Protocol of the Session on May 18, 2005

Führen Sie bitte fort!

Ich finde es schön, dass so viele - in diesem Fall auch Männer - aufmerksam zuhören; denn das ist im Vergleich zu vorigen Debatten zumindest ein Fortschritt.

Wir haben das Ziel der Gleichberechtigung noch nicht erreicht. Das steht in dem Antrag der SPD, und dem haben auch alle Vorrednerinnen zugestimmt. Mir liegt hier eine internationale Untersuchung vor, die ich dem Focus entnommen habe. Danach erreichen 56 % der Frauen Top-Abschlüsse bei der GCSE (Generative and Component- Based Software Engineering), und nur 46 % der Männer erreichen diese Ergebnisse. - Ich kann das Papier nachher dem Stenografischen Dienst überlassen; das ist vielleicht einfacher. - 83 % vom Gehalt eines Mannes bekommt heute im Durchschnitt eine Frau in vergleichbaren Positionen. Vor 30 Jahren waren es nur 63 %. In diesem Bereich ist es also besser geworden, aber noch lange nicht

gut. 8 % der Frauen schaffen in ihrer beruflichen Laufbahn den Aufstieg in eine Managerposition; bei Männern sind es 18 %. 61 % aller Frauen haben heute einen Führerschein. Von den Männern haben 81 % den Führerschein. Auch hier sind wir also dran, aber wir haben noch aufzuholen. So könnte es weitergehen.

(Zurufe: Lauter! - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Geh‘ doch weiter an das Mikro heran!)

- Lauter? Ich dachte, ich wäre laut genug. Okay. Wir sehen an diesen Zahlen, dass die Gleichberechtigung noch nicht erreicht ist und wir noch viel zu tun haben. So gesehen stimmen wir diesem Antrag der SPD-Fraktion uneingeschränkt zu.

Es gibt aber auch Punkte, denen wir nicht zustimmen können. Sie haben gesagt, dass Sie die Frauenbeauftragten beibehalten wollen. Sie wissen schon, dass auch wir Frauenbeauftragte beibehalten wollen, aber einen anderen Weg als den richtigeren ansehen. Wir haben gesagt, dass wir die Aufgabe der Gleichberechtigung dem Hauptverwaltungsbeamten übergeben wollen und ihm dabei Frauenbeauftragte zuarbeiten sollen. Ihrer Forderung können wir daher nicht zustimmen, weil wir schon anders beschlossen haben.

Die angeblich diskriminierenden Äußerungen von Herrn Busemann sind in diesem Fall falsch zitiert gewesen. Deswegen können wir auch diesen Passagen des Antrages nicht zustimmen.

Wir wollen auch weder Männer noch Frauen in Lehrerberufe zwingen, die sie nicht wollen. Wir brauchen Anreize. Das ist etwas, worüber wir uns absolut einig sind. Wir haben deswegen auch schon den zitierten fraktionsübergreifenden Antrag zum Girls‘ Day als einen Bestandteil eines generellen Gender-Konzepts, das wir umsetzen wollen, beschlossen. Ich meine, dass das der richtige Weg ist. Wir brauchen mehr Annäherung, wir brauchen Männer, die in verstärktem Maße soziale Kompetenz haben, und wir brauchen Frauen, die stärker an technische Berufe herangeführt werden und besser situiert sind. Das ist ein Gesamtkonzept, das wir wollen und dem wir zugestimmt haben. Soweit der Antrag dementsprechende Aussagen enthält, können wir ihm zustimmen. Verschiedene andere Punkte lehnen wir aber ab. Deswegen werden wir - obwohl wir in der Sache einig sind, dass bei der Gleichberechtigung noch einiges passieren muss - Ihren Antrag insgesamt ablehnen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Merk das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man der Kollegin Jakob so aufmerksam zugehört hat wie ich und dann den Schlusssatz gehört hat, dann konnte ich mir das Lächeln nicht verkneifen. Frau Kollegin Jakob, Sie haben gesagt: Springen Sie doch auf den fahrenden Zug auf! - Wissen Sie, welchen Eindruck ich bei Ihrer Rede hatte? - Das war eine Rostlaube, die stand, die war längst ausgebremst, die war rückwärts gewandt, wie ich selten eine Rede erlebt habe.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das war heute der Witz des Tages. Wer uns, den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, nahe legt, doch zu begreifen, dass Gender Mainstreaming wichtig sei, dann frage ich Sie, Frau Kollegin: Wissen Sie, wer das in der Landesregierung eingeführt hat? - Zunächst Ministerpräsident Schröder mit der Regierungserklärung im Jahr 1996, damit das klar ist. Danach habe ich als Frauenministerin Gender Mainstreaming mehr als verdoppelt und verdreifacht. Die Akten, liebe Frau Kollegin Ministerin, können das nachweisen. Dafür, uns jetzt bei diesem Punkt zu belehren und dennoch einen derart rückwärts gewandten Redebeitrag zu halten, wie ihn Frau Jakob gehalten hat, habe ich mich geschämt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

- Ja, dafür habe ich mich geschämt! Die Reden, die vor 20 oder 30 Jahren im Parlament gehalten worden sind, waren im Vergleich zu dem, was Sie hier heute erklären wollen, schon fortschrittlicher. Wenn eine Kollegin, die eine anständige Rede hält, schon vorher aus der rechten Ecke von männlichen Kollegen

(Wilhelm Heidemann [CDU]: Was für eine rechte Ecke denn?)

derart angeblökt wird, dann weiß ich, was wir von der Frauenpolitik der CDU und der FDP zu erwar

ten haben. Ich weiß jetzt auch, was wir von der FDP zu erwarten haben, nachdem soeben die Frau Kollegin diese Männer auch noch gelobt hat. Mir war schlecht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat nun Herr Minister Busemann das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das so genannte Thema „Männerquote“ wird heute aufgrund angeblicher Äußerungen des Kultusministers diskutiert. Ich wage hier beinahe die Behauptung, dass hier niemand präzise zitieren kann, was ich angeblich irgendwann einmal geäußert haben soll. Es entwickelt sich manchmal eine Phantomdiskussion, die eine Dimension erreicht, bei der man staunt, was man angezettelt hat.

Ich will zur Vorgeschichte Folgendes klarstellen: Ich glaube, es liegt schon über ein Jahr zurück, als eine große Zeitung - es war die Bild am Sonntag bei verschiedenen Kultusministern in Deutschland - also in 16 Bundesländern, u. a. bei der bayerischen Kollegin, bei der hessischen Kollegin, bei mir und auch anderen Kultusministern - angefragt hat, ob wir nicht auch der Meinung seien, dass wir im Schuldienst zu wenig junge Lehrer hätten. Diese Frage haben wir unter dem Strich bejaht. Das findet sich unter dem Stichwort „Männerquote“ in der Bild am Sonntag - in einer Ausgabe im Januar oder Februar letzten Jahres - wieder, und schon ist man mitten in der Diskussion.

Ich will auch in Erinnerung rufen, dass wir hier vor einiger Zeit - ich glaube, im Oktober 2003 - eine Anfrage zum Thema „Männerquote“ hatten. Schon damals habe ich deutlich gemacht, dass ich den Männern bei der Einstellung in den Schuldienst keineswegs Vorrang einräumen will. Das wäre auch blanker Unsinn. Wir verfahren bei der Einstellung in den Schuldienst nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung, und daran soll und wird sich auch nichts ändern.

Gleichwohl will ich an dieser Stelle durchaus einen persönlichen Eindruck einflechten. Wenn wir in manchen gesellschaftlichen Bereichen erkennen, dass dort zu wenig Frauen aktiv sind, wird über Modelle wie die Frauenquote nachgedacht. Das

wird dann auch in den Parteien zur Anwendung gebracht, und dann wird behauptet, dass das die Vorkämpfer für Gleichberechtigung und anderes mehr seien. Wird in anderem Zusammenhang, in anderen Bereichen der Gesellschaft, zur Kenntnis genommen, dass dort zu wenig Männer - egal welchen Alters - aktiv sind, dann wird gleich das Stichwort „Männerquote“ oben draufgesattelt, woraufhin die Diskussion gleich in Aussagen wie „Da sind die Machos oder die Gegner der Gleichberechtigung unterwegs“ übergeht. Ich stelle da eine Ideologisierung fest, die in der Sache eigentlich gar nicht Not tut.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns die Frage stellen - das ist mein Anliegen -, ob Jungen in unserem schulischen, gesellschaftlichen und familiären Erziehungssystem genügend Gelegenheit haben, sich in ihrem geschlechtsspezifischen Rollenverhalten auch an Männern zu orientieren. Es ist eine Tatsache, dass in den Grundschulen überwiegend Lehrerinnen unterrichten und dass viele Jungen auch in ihrer familiären Umgebung ohne Orientierungsmöglichkeit an Männern aufwachsen. Das ist hier auch schon angeklungen. Aus dieser Frage und der Suche nach Antworten ergibt sich aber nicht ansatzweise eine Diskriminierung oder gar Schuldzuweisung an Lehrerinnen, wie es mir im Antrag unterstellt wird. Ich wiederhole es an dieser Stelle ausdrücklich: Unsere weiblichen Lehrkräfte leisten hervorragende Arbeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Darum geht es aber gar nicht. Was ich will und was auch im Antrag gefordert wird, ist eine gleichmäßigere Verteilung von Lehrerinnen und Lehrern auf alle Schulformen. Deshalb ist es mir wichtig, dass sich mehr junge Menschen und vor allem wieder mehr junge Männer für den verantwortungsvollen Beruf des Lehrers entscheiden und dass sie auch bereit sind, insbesondere in der Grundschule zu unterrichten. Soweit es irgend möglich ist, berücksichtigen wir daher bei Neueinstellungen auch die jeweilige Zusammensetzung des Kollegiums. Wenn die so genannten schulscharfen Stellen vergeben werden, achten die Schulen auch selber darauf. Wenn Sie von mir heute gerne eine Botschaft oder einen Appell hören wollen, dann sage ich: Bitte sorgen wir alle dafür, dass mehr junge Männer im Lande bereit sind, das Lehramt anzustreben und an den Schulen auch entsprechend zu unterrichten!

(Zustimmung bei der CDU)

Mir verschließt sich in diesem Zusammenhang einiges. Lehrer in Niedersachsen oder überhaupt Lehrer zu sein, ist doch ein wunderbarer Beruf. Trotz aller Probleme, die die öffentliche Hand hat, gibt es auch Einstellungsmöglichkeiten. Lehrerinnen und Lehrer sind gefragt. Junge Männer müssten doch für Gehälter von A 12 an aufwärts willens sein, Lehrer zu werden. Wenn diese Botschaft - vielleicht auch mit Hilfe der Medien - heute von hier ausgeht, dass junge Männer auch bereit sein sollten, im Lande Niedersachsen Lehrer zu werden, dann hätte sich die Debatte, glaube ich, gelohnt.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben aus bekannten Gründen durchaus mehr Einschreibungen, was die Studiengänge anbelangt, aber wir haben noch keine signifikante Verbesserung, was den geschlechtsspezifischen Anteil der Männer anbelangt.

Meine Damen und Herren, wir sind uns doch in der Bewertung einig, dass in der Vergangenheit viel getan wurde, um die Benachteiligung der Mädchen gezielt abzubauen. Es gibt ja auch messbare Erfolge. Auf sozialem Gebiet beobachten wir in den letzten Jahren, dass sich Mädchen mit einem größeren Selbstverständnis ihrer Geschlechterrolle stellen und dass sie sich auch bei der Berufswahl häufig bewusst untypisch verhalten und entscheiden. Mädchen und junge Frauen zeigen inzwischen ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und viel Durchsetzungskraft. Bei den Schulabschlüssen haben sie zwischenzeitlich die Jungen überholt. Es hat sich also gelohnt, die Mädchen gesondert in den Blick zu nehmen.

(Zuruf von der SPD: Seit einigen Jah- ren!)

- Genau, Frau Kollegin. - Diese Entwicklung darf aber im Umkehrschluss nicht dazu führen, dass die individuellen und geschlechtsspezifischen Bedürfnisse und Probleme der Jungen gar nicht wahrgenommen werden. Es darf also nicht passieren, dass dieser Aspekt negiert wird, weil er einfach nicht in ein frauenrechtlerisches Weltbild passt. Ich gehe davon aus, dass zwischen Jungen und Mädchen keine geschlechtsspezifischen Intelligenzunterschiede bestehen. Die PISA-Studie bescheinigt Mädchen ein größeres Interesse am Lesen und den Jungen ein größeres Interesse an Mathematik. Trotzdem haben die Jungen und Männer inzwischen den weitaus überwiegenden Anteil an den

Schulverweigerern, den Schulversagern, den Konsumenten illegaler Drogen, den Rechtsextremen, den Straffälligen und besonders denjenigen, die sexuelle und körperliche Gewalt ausüben.

Das erzwingt doch geradezu die Frage nach den Ursachen und die gemeinsame Suche nach den richtigen Antworten und pädagogischen Schlussfolgerungen. Sicherlich muss hier ein ganzes Paket von Maßnahmen greifen. Eine Frage in diesem Zusammenhang lautet: Wie wird der Unterricht gestaltet und von wem wird er gestaltet? - Es gibt mittlerweile - das ist nicht ein Hauruck-Thema für irgendwelche Politiker in der Bild-Zeitung - wissenschaftliche Abhandlungen zu dieser Problematik, die man sehr ernst nehmen muss und die man sich auch zu Gemüte führen sollte, in denen auch noch sehr viele Fragen aufgeworfen werden, was wir alle miteinander zu tun haben.

Eine geschlechtsbezogene Pädagogik bietet die Möglichkeit, Jungen auf der Suche nach ihrer Männlichkeit zu unterstützen,

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

einer Männlichkeit, die den wirklichen Bedürfnissen der Jungen gerecht wird und somit für beide Geschlechter einen Gewinn bedeuten kann. Dieser Gewinn kann in der Entlastung von hohem gesellschaftlichen und privaten Erwartungsdruck, in gesteigerter Selbstkompetenz sowie in einem qualitativen Zuwachs in sozialen Beziehungen liegen.

Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Führt die Dogmatisierung von Gleichheit und Gleichberechtigung nicht zu einer neuen Ungerechtigkeit? Ist eine optimale Förderung und Entwicklung der verschiedenen Menschen noch möglich, wenn die Unterschiede nicht wahrgenommen werden? Wie können wir die notwendige Vielfalt von Leitbildern in pädagogischen Prozessen sicherstellen? - Die Antworten auf diese Fragen sind noch nicht vollständig gefunden. Es ist auch schwierig genug, sie zu finden. Eines aber ist sicher: Mädchen wie Jungen brauchen Vorbilder, und sie brauchen ein leistungsfähiges, durchlässiges und individuelle Leistungen förderndes Bildungssystem. Dafür haben wir u. a. mit unseren schulpolitischen Entscheidungen durchaus wichtige Voraussetzungen geschaffen.

Ich komme zurück zu meinem Anliegen. Wir müssen es miteinander hinbekommen, dass wir mehr männliche Lehrer in unserem Schuldienst haben. Es lohnt sich, dafür gemeinsam zu kämpfen.

(Zustimmung bei der CDU)

Nicht mehr und nicht weniger habe ich in der Diskussion gesagt und angeregt. Ich glaube, dieses Ziel kann man auch in der nächsten Zeit noch nachhaltig verfolgen, bis wir eine Verbesserung der Verhältnisse erreicht haben. Der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und der Kultusausschuss haben die Ablehnung des Antrages empfohlen. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Für die CDU-Fraktion hat die Abgeordnete Jakob nach § 71 Abs. 2 um zusätzliche Redezeit gebeten. Ich gebe ihr zwei Minuten.

Herr Präsident! Meine lieben Kollegen und Kolleginnen! Frau Merk, ich betreibe seit vielen Jahren Gleichstellungspolitik und habe mir in Hannover damit auch einen Namen gemacht. Ihre Partei hat schon mehrere Male versucht, mich zu motivieren, die Partei zu wechseln und zu Ihnen zu kommen.

(Lachen bei der SPD)

So schlecht kann ich also gar nicht sein. Ich möchte Ihren Vorwurf insofern erst einmal zurückweisen.

Zweitens brauche ich keinen Nachhilfeunterricht in Gleichstellungspolitik, Frau Merk, von Ihnen schon gar nicht. Denn unter Ihrer Regierung wurde das Frauenministerium doch abgeschafft. Sie haben es noch nicht einmal geschafft, es zu erhalten. Das haben wir sehr beklagt.