herstellen zwischen denen, die sich sozusagen normal im Studium befinden, und denen, die Langzeitstudierende sind.
Die nächste Frage wird von Frau Dr. Andretta gestellt. - Frau Dr. Heinen, Sie hatten sich auch gemeldet. Sie haben es dem Präsidium aber vorhin schon einfach gemacht, indem Sie gesagt haben „ich habe eine zweite Frage“. Also, Sie haben schon zwei Fragen gestellt.
Herr Minister Stratmann, Sie haben eben sehr eindeutig erklärt, dass die Sozialverträglichkeit der Studiengebühren von den Hochschulen hergestellt werden muss und nicht vom Land. Das Bundesverfassungsgericht sieht es übrigens anders vor. Das betrifft - so haben Sie eben bestätigt - 10 % der Studierenden. Herr Rösler hat in einem Interview in der Neuen Presse vom 12. April 2005 erklärt, dass 15 % der Besten eines Studienjahrganges ebenfalls von Studiengebühren freigestellt werden sollen. Wird die Landesregierung dem folgen?
Ich war bisher eigentlich der Meinung, dass wir uns - unabhängig von unserem Dissens, den wir in Bezug auf Studienbeiträge haben - in einem einig sind, nämlich dass es ein Höchstmaß an Autonomie für die Hochschulen geben muss. Die Frage - das habe ich vorhin schon einmal angedeutet -, ob die Besten von den Gebühren ausgenommen werden, ob Studierende davon ausgenommen werden, die sich sozial engagiert haben - etwa bei der Caritas oder beim Roten Kreuz -, ist etwas, was wir den Hochschulen überlassen müssen. Wir wollen die Hochschulen stärker in den Wettbewerb stellen,
und wir wollen die Studienbeiträge dazu nutzen, dass die Hochschulen innerhalb dieses Wettbewerbs unterschiedliche Profile herausbilden. Das ist genau das, was wir in allen anderen Ländern erleben.
Ich sage hier auch ganz offen: Ich weiß von Hochschulpräsidenten in Niedersachsen, denen es vor allem um die Benotung geht, die die Allerbesten haben wollen. Ich habe da eine andere Auffassung. Ich gucke auch, ob ich da jemanden habe, der sich sozial engagiert hat, der bewiesen hat, dass er für unsere Gesellschaft eintritt. Wenn jemand das bewiesen hat, dann reicht mir vielleicht auch ein 2-er oder ein 2,5-er Abitur dafür, dass er von mir ein Stipendium bekommt. - Das ist genau das, was wir gemeinsam eigentlich wünschen sollten: dass sich unterschiedliche Profile heraus
Ich will, damit es dann wirklich jeder verstanden hat, noch einmal sagen: Natürlich ist das etwas, was die Hochschulen dann auch zu bezahlen haben. Das ist klar, aber das ist in allen anderen Hochschulsystemen völlig normal. Erlauben Sie mir - das hat natürlich damit zu tun, dass ich immer noch unter dem Einfluss meines Besuchs dort stehe -, auf das Beispiel Harvard einzugehen. Das ist sicherlich ein Extrembeispiel, damit wollen wir uns überhaupt nicht vergleichen, aber das macht sehr deutlich, worum es geht.