Protocol of the Session on June 24, 2005

Ein weiterer Punkt, über den im Ausschuss ausführlich diskutiert werden muss, ist ein juristischer. Es gibt in der Staatskanzlei eine Arbeitsgruppe „Rechtsvereinfachung“. Ich möchte hier anmerken, dass diese Arbeitsgruppe völlig weisungsfrei und parteiübergreifend arbeitet. Sie war bereits unter der früheren SPD-Landesregierung tätig, und zwar unter derselben Leitung, und hat seinerzeit von einem ähnlichen Gesetzgebungsvorhaben der ehemaligen SPD-Landesregierung abgeraten. Die Arbeitsgruppe „Rechtsvereinfachung“ hat erklärt, sie habe verfassungsrechtliche Bedenken. Denn der Bund habe bereits Regelungen getroffen, die diesen Bereich abdecken. Bezüglich der Kliniken sei nicht geklärt, ob nicht in einem nicht unerheblichen Umfang in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingegriffen wird. Bezüglich der betroffenen Ärzteschaft wird problematisiert, dass das Recht der Berufsausübung tangiert sein könnte. Dieses sind ausschließlich juristische Fragen. Ich kann mich jetzt nicht hier hinstellen und mich über die juristischen Bedenken hinwegsetzen. Insofern ist es gut, darüber noch einmal ausführlich mit den juristischen Experten im Ausschuss zu diskutieren.

Es ist, wie gesagt, allerdings eine andere Frage, ob dies der richtige Weg ist, um die Zahl der Organspenden zu steigern, oder ob es auch andere Wege gibt, insbesondere wenn uns der erstgenannte Weg aus verfassungsrechtlichen Gründen versperrt sein sollte. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Als Nächster erteile ich Frau Janssen-Kucz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wurde schon gesagt: Am 24. Juni 2004 haben wir hier einstimmig beschlossen, die Landesregierung aufzufordern, bis Ende 2004 den Entwurf eines niedersächsischen Transplantationsausführungsgesetzes nach bayrischem Muster auf den Weg zu bringen. Dem ist eine sehr lange und sehr intensive Debatte vorausgegangen. Wir haben uns gemeinsam darauf geeinigt, ein Verfahren zur Umsetzung der Meldepflicht durch die Krankenhäuser auf den Weg zu bringen, Transplantationsfürsprecher in Krankenhäusern einzusetzen und Regelungen zur Lebendspende zu finden. Ziel sollte es sein, durch ein verbessertes Meldewesen die Zahl der Spendeorgane zu erhöhen. Durch mehr Transparenz bei der Gewinnung, Verteilung und Übertragung von Organen sollten eine Förderung der Spendenbereitschaft und dadurch eine Steigerung der Organgewinnung erreicht werden. Ich glaube und hoffe, das ist immer noch unser gemeinsames Ziel.

Durch Organtransplantationen können Lebensdauer und Lebensqualität vieler Schwerkranker verbessert werden. Für diese mit äußerster Sorgfalt und Seriosität auszuführende Gemeinschaftsaufgabe muss sich die Politik einsetzen. Das ist wirklich unsere Aufgabe. Nun bekamen wir aus dem Sozialministerium die Mitteilung, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich ist, das in der Landtagsentschließung geforderte Verfahren zur Umsetzung der Meldepflicht durch die Krankenhäuser in einem Landesgesetz festzuschreiben. Das wurde damit begründet, dass bundesrechtlich bereits abschließend festgelegt ist, dass die DSO ein bestimmtes Meldeverfahren zur Verfügung stellt und bei den Krankenhäusern darauf hinwirkt, dass sie ihrer Meldepflicht nachkommen. Irgendetwas stimmt nicht, wenn man sich diese Aussagen anhört. Die Realität ist eine andere. Das zeigen die Rückmeldungen, die wir bekommen. Dieselbe ablehnende Begründung erhielten wir zu den Einsetzungen von Transplantationsfürsprechern in Kliniken, denen gegenüber selbst ich in der Beratung letztes Jahr sehr skeptisch war. Ebenso wird festgestellt, dass sich die Regelungen zur Lebendspende bereits im Kammergesetz für Heilberufe befinden und eine neue

Vorschrift daher entbehrlich ist. Abschließend stellt die Landesregierung fest, dass es ihr verwehrt ist, ein niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Transplantationsgesetzes vorzulegen.

Meine Damen und Herren, ich verstehe die Welt nicht mehr. Hat die Landesregierung ihre verfassungsrechtlichen Bedenken erst jetzt - mit Verweisung auf ein Gesetz aus dem Jahre 2000 - festgestellt? Hat sie fünf Jahre lang dafür gebraucht? Oder hat sie sich vorher nicht mit dieser rechtlich - das gebe ich gerne zu - sehr komplexen Materie beschäftigt, auch wenn sie jetzt erst zwei oder zweieinhalb Jahre an der Regierung ist? - Die Zeit hätte gereicht, sich damit auseinander zu setzen, und man hätte nicht erst letztes Jahr einen Antrag einbringen müssen.

Weshalb haben sechs Bundesländer zwischenzeitlich ein Transplantationsausführungsgesetz, ohne dass es verfassungsrechtliche Gründe gab, die dies als verfassungswidrig eingestuft haben? - Für alle gilt doch das gleiche Bundesrecht. Ich verstehe das irgendwie nicht. Das möchte ich wirklich sehr ausführlich erklärt bekommen.

Die Fraktion der Grünen erwartet, dass die Landesregierung ihre verfassungsrechtlichen Bedenken konkretisiert, dass weiterhin gemeinsam nach Wegen gesucht wird, das Organspendeaufkommen zu erhöhen, und dass hoffentlich ein niedersächsisches Transplantationsausführungsgesetz auf den Weg gebracht wird. Diese Art des Umgangs mit dem Parlament ist unseres Erachtens nicht hinzunehmen.

Warum haben Sie nicht gesagt, dass Sie aus diesen oder jenen Gründen einen anderen Weg gewählt oder ihre Einstellung geändert haben? - Das ist mir bei Ihrer Aussage, Frau Dr. von der Leyen, nicht deutlich geworden. Das wäre dann korrekter gewesen, und wir alle hätten gewusst, woran wir sind.

Ich hoffe, dass wir die Antworten im Ausschuss bekommen, den gemeinsam eingeschlagenen Weg nicht aus den Augen verlieren und weiter gemeinsam bestreiten, um die Zahl der Organspenden erhöhen, damit wir Menschenleben retten.

Ich habe gerade in meine Tasche gegriffen. Ich hoffe, dass Sie alle einen Organspendeausweis in der Tasche haben und sich bewusst damit auseinander setzen. Das rettet Menschenleben. Das ist

die Grundvoraussetzung für ein Ausführungsgesetz. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächste hat Frau Meißner von der FDPFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Janssen-Kucz, es ist gut, wenn es Menschen gibt wie Sie, die einen Organspendeausweis haben. Sie haben zuletzt gesagt, das sei die Grundlage für ein Ausführungsgesetz. Ich meine, da irren Sie.

In diesem Fall gibt es zwei Punkte, die wir unterscheiden müssen. Der eine ist die Unterrichtung durch das Sozialministerium, in der verfassungsrechtliche Bedenken angekündigt wurden. Diese verfassungsrechtlichen Bedenken werden vom GBD geprüft. Dann werden wir noch einmal darüber unterrichtet. Das ist aber nur die eine Seite. Bei diesem Punkt geht es im Grunde genommen nicht darum: Wer hat Recht? Wer hat wen wie behandelt? - Das ist nur eine Sache. Es geht vielmehr vor allem darum: Wie kann man den Menschen, die jemanden brauchen, der ihnen ein lebenswichtiges Organ spendet, helfen?

(Zustimmung von Heidemarie Mund- los [CDU])

Ich hatte mir genauso wie die Ministerin die neuesten Zahlen von der Deutschen Stiftung für Organtransplantation herausgesucht. Eine höhere Zahl von Organspenden ist ganz offensichtlich auch durch ein Ausführungsgesetz nicht besser erreichbar als ohne. Vorhin wurde die Rangfolge genannt. Ich nenne Ihnen noch die absoluten Zahlen: In Bayern gab es von 2001 bis 2003 im Durchschnitt 178 Organspender und jetzt - 2004 164. Im Bereich Nord, wozu auch Niedersachsen gehört, wo alle Länder keine Ausführungsgesetze haben, waren es von 2001 bis 2003 177, jetzt sind es 184. Nordrhein-Westfalen - mit Ausführungsgesetz - hatte von 2001 bis 2003 189, jetzt sind es 156.

(Unruhe)

- Schade, dass Sie nicht zuhören. Das sind nämlich Dinge, die darauf hinweisen, wie man ein Ziel erreicht. Das ist wirklich das Entscheidende.

Alle haben gesagt: Wir wollen, dass den Menschen geholfen wird. - Das ist der springende Punkt. Dazu gibt es verschiedene Wege, die denkbar sind. Ganz offensichtlich ist ein Ausführungsgesetz ein Weg. Es kann aber auch anders gehen, z. B. auf freiwilliger Basis. Das müssen wir bei der weiteren Debatte im Ausschuss noch einmal genau in Betracht ziehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Jetzt erteile ich Frau Kollegin Kohlenberg das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir Menschen denken nicht gern über unser Ende nach, also auch nicht über die damit verbundenen Fragen. Ob wir nach dem Tod unsere Organe zur Verfügung stellen, ist eine solche Frage. Ohne Anstoß werden wir uns nicht gerne mit ihr auseinander setzen.

Fast 70 % aller Deutschen wären bereit, ihre Organe zu spenden, aber lediglich 12 % haben einen Spenderausweis. Ich habe jetzt einen. Ich habe übrigens den aus Niedersachsen mit dem Flyer von Frau von der Leyen. Wer gerne einen haben möchte, kann einen bekommen. Ich habe ganz viele dabei. Tun Sie es heute, sonst verbleibt es wieder.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, in Deutschland stehen mehr als 12 000 Menschen auf der Warteliste und hoffen auf ein lebensrettendes Organ. Das darf nicht so bleiben. Unser aller Ziel ist es, die Zahl der Spendeorgane zu erhöhen, um das Leben der vielen Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten der Transplantationszentren zu retten.

Es ist erfreulich, dass etwa zwei Drittel der Kliniken in Niedersachsen bereits auf freiwilliger Basis Transplantationsbeauftragte bestellt haben. Aber es ist dringend notwendig, dass sich auch die übrigen Kliniken für derartige Maßnahmen entscheiden und dass die vorhandenen Beauftragten von der Klinikleitung anerkannt und unterstützt werden.

Meine Damen und Herren, wir werden uns im Fachausschuss in aller Ruhe und Gelassenheit mit dem wirklich wichtigen Thema beschäftigen. Wir

werden sehen, ob wir für Niedersachsen ein spezielles Transplantationsausführungsgesetz brauchen, das Impulse für die optimale Versorgung mit Spenderorganen auslöst. Dazu müssen die Erfahrungen der anderen Bundesländer mit einbezogen werden. Auch die verfassungsrechtlichen Hürden dürfen wir nicht einfach ausblenden. Lassen Sie uns in Ruhe im Ausschuss beraten. Dann werden wir weitersehen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es hat sich noch einmal der Kollege Schwarz zu Wort gemeldet. Herr Schwarz, ich erteile Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es geht hier gar nicht um die Frage, wer Recht hat oder nicht, sondern es geht darum, dass diese Landesregierung durch einen einstimmigen Parlamentsbeschluss einen Arbeitsauftrag bekommen hat, den sie nicht erledigt hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es geht darum, dass die Landesregierung dem Parlament keine ordnungsgemäße Mitteilung gibt, warum sie den Auftrag nicht bearbeiten kann. Sie teilt uns vielmehr sechs Monate nach der vom Parlament gesetzten Frist ganz lapidar mit: Es gibt verfassungsrechtliche Bedenken. - Ich weiß nicht, was Sie für ein Verständnis im Umgang mit dem Parlament und sich selbst hat. Das ist wirklich ein Ding aus dem Tollhaus.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn ich zum Teil Ihre Redebeiträge in Richtung Rot-Grün höre, wie Sie so etwas immer titulieren, dann würden Sie vermutlich sagen: Das ist eine schlampige Bearbeitung durch die Landesregierung. - Das wäre Ihre Kommentierung, wenn die Landesregierung rot-grün wäre.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen: Es ist tatsächlich eine schlampige Bearbeitung. Wie läuft denn so etwas? - Es reicht in der Tat.

Es gibt eine Koalitionsfraktion, die schreibt Anträge und stimmt sie in der Regel mit dem Ministerium ab. Da gehe ich doch davon aus, dass ein Fachministerium in der Lage ist - -

(Brunhilde Rühl [CDU]: Sie stimmen nie etwas ab!)

- Das ist ein Argument. Wenn Sie nie etwas abstimmen, dann kommt so ein Kram dabei heraus.

(Brunhilde Rühl [CDU]: Ich habe ge- sagt: „Sie stimmen nie etwas ab!“!)

Wenn Sie das abstimmen - Sie haben es ja abgestimmt -, dann müssen wir doch davon ausgehen, dass das, was in Ihrem Entschließungsantrag mit Unterstützung durch die Landesregierung dem Parlament vorgelegt wird, rechtlich einwandfrei ist. Es ist doch verrückt, dass sich die Frau Ministerin im Parlament hier hinstellt, vehement den Antrag verteidigt und uns zu dem gleichen Antrag, nachdem er beschlossen wurde, sechs Monate später mitteilt: April, April, das habe ich so nicht gemeint. So können Sie mit uns und auch mit den Betroffenen nicht umgehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dieses Parlament muss die Frage nicht mehr stellen, ob die Freiwilligkeit besser ist. Das ist doch alles eine Alibi-Argumentation, die Sie hier aufmachen. Dieses Parlament hat entschieden, dass es ein Ausführungsgesetz haben will. Dann haben Sie das, bitte schön, auch umzusetzen.

Sowohl Sie als auch die Frau Ministerin haben keine der Fragen erklärt. Warum ist in Niedersachsen etwas nicht möglich, was in sechs anderen Bundesländern verfassungskonform ist? Hier stimmt doch irgendetwas nicht. Warum ist die juristische Abteilung des Sozialministeriums nicht in der Lage, vorher mit der Staatskanzlei zu klären, ob etwas verfassungsrechtlich einwandfrei angesehen wird oder nicht? - Das alles ist ein unmöglicher Vorgang zulasten der betroffenen Menschen, die auf solche Ausführungsgesetze warten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe das nicht umsonst gesagt. Erkundigen Sie sich doch einmal in Bayern. Die bayerische Kollegin von Frau von der Leyen kommt zu einem klaren Ergebnis, indem sie feststellt: Die Einset