Protocol of the Session on April 20, 2005

Das Schärfste an der Sache ist: Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, das ordentlich zu begründen. In der Mipla stehen zwar einige Punkte, die Sie Begründung nennen mögen. Es sind aber keine Begründungen, sondern nur Ausreden.

Als Beispiel nenne ich die Senkung der Gewerbesteuerumlage. Sie haben sich damit gerühmt, in Berlin die Senkung dieser Umlage zum Nutzen der Gemeinden erstritten zu haben. Nun nehmen Sie denselben Kommunen dieses Geld wieder weg mit der Begründung, sie, die Gemeinden, seien jetzt wegen der Senkung der Umlage besser gestellt und könnten deshalb die Kürzung der Zuweisung hinnehmen. Meine Frage ist deshalb: Für wen haben Sie denn die Senkungen nun haben wollen: für die Gemeinden oder für sich selbst?

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Gute Frage!)

So viel zu Ihren Begründungen.

Ich habe festzustellen: Unsere Absicht, durch einen Stabilisierungsfonds nach dem Vorbild des Landes Rheinland-Pfalz den Kommunen Planungssicherheit zu geben und zu einer Verstetigung der Einnahmen zu verhelfen, wird von Ihnen abgelehnt, und zwar nicht begründet abgelehnt. Vielmehr haben Ihre Vertreter in den Ausschussberatungen bekundet, dass sie gar nicht bereit sind, auch nur darüber nachzudenken. Eine Argumentation war, das Budgetrecht des Parlaments würde eingeschränkt, als ob wir alle nicht wüssten, dass durch jedes Gesetz und jede vertragliche Vereinbarung wir uns selbst oder künftige Parlamente langfristig binden. Aber im Interesse der Kommunen soll das nicht möglich sein? - Frage: Ist das Ihr Beitrag zur Stärkung der kommunalen Selbstverantwortung? Ist Ihnen nicht bewusst, wie Ihre Begründung, die Kommunen angeblich stärken zu wollen, zu Makulatur wird? Zum selben Thema gehört auch die ständige Betonung des Konnexitätsprinzips: Reden ja, Handeln nein.

Bei den Zuweisungen an die Kommunen geht es nicht um Wohltaten des Landes. Dieses Geld gehört den Kommunen. Es ist ihr rechtmäßiger Anteil an den Einnahmen des Landes.

(Beifall bei der SPD)

Sie kennen den Begriff der Verteilungssymmetrie. Ich komme noch darauf zurück. Aber offenbar ist Ihnen ein Prinzip nach Gutsherrenart lieber als eine ordentliche gesetzliche Regelung.

Sie ignorieren die Tatsache, dass sehr viele Kommunen nicht mehr in der Lage sind, ihre Haushalte auszugleichen, auch keine Kredite für Investitionen aufzunehmen. Wen das in besonderer Weise schädigt, wissen Sie. Es ist der Mittelstand, dessen Förderung Sie sich immer auf die Fahnen geschrieben haben.

(Bernd Althusmann [CDU]: Was ist wohl die Ursache dafür, lieber Kolle- ge?)

Zurück zur Lage der Kommunen. Es geht um die Finanzierung der laufenden Ausgaben. Selbst dafür reicht das Geld nicht, das den Kommunen zur Verfügung steht.

(Beifall bei der SPD)

Das Ergebnis: Kassenkredite der kommunalen Haushalte in folgender Entwicklung: 2002 2,0 Milliarden Euro, 2003 2,8 Milliarden Euro, 2004 3,5 Milliarden Euro Kassenkredite.

(Bernd Althusmann [CDU]: Und dann Rot-Grün in Berlin! Genau das ist es, lieber Kollege!)

Das ist fast eine Verdoppelung in Ihrer Regierungszeit. 2005 geht es weiter. Das ist Ihre Verantwortung.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Ich lache mich tot!)

- Ich finde das gar nicht zum Lachen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Ihre Ar- gumentation ist lächerlich!)

Aber Ihre Empfehlung an die Kommunen ist außerordentlich aufschlussreich. Jemand hat gesagt, sie sollten einmal die kommunalen Aufgaben einer gründlichen Aufgabenkritik unterziehen.

(Heidrun Merk [SPD] lacht)

Sprechen Sie einmal mit Ihren Kommunalpolitikern, und hören Sie, was die dazu sagen! Ich weiß, was die sagen. Ich kenne eine Reihe ausdrucksvoller Aussagen auch von Leuten aus Ihren Reihen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe bei der CDU)

Vor allem denken Sie einmal an Ihre Wahlkampfaussagen. Da ist immer dieses Märchen von den 500 Millionen DM, die wir angeblich gestrichen haben. Sie alle kennen die wirklichen Verhältnisse.

(Zuruf von der CDU: Wer hat sie ge- strichen?)

Ich muss sie Ihnen nicht erläutern. Sie wissen nur eines: Mit drei Begehren sind Sie in Bückeburg nicht durchgedrungen. Mit einem haben Sie sogar Schaden angerichtet, nämlich bei den Zuweisungen für den übertragenen Wirkungskreis.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann meldet sich zu einer Zwischen- frage)

Herr Kollege Lestin gestattet keine Zwischenfrage, Herr Althusmann.

Herr Althusmann, wir alle kennen die Verhältnisse, Sie auch ganz besonders. - Mit keinem der drei Begehren sind Sie durchgedrungen. Aber Sie haben das Argument im Wahlkampf trotzdem immer noch verwendet. Angeblich haben Sie gewonnen. Sie haben das Argument immer wieder verwendet. Das Schönste war, in einigen Wahlkampfaussagen sind aus den angeblichen 500 Millionen DM sogar 500 Millionen Euro geworden.

(Zuruf von der CDU: Das ist mit Zin- sen!)

Sie haben mit Ihren Ankündigungen den Eindruck erweckt, Sie in Regierungsverantwortung würden die Kommunen besser stellen. Es soll Menschen gegeben haben, die haben daran geglaubt. Und jetzt tun Sie das Gegenteil von dem, was Sie versprochen haben.

Weiteres Thema. Sie rühmen sich, die Neuverschuldung um 350 Millionen Euro gesenkt zu haben. Sagen Sie doch bitte auch dazu, dass Sie

150 Millionen Euro davon bei den Kommunen einsammeln, also das Geld der Kommunen.

(Beifall bei der SPD)

Das ist eine Zwangsmaßnahme, von der Sie annehmen, dass sich niemand dagegen wehren kann. Wir werden sehen, ob sich jemand dagegen wehrt.

Unser Bestreben ist, durch einen Stabilisierungsfonds die Finanzsituation der Gemeinden zu verbessern, indem wir mehr Sicherheit geben. Sie waren im Innenausschuss nicht einmal bereit, darüber zu verhandeln. Ich bin sicher, dass dieses Verhalten im kommunalen Bereich aufmerksam registriert werden wird, aber sicherlich nicht zu Ihrem Vorteil.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Lestin. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Hiebing das Wort. Bitte schön!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage der Kommunen, vor allem der niedersächsischen Kommunen ist nach wie vor dramatisch. Darüber gibt es keinen Zweifel. Die Lage, wie wir sie jetzt zu verzeichnen haben, ist aber nicht erst seit dem Jahre 2002 dramatisch, sondern sie ist bereits Ende der 90er-Jahre mit steigenden Defiziten in dieses Jahrtausend gegangen.

Die Situation der kommunalen Haushalte hat sich parallel zu der der Haushalte von Bund und Ländern negativ entwickelt. Was sind die Gründe dafür gewesen? - Wir haben festzustellen, dass es gerade die Bundesebene immer wieder verstanden hat, den Kommunen Aufgaben aufzubürden, ohne ihnen dafür eine ausreichende Finanzausstattung zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich darf erinnern an die Grundsicherung im Alter, an den Bereich der Jugendhilfe und an das Tagesbetreuungsausbaugesetz. All das sind Bereiche, die die Kommunen zu einem großen Teil zu finanzieren haben. Das hat sehr viel Geld gekostet. Es sind kostenträchtige Bereiche. Sie aber beklagen, dass es den Kommunen heute schlecht

geht. Fragen Sie doch einmal danach, wer das zu verantworten hat.

(Beifall bei der CDU - Heidrun Merk [SPD]: Davon müssen gerade Sie re- den! - Gegenruf von Bernd Althus- mann [CDU]: Frau Merk, Sie waren doch damals in der niedersächsischen Regierung!)

Daher glaube ich, dass die Einführung des Konnexitätsprinzips durch die Aufnahme in die Landesverfassung der richtige Weg ist. Wir sollten versuchen, ihn gemeinsam zu gehen. Ich darf das mit gleicher Deutlichkeit auch beim Bund anmahnen. Das ist vor allem für die Kommunen ebenso wichtig.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir sind uns vielleicht über die finanzielle Situation der Kommunen einig. Ich möchte aber feststellen: Zwischen den Kommunen gibt es durchaus Unterschiede. Es geht nicht allen Kommunen gleichermaßen schlecht. Man muss hier und da schauen, woran es liegt und wer die Verantwortung dafür trägt. Auch mit diesen Fragen sollten Sie sich einmal befassen.

Bei der Frage, welche Konsequenzen wir daraus zu ziehen haben, werden sich in diesem Hause die Wege möglicherweise scheiden. Wir sind der Meinung, dass ein Stabilitätsfonds der falsche Weg ist, um dieses Problem zu lösen. Er ist in RheinlandPfalz eingeführt worden. Aber dort herrscht eine andere kommunale Situation, habe ich mir berichten lassen. Somit ist das auf Niedersachsen nicht übertragbar.

Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, dass es, wenn wir Finanzinstrumente für die Kommunen entwickeln, sie aber keine Kostenentlastungen bringen, der Problemlösung nicht dient. Im Übrigen sind solche Stabilisierungsfonds Schattenhaushalte, die mit viel Bürokratie verbunden sind. Das nützt am wenigsten den Kommunen.

Mir ist wichtig, eines festzustellen: Das Gesamtgefüge der Finanzverteilung und auch der Aufgabenverteilung gehört auf den Prüfstand. Wir brauchen eine Entflechtung bei der Mischfinanzierung. Heute Morgen ist deutlich geworden, wo die Probleme liegen. Es ist sicherlich eine Aufgabe der Zukunft, das zu entflechten. Nur dann, wenn Finanzverantwortung und -aufgabe in einer Hand liegen, ist auch in Zukunft ein klarer Weg geebnet.

Meine Damen und Herren, eine Ebene, und zwar die kommunale Ebene, von Einnahmeschwankungen auszunehmen, kann man sich zwar wünschen, aber es ist ein illusorischer Weg. Wir kämen ja auch nicht auf die Idee, dem Bund zu sagen, er solle bei uns im Lande für beste Einnahmesituationen sorgen. Das kann man sich wünschen, aber wir kämen nicht einmal auf die Idee, dass man es als realistisch ansehen könnte.

Trotzdem ist es Aufgabe der Niedersächsischen Landesregierung und aller Fraktionen, besonders der CDU/FDP-Koalition, alles Erdenkliche zu tun, was dazu beiträgt, die finanzielle Situation der Kommunen in Niedersachsen zu erleichtern. Es müssen aber taugliche Instrumente sein. Deshalb hat die Initiative von Niedersachsen und Bayern, die Gewerbesteuerumlage von 28 auf 20 Prozentpunkte abzusenken - das hatte eben schon Erwähnung gefunden -, zumindest die aktuelle Not gelindert. Ich meine, dass das ein Beitrag war, zumindest aktuell die Situation der niedersächsischen Kommunen zu verbessern.