Protocol of the Session on June 23, 2005

- Das haben Sie doch gesagt. Das müssen Sie jetzt noch darstellen.

Sie haben doch große Mühe, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen, nicht nur dieses Jahr, sondern auch nächstes und übernächstes Jahr. In einer solchen Situation ist es schon eine abenteuerliche Politik, neue Subventionen zu erfinden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn man diese Handwerkerrechnungen nur bis zu der Grenze von 6 000 Euro absetzen könnte - Sie haben in Ihrem Antrag ja nicht einmal eine Obergrenze gesetzt -, ergäben sich daraus Steuerausfälle in Höhe von mindestens 300 Millionen Euro.

(Ursula Körtner [CDU]: Das stimmt nicht!)

Aber das ist Ihnen ja vielleicht egal, weil Ihr Haushalt auch anderweitig nicht verfassungsgemäß gestaltet werden kann.

Frau Körtner, die Frage ist: Was ist das eigentlich für ein ordnungspolitischer Höhenflug? - Sie verbinden das noch mit einer Kritik an Rot-Grün, dass kreditfinanzierte Steuersubventionen die deutsche Wirtschaft ankurbeln sollen. Ich kann nur sagen: Gott schütze den Mittelstand vor solchen Mehrheiten!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist hanebüchen. Ich bin absolut sicher, dass Sie das nicht mit Walter Hirche abgestimmt haben. Das haben einige Handwerksmeister von Ihnen wahrscheinlich abends zu später Stunde bei der Tagung des Fahrlehrerverbandes aufgeschrieben,

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Haben Sie Handwerker in der Fraktion?)

und McAllister hat das dann irgendwie unterschrieben, ohne es vorher gelesen zu haben. Dass Sie das gelesen haben; glaube ich allerdings schon;

denn damit bedienen Sie Ihre Klientel, und dabei ist Ihnen jeder Verstoß gegen Ordnungspolitik recht, Herr Rösler. Da bin ich mir absolut sicher.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Übrigens habe ich Herrn Hermann gefragt, ob er bei einer Fortbildungstagung bei Professor Bofinger gewesen ist. Nicht einmal der DGB fordert in diesem Umfang kreditfinanzierte Steuersubventionen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Das ist für mich im Grunde genommen ein völlig neuer Vorschlag in der politischen Landschaft. Ich bin sehr gespannt, wie der Wirtschaftsminister das gleich kommentieren wird und wie das in die Systematik der Aufbruchstimmung in Niedersachsen passen soll.

Nun zum letzten Punkt. Da schreiben Sie Folgendes. Sie wollen von Ihrer Landesregierung, die übrigens schon zweieinhalb Jahre regiert - das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen -, die Suche nach neuen Wegen, mit der Kreditwirtschaft und der NBank gemeinsam interessante Kreditkontingente zu entwickeln, um aktiv zur Wirtschaftsförderung beizutragen. Nach zweieinhalb Jahren entdecken Sie, dass es sinnvoll wäre, aktiv zur Wirtschaftsförderung beizutragen!

(Beifall bei der SPD)

Da kann man nur fragen: Was haben Sie eigentlich bisher gemacht? Das ist doch im Grunde genommen ein Misstrauensvotum gegenüber dem eigenen Minister. Haben Sie sich das vorher mal überlegt, Herr Dinkla, als Sie das aufgeschrieben haben? Sie sagen doch indirekt, der hat bei dem Thema zweieinhalb Jahre nichts gemacht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Weiter heißt es, insbesondere Kleinstkredite für Neugründungen sollten gefördert werden. Im CDUWahlprogramm steht

(Hermann Dinkla [CDU]: Kennen Sie es denn?)

- ja, natürlich, ich habe es hier sogar liegen, ich habe einen schriftlichen Auszug davon -,dass alle Kleinförderprogramme abgeschafft werden sollen, weil die Verwaltungskosten höher sind als das, was die Betroffenen überhaupt erhalten.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt kommt die Renaissance der Mikrodarlehen. Die wollen Sie jetzt wieder auf den Weg bringen. Ich kann Ihnen nur sagen: Tun Sie endlich etwas im Bereich der Wirtschaftsförderung. Sorgen Sie dafür, dass mehr Beteiligungskapital für mittelständische Unternehmen zur Verfügung gestellt wird.

(Zuruf von der CDU: Aus Berlin kommt ja nichts!)

Die Eigenkapitalquote ist zu dünn. Da gibt es ein riesiges Loch bei der NBank und bei der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Niedersachsen. Legen Sie endlich ein solches Beteiligungskapitalprogramm auf! Das ist relativ günstig zu finanzieren. Das wird Ihnen von den Unternehmen aus den Händen gerissen.

Wenn Sie schon etwas für den Mittelstand tun wollen, dann muss ich Sie daran erinnern, dass Sie mit 7,3 % nicht nur die niedrigste Investitionsquote in der Geschichte des Landes Niedersachsen, sondern auch die niedrigste Investitionsquote von allen 16 Bundesländern in Deutschland haben und dass Sie damit den Mittelstand viel härter treffen als mit all den Dingen, die Sie an Rot-Grün kritisieren.

(Beifall bei der SPD)

Über einen Punkt sollten Sie wirklich noch einmal nachdenken, der hier total fehlt. Der Mittelstand würde sich sehr dafür interessieren. Public Private Partnership sollten Sie endlich einmal mit konkreten Projekten mit Leben füllen, und zwar umfassend.

(Zurufe von der CDU)

- Ja, wo denn? Damit haben wir kein Problem. Wir haben nur ein Problem damit, dass Sie Gefängnisse privat betreiben wollen. Wenn Sie Investoren finden, die das bauen, ist das völlig in Ordnung. Was Sie da bisher auf die Beine gestellt haben, sind Peanuts; und das reicht für den Mittelstand nicht.

(Beifall bei der SPD - Reinhold Hilbers [CDU]: Das ist doch Ihr Problem! Im- mer wenn es konkret wird, sind Sie dagegen! Damit kommen Sie nicht in die zweite Reihe für Berlin! Das reicht nur für die zweitletzte Reihe!)

Herr Kollege Rickert, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Oppermann, ich will Ihnen eines sagen. Unsere Klientel sind wirtschaftliches Wachstum, Arbeitsplätze und Steuergerechtigkeit.

(Beifall bei der FDP - Thomas Op- permann [SPD]: Die haben Sie aber alle drei vernachlässigt!)

Es sind alles drei - das sollten Sie wissen, aber Sie werden es lernen, wenn Sie in Berlin sind - Kriterien, Maßnahmen, Grundsätze, die durch die Bundespolitik bestimmt werden. So ist eigentlich auch unser Antrag entstanden. Er ist unter dem Eindruck geboren, dass die rot-grüne Bundesregierung in tatenlose Agonie versinkt und bis zum Herbst 2006 nichts passiert.

Dabei ist das Handwerk als Wachstumsmotor, als Garant für Ausbildung - ich erinnere nur an das einmalige duale System - und als einer der größten Arbeitgeber Deutschlands viel zu wichtig, um seine Existenz durch Nichtstun zu gefährden.

(Zuruf von der FDP: Richtig! Das Handwerk braucht wieder goldenen Boden!)

Rot-Grün hat im Gegenteil durch unsinnige Diskussionen um die Lehrstellenabgabe, die totale Abschaffung der Handwerksordnung sowie eine übertriebene Ausgestaltung des Antidiskriminierungsgesetzes für große Verunsicherung bei den betroffenen Betrieben gesorgt.

(Beifall bei der FDP - Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)

Wir wollen mit diesem Antrag erneut dokumentieren, dass uns das Handwerk in seiner Bedeutung für die deutsche Wirtschaft, aber auch für das Gemeinwesen sehr, sehr wichtig ist. Wir sind zuversichtlich, dass wir dieses Ansinnen bei der nächsten Bundesregierung - sehr bald - in guten Händen wissen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Hagenah, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Rickert hat gerade dargestellt: Der vorliegende Antrag von CDU und FDP ist ein klassischer Antrag der derzeitigen Bundestagsopposition, die gedacht hat, sie muss nicht anderthalb Jahre lang zeigen, was an diesem Antrag dran ist.

Sie haben hier Forderungen ohne jegliche Deckungsvorschläge aufgestellt, üppige Versprechungen auf den Tisch gelegt, ohne an die Finanzierung zu denken. Klar, dass Sie den Antrag jetzt möglichst schnell weghaben wollen und keine vertiefende Beratung oder Anhörung für Ihre unausgewogenen Vorschläge im Ausschuss mehr zugelassen haben.

(Zuruf von der CDU: Warum? Wollen Sie die Bundestagswahl gewinnen?)

Wir wollten das ja diskutieren. Wir wollten das gerne auch noch mit Änderungsanträgen auf den richtigen Weg bringen. Aber Sie wollten ja gar nicht mehr.

(Zuruf von der CDU: Wir gewinnen die Wahl!)

Ganz schnell durch, entscheiden, damit das möglichst nicht mehr diskutiert wird. Heute spät am Abend schnell wegstimmen!

Jetzt kommt die Stunde der Wahrheit. Im Bundestagswahlkampf kommen Sie mit derart ungedeckten Wunschzetteln nicht mehr durch. Subventionen und Steuervergünstigungen, die Sie hier aufgelistet haben, addieren sich auf mindestens 400 Millionen Euro. Das ist Ihnen im Finanzausschuss von der Verwaltung des Landes ins Stammbuch geschrieben worden.

Wie soll z. B. die steuerliche Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen im Zusammenhang mit privaten Grundstücken und Gebäuden finanziert werden? Was nutzt uns die Nachsubvention für diejenigen, die sich ihr Haus schon durch die Eigenheimzulage mitfinanzieren ließen, wenn jetzt die Heizung erneuert werden muss? Oder steckt hier schon Ihre Forderung nach einer Erhöhung der Mehrwertsteuer mit dahinter? Denn ohne diesen enormen Abstand, wenn Sie 20 % Mehrwertsteuer haben, lohnt es sich nicht, umzusteigen auf eine Steuersubvention durch Abschreibung.

Nehmen wir die Forderung nach Sicherung der Unternehmensnachfolge bei der Erbschaftssteuer. Reicht Ihnen die Verständigung auf Bundesebene nicht? Meinen Sie ebenso wie Hermann Otto Solms von der FDP, die hier ohnehin im Wesentlichen scheinbar die Feder geführt hat, dass die Begrenzung auf 100 Millionen Euro einfach zu niedrig ist und dass Betriebe mit über 100 Millionen Euro Vermögen durch diese Regelung einfach aus der Bundesrepublik getrieben würden? Wir meinen, für Steuergeschenke sind diese Betriebsgrößen die völlig falsche Adresse.