Protocol of the Session on April 21, 2005

Also noch einmal: Ein Endlagerbergwerk - 1,5 Milliarden Euro, eine Pilotkonditionierungsanlage 350 Millionen Euro, ein Zwischenlager - diverse Millionen Euro.

(Anneliese Zachow [CDU]: Wer hat die denn genehmigt? Wer hat die PKA genehmigt? - Gegenruf von Sig- mar Gabriel [SPD]: Frau Merkel!)

- Auf diese Zwischenfrage habe ich gewartet, Frau Zachow. Sie waren es, die zum Ende der Regierungszeit Albrecht in ihrer Untergangsstimmung die ersten Teilerrichtungsgenehmigungen für diese Anlagen ausgesprochen haben. Und Sie wissen, welche Bindungswirkungen Teilerrichtungsgenehmigungen in einem Rechtsstaat entfalten. Insofern zieht Ihr Argument nicht.

Meine Damen und Herren, das Kostenargument kann vor dem Hintergrund der gigantischen Fehlinvestitionen, die die Atomindustrie geleistet hat, nicht ziehen. Allein in Kalkar sind 3,5 Milliarden Euro in den Sand gesetzt worden.

Zum Schluss möchte ich nur noch eines sagen. Mich erreichte gestern das Schreiben eines Bürgers aus Hannover. Er schrieb mir auf eine Berichterstattung zu dieser Thematik hin Folgendes:

„Die Argumente des Ministers Hirche für eine Energiewende sind abgedroschen, unzeitgemäß und nicht stichhaltig. Ein jeder blamiert sich, so gut er kann.“

Recht hat der Mann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Wort hat der Kollege Dr. Runkel. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dehde, ich muss wohl doch mit einem Kerntechnikgrundkurs beginnen.

Der Fall Harrisburg in den USA zeigt eindrucksvoll, dass die dortigen Sicherheitsvorkehrungen in der Lage waren, einen solch schweren Unfall - und das war er in der Tat - zu beherrschen.

(Beifall bei der CDU)

Im Gegensatz zu dem Reaktor in Tschernobyl handelte es sich bei dem Reaktor in Harrisburg um einen Leichtwasserreaktor. Ein leichtwassermoderierter Reaktor kann von seiner technischen Konstruktion her überhaupt nicht explodieren, und das hat er ja auch nicht getan. Bei dem Reaktor in Tschernobyl handelte es sich hingegen um einen so genannten RBMK-Reaktor, einen wassergekühlten grafitmoderierten Reaktor. Bei einem solchen Reaktor müssen Sie aktiv etwas tun, um eine bestehende Kernreaktion zu stoppen.

Bei Siedewasserreaktoren und Druckwasserreaktoren, also bei leichtwassergekühlten und leichtwassermoderierten Reaktoren, müssen Sie aktiv etwas tun, um die Kernreaktion zum Laufen zu bringen. Das heißt: Wenn Sie nichts tun, stoppt die Kernreaktion, und der Reaktor geht von selbst aus.

Nun noch ein Wort zu dem Stichwort weltweite Kernenergieproduktion. 10 % der weltweit eingesparten CO2-Mengen stammen sozusagen aus der Kernenergieproduktion. Das heißt umgekehrt: Hätten wir die Kernenergieproduktion nicht, wäre die weltweite CO2-Produktion pro Jahr um 10 % höher.

Anstatt sich mit vielfältigen technologischen, wissenschaftlichen, umweltrelevanten und gesellschaftlichen Fragen einer wirklich wichtigen und zukunftsfähigen Energieversorgung zu beschäftigen, meine Damen und Herren, stellen Sie hier rückwärts gewandte und zudem noch aus einem Themenpapier von Trittin abgeschriebene Anträge zum Ausstieg aus einer der effizientesten und umweltfreundlichsten Formen der Energiewandlung. Jeder, der wirklich Fachmann ist, und jeder, der die Sache nicht nur aus einer ideologischen Scheuklappensicht betrachtet, der weiß ganz genau: Aus technischen Gründen, aus Gründen der Versorgungssicherheit, aus Gründen der Notwendigkeit der Reduktion der CO2-Emissionen und aus weiteren Gründen des Umwelt- und Landschaftsschutzes, aus Gründen der Schonung natürlicher Rohstoffreserven geht das nicht.

Die Uranreserven reichen nach derzeitigem Stand noch für 500 Jahre. Das können Sie in einem Bericht der Bundesanstalt für Geowissenschaften

nachlesen. Dem müssten Sie ja Glauben schenken. Ansonsten empfehle ich Ihnen das Red Book des World Energy Council. Darin können Sie nachlesen, dass die Reserven für mehrere hundert Jahre gesichert sind.

Wir benötigen nicht zuletzt aus wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Gründen und auch aus Gründen der gesellschaftlichen Akzeptanz einen vernünftigen Energiemix, in dem alle verfügbaren Energieträger eine Rolle spielen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dabei, meine Damen und Herren, ist die Frage, welcher Energieträger welche Rolle zu spielen hat, keineswegs auf nationaler Ebene und schon gar nicht ideologisch zu beantworten. CO2-Reduktion und Umweltschutz machen nicht Halt an nationalen Grenzen. Aber z. B. die Frage der nationalen Energiekosten spielt vor dem Hintergrund einer globalen Wirtschaft eine ganz entscheidende Rolle bei der Sicherung unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Was eine zukunftsfähige Energieversorgung und ein vernünftiger Energiemix in Deutschland sind, kann daher nur unter Berücksichtigung internationaler und globaler Aspekte definiert werden.

Der von Rot-Grün gewollte deutsche Sonderweg des Atomausstiegs führt international in eine energiepolitische Isolation.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ist i- deologisch!)

International fasst man sich an den Kopf, Herr Haase, weil in Deutschland - wie beim Transrapid auf die Anwendung und Weiterentwicklung einer Hochtechnologie und somit auf enorme Exportchancen und auf deutsche Arbeitsplätze verzichtet werden soll. Man fragt sich auch, wieso Deutschland keinen Beitrag leisten will, um die in einigen Staaten - z. B. in Russland und in der Ukraine; ich habe solche Kraftwerke gesehen - betriebenen Kernkraftwerke, die sich zugegebenermaßen nicht auf dem extrem hohen Sicherheitsniveau, das wir in Deutschland gewohnt sind, befinden, auf ein höheres Sicherheitsniveau zu bringen.

(Klaus-Peter Dehde [SPD]: Einfach abschalten!)

- Abschalten wäre eine gute Idee. Aber russische Regierungsvertreter verkündeten Anfang 2004,

(Ursula Körtner [CDU]: Der beste Freund von Schröder!)

dass Russland den bisher etwa 50 betriebenen Kernkraftwerken in Zukunft noch eine ganze Menge hinzufügen will. Russland will nach Auskunft dieser Regierungsvertreter die Stromproduktion aus Kernenergie binnen fünf Jahren verdreifachen, was allerdings nicht heißt, dass auch die Zahl der Kernkraftwerke verdreifacht werden soll.

Insbesondere fragt man sich im Ausland auch, wieso ein hoch industrialisiertes Land auf eine sichere, umweltgerechte und wirtschaftliche Energieversorgung verzichten will, wäre gerade das doch ein Standortsvorteil, der Deutschland in einer globalisierten Welt aus anderen Mitbewerbern herausheben könnte.

Schließlich fragt man sich natürlich auch - Sie sagten das schon -, wie Deutschland überhaupt die im Kyoto-Protokoll versprochene CO2Reduktion bewerkstelligen will.

Die Perspektiven zur friedlichen Nutzung der Kernenergie werden weltweit, auch von unseren Nachbarn in Europa - Sie können das in einem Bericht der EU-Kommission nachlesen; ich gebe Ihnen nachher gerne die Quelle an -, positiv gesehen.

Leider geht meine Redezeit zu Ende. Deswegen überspringe ich jetzt auch einige Punkte meiner Ausführungen. Ich werde meine Rede aber komplett ins Internet stellen, und diejenigen, die sich wirklich dafür interessieren, können sie dann dort nachlesen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Dieter Haase [SPD]: Herr Dr. Runkel, das ist nicht nötig! - Wei- tere Zurufe von der SPD)

Wir brauchen in Deutschland auf absehbare Zeit einen technischen und ökonomischen Energiemix mit der Kernenergie. Ein Ausstieg aus der Kernenergie wäre nicht nur mit einem technologischen Wissensverlust, sondern auch mit einer schier unglaublichen Vernichtung volkswirtschaftlicher Werte sowie mit der Vernichtung von Arbeitsplätzen verbunden. Nur dann, wenn wir durch preisgünstige Kernenergie in einer Mischkalkulation mit den teuren erneuerbaren Energien - ich betone, die müssen wir auch weiterhin fördern - in der Lage sind, die Energiepreise in Deutschland einigermaßen niedrig zu halten, nur dann werden wir in

der Lage sein, eine leistungsfähige Industrienation zu bleiben, und nur so werden wir überhaupt in der Lage sein, einen Beitrag zur weiteren Entwicklung und technischen Einführung zu leisten.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Sie wissen, ich behandle Schaumburger immer mit großer Toleranz,

(Heiterkeit bei der CDU)

aber die Redezeit ist erheblich überschritten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der letzte Satz meiner Ausführungen lautet daher: Wir brauchen den Ausstieg aus dem Ausstieg und den Einstieg in eine zukunftsträchtige Symbiose der Kernenergie und der regenerativen Energien; denn nur so können wir die regenerativen Energien weiterentwickeln. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Kollege Dürr ist der nächste Redner. Bitte schön!

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Jetzt kommt Runkel - zweiter Teil!)

- Nein, ich rede für mich selbst.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Grünen geht es eigentlich gar nicht um den Ausstieg aus der Kernenergie. Ihnen geht es um ein grünes Symbol. Dafür habe ich auch ein gewisses Verständnis; denn jede Partei braucht auch Symbole. Aber, meine Damen und Herren, Symbole werden immer dann zur Gefahr, wenn sie nicht mehr dem eigentlichen Ziel dienen, sondern als Mittel zum Zweck missbraucht werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren von den Grünen, Sie brauchen den Atomausstieg, weil diese Forderung den inhaltlichen Kern Ihrer Partei ausmacht. Da ist es Ihnen schon sehr recht gewesen, dass der Ausstieg erst im Jahr 2022 vollzogen sein wird. Wenn die Kernenergie eine Hochrisikotechnologie wäre,

wie Sie sagen und in Ihrem Antrag im Übrigen auch schreiben, dann wäre es ja auch unverantwortlich, die deutschen Kernkraftwerke bis dahin laufen zu lassen.

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Ja, lo- gisch!)

Ihre Symbole haben dazu geführt, meine Damen und Herren, dass immer mehr junge Menschen in Deutschland den Naturwissenschaften den Rücken kehren. Wer beschäftigt sich im Studium schon mit Atomphysik, wenn ihm ständig eingeredet wird, dass das, was er da macht, eigentlich unmoralisch ist?

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Herr Dürr, das ist doch lächerlich! - Hans- Dieter Haase [SPD]: Hier geht es nicht um Forschung, sondern um ge- fährliche Kräfte!)

Ihre Symbole haben dazu geführt, dass Firmen ihre Investitionen lieber im Ausland tätigen als in Deutschland, weil sie davon ausgehen, dass dort stabilere Rahmenbedingungen herrschen, gerade auch was die Energiekosten betrifft. Das kostet nicht nur die Arbeitsplätze von heute, meine Damen und Herren, diese Politik verhindert auch, dass neue Jobs entstehen können. Oder anders gesagt: Deutschland und auch Niedersachsen können sich Ihre Symbole nicht länger leisten!