gen. Daraus mache ich dann ein Programm, nach dem ich handele. Das haben Sie bisher nicht vorgelegt. Sie sagen zwar, verschiedene Stellen hätten bereits etwas vorgelegt, aber Ausgangspunkt ist in allen Fällen die Sichtweise des jeweiligen Berichterstatters.
Ich möchte gern, dass die Landesregierung einen Bericht vorgelegt, der von ihr analysiert wurde und aus dem ersichtlich wird, ob ihre Politik wirklich zielgerichtet ist oder ob sie mal hier und mal da etwas gemacht hat. Das wäre nämlich kein systematisch sinnvolles Arbeiten, sondern eine Vergeudung von Ressourcen, die wir nicht mehr haben.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur noch einmal drei Punkte hervorheben, um deutlich zu machen, wo wir ganz klare Grundlagen geschaffen haben, um gegen Armut anzukämpfen.
Erstens haben wir ein Bildungskonzept auf den Weg gebracht, das eine sehr gute solide Basis liefert, um alle in den Stand zu versetzen, dass sie eben nicht der Armut anheim fallen.
Zweitens haben wir uns ganz klar auf den Weg gemacht, auch im Rahmen von Mehrgenerationenhäusern, um Vernetzungen zu schaffen und dadurch Hilfestellung zu geben.
mit dem wir ganz klar investiert haben und mit dem wir Hilfestellung geben. Darüber können Sie nun weiß Gott nicht hinweg sehen.
wir? - Das haben wir mit diesen drei und mit weiteren Punkten aufgezeigt. - Soviel dazu, dass wir handeln und nicht Berichte erstellen und Papier beschreiben wollen.
Die Menschen brauchen unsere Hilfe und die, die sie brauchen, sollen sie jetzt bekommen. Wir wollen nicht erst Papier vorschalten. - Vielen Dank.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit den Antrag beraten, mitberatend sollen die Ausschüsse für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, für Haushalt und Finanzen sowie der Kultusausschuss sein. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das war einstimmig. Dann wird so verfahren.
Tagesordnungspunkt 30: Erste Beratung: Handlungskonzept: Zwangsheirat ächten Zwangsehen vorbeugen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1676
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwangsheirat in Deutschland und in Niedersachsen, das war bisher vor allem eines: ein Tabuthema. Über die Ausmaße von Zwangsheiraten existieren weder in Deutschland noch in Niedersachsen belastbare Zahlen. Die aktuellsten Zahlen stammen aus Berlin. Der Berliner Senat veröffentlichte für das Jahr 2002 die Zahl von 230 Zwangsverheiratungen. Von der Polizei in Celle weiß ich von über 200 Frauen, die in den letzten fünf Jahren von Zwangsheirat bedroht waren, wobei die Dunkelziffer vermutlich um ein Vielfaches höher liegt.
von Zwangsheirat Hilfe gewährt werden soll, wenn vorbeugende und unterstützende Maßnahmen angeboten werden sollen, dann benötigen wir zunächst Informationen über die Hintergründe und Ursachen ebenso wie über die Situation der Betroffenen. Vor diesem Hintergrund verstehen wir unseren Antrag als wichtigen Schritt, um dieses bedrückende Thema aufzugreifen und den Handlungsbedarf zu verdeutlichen.
Meine Damen und Herren, von Zwangsheirat reden wir dann, wenn die Zustimmung zu einer Heirat nur unter massivem Druck, unter Androhung von Gewalt bis hin zu den so genannten Ehrenmorden erfolgt. Die Umstände, die zu einer Zwangsheirat führen können, sind von außen schwierig zu erkennen, und fließende Übergänge sind möglich. Wenn beispielsweise zunächst einer arrangierten Ehe zugestimmt wird und erst nach einiger Zeit Zweifel aufkommen, dann kann dem Druck der Familie häufig nicht standgehalten werden. Das trifft insbesondere auf Minderjährige zu. Dann wird aus der arrangierten Ehe sehr schnell eine Zwangsehe.
Betroffene von Zwangsheirat sind im Übrigen nicht nur hier geborene oder hier lebende Frauen, sondern auch Mädchen und junge Frauen, die durch Heiratsmigration hierher kommen.
Um es deutlich zu betonen: Zwangsheirat ist keine Frage der Religion, sondern sie ist durch traditionell patriarchalisch verfestigte Familienstruktur geprägt. Zwangsverheiratung ist keine private oder kulturelle Angelegenheit, sondern eine schwere Menschenrechtsverletzung, die schärfstens geächtet werden muss.
Die rot-grüne Koalition hat im vergangenen Jahr einen Gesetzentwurf eingebracht, der Zwangsheirat als einen besonders schweren Fall von Nötigung ins Strafgesetzbuch aufnimmt. Dieser Gesetzentwurf ist einstimmig im Bundestag verabschiedet worden. Die Tragödie der Zwangsheiraten lässt sich allerdings nicht allein mit juristischen Mitteln beenden, zumal die Beweisführung im familiären Umfeld oft schwierig und für alle Beteiligten belastend bleiben wird.
Meine Damen und Herren, gut ist in diesem Zusammenhang, dass die bereits im letzten Jahr gestartete bundesweite Kampagne „Stopp Zwangs
heirat“ von Terre des Femmes einen Stein ins Rollen gebracht hat. Überall sind Stimmen laut geworden, die von weiteren Fällen berichten und die steigende Brisanz dieses Problems bestätigen. In Celle hat nur das Aushängen eines Plakates dieser Kampagne dazu geführt, dass sich allein im Januar bereits drei junge Frauen mit der Bitte um Hilfe an die Polizei gewandt haben. In diesem Zusammenhang begrüße ich im Übrigen die heute bekannt gewordene Initiative der Sozialministerin, die schon bevor unser Antrag eingebracht worden ist ankündigt, einen Teil davon umzusetzen.
Meine Damen und Herren, wir brauchen in Niedersachsen ein Handlungskonzept zum Thema Zwangsheirat, das Maßnahmen zur Ermittlung des Ausmaßes sowie eine intensive Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit beinhaltet und Fortbildungsangebote im Rahmen der Prävention bietet. Hierbei sind Lehrerinnen und Lehrer sicherlich ganz besonders angesprochen. Sie müssen z. B. wissen, welche Möglichkeiten bestehen, jungen Mädchen, die zu Hause eingesperrt werden, über eine Schulversäumnisanzeige zu helfen.
Die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Jugendhilfeeinrichtungen, Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern und der Dialog mit Migrantinnenorganisationen müssen intensiviert werden. Immer wieder passiert es, dass Väter oder Brüder die Polizei um Hilfe bitten, weil ihre Tochter bzw. Schwester angeblich Opfer einer Entführung geworden sei. In diesen Fällen wäre es äußerst hilfreich zu wissen, ob nicht eher eine Flucht vor der Zwangsehe dahinter steckt.
Meine Damen und Herren, leider legitimieren die Ehre und das Ansehen der Familie in den Augen vieler Eltern sehr oft, dass gegenüber den eigenen Töchtern Gewalt ausgeübt wird. Die Töchter sind Morddrohungen ausgesetzt, müssen mit Verschleppungen ins Herkunftsland der Eltern rechnen und haben zu Hause häufig bereits massive Gewalt erfahren.
Ob sich Frauen und junge Mädchen gegen eine erzwungene Ehe auflehnen, hängt sicherlich von ihrer Erziehung und auch von ihrer Sozialisation ab. Dies wird aber auch ein Grund dafür sein, warum sich immer mehr junge Frauen gegen das ihnen zugedachte Schicksal wehren. Je früher von
Zwangsheirat bedrohte Frauen also erfahren, dass es sich dabei nicht um eine Privatangelegenheit, sondern um eine Straftat handelt und es Hilfsangebote gibt, desto eher steigen die Chancen, einer Zwangsverheiratung zu entgehen.
Wir sind der Überzeugung, dass die Unterstützung einer Kampagne gegen die Zwangsheirat durch Migrantinnenselbsthilfeorganisationen und religiöse Gemeinschaften besonders geeignet ist, zu einem Bewusstseinswandel innerhalb der eigenen Gemeinschaft beizutragen.
Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit Zwangsheirat ist insbesondere die ausländerrechtliche Situation für Frauen, die im Ausland zwangsverheiratet wurden, zu verbessern. Denn bislang erlischt das Recht auf Wiederkehr bereits nach sechs Monaten. Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf.
Die Befürchtung, dass die Zahl der Zwangsheiraten in der dritten Migrantengeneration aufgrund fehlgeschlagener Integrationsmaßnahmen weiter zunimmt, ist leider nicht von der Hand zu weisen. Das heißt konkret, dass es über die reine Sprachvermittlung, also über das Angebot von Sprachkursen hinaus, auch weitere Integrationsangebote geben muss.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: Die Verfassung verlangt die Unantastbarkeit der Würde und die Freiheit jedes Menschen. Diese Grundsätze werden verletzt, wenn Frauen und Mädchen gegen ihren Willen verheiratet werden. Deshalb müssen wir handeln. Nur wenn Frauen mit ihren Problemen nicht allein gelassen werden, besteht die Chance, zu einer wirklichen Integration von Migrantinnen beizutragen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, es kommt nicht häufig vor, dass man morgens bereits
im rundblick lesen kann, was die Ministerin von einem Antrag hält, der erst am Nachmittag auf der Tagesordnung steht. Wenn ich das richtig sehe, dann wird das Thema Zwangsehen die Fraktionen zumindest nicht spalten.
Ein junges Mädchen, 17 Jahre alt, befindet sich zurzeit in einem Frauenhaus. Sie ist aus ihrer Familie geflüchtet, weil sie verheiratet werden sollte. Eine Klassenkameradin meiner Tochter verbrachte die großen Ferien bei Verwandten in der Türkei. Zum neuen Schuljahr erschien sie plötzlich mit Kopftuch in der Klasse. Kurze Zeit später heiratete sie und brach die Schule ab.
Das sind nur zwei Fälle aus meinem Umkreis. Wie hoch die Anzahl der jungen Mädchen ist, die durch psychischen Druck - z. B. durch Sätze wie „Meine Mutter sagte, ich muss ihn heiraten, sonst lässt Papa sich von ihr scheiden.“ - oder durch Beschimpfungen, Drohungen, Erpressungen und Prügel dazu gebracht werden, einen bestimmten Mann zu heiraten, wissen wir nicht. Arrangierte Ehen gelten bei vielen türkischen und arabischen Eltern als traditionelles Muster der Familienbildung, die eine gute Versorgung der Töchter sicherstellen sollte. - Wenn wir in unsere Geschichte zurückschauen, dann stellen wir fest, dass die so genannten Vernunftehen auch bei uns eine lange Tradition haben.
Die Grenzen zwischen arrangierten Ehen und Zwangsehen sind oft fließend, vor allem dann, wenn die gehorsame Tochter nicht definitiv Nein sagt. Wenn sich die Mädchen aber weigern zu gehorchen, dann werden sie schikaniert, geprügelt, manchmal sogar eingesperrt oder im Extremfall sogar im Namen der Ehre ermordet.
Es handelt sich dann um eine Zwangsehe, wenn mindestens einer der zukünftigen Ehepartner durch die Anwendung von körperlicher oder psychischer Gewalt zur Ehe gezwungen wird. Zwangsheiraten verstoßen gegen die Menschenrechte. Sie müssen öffentlich gemacht werden und dürfen nicht mehr unter dem Deckmantel der Familie verschwinden.