Protocol of the Session on September 15, 2005

Für unseren Vorschlag gibt es dagegen eine Reihe guter Gründe:

Erstens. Der Rechtspfleger hat durch seine kontinuierliche Arbeit mit den Betreuern den besten Überblick über deren Eignung bzw. Nichteignung.

Zweitens. Unser Vorschlag vermeidet gerade Doppelbefassungen, öffnet in geeigneten Fällen die Möglichkeit der Bearbeitung auch durch den Rechtspfleger.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Drittens. Die Notwendigkeit der Entlassung ungeeigneter Betreuer erkennt als Erster der Rechtspfleger. Er überwacht die Betreuer, nicht der Richter. Jetzt muss er den Vorgang an den Richter weitergeben, der die Akten oft Jahre nicht gesehen hat und sich deshalb erst wieder einarbeiten muss. Dadurch wird eine vermeidbare Doppelbefassung notwendig, die bei unserem Vorschlag aber vermieden wird.

Viertens. Bei Grundstücksgeschäften, die der Betreuer vornehmen will, sind Ergänzungspfleger oder -betreuer zu bestellen.

(Unruhe)

Herr Helberg, warten Sie bitte einen Moment, bis hier wieder Ruhe eingekehrt ist. Es sind zwar nur sehr wenige Kollegen anwesend. Die können aber so viel Krach machen, als ob das Plenum voll wäre.

Bei Grundstücksgeschäften, die der Betreuer vornehmen will, sind Ergänzungspfleger oder -betreuer zu bestellen. Der Rechtspfleger ist ohnehin mit der Prüfung der Angelegenheit betraut, kann also ohne Verzug tätig werden. Bei der jetzigen Regelung, die Sie beibehalten wollen, muss der Richter eingeschaltet werden. Außerdem müssen Anhörungen durchgeführt und Betreuer bestellt werden. Also auch hier eine vermeidbare Doppelbefassung.

Fünftens. Bis 1992 waren die Bestellung und die Entlassung der Betreuer jahrzehntelang einheitlich in der Hand der Rechtspfleger. Das hat richtig gut funktioniert. Die Grundentscheidung traf der Richter mit der Anordnung der - seinerzeitigen - Pflegschaft. Alle anderen Entscheidungen lagen in der Hand der Rechtspfleger. Das entspricht unserem Vorschlag.

Wir stellen fest: Dort, wo in der Justiz Reformen möglich sind, verweigern Sie sich, meine Damen und Herren von der CDU. Gleichzeitig kündigen Sie seit zweieinhalb Jahren vollmundig Justizreformen an. Ihre lauthals verkündeten Pläne aber sind unausgegoren und verdienen den Begriff der Reform nicht. Was von Ihrer Arbeit im Justizbereich zu halten ist, kann man an den Klatschen ablesen, die Ihnen das Bundesverfassungsgericht und der Niedersächsische Staatsgerichtshof innerhalb von nur fünf Wochen verpasst haben.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben diese verfassungswidrigen Gesetze trotz unserer eindringlichen Warnungen verabschiedet. Ihre Aufgabe, Frau Heister-Neumann, wäre aber gewesen, diese verfassungswidrigen Gesetze zu verhindern. Sie sind Verfassungsministerin. Als Justizministerin haben Sie die Ver

pflichtung, die Verfassung zu schützen und sie nicht zu beschädigen.

(Beifall bei der SPD)

Abschließend: Wie man die Justiz modernisiert und sinnvoll reformiert, haben wir Ihnen in den 90er-Jahren gezeigt. Ich darf Ihnen einmal einige der Reformen, die damals verabschiedet worden sind, vortragen.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Vorbildlich!)

- Ja, vorbildlich. Sie haben absolut Recht, Herr Kollege.

Das elektronische Grundbuch wurde eingeführt, also Solum und Solum-Star. Serviceeinheiten wurden gebildet. Über P 53 wurde jeder Arbeitsplatz in den Gerichten mit einem Computer ausgestattet. Das EUREKA-Programm sowohl in Familien- als auch in Zivilsachen ist effektiv. Handelsregister wurden erstmals zusammengelegt usw. usf. Unsere Reformen, meine Damen und Herren, haben die Justiz in den 90er-Jahren vorangebracht. Sie aber verweigern sinnvolle Reformen. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist der Herr Kollege Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Briese, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus unserer Sicht ist es bedauerlich, dass die Landesregierung eine Möglichkeit zur Optimierung des Justizablaufes in Betreuungssachen nicht nutzen will. Die Gründe für die Ablehnung der Öffnungsklausel, die von der Landesregierung und auch von den Mehrheitsfraktionen angeführt werden, sind aus unserer Sicht wenig stichhaltig. Die Übertragung von Aufgaben führt weder zur Mehrarbeit noch zu Ineffizienz. Einerseits muss man natürlich fragen: Warum ist im Rechtspflegergesetz überhaupt die Öffnungsklausel durchgesetzt worden, wenn die Länder jetzt keinen Gebrauch davon machen wollen? Die Länder haben diese Öffnungsklausel ja selber gefordert. Andererseits ist unsere Justizministerin eigentlich eine große Anhängerin von Öffnungsklau

seln und fordert diese immer. Hier aber nutzt sie eine eigene Gestaltungsmöglichkeit nicht, um Binnenabläufe in der Justiz zu optimieren. Frau Justizministerin, Sie scheuen ein bisschen die Experimentierfreude. Das finden wir etwas bedauerlich.

Meiner Meinung nach steht ein anderer Grund dahinter, warum Sie die teilweise Übertragung von Richteraufgaben auf den Rechtspfleger nicht wollen. Sie wollen - Herr Helberg hat das angekündigt - ja eine große Justizreform durchführen. In zwei Jahren sind Sie allerdings noch nicht sehr weit vorangekommen. Es kann aber noch etwas passieren. Die große Justizreform sieht vor, den Rechtspflegerberuf fast komplett abzuschaffen. Das steckt dahinter. Die große Justizreform will in großen Teilen den Rechtspflegerberuf überflüssig machen. Deswegen passt es Ihnen natürlich nicht ins Konzept, den Rechtspflegerberuf jetzt hier etwas zu stärken. Das passt einfach nicht zu den gegenwärtigen politischen Absichten. Dies ist unserer Meinung nach zumindest ein Grund dafür, warum eine Öffnungsklausel hier nicht genutzt wird. Die vermeintliche Mehrarbeit und die Verkomplizierung des Verfahrensablaufs, die Sie anführen, können als Gründe jedenfalls nicht genannt werden. Herr Helberg hat das hier in epischer Breite richtig ausgeführt.

Der Experte in Betreuungsangelegenheiten an den Gerichten ist schon heute der Rechtspfleger und nicht der Richter. Von daher wäre es konsequent und auch organisationspolitisch sinnvoll, ihm weitere Aufgaben in Betreuungsangelegenheiten zu übertragen. Sie verweigern sich diesem Ansinnen aus ziemlich durchsichtigen Gründen, nämlich um die Justizreform oder das, was davon noch übrig ist, zu retten. Wir werden sehen, was am Ende dabei herauskommt.

Nun noch ein Wort zu den Vorsorgevollmachten, die in dem Antrag ja auch angekündigt sind und über die wir hier auch immer wieder diskutieren. Nur Broschüren zu drucken, was natürlich ehrenwert ist, um etwas im Lande weiter durchzusetzen, reicht nicht. Akademische Untersuchungen oder etwas Benchmarking reichen auch nicht. Es müssten vielmehr Konzepte auf den Tisch gelegt werden, um ehrenamtliche Betreuung zu verstärken. So könnte man z. B. eine Zielvereinbarung treffen, dass man zumindest 90 % der Betreuung im Ehrenamt verblieben sehen möchte. Das wäre ein ehrgeiziges Ziel, um die Betreuungskosten, die jedes Jahr steigen, zu deckeln oder sogar zu reduzieren. Das enge Ressortdenken, das manche

Rechtspolitiker an den Tag legen, die immer wieder einmal sagen, die Betreuungskosten sollten am besten in den Bereich des Sozialministeriums verschoben werden, bringt uns überhaupt nicht weiter. Das ist sektorales Denken. Ich finde, wir sollten in den Beratungen im Rechtsausschuss, wenn wir in nächster Zeit über Patientenverfügungen diskutieren, auch noch einmal darüber nachdenken, ob wir Vorsorgevollmachten nicht doch in irgendeiner Art und Weise obligat machen können. Wie das geschehen kann, weiß ich, ehrlich gesagt, auch noch nicht. Wir werden dazu aber eine große Anhörung durchführen. Es wäre eine interessante Maßnahme, die Zahl der Vorsorgevollmachten wirklich signifikant zu steigern. Ich freue mich auf diese Beratungen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Jetzt hat der Kollege Bäumer von der CDUFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die heutige Beratung ist bereits die zweite Beratung zu diesem Punkt im Parlament. Wir haben uns mit diesem Antrag am 20. Mai hier beschäftigt. Die Beratung haben wir am 8. Juni im Ausschuss vertieft. Heute beraten wir nun abschließend über den Antrag. Ich will das Ergebnis der Beratung gleich vorwegnehmen. Wir werden den Antrag heute hier ablehnen. Ich will das auch mit der gebotenen Ausführlichkeit begründen.

Natürlich bedarf gerade der Betreuungsbereich unserer besonderen Aufmerksamkeit. Das liegt schon an den hohen Kosten, die die Betreuung im Justizhaushalt verursacht. Im Jahre 2004 lag der Ansatz für Entschädigungen nach dem Betreuungsgesetz bei 45 Millionen Euro. Für das Jahr 2005 musste der Ansatz auf 49,6 Millionen Euro erhöht werden. Für das Jahr 2006 sind im jetzt vorgelegten Haushaltsentwurf 52,2 Millionen Euro eingeplant worden. Damit sind die Betreuungskosten in drei Haushaltsjahren um über 20,4 % gestiegen. Das ist fast schon dramatisch. Das heißt für uns: Es macht Sinn, im Betreuungsbereich sehr genau auf die Kosten zu schauen. Dem wird Ihr Antrag, Herr Kollege Helberg, aber nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU - David McAllister [CDU]: Das musste mal gesagt wer- den!)

Denn Ihr Antrag reißt die momentan vorhandene Einheitsentscheidung des Richters in Betreuungsangelegenheiten unnötig und kostenträchtig auseinander. Zurzeit ist es so, dass der zuständige Richter die Betreuung anordnet, den Betreuer auswählt und bestellt sowie auch für die Entlassung des Betreuers zuständig ist. Der Richter ist auch derjenige, der mit dem künftig unter Betreuung stehenden Bürger über die Anordnung der Betreuung und die Auswahl des Betreuers spricht. Wenn wir Ihrem Vorschlag folgen würden, meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPDFraktion, würden wir alle Aufgaben bis auf die Anordnung, Verlängerung und Aufhebung der Betreuung sowie die Festsetzung und Erweiterung der Aufgabenkreise auf den Rechtspfleger übertragen. Das sieht auf den ersten Blick nach Entlastung aus, sorgt aber in der Justiz und bei den betroffenen Bürgern für doppelten Aufwand. Lassen Sie mich das hier deutlich machen. Nach dem SPD-Antrag würde nämlich der Richter mit dem zukünftig unter Betreuung stehenden Bürger über die Anordnung der Betreuung sprechen, um dann den Fall an den Rechtspfleger abzugeben, der dann seinerseits den Betreuer aussuchen würde,

(Friedhelm Helberg [SPD]: Nein!)

um dann wiederum mit dem unter Betreuung stehenden Bürger zu sprechen. Konnten Sie mir folgen? Wenn nicht, so ist das gar nicht schlimm. Ich wollte nur eines deutlich machen: Eine Kostenentlastung in der Justiz ist mit dem vorliegenden SPDAntrag nicht verbunden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auch der betroffene Bürger wird sich fragen, warum er es nacheinander gleich mit zwei Vertretern der Justiz zu tun hat. Wenn wir dem SPD-Antrag folgen würden, würden wir unnötig eine heute noch unbürokratische und damit kostengünstige Kette auseinander reißen und kostenträchtig verlängern.

(Friedhelm Helberg [SPD]: Nein!)

Davon halten wir nichts. Ich habe Ihnen im Plenum im Mai dargelegt, dass auch die Praxis dies nicht will.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir uns schon über Reformen unterhalten wollen, wäre es richtig gewesen, die Betreuungsangelegenheiten umfassend auf den Rechtspfleger zu übertragen. Das wäre dann gewissermaßen Service aus einer Hand gewesen. Damit, meine Damen und Herren von der SPD, hätte man Geld sparen können. Das wäre vernünftig gewesen, war im Deutschen Bundestag politisch aber leider nicht durchsetzbar, denn dort hat Rot-Grün leider immer noch eine rechnerische Mehrheit. Die politische Mehrheit ist ja weg.

(Beifall bei der CDU)

Insofern geht es am kommenden Sonntag nicht nur darum, die zwei Kreuze an der richtigen Stelle zu machen, sondern auch darum, gute und sinnvolle Reformen gerade im Bereich der Justiz möglich zu machen.

(Reinhold Coenen [CDU]: Genau das wollen wir!)

Ihr Antrag, Herr Kollege Helberg, stammt aus einer Zeit, in der noch niemand von uns beiden an Bundestagswahlen gedacht hat. Er zeigt aber zu meiner großen Freude indirekt auf, wie wichtig ein Wechsel am kommenden Sonntag für uns in Niedersachsen ist,

(Beifall bei der CDU)

damit gerade im Bereich der Justiz über Reformen nicht mehr nur länger geredet wird, sondern endlich auch gehandelt wird. Vorschläge für Reformen liegen reichlich auf dem Tisch. Dafür hat auch unsere Justizministerin Heister-Neumann gesorgt.

Herr Kollege Bäumer, darf ich Sie einmal kurz unterbrechen. - Nach der Reparatur der Tonanlage sind Sie ein bisschen zu laut. Bitte sprechen Sie aus etwas größerer Entfernung in das Mikrofon. Danke.

Ich freue mich immer, wenn ich laut herüberkomme. Dann können Sie mich auch verstehen.

(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Da besteht kein automati- scher Zusammenhang!)

Es kommt jetzt darauf an, dass Reformen umgesetzt werden, denn das ist gut für die Justiz und