Protocol of the Session on April 20, 2005

„Bürger an Meinungs- und Willensbildung zu beteiligen, bleibt unerfüllt. Ein Blick auf sämtliche Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in Niedersachsen“

- Sie haben diesen Blick wahrscheinlich nicht gewagt, Herr Schünemann

„sowie ein Blick über die Grenzen in andere Bundesländer offenbart schwerwiegende Mängel, die der Gesetzgeber ausbessern sollte.“

Meine Damen und Herren, das ist eine schallende Ohrfeige für Ihren Gesetzentwurf, den Sie heute verabschieden werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, lassen Sie diese Sätze noch einmal in Ruhe auf sich wirken. Überlegen Sie, was die CDU in der Stadt Oldenburg auf ihrem Kreisparteitag im September beschlossen hat. Das war praktisch grünes Wahlprogramm. Heute wollen Sie das nicht mehr wahrhaben, meine Damen und Herren.

(David McAllister [CDU]: So viel Auf- merksamkeit für Lutz Stratmann!)

Meine Damen und Herren, Lutz Stratmann war der Urheber dieses Antrags. Er hat ihn auf dem Parteitag auch begründet. Er hat ihn unterschrieben. Der Antrag enthielt - sicherlich nicht zur Freude der FDP - die Begrifflichkeit „Bürgerschaftliches und ehrenamtliches Engagement fördern“. Dieser Überschrift ist von grüner Seite aus nichts hinzuzufügen.

Meine Damen und Herren, das, was Sie hier heute beschließen werden, ist das Gegenteil dessen, was Lutz Stratmann und die Kolleginnen und Kollegen aus Oldenburg dort im September 2003 propagiert haben.

Meine Damen und Herren, von der FDP ist in dieser Frage nicht viel zu erwarten. Die selbst ernannte Bürgerrechtspartei hat sich in dieser Diskussion verabschiedet. Sie ist überhaupt nicht aufgetreten. Auch in den Ausschüssen haben wir die Bürgerrechtsstimme der FDP vermisst. Meine Damen und Herren, die Chancen für mehr Bürgerrechte, für mehr direkte Demokratie, für mehr bürgerschaftliches Engagement wurden von dieser Landesregierung nicht einmal im Ansatz genutzt. Diese Landesregierung hat augenscheinlich Angst vor ihren eigenen Bürgern, denen sie ja laut FDP immer die Freiheit zurückgeben will. Ich glaube, diese große Furcht ist überhaupt nicht berechtigt. Andere Entscheidungen der FDP in anderen Bundesländern zeigen, dass dort die FDP den Bürgerinnen und Bürgern mehr zutraut. NordrheinWestfalen ist ein Beispiel dafür, dass dort die Fragen des Bauplanungsrechts mit hineingenommen wurden. Der entsprechende Antrag der FDP in Nordrhein-Westfalen hat dort die Unterstützung von Rot und Grün gefunden. Hier in Niedersachsen darf das nicht stattfinden, meine Damen und Herren.

Mir bleiben leider nur diese kurzen, knappen fünf Minuten. Die Tatsache, dass die Frauenbeauftragten neben den Bürgerrechten auch noch gleich mit einem Handstreich abgewickelt werden

(David McAllister [CDU]: Nun hör doch mal auf!)

und zukünftig in mehreren Fällen das Hauptamt ins Ehrenamt umgewandelt wird - 20 Ehrenamtliche stehen auf dem Zettel; wir haben es vorhin von der Kollegin gehört -, ist nur ein weiterer Baustein in diesem Bereich gegen diese Frauen.

Vor diesem Hintergrund lehnen wir diesen Gesetzentwurf nachdrücklich ab.

Herr Kollege Meihsies, kommen Sie bitte zum Ende.

Meine Damen und Herren, ich wollte mir auch die 10 % Überschreitung genehmigen, die Sie der Kollegin von der SPD-Fraktion zugestanden haben.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Ein unglaublicher Vorgang!)

Nein, Ihre Stimme war gut zu hören.

Meine Damen und Herren, ein Schlusswort von mir: Nach zwei Jahren Regierung hier im Land Niedersachsen ist von der Bürgerrechtspartei FDP der Lack ab. Dies wird sich in der Zustimmung der FDP-Fraktion zu diesem bürgerfeindlichen Gesetzentwurf der Landesregierung dokumentieren. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Biallas, bitte!

(Dieter Möhrmann [SPD]: Es ist jetzt doch alles gesagt!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden heute dem Gesetzentwurf der Landesregierung zustimmen.

(Oh! und Lachen bei der SPD)

Wenn man die Reden seitens der verschiedenen Fraktionen so aufmerksam verfolgt hat wie ich, dann hat man den Eindruck, es ginge ausschließlich um die Frage der Frauenbeauftragten oder um die Bürgerbegehren. Es geht aber um eine umfassende Änderung der niedersächsischen Kommunalverfassung. Diese Änderung halten wir für vollständig gelungen - damit das hier mal deutlich ge

sagt wird. Denn mit diesem Gesetzentwurf stärken wir die kommunalen Selbstverwaltungsrechte, und im Übrigen holen wir das mutig nach, meine Damen und Herren, was die SPD bei der letzten Novellierung versäumt hat. Auch dies ist keine Neuerung. - Herr Kollege Gabriel, Ihre geschätzte Aufmerksamkeit würde mich freuen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das hilft aber nichts!)

Auch mit diesem Gesetzentwurf setzen wir genau das um, was wir vor der Wahl angekündigt haben. Ich sage das deshalb, weil es in der Vergangenheit durchaus mal aus der Übung gekommen war, dass man nach der Wahl das macht, was man vor der Wahl gesagt hat. Auch hier haben wir eine gute Leistung vorzuweisen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

- Meine Damen und Herren, ich freue mich über Ihre Begeisterung.

Wir haben im Übrigen auch die volle Unterstützung der kommunalen Spitzenverbände. Auch das merke ich hier an, weil Sie ja immer behaupten, wir hätten sie nicht. Die kommunalen Spitzenverbände haben zu diesem Gesetzentwurf gesagt: Ihr macht das richtig. Ihr macht es so, wie wir es haben wollen. - Es ist doch ganz gut, dass wir das heute feststellen können, Herr Kollege Gabriel; denn Sie behaupten ja immer das Gegenteil.

Meine Damen und Herren, wir wollen auch die Amtszeit für Hauptverwaltungsbeamte, also für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Ländrätinnen und Landräte, von fünf auf acht Jahre verlängern. Sie tun ja so, als seien wir die Pioniere der Veränderung. Nein, wir gleichen unsere Regelung in Niedersachen nur den Regelungen an, die in anderen Bundesländern schon längst gelten. Wir wollen damit erreichen - das möchte ich hier auch offen aussprechen, und das haben wir schon beim letzten Mal diskutiert; die SPD-Fraktion will ja die Hauptverwaltungsbeamten immer an die Ratsfraktionen binden, sodass dann, wenn die SPD die Wahl gewinnt, auch gleich der richtige Bürgermeister mit ins Rathaus kommt, und dann, wenn sie die Wahl verliert, der eigene Bürgermeister verschwindet; genau das wollen wir aber nicht -: Wir wollen, dass die Unabhängigkeit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, wie sie auch im Gesetz formuliert ist, durch die Wahlzeit dokumentiert wird.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Das hat - dies ist schon angesprochen worden auch etwas mit Qualität zu tun. Wir sind verschiedentlich aufgefordert worden, sozusagen Voraussetzungen an die Kandidatinnen und Kandidaten mit in das Gesetz aufzunehmen. Das haben wir ganz bewusst vermieden. Wir haben gesagt: Hier haben jetzt auch einmal die Parteien eine eigene Verantwortung. Es kommt eben darauf an, wen die Parteien nominieren. Wenn die Parteien Leute nominieren, vor denen sie eigentlich selber den Eindruck haben, sie seien dem Amt gar nicht gewachsen, und diese Leute dann zufälligerweise gewählt werden, dann müssen die Parteien damit auch leben. Wir sagen: Qualität ist in der Tat wichtig. Man muss dann aber natürlich schauen, dass man auf den Parteiveranstaltungen die richtigen Kandidatinnen und Kandidaten nominiert.

Es ist verschiedentlich über die Amtszeitbegrenzung bis zum Alter von 68 Jahren gestritten worden. Im Moment ist es so, dass die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, wenn sie mit 65 Jahren für fünf Jahre gewählt werden, bis zum Alter von 70 Jahren im Amt sein können. Wir haben nun eine Begrenzung auf das Alter von 68 Jahren vorgenommen. Das ist auch vernünftig. Diese Regelung ist im Übrigen parallel und analog zu der Regelung für Professorinnen und Professoren getroffen worden. Wir haben - es gab seitens der kommunalen Spitzenverbände übrigens auch andere Ideen penibel darauf geachtet, dass, wenn man mit 65 Jahren in den Ruhestand geht, die Altersentschädigung nicht nach nur zwei oder drei Jahren gezahlt wird, wie das der eine oder andere wollte. Wir haben vielmehr - analog zu der Regelung, die auch jetzt schon gilt - gesagt, dass eine Amtszeit von mindestens fünf Jahren abgeleistet sein muss. Wir halten das für richtig. Wir können dies auch verantworten und begründen.

Ich bin ausdrücklich gebeten worden, zu der Frage der Frauenbeauftragten hier nicht allzu lange zu reden.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Ich bedaure das!)

Ich bin auch ausdrücklich gebeten worden, meine persönliche Meinung hierzu nicht zu differenziert darzustellen.

(Heiterkeit bei der CDU - Sigmar Gab- riel [SPD]: Herr Kollege, wir bedauern das!)

- Herr Kollege Gabriel, diesbezüglich verweise ich auf die hervorragenden Ausführungen, die die Kolleginnen Ross-Luttmann und Jakob in der Vergangenheit umfassend zu diesem Thema gemacht haben. Ich halte mich daran und sage dazu gar nichts.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Wir wären an Ihrer Meinung interessiert!)

- Wenn Sie wissen wollen, was die CDU dazu denkt, so sage ich Ihnen: Gucken Sie in das Gesetz; dort steht es drin.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Es ging auch um die Frage des Auszählverfahrens. Meine Damen und Herren von der SPD, Sie kennen das Problem. Solange man allein regiert, gilt das Verfahren nach dem alten d‘Hondt. Wehe aber, man hat einen Koalitionspartner. Auch wir kennen dieses Problem. Wir sind aber froh, dass wir einen netten Koalitionspartner haben - im Gegensatz zu Ihnen.

(Sigmar Gabriel [SPD]: Das hast du aber gerade noch so hingekriegt!)

- Das war doch gut. Der Kollege Bachmann ist auch begeistert. Ich freue mich vor allen Dingen, dass jetzt alle wieder wach geworden sind. - Das angesprochene Problem stellt sich immer. Es geht hier um das Recht der kleineren Parteien. Es müssen aber alle wissen: Wenn man mehrere kleine Parteien hat, kann es natürlich auch passieren, dass die falsche kleine Partei davon profitiert. Dazu sage ich jetzt aber nichts mehr.

(Heiterkeit bei der CDU - Karl-Heinz Klare [CDU]: Das interessiert uns aber!)

Ich komme auf eine weitere wesentliche Änderung zu sprechen. Wir hatten die Entschädigungsregelung für Hausfrauen und Rentner im bisherigen Gesetz in der Weise getroffen, dass der Landesgesetzgeber festlegt, wie diese Entschädigung gewährt wird. Bisher war vorgesehen, dass die Mandatsträger, die ausschließlich einen Haushalt führen und keinen Verdienstausfall geltend machen, Anspruch auf Zahlung eines Pauschalstundensatzes in Höhe des durchschnittlich gezahlten Ersatzes für den Verdienstausfall aller Ratsfrauen

und Ratsherren haben. Wir haben nun gesagt: Gerade in den Räten und in den Kreistagen ist es vernünftig, entsprechend der Situation der Einzelnen durch Beschluss reagieren zu können. Was vor Ort vernünftiger entschieden werden kann, als es dem Landesgesetzgeber möglich ist, soll auch vor Ort entsprechend entschieden werden. Vor Ort ist man frei, auf die besondere Situation zu reagieren und dann auch entsprechend der besonderen Situation der Ratsmitglieder zu entscheiden. Ich glaube, dass dies unter Umständen durchaus die Billigung weiter Teile der Opposition finden kann.

Ich will noch ganz kurz ein Letztes zu den Bürgerbegehren sagen. Ich will es hier noch einmal deutlich sagen, Herr Kollege Meihsies. Wir haben entschieden.

(Andreas Meihsies [GRÜNE]: Ja, schlecht entschieden!)