Protocol of the Session on June 22, 2005

Ich eröffne die Beratung. Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Kollege Bachmann zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Bachmann!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Montag ist der Tag, an dem der Innenminister dieses Landes - ich glaube, bei einem Pressefrühstück - der Öffentlichkeit seinen jeweiligen aktuellen Erkenntnisstand kundtut. Das hat er wohl auch an diesem Montag getan. Dem rundblick vom 21. Juni konnten wir alle entnehmen: Es kommt Bewegung in die Leitstellendebatte. Mit Freude habe ich gelesen:

„Schünemann setzt auch auf freiwillige Verbünde der kommunalen Aufgabenträger. Die dafür notwendigen Voraussetzungen seien gegeben durch das Brandschutzgesetz, das Rettungsdienstgesetz sowie das Gesetz über kommunale Zusammenarbeit.“

Hervorragend, Herr Minister, wenn Sie nicht vorher noch etwas anderes gesagt hätten. Sie haben nämlich gesagt:

„Die Zusammenführung der Leitstellen von Feuerwehr und Rettungsdiensten mit der Leitstelle der Polizei solle in der Region Hannover“

- wo genau dieser freiwillige Prozess kurz vor dem Abschluss steht

„erst später erfolgen; dabei sollen die Erfahrungswerte aus dem Bezirk Braunschweig hinzugezogen werden.“

Dieser soll dann ja schon eine „bunte Leitstelle“ haben. Sie setzen also auf freiwillige Verbünde. In Braunschweig wird es dann aber schon die Erfahrungen aus der „bunten Leitstelle“ geben. Wo setzen Sie denn da auf freiwillige Verbünde? - Sie

wissen doch, dass sich zwischen Stadt Braunschweig, Landkreis Peine und anderen Partnern vor Ort solche freiwilligen Verbünde bereits abzeichnen. Das meinen wir mit der Überschrift „Irritationen bei Leitstellendebatte umgehend beenden!“ Jeden Tag etwas anderes.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, die Sie tragende Landtagsfraktion der CDU, aber auch der Koalitionspartner haben eine Chance nicht realisiert. Wir haben Ihnen mit unserem Entschließungsantrag die Hand gereicht. Wir sind nicht gegen „bunte Leitstellen“, sondern für „bunte Leitstellen“, wo es die Partner wollen. Wir haben gesagt: ansonsten Bestätigung der grundsätzlichen Zuständigkeit nach Brandschutzgesetz und Rettungsdienstgesetz gegenüber den derzeitig dafür verantwortlichen kommunalen Aufgabenträgern. Wir haben Fragen gestellt und Hinweise darauf gegeben, welche Risiken bestehen. Sie haben gesagt: Eigentlich müsste man dieses Thema doch einstimmig über die Bühne kriegen. Richtig, habe ich gesagt, müsste man.

Aber wie hat die parlamentarische Debatte über unseren Entschließungsantrag stattgefunden? Das einzige, wozu die CDU-Fraktion bereit war, war, eine „bunte Leitstelle“ zu besuchen. In Deutschland gibt es aber keine. Aus gutem Grund gibt es bisher keine „bunte Leitstelle“ in Deutschland. Die einzige, die es je gegeben hat, gab es in Nordrhein-Westfalen. Diese hat die dortige Polizei aus Datenschutzgründen aufgekündigt. Also fuhren wir nach Hengelo. In Hengelo gibt es eine ganz andere Historie der Entwicklung von Polizei und Feuerwehr. Wenn wir bei diesem Besuch in Hengelo den Landesfeuerwehrverband dabeigehabt hätten, dann wären dessen Mitglieder umgefallen.

Was haben wir denn „bunt“ erlebt? - Wir haben kein Gespräch mit Leuten aus dem Brandschutz und dem Rettungsdienst erlebt, sondern ausschließlich mit Polizisten. Andere Gesprächspartner standen nicht zur Verfügung. Der Leiter der Leitstelle war ein Polizist, der wortwörtlich gesagt hat: Nur den Rettungsdienst kriegen wir noch nicht in den Griff, weil diese Neoliberalen bei uns dafür gesorgt haben, dass er privatisiert wird. Den kriegen wir nicht in den Griff. - Es geht doch bei einer „bunten Leitstelle“ nicht darum, dass die Polizei irgendwelche anderen Hilfsorganisationen in den Griff kriegen muss. Das waren Signale. Dann outete sich der Polizeichef gleichzeitig auch noch

als Chef der Feuerwehr - auch eine Entwicklung, die wir nicht wollen, die Sie immer bestreiten. Sie haben uns die Leitstelle aber in Holland besichtigen lassen. Alles andere, was diese Leitstelle in Hengelo an positiven Erkenntnissen brachte, hatte mit „bunter Leitstelle“ nichts zu tun. Das Thema „Digitalfunk“, der dort schon verwirklicht ist, hat zunächst einmal mit dem Thema „bunte Leitstelle“ nichts zu tun. Die Einsatzführungs- und Einsatzdokumentationssysteme sind bei uns heute schon in allen Leitstellen perfekt organisiert. Dabei sind die Holländer nicht weiter als wir. Deswegen waren das keine Erkenntnisse in Sachen „bunter Leitstelle“.

Die Irritationen bleiben. Wir haben Fragen gestellt und kritische Anmerkungen auch zu Ihren Beiträgen mit Blick auf die Kosteneinsparungen gemacht. Es ergibt sich ja z. B. die Frage, welche neuen Kosten durch angemietete Leitungswege bei der Telekom entstehen, wenn landesweit im Notrufbereich alles vernetzt werden muss. Eine weitere Frage ist: Was machen Berufsfeuerwehren mit ihren derzeitigen Zentralen, die sie aus Sicherheitsgründen auch für kommunale Aufgaben mit mindestens zwei Leuten besetzen müssen? Diese Aufgabenstellungen gehen ja nicht verloren, siehe Wolfsburg, wo wir das auch vor Ort besprochen haben. Also, wenn die das alles neben der von Ihnen wohl beabsichtigten Mitfinanzierung der „bunten Leitstelle“ weiterhin wahrnehmen müssen, dann wird das kein Sparprogramm. Deshalb haben wir darum gebeten, dass wir uns mit diesen Fragen gemeinsam befassen. Wir haben eine Anhörung beantragt, um mit den bisherigen Partnern ins Gespräch zu kommen. Dabei handelt es sich um die kommunalen Spitzenverbände, den Landesfeuerwehrverband und insbesondere auch die Kostenträger im Bereich des Rettungsdienstes. Wie sehr Sie den Dialog mit denen, die die Musik bisher bezahlen und die bisher zuständig sind, ernst nehmen, ist daran festzumachen, dass Sie sie noch nicht einmal hören wollen. Sie haben - auch an der Stelle wieder einmal - die Anhörung abgelehnt.

(Beifall bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist doch völliger Quatsch! Ich habe gesagt, dass das zurzeit Unsinn ist!)

Das heißt, Sie überlassen das Handeln allein der Landesregierung. Diese Frage ist offensichtlich für Sie keine der parlamentarischen Beratung.

Herr Minister, ich habe noch eine Bitte: Schulen Sie einmal die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen, bevor sie in das Land hinausgehen, damit sie dann, wenn sie über „bunte Leitstellen“ reden, auch die Wahrheit sagen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Was?)

Der Kollege Eppers hat beim Feuerwehrverband in Salzgitter wörtlich gesagt - so ist es mir zugetragen worden,

(Lachen bei der CDU und bei der FDP)

von verantwortlichen Feuerwehrleuten in Salzgitter; Hermann, du kannst das ja gleich richtig stellen -, er freut sich schon auf die bayerischen Verhältnisse „bunter Leitstellen“. Dazu: Erstens. In Bayern gibt es keine „bunten Leitstellen“. Zweitens. In Bayern wird sogar der Feuerwehrnotruf zum Teil noch von der Polizei abgefragt. In Bayern gibt es noch nicht einmal eine Einheit von Rettungsdienst und Feuerwehr, in sehr vielen Fällen getrennte Leitstellen. Wenn das, um einmal das Beispiel Bayern zu nennen, Ihr allein selig machendes Modell ist, dann wäre das ein Rückschritt und kein Fortschritt.

(Bernd Althusmann [CDU]: Da gibt es noch nicht mal eine CDU! Stellen Sie sich das einmal vor! - Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister, wir reichen Ihnen nochmals die Hand. Erstens. Richten Sie Ihre Leitstellen im Bereich der Polizei ein! Wer hindert Sie daran? Zweitens. Die Kommunen, die freiwillig mitmachen wollen - aber nicht face to face und auch nicht einräumig, um den Bedenken des Datenschutzes Rechnung zu tragen -,

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Bitte deutsch sprechen!)

sollten beteiligt werden. Ansonsten klären Sie bitte, ob man in Zukunft bereit ist, die bisher Zuständigen weiterhin in ihrer Zuständigkeit zu akzeptieren. Wenn Sie sagen, dass Sie auch weiterhin auf freiwillige kommunale Verbünde im Bereich des Brandschutzes und des Rettungsdienstes setzen, dann ist das die halbe Miete. Schaffen Sie trotz der Ablehnung durch die Sie tragende Fraktion Klarheit. Sie ist alle Mal angebracht. Im Augenblick sorgen Sie immer noch für Irritationen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Bachmann. - Jetzt hat sich von der CDU-Fraktion der Kollege Biallas zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn es tatsächlich Irritationen gibt, dann müssen sie ausgeräumt werden. Aber wer nur noch Irritationen pflegt, der kommt überhaupt nicht auf den Kern der Sache zu sprechen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb möchte ich in aller Sachlichkeit vortragen, worum es hier eigentlich geht. Wenn ich zitiere, dann möchte ich so zitieren, dass ich auch weiß, woher mein Zitat stammt. Herr Kollege Bachmann, das müssen Sie also noch lernen: Wenn man zitiert, muss man die Quelle angeben. Wenn man die Quelle nicht hat, dann ist es falsch. Der Kollege Eppers hat mir eben gesagt, dass alles das, was Sie vorgetragen haben, reiner Humbug ist. Ich kann es nicht ändern. So hat er es mir gesagt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Was er vorgetragen hat, ist reiner Humbug! Da musst du dich verhört haben!)

Die Koalitionsfraktionen haben nach eingehender Beratung im Innenausschuss, nach einem ausführlichen Bericht durch das Innenministerium und einer Informationsreise nach Hengelo - das ist bei Ihnen angeklungen -, um dort eine schon existierende „bunte Leitstelle“ zu besichtigen, den vorliegenden Antrag der SPD abgelehnt. Hier werden die tollsten Märchen erzählt, was dort alles gesagt worden sein soll. Die Wahrheit sieht folgendermaßen aus:

(Zuruf bei der SPD: Ihre Wahrheit!)

Der Innenminister persönlich hat im Bereich aller Polizeidirektionen so genannte Leitstellenkonferenzen durchgeführt. Sie würden wahrscheinlich sagen, dass er Runde Tische aller Beteiligten organisiert habe, bei denen über dieses Thema gesprochen worden ist. Dazu waren alle maßgeblichen Vertreter der Beteiligten eingeladen. Es waren Vertreter der Landkreise, der kreisfreien

Städte und der großen selbständigen Städte. Es waren eingeladen die Vertreter des Feuerwehrund Rettungsdienstwesens, die Vertreter des Feuerwehrverbandes sowie die Verantwortlichen der Polizei - also alle, die damit etwas zu tun haben. Dabei - so ist uns berichtet worden - hat es gar keine Irritationen gegeben, sondern es hat unterschiedliche Vorstellungen hinsichtlich der Zuständigkeit und der Frage gegeben, ob und in welcher Weise Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste organisatorisch und praktisch in einer „bunten Leitstelle“ zusammengefasst werden können.

Lassen Sie mich, weil das immer wieder kolportiert wird, Folgendes sagen: Niemals hat der Innenminister bestritten, dass es bezüglich der Aufgabenträgerschaft von Land und Kommunen unterschiedliche Zuständigkeiten gibt. Gleichwohl wird ihm das immer wieder unterstellt. Er wäre auch dumm, wenn er das bestreiten würde, weil das gesetzlich so festgelegt ist. Der Minister hat jedoch für das Konzept der „bunten Leitstellen“ geworben, weil es, wie sich herausgestellt hat, erstens effektiver ist, als wenn jeder Landkreis oder zwei Landkreise zusammen wie bisher eigene Leitstellen vorhalten. Zweitens hat er vorgerechnet, dass es erheblich kostengünstiger ist. Schließlich haben wir aufgrund praktischer Erfahrungen in den Niederlanden selbst feststellen können, dass Hilfe Suchenden schneller geholfen werden kann.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Quatsch, absoluter Quatsch!)

Meine Damen und Herren, ich sage es noch einmal: Wir betreiben doch Rettungswesen, Polizei und Feuerwehr nicht als Beschäftigungsprogramm für die Beschäftigten, sondern um die Bürgerinnen und Bürger zu schützen und ihnen in Notlagen zu helfen. Das ist das Thema, um das es geht.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen hat der Minister überall ausdrücklich gesagt, dass es sein Ziel ist, das Ziel möglichst im Konsens mit allen Beteiligten zu erreichen. Deshalb hat er alle Beteiligten gebeten - jetzt kommt das, was Sie, Herr Bachmann, immer verschweigen -, in einer angemessenen Frist eigene Vorschläge zu dem vorgestellten Konzept zu unterbreiten. So ist man nach dem Abschluss der Leitstellenkonferenz auseinander gegangen.

Herr Kollege Bachmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Biallas?

Ich habe leider nicht mehr so viel Zeit. Der Kollege Bachmann hat heute schon den ganzen Tag geredet. Jetzt kann er auch einmal schweigen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Den ganzen Tag? Hast du Wahrneh- mungsstörungen oder was?)

- Wir haben doch heute schon anderthalb Stunden im Innenausschuss getagt. Das war doch wohl genug.

Das MI hat dem Ausschuss darüber ausführlich berichtet. Übrigens ist nie mitgeteilt worden, dass die Kommunen die Kosten für die Einrichtung und für den Betrieb der „bunten Leitstellen“ allein zu tragen haben. Das steht so ungefähr in dem Antrag. Es ist immer gesagt worden, dass alle an solchen „bunten Leitstellen“ Beteiligten entsprechend ihren Aufgaben anteilig an den Kosten zu beteiligen sind. Dabei muss klar sein, dass die Kosten für die Polizei selbstverständlich das Land zu tragen hat. Das ist doch niemals bestritten worden. Es ist doch nie so getan worden, als müssten die Kommunen für alle Kosten aufkommen.

Im Übrigen, Herr Kollege Bachmann, werden auch die Krankenkassen im Hinblick auf das Rettungswesen noch ein gehöriges Wort mitsprechen. Denn wir sind im Bereich des Rettungswesens, wie uns die Vertreter der Krankenkassen vorgetragen haben, in Niedersachsen im bundesweiten Vergleich mit am teuersten. Wenn wir auf der einen Seite von den Krankenkassen verlangen, dass sie mit den Beiträgen ihrer Mitglieder verantwortungsvoll umgehen, dann werden wir auf der anderen Seite doch von ihnen nicht erwarten können, dass sie über Beiträge weiterhin die teurere Lösung finanzieren, wenn es günstigere, bessere und effektivere Lösungen gibt. Wer das glaubt, der ist nicht von dieser Welt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, im Innenausschuss haben wir in Hengelo erfahren, dass das System der „bunten Leitstellen“ exzellent funktioniert. Sie haben immer wieder gesagt, dass Sie Einwände

gegen die geplante Führung hätten. Sie, Herr Bachmann, haben selbst gesagt, dass das System in Holland anders organisiert sei. Ich sage noch einmal: Es ist nicht vorgesehen, dass die Polizei die Feuerwehr führt, sondern auch bei der „bunten Leitstelle“, wie sie der Innenminister vorgestellt hat, soll die Feuerwehr weiterhin die Feuerwehr führen. Sie sollen nur die Einrichtungen gemeinsam nutzen.

Meine Damen und Herren, ich möchte, weil meine Redezeit schon wieder vorüber ist, mit einem Zitat schließen. Ich bin, weil Sie so technikfeindlich sind, darum gebeten worden, das Zitat, das ich im Innenausschuss angeführt habe, noch einmal vorzutragen. Ihr Genosse Peter Glotz hat einmal in einem anderen Zusammenhang - da ging es also nicht um die „bunten Leitstellen“ - gesagt - ich habe das zunächst nicht für möglich gehalten -: „Die letzte technische Entwicklung, der die SPD zugestimmt hat, war die Einführung des Farbfernsehers.“ Meine Damen und Herren, wenn das, was der Genosse Glotz sagt, stimmt und Sie buntes Fernsehen gut finden, dann frage ich mich, warum Sie nicht auch die „bunten Leitstellen“ gut finden. Vielen Dank.