Protocol of the Session on April 20, 2005

(Beifall bei der FDP - Elke Müller [SPD]: Er hat Recht!)

Auch das hat die Arbeit der Föderalismuskommission gezeigt: Meine Damen und Herren, wer den Sumpf trocken legen will, der darf damit nicht die Frösche beauftragen.

Deswegen hat die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag bereits im Februar den Antrag eingebracht, einen Verfassungskonvent zu installieren. Dieser Konvent soll sich aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und aus Wissenschaftlern zusammensetzen, die den Reformprozess begleiten sollen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Warten Sie bitte einen Augenblick, Frau Kollegin. Auch für die CDU-Fraktion gilt, dass es hier leiser werden muss.

Wir müssen aus den gemachten Fehlern lernen. Das heißt, zunächst das zu sichern, was wir erreicht haben, dann eine umfassende Neudefinition der Aufgaben vorzunehmen und anschließend einen Konvent mit der Umsetzung zu beauftragen. Meine Damen und Herren, wenn diese Aufgaben für einen Gesamtschritt zu groß sind, dann müssen wir den Weg der vielen kleinen Schritte gehen. Dabei dürfen wir allerdings nicht die Zielsetzung aus dem Auge verlieren oder die Zielsetzung ver

wässern, indem man ganze Teile einfach ausklammert. Dafür ist die Aufgabe zu wichtig. Unser Land ist an einem Rand angekommen, wo es diese Reform auf jeden Fall braucht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Als Nächstem erteile ich Ministerpräsident Wulff das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier ist schon einiges zur Föderalismus-Kommission gesagt worden. Man sollte vorweg erst einmal darauf hinweisen, dass man die Ergebnisse bewerten muss und nicht die Debatte, die bis zu einem Ergebnis führt. Dazu werde ich gleich noch einige Zitate anführen.

Wir haben immer dasselbe Ergebnis, Herr Kollege Gabriel, dass während der Prozesse, in denen wir niedersächsische Interessen durchzusetzen versuchen, die SPD ein Weltuntergangsszenario aufbaut, lamentiert, mies macht und bezweifelt, dass die Debatten Not tun. Ich kann nur sagen: Sie sollten sich, ein bisschen reflektierend auf die letzten zwei Jahre, fragen, ob das immer so klug gewesen ist.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Dann kommt so viel heraus wie bei der Rechtschreibreform!)

- Da ich gerade das Stichwort „Rechtschreibreform“ höre: Demnächst wird immerhin wieder zusammengeschrieben, was zusammengehört, Herr Kollege Wenzel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Beispielsweise wurde früher „vielversprechender“ Nachwuchspolitiker Gabriel zusammengeschrieben. Zeitweilig wurde es wegen der Rechtschreibreform auseinander geschrieben. Wir haben nie behauptet, dass er nur viel versprochen hat, sondern er war ein vielversprechender Nachwuchspolitiker. In Zukunft wird „viel versprechender“ Nachwuchspolitiker wieder zusammengeschrieben.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das wird ihm aber nicht helfen!)

Zweitens zu dem Stichwort „KMK-Reform“: Da haben Sie auch gesagt, das darf hier nicht in die De

batte eingeführt werden, das ist überhaupt nicht nötig. Wir haben in der letzten Woche den Beschluss gefasst, dass 5 % der Gremien dort abgebaut werden und nachhaltiger Personalabbau durchgesetzt werden kann.

Als Sie als Ministerpräsident aufgehört haben, hat es 712 Gremien der Bundesministerkonferenzen gegeben. Deren Zahl ist bei der Ministerpräsidentenkonferenz in der letzten Woche auf 200 reduziert worden. Das heißt, wir haben hier nachhaltig durchforstet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Bravo!)

Sie werden erleben, dass wir Ihr Lamento zum Norddeutschen Rundfunk und dessen Staatsvertrag nicht aufgenommen haben, sondern dort wichtige Dinge durchsetzen: europäische Forderungen - Stichwort „Transparenz-Richtlinie“ -, Forderungen der Rechnungshöfe, mehr Regionalisierung und Veränderung der Gremien. Sie werden erleben, dass wir bei der Exzellenzinitiative in wenigen Wochen ein exzellentes Ergebnis haben werden - allerdings unter Wahrung der Länderzuständigkeiten; denn hier im Landtag soll entschieden werden, was in Braunschweig, Göttingen und Hannover passiert, und nicht auf Bundesebene auf Feldern, wo die Länder ihre Existenz und ihre Zuständigkeit behalten wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Gleiches werden Sie bei der FöderalismusKommission erleben, wenn alle guten Willen haben.

Nun ist vom Kollegen Wenzel vorgetragen worden, nach Abschluss der Verhandlungen sei ich mit bestimmten Forderungen und dann noch womöglich erstmalig gekommen. Dazu möchte ich den Kollegen Franz Müntefering aus der Sitzung vom 17. Dezember zitieren. Sie haben gesagt: „Das war das Ergebnis vom 13. Dezember“. Franz Müntefering hat am 17. Dezember in der Sitzung, die mindestens einen Tag und eine Nacht dauern sollte und in der wir die Fragen klären wollten, wie folgt eröffnet:

„Es war von uns Vorsitzenden zugesagt, der Kommission heute einen Beschlussvorschlag zu den grundgesetzlichen Änderungen zum Thema bundesstaatliche Ordnung vorzulegen. Dem können wir nicht entspre

chen. Wir haben uns nicht auf eine gemeinsame Beschlussvorlage verständigt.“

(Dieter Möhrmann [SPD]: Warum nicht?)

An anderer Stelle sagt Franz Müntefering weiter:

„Vieles von dem, was diskutiert worden ist, ist fast fertig. Von den 18 Projekten, die wir in dem gesamten Paket hatten, sind elf fertig. Bei drei bis vier Projekten ist eine Verwirklichung möglich, und lediglich ein oder zwei sind wohl jetzt nicht umsetzbar.“

Am Ende seiner Einführungsrede sagt Franz Müntefering:

„Da in der Sache ein mehrheitsfähiger Vorschlag nicht erreichbar scheint, schlagen wir vor, die Kommissionsarbeit für beendet zu erklären. Ich frage formal, ob es Widerspruch dagegen gibt. - Dann ist das so beschlossen. Schöne Weihnachten habe ich Ihnen vorhin schon gewünscht. Machen Sie es gut!“

Dann hat er diese 100 Personen umfassende Kommission nach Hause geschickt, woran man schon erkennen kann, dass diese Kommission und deren Redebeiträge jedenfalls nicht entscheiden werden, wie unser Grundgesetz demnächst aussehen wird, sondern das werden andere entscheiden. Da müssen wir hellwach sein, wo dies entschieden wird.

Dann habe ich in der Phase, in der es jetzt wieder auflebt, dem Kollegen Edmund Stoiber geschrieben, dass wir darauf Wert legen, dass das Verfahren transparent ist und dass alle Länder gleich behandelt werden. Daraufhin hat Herr Kollege Beck erklärt - ich weiß nicht, was ihn da getrieben oder gestochen hat -: Wer so etwas fordere - Transparenz und Gleichbehandlung der Länder -, der lege die Axt an den Erfolg der Föderalismus-Kommission.

(Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Dazu kann ich nur sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Es mag ja sein, dass es hier Anwälte der Geheimdiplomatie gibt. Mit mir ist das nicht zu machen. Ich führe diese Debatten über die

KMK, die Rechtschreibreform, den NDR und unser Grundgesetz - es geht immerhin um unser Grundgesetz - gerne offen. Deswegen habe ich auch den Brief an den Kollegen Edmund Stoiber an alle anderen 15 Regierungschefs der Länder versandt, weil wir dieses transparente Verfahren pflegen. Die Antwort vom Kollegen Edmund Stoiber zeigt, dass wir auch hier wieder ein Stück weiter kommen. So schreibt Edmund Stoiber bereits am nächsten Tag:

„Die Bedenken hinsichtlich des neuen Zustimmungstatbestandes in Artikel 104 a Abs. 3 a) GG haben wir zum Zeitpunkt des letzten Gesprächs mit Herrn Parteichef Müntefering am 16. Dezember berücksichtigt. Um die von dir angeführten Nachteile der neuen Vorschrift zu beseitigen, muss bei Einführung der neuen Zustimmungspflicht nach Artikel 104 a Abs. 3 a) GG als Folgeänderung notwendigerweise in Artikel 104 a Abs. 3 neben Satz 3 auch Satz 2 gestrichen werden. Mit dieser wichtigen Forderung werde ich in die anstehenden Verhandlungen gehen. Du kannst im Übrigen sichergehen, dass dies nicht ohne gleichberechtigte Beteiligung und Information aller Länder geschehen wird.“

Das heißt, auch hier ist wieder Konsens erzielt. Wir haben uns auf diesen Feldern und in Vorbesprechungen in der Regel - das ist richtig - durchgesetzt, und wir beabsichtigen, uns weiter durchzusetzen, weil wir die Interessen dieses Landes zu vertreten haben und nicht irgendwelche Interessen zu vertreten haben, nur weil ein Parteifreund oder Parteikollege - und sei er auch der Vorsitzende der CSU - möglicherweise diese Dinge anders sieht, als wir sie sehen. Wir sind für das Land gewählt. Wir stehen in Verantwortung für Niedersachsen und nicht in erster Linie in Verantwortung für eine Partei.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie haben eine Restredezeit von 2:24 Minuten.

(David McAllister [CDU]: Gib auf! Es hat keinen Zweck! - Bernd Althus- mann [CDU]: Es ist vorbei!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, wenn das, was Sie bei der Rechtschreibreform ausgehandelt haben, so erfolgreich war, dann sollten Sie vielleicht darüber nachdenken, ob Sie nicht noch extra für dieses Thema einen Staatssekretär einstellen, der dieses Thema weiter begleitet.

(Lachen bei der CDU)

Man fragt sich ja schon, was Ministerpräsidenten manchmal so zu tun haben.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das wer- den Sie nie erfahren!)

Meine Damen und Herren, wir haben hier verschiedene Reden von den Regierungsfraktionen gehört. Herr McAllister hat u. a. beanstandet, dass es beim Beamtenrecht noch Korrekturbedarf gibt,

(David McAllister [CDU]: Festgestellt!)

bei den Gemeinschaftsaufgaben, beim GVFG. Frau Vizepräsidentin Kuhlo hat sogar die Neuverhandlung der gesamten Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern gefordert. Das kann man nur so verstehen, dass Sie am Ende auch den Solidarpakt, der ja bis 2019 gilt, und auch den Länderfinanzausgleich in Frage stellen. Meine Damen und Herren, man kann die Hürde natürlich so hoch legen, dass am Ende niemand mehr darüber kommt und dass man am Ende garantiert einen Misserfolg erzielt. Das kann man tun, wenn man bestimmte Absichten hegt.

Sie, Herr Ministerpräsident, haben hier heute Ihr Licht unter den Scheffel gestellt und sind eine ganze Menge zurückgerudert. Wenn ich mir diesen Brief und seine Formulierungen angucke, den Sie an den lieben Edmund formuliert haben, dann sind da einige Punkte enthalten, die deutlich machen, dass es Ihnen um wesentlich mehr ging, als hier dafür zu sorgen, dass die Anmerkungen, die Sie schon am 17. Dezember getätigt haben, von dem lieben Edmund nicht vergessen werden. Ihnen ging es im Kern - das machen auch die Anmerkungen des Fraktionsvorsitzenden der CDU und von Frau Kuhlo deutlich - um wesentlich mehr. Sie wollen das Projekt Föderalismusreform in einem

Kernpunkt infrage stellen. Wir werden deshalb sehr aufmerksam beobachten, wie Sie bei diesem Projekt weiter verfahren, ob Sie es benutzen, um Ihre parteipolitische Blockade im Bundesrat weiterzuführen, oder ob es im Sinne der Interessen des Landes Niedersachsen dazu kommt, dass man gemeinsam mit dem Bund und den anderen Ländern die Selbstblockaden in unserem föderalen System endlich auflöst und einen Impuls für die wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen setzt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)