- Das sind keine Mutmaßungen, das sind Tatsachen. Diesen Prozess haben die Wählerinnen und Wähler Gott sei Dank gestoppt. Wir haben Prioritäten gesetzt, gerade auch für die Hauptschule: mehr Unterricht, mehr Lehrer, mehr Praxis, mehr Sozialarbeiter usw. Vor allen Dingen haben wir auch die Vernetzung zur Wirtschaft, zu den berufsbildenden Schulen gefördert und werden sie weiterhin konsequent ausbauen, damit gerade diese Schüler eine Chance haben, einen Schulabschluss zu erreichen und ausbildungsfähig in die Zukunft gehen zu können.
Ich denke, Sie sehen genau, dass die Hauptschule von früher, von der SPD, von gestern, nicht viel Gemeinsames mehr hat mit der Hauptschule der Zukunft, der CDU und FDP. Wir haben hervorragende Beispiele der Zusammenarbeit, z. B. den Beschulungs- und Ausbildungsverbund zwischen der KGS und den berufsbildenden Schulen in Neustadt, den wir gerade besucht haben. Dieser Modellversuch läuft hervorragend. Die Hauptschüler und Hauptschülerinnen erhalten eine grundlegende Allgemeinbildung genauso wie eine
fachliche Bildung. Das Handwerk vor Ort sieht dadurch eine hervorragende Möglichkeit, den Schülern einen Ausbildungsplatz zu sichern. Solche Modellvorhaben müssen ausgeweitet werden. Das werden wir auch tun, damit alle eine Zukunftschance haben.
Dann bin ich sicher, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, dass die Schülerströme wieder anders verlaufen. Das werden wir natürlich genau beobachten. All das ist ein wichtiger Baustein bei den Bemühungen der Landesregierung mitzuhelfen, die schlechten PISA-Ergebnisse aus der SPD-Zeit wieder zu verbessern.
Wir könnten noch viel mehr tun, wenn wir nicht diese miese Haushaltslage hätten, die Sie uns hinterlassen haben. Deshalb bin ich mir so sicher, dass die Schulträger mithilfe des Ministeriums zukunftsweisende Lösungen finden werden, um die Herausforderungen, aber auch die Chancen der demografischen Entwicklung in der Schulpolitik anzunehmen. Der von mir zitierte Professor Bertram sagt dazu weiter - -
Entschuldigen Sie bitte, Frau Kollegin Ernst, das Zitat kann ich jetzt nicht mehr zulassen, sondern nur noch einen Schlusssatz.
Einen Schlusssatz! Na wunderbar! Ich denke, es ist alles von großer Wichtigkeit: stärkere Verzahnung von Wohn-, Arbeits-, Bildungsorten, verbesserte Analyse und Weiterentwicklung der Potenziale lebensbegleitender Bildung, Eltern verbindlich in den schulischen Bildungsprozess einzubeziehen und Wanderungsbewegungen auf lokaler Ebene entgegenzuwirken. Wir haben tolle Chancen für die Zukunft. Wir werden es beobachten. Wir werden daran arbeiten. Ich hoffe, das alles zum Wohl unserer Kinder und auch zum Wohl der Schulstandorte in der Zukunft gelöst wird. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gab vor Jahren eine beliebte politische Fernsehsendung mit dem Titel „Journalisten fragen - Politiker antworten“. Als ich diese Unterlagen las, kam mir eine Variante in den Sinn: „Abgeordnete fragen, und die Regierung antwortet nicht“. Diese Behauptung mag einige überraschen, wenn sie sehen, dass die Landtagsdrucksache zu der Großen Anfrage 163 Seiten umfasst, davon 25 Seiten einleitenden Text.
Wer aber diesen Text genauer liest, findet darin den schlagenden Beweis für die Einsicht, dass man auch mit vielen Worten sehr wenig sagen kann, was übrigens für die letzte Rede ähnlich gilt.
In diesem Text werden noch mehr Möglichkeiten demonstriert. Man kann mit Sprache auch Fakten verschleiern, und man kann wortreich eine Antwort verweigern.
Nur zwei Beispiele von vielen. „Die Landesregierung sieht folgerichtig davon ab, aus fragwürdigen Bezugsgrößen, Annahmen und Trends eine Schulentwicklung darzustellen“. Dieses Zitat findet sich mitsamt weitschweifiger Begründung auf Seite 13.
selbst wenn zuzugestehen ist, dass es nicht leicht ist, auf eine Reihe von Fragen zu antworten, die alle das Wort „vermutlich“ beinhalten. Dabei ist die Zielsetzung der Anfrage einleuchtend. Dass die demografische Entwicklung auch für die Schulpolitik zunehmend wichtig ist, ist doch keineswegs eine Erfindung der Grünen und wird auch von der Landesregierung nicht bestritten. Sie verweist z. B. auf die vom Niedersächsischen Landtag im Mai 2005 eingesetzte Enquete-Kommission zum demografischen Wandel und betont, dass diese sich auch mit dem Handlungsfeld „Bildung und Ausbildung“ befassen wird. Sie formuliert ferner, mit Recht, wörtlich:
Warum sie dann aber für diese EnqueteKommission nicht Vorarbeit leisten will, mit der seltsamen Begründung, sie wolle ihr nicht vorgreifen, erschließt sich nicht so leicht. Immerhin fügt sie dem Antworttext eine umfangreiche Sammlung an Listen bei, und aus diesen geht das Sinken der Schülerzahlen, nach Schulform altersgemäß versetzt, eindeutig hervor. Vielleicht zielt die Anfrage der Grünen an die Landesregierung einfach nur zu eindeutig in die Richtung, dass die Drei-, Vier-, Fünf- und Mehrgliedrigkeit eines Schulwesens für eine zurückgehende Schülerpopulation eben nicht mehr ein angemessenes, begabungsgerechtes, wohnortnahes Schulangebot sicherstellen kann. Die Regierung tut nun alles, um diese berechtigte Annahme nicht zu bestätigen. Nichts, was in diese Richtung deutet, soll zugestanden werden, selbst wenn es in der Tendenz noch so eindeutig wäre. Wissen Sie, wie man in der Wissenschaft solche Verweigerungshaltung gegenüber der Wirklichkeit nennt? - Man könnte es zurückhaltend formulieren und es „ideologische Verblendung“ nennen.
In den Tabellen aber lässt sich diese Umdeutung der Wirklichkeit zum Glück nicht durchhalten. Allein die Auflistung der Schulen, die die Mindestzügigkeit schon heute mindestens in einem Schuljahrgang unterschreiten, umfasst 15 Seiten. Von die
sen sind nur 48 Grundschulen. 278 Schulen sind im Sekundarbereich I, nämlich Hauptschulen, Grund- und Hauptschulen und Haupt- und Realschulen. Noch wesentlich umfangreicher ist die Tabelle der Schulen, bei denen so weite Fahrtzeiten anzusetzen sind, dass von Wohnortnähe nicht mehr gesprochen werden kann. Ich kann allen Kolleginnen und Kollegen nur empfehlen, sich anhand dieser Tabellen einmal über die örtlichen Risiken zu informieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Wochenzeitung Die Zeit bezeichnete am 18. August 2005 ganz realistisch die Demografie im Schulbereich als neue Herausforderung, „der sich Anhänger wie Gegner des gegliederten Schulsystems gleichermaßen stellen müssen“. Sie führt aus:
„Bei sinkenden Schülerzahlen werden Hauptschulen, Realschulen oder Gymnasien in kleineren Orten oder auf dem Land nur noch eine Klasse pro Jahrgang füllen können. Das jedoch ist angesichts der Haushaltsprobleme vieler Kommunen nicht zu finanzieren. Um das pädagogische Angebot in Schülernähe zu retten, werden die Einrichtungen über die Grenzen der Schulformen hinweg kooperieren oder schließen müssen.“
Spannend ist es, zu verfolgen, mit welchen Klimmzügen die Regierung versucht, dieser Einsicht auszuweichen, und wie ihr das gelegentlich doch misslingt.
Besonders aufschlussreich ist die Antwort auf die Frage 15. Dort geht es um das Konzept der Landesregierung, mit dem sie bei den zurückgehenden Schülerzahlen ein vollständiges wohnortnahes Schulangebot aufrechterhalten will. Die Aussagen sind so umfangreich und notwendig wie zum Teil widersprüchlich. Die Landesregierung versucht, den Anschein zu erwecken, sie habe innerhalb des gegliederten Schulsystems ausreichend Maßnahmen zur Verfügung, um Schließungen oder zu weite Fahrten zu vermeiden. Gleichzeitig ist sie aber ganz offensichtlich gezwungen, immer wieder auf die Probleme kleiner Systeme hinzuweisen. Nur zwei Beispiele aus dem Text auf Seite 18:
„Zu bedenken ist allerdings, dass regelmäßig nur bei bestimmten Schulgrößen ein differenziertes Unterrichtsangebot möglich ist,...“
Interessant ist in dieser Zusammenstellung alles, was mit Kooperation verknüpft ist. Durchgehend wird geradezu krampfhaft versucht, nicht auf schulformübergreifende Kooperationen zu sprechen zu kommen, jedenfalls alles zu vermeiden, was die Gliederung in verschiedene Schulzweige je nach Schulform infrage stellen könnte.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, welche Kämpfe es gekostet hat, jedenfalls die verbundene Hauptund Realschule im Niedersächsischen Schulgesetz in ihrem Bestand zu sichern. Sie können uns heute dafür dankbar sein.
Hier könnte durch Kooperation statt durch ein Nebeneinander viel zum Erhalt von Schulen in Wohnortnähe erreicht werden. Dazu steht ein schöner Satz auf Seite 19:
„Durch Kooperationen können nicht nur Standorte erhalten werden, Kooperationen ermöglichen auch ein attraktiveres Schulangebot und sichern zudem Durchlässigkeit.“
Das klingt doch gut. Nur schade, dass die echte Kooperation, das gemeinsame Unterrichten von Schülerinnen und Schülern verschiedener Schulformen, aus ideologischer Verbohrtheit noch immer verwehrt wird.
Trotzdem ist schon eine solche Formulierung ein durchaus interessanter Ausrutscher in der ansonsten durchgehaltenen Betonhaltung. Kooperation als Chance, das, wofür die SPD seit Beginn dieser Wahlperiode vehement streitet, wird mit aller Vorsicht zugestanden. Gehen Sie diesen Weg weiter, meine Damen und Herren! Lassen Sie die kooperative Haupt- und Realschule wieder zu. Ich habe mich schon seit Jahren gefragt, was das eigentlich für ein Land ist, in dem die Bezeichnung „kooperativ“ für Ihre Seite zum Schimpfwort geworden ist.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ursula Körtner [CDU]: Das ist doch Quatsch, was Sie da sagen! - Ursula Ernst [CDU]: Das ist albern!)
Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss noch auf den Abschnitt B und damit auf die Fragen nach dem Qualifikationsbedarf der Arbeitskräfte in Niedersachsen zu sprechen kommen. Dazu ist zweierlei anzumerken. Erstens. Die Antworten sind weniger polemisch als im ersten Teil. Sie stellen die unstrittige Entwicklung zutreffend dar. Zweitens. Bezüglich der Gegenmaßnahmen sind sie leider genauso ideologisch einseitig wie im ersten Teil. Das unsägliche Hochschuloptimierungskonzept wird bejubelt, das Hauptschulprofilierungsprogramm, das in Wirklichkeit nur ein Hauptschulisolierungsprogramm ist, wird gelobt.