Protocol of the Session on January 26, 2005

Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf:

Artikel 1 einschließlich Staatsvertrag. - Unverändert.

Artikel 2. - Unverändert.

Gesetzesüberschrift. - Unverändert.

Wer dem Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Dann ist es so beschlossen.

Wir kommen nun zu

Tagesordnungspunkt 5: Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Gesetzes zu dem Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk (NDR) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 15/1600 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien - 15/1626

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien in der Drucksache 1626 lautet auf Annahme. *)

Herr Gabriel von der SPD-Fraktion hat sich zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im letzten Plenarsitzungsabschnitt hat unser Ministerpräsident Christian Wulff aus unserer Sicht aus der Aktuellen Stunde zum Thema NDR-Staatsvertrag eine Märchenstunde gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Hauptdarsteller war natürlich Christian Wulff in der Rolle des Feinsliebchen. Er hat damals vorgetragen, es sei sozusagen eine böswillige Unterstellung, wenn SPD und Grüne dem CDU-Regierungschef unterstellten, er wolle den NDR zum CDU-Staatsfernsehen degradieren. Unser Christian Wulff in der Rolle des Feinsliebchen wolle doch nur das Beste für die Menschen im Lande. In Wahrheit gehe es um mehr Niedersachsen im NDR. Das war am 14. Dezember 2004.

Genau vier Wochen nach dieser Aufführung von Feinsliebchen gelangt nun ein ganz anderes Drehbuch aus der Staatskanzlei in die Öffentlichkeit. Auf einmal können wir in einem Referentenentwurf der Staatskanzlei lesen: Es geht offensichtlich doch um die feindliche Übernahme des NDR durch den CDU-Parteipolitiker Christian Wulff. Herr Ministerpräsident, die erstaunte Öffentlichkeit stellt fest: Feinsliebchen hat die Rolle getauscht. Jetzt spielt wieder der böse Wulff, und die Rolle sitzt wie angegossen.

(Beifall bei der SPD)

) Der vorgesehene mündliche Bericht ist diesem Stenografischen Bericht als Anlage beigefügt.

Herr Ministerpräsident, ich frage Sie: Für wie dumm halten Sie eigentlich das Parlament und die Öffentlichkeit? Sie wollen uns vier Wochen nach Ihrem Auftritt hier im Landtag doch nicht ernsthaft glauben machen, dies sei ein unabgestimmter Referentenentwurf aus Ihrer Staatskanzlei. Entweder die Mitarbeiter der Staatskanzlei hören nicht zu, was Sie sagen, oder sie wissen, dass die Reden, die der Ministerpräsident hier hält, ohnehin nur unter „Showtime“ abzubuchen sind. Vier Wochen nach Ihrer Märchenstunde hier, vier Wochen nach der Veröffentlichung Ihrer Aussagen in allen Zeitungen zu den angeblichen Zielen Ihrer NDRPolitik erstellt die Staatskanzlei einen Referentenentwurf für den Ministerpräsidenten, aus dem die eigentliche Absicht klar hervorgeht: die parteipolitische Indienstnahme des NDR für die Ziele der CDU und übrigens auch für den Machtanspruch des jetzigen Ministerpräsidenten. Um mehr geht es nicht.

(Beifall bei der SPD)

Herr Wulff, ich sage Ihnen Folgendes. Ich weiß aus meiner Erfahrung, dass die Mitarbeiter der Staatskanzlei ganz genau wissen, was sie von Ihnen zu erwarten hatten. Wenn sie vier Wochen nach Ihrem Redebeitrag hier im Landtag etwas aufschreiben, was wirklich nichts mehr mit den angeblich hehren Zielen zu tun hat, die Sie hier öffentlich vorgestellt haben, sondern nur noch Ihren parteipolitischen Machtanspruch durchsetzen soll, dann hat den Mitarbeitern der Staatskanzlei dazu jemand einen Auftrag erteilt - und der sitzt dort, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich finde, er sollte sich jetzt nicht herausreden und nicht sagen, das alles sei mit ihm wieder nicht abgestimmt. Wir wollen also nicht eine neue Märchenstunde zum Thema der verfolgten Unschuld erleben. Herr Ministerpräsident, eine der wichtigsten Errungenschaften des öffentlich-rechtlichen Rundfunks scheint Ihnen völlig egal zu sein, nämlich die Staatsferne. Dies ergibt sich klar und deutlich aus Ihrem Referentenentwurf aus der Staatskanzlei vom 12. Januar. Dieser Entwurf ist, wie ich finde, ein Staatsfunkpapier aus dem Hause Wulff. Unter dem vorgeschobenen Gesichtspunkt der Effizienz fordern Sie eine Verkleinerung des Rundfunkrates von 58 auf 38 Mitglieder. Dabei soll aber - jetzt kommt es - nach Ihrem Staatsfunkpapier die Zahl der Parteienvertreter gleich bleiben. Die nicht parteigebundenen

gesellschaftlichen Gruppen in Niedersachsen büßen im Rundfunkrat dann Sitze ein. Somit würde sich in diesem Gremium der parteipolitische Einfluss von knapp 19 % auf immerhin 29 %, also auf fast ein Drittel, erhöhen. Das ist das Gegenteil dessen, was uns der Ministerpräsident hier immer öffentlich weiszumachen versucht.

(Beifall bei der SPD)

Noch drastischer ist die Forderung des Staatsfunkpapiers aber hinsichtlich des Verwaltungsrates. Dieser soll nicht mehr wie bisher in freier Wahl vom Rundfunkrat, sondern zur Hälfte von der Landesregierung besetzt werden. Das zum Thema Staatsferne, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Unerhört!)

Sie müssen es sich schon gefallen lassen, wenn der Ministerpräsident des Landes MecklenburgVorpommern, Harald Ringstorff, sagt,

(David McAllister [CDU]: Ausgerech- net der!)

das erinnere ihn doch sehr an die Einflussnahme vonseiten der Regierung auf den Rundfunk. Er hat Erfahrung damit.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Skepsis vom Dezember 2004 war mehr als angebracht, und zwar auch deshalb, weil wir ja wissen, dass CDU und FDP in Niedersachsen, was diese Frage angeht, Wiederholungstäter sind. Es gibt ja Beispiele dafür. Dabei denke ich nicht an Ernst Albrecht, dessen lächelnder Wiedergänger Sie hier ja sein möchten,

(Lachen bei der CDU)

sondern ich denke an Ihren Umgang mit der Vertreterversammlung der Landesmedienanstalt. Nach ihrer Reform hatte sich vor allem die Effizienz Ihres persönlichen Zugriffs auf die Landesmedienanstalt gesteigert. Parteienvertreter steigerten ihren Anteil von 14 auf 22 %, und - wichtiger als das - die CDU steigerte ihren Anteil von 5 auf 9 %. So geht der Herr Ministerpräsident mit dem Thema Medien im Lande um.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage, warum Sie eigentlich die Kündigungsdrohung ge

genüber dem NDR ausgesprochen haben. Der heutige vermeintliche Zeitdruck mit der Vertragsverlängerung nach dem 28. Februar 2005 und die dadurch erforderliche Änderung des NDRStaatsvertrages hatten doch nur den Grund, hier eine Inszenierung vorzubereiten. Ansonsten hätten wir eine Debatte über den NDR bereits im vergangenen Jahr führen können, und zwar ohne die Drohkulisse der Kündigung. Das alles dient nur Ihrem parteipolitischen Machtanspruch und übrigens auch der Einschüchterung der Verantwortlichen und der Mitarbeiter beim NDR.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nach Ernst Albrecht vertreten Sie hier eine Regierungskoalition, die zum zweiten Mal in der Geschichte des Landes Niedersachsen den NDR zu ihrer parteipolitischen Beute machen will. Das ist das, was Sie hier vorhaben.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU - David McAllister [CDU]: Da müssen Sie doch selbst lachen!)

- Herr McAllister, zu dem Thema, worüber man lacht bzw. nicht lacht, sage ich dies. Wir haben die Wahrheitsliebe Ihres Ministerpräsidenten in der Debatte damals kennen lernen können. Herr Ministerpräsident, Sie haben am 14. Dezember hier im Landtag den Brief des Personalratsvorsitzenden des NDR, Herrn Prätsch, vorgelesen. Sie haben Herrn Prätsch damals in Ihrer Rede zu Ihrem Entlastungszeugen gemacht. Meine Damen und Herren, bei diesem Ministerpräsidenten lohnt es sich immer, das, was er hier vorträgt, zu überprüfen. Ich empfehle das jedem, der ihm Glauben schenken möchte. Sie machten Herrn Prätsch damals zum Entlastungszeugen. Sie haben aber - wie so oft wieder nur die halbe Wahrheit vorgetragen, denn der Brief von Herrn Prätsch beinhaltet auch ganz andere Passagen. Davon will ich jetzt nur einmal eine vorlesen. Herr Prätsch schreibt: Nein, Herr Ministerpräsident, Sie haben den denkbar schlechtesten Grund für eine neuerliche Diskussion über den Staatsvertrag gewählt, oder Sie hören nicht zu oder schauen weg, wenn der NDR in Niedersachsen vielfältig sendet.

(Beifall bei der SPD)

Man muss sich das einmal vorstellen: Da muss sich der Personalratsvorsitzende des NDR hinterher in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 23. Dezember 2004 gegen die Entstellung der

Zitate durch den niedersächsischen Ministerpräsidenten verteidigen. Das ist, wie ich finde, übrigens ein unglaublicher Vorgang, Herr Wulff. Ich dachte bisher, Sie hätten so etwas nicht nötig, aber ich musste mich eines Besseren belehren lassen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Damit Sie merken, dass derjenige, den Sie einmal als Entlastungszeugen zitiert haben, heute Zeuge der Anklage ist, zitiere ich einmal, was Herr Prätsch damals in der HAZ zu seiner Verteidigung gegenüber Ihrer Indienstnahme geschrieben hat. Er schrieb dort: Wollen Sie nicht in Wahrheit mehr Macht und mehr Einfluss im Norddeutschen Rundfunk? Wir, die Beschäftigten, wollen das nicht, eher im Gegenteil: noch mehr Staatsferne und noch weniger Politik. - Ich finde, dass das eine zutreffende Aussage ist.

Herr Ministerpräsident, Sie haben hier am 14. Dezember offensichtlich wieder einmal nur die halbe Wahrheit vorgetragen. Es gilt weiterhin das Sprichwort, meine Damen und Herren: Wer die ganze Wahrheit kennt und nur die halbe Wahrheit nennt, ist trotzdem ein ganzer Lügner.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Ordnungsruf, Ordnungsruf!)

Ich finde, das ist ein gutes Motto, das wir anscheinend in Bezug auf Ihren Regierungsstil akzeptieren müssen. Meine Damen und Herren, diese Politik werden wir nicht mitmachen und deswegen werden wir dem Antrag auch nicht unsere Zustimmung geben.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Gabriel keinen Ordnungsruf, weil das ein Zitat war. - Nächste Rednerin ist Frau Kuhlo von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Würde man die Äußerungen von NDRIntendant Jobs Plog und jetzt auch Ihre, Herr Gabriel, ernst nehmen, könnte man in der Tat annehmen, dass sich eine Armee wild entschlossener, bis an die Zähne bewaffneter Niedersachsen entlang der A 7 zusammenrottet, um nach Hamburg

Lokstedt zu gehen und die feindliche Übernahme durchzuführen.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU)