Protocol of the Session on January 26, 2005

- Ja, durchaus! - Das Verhalten folgte einem inzwischen gut erkennbaren Muster - ob KMK, Rechtschreibung oder NDR -: großer Knall, große Schlagzeilen, kleine Rückzieher, kleine Schlagzeilen. Allerdings wirkt das Konzept allmählich plump und durchschaubar. Sie, Herr Minister Busemann, müssen es dann als Erfolg verkaufen, wenn aus einer Kündigung wieder einmal nur eine An-Kündigung geworden ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ursula Körtner [CDU]: Gehen Sie doch einmal auf die Er- gebnisse ein!)

Im Detail betrachtet: Wie war das denn mit der KMK? - Am Anfang stand die markige Schlagzeile: Wulff kündigt den KMK-Staatsvertrag. - Wenig später dämmerte dann die Erkenntnis: Das geht doch gar nicht. - Sie sagen immer noch Ja. Ein zweiter Versuch: Jetzt wurde das Abkommen über das Sekretariat der KMK als Versuch gekündigt, zu

Streichungen zu gelangen. Nun ist an Kostenreduzierungen nichts Verwerfliches.

(David McAllister [CDU]: Aha!)

Pikant ist aber an der Haltung der Landesregierung, dass Niedersachsen weder in der KMK noch in der Ministerpräsidentenkonferenz bis zum Herbst 2004 Kritik überhaupt angemeldet hatte. Alle Haushaltsansätze hatte es mitgetragen. Die Einsicht, dass die KMK zu teuer ist, muss über Nacht gekommen sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielleicht war ein Engel im Traum erschienen, der gesagt hat: Christian, steh auf, du hast eine wichtige Mission: Die KMK will unbedingt schlanker werden und wartet sehnsüchtig auf dein Handeln.

(Heiterkeit bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Interessant ist auch ein zweiter Aspekt. Die geforderte Konzentration auf die so genannten Kernaufgaben war zum Zeitpunkt der Kündigung längst Beschlusslinie der Kultusministerkolleginnen und -kollegen. In diesem Punkt war alles, was die Niedersächsische Landesregierung bei ihrem forschen Rennen durch offene Türen erzeugt hat, eine mächtige Verwirbelung ihrer eigenen heißen Luft.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das hat Bu- semann aber Christian Wulff nicht er- zählt! Das war das Problem!)

Nun hätte ich sehr große Freude daran, dieses Bild weiter auszumalen. Leider ist das Thema dafür zu ernst; denn wirklich fatal ist, dass die Arbeitsgruppen monatelang gezwungen waren, sich mit der Kündigung aus Niedersachsen zu beschäftigen anstatt mit inhaltlichen Vorschlägen und mit den beschworenen Kernaufgaben,

(Beifall bei der SPD)

mit den länder- und schulformübergreifenden Bildungsstandards, mit Qualitätsmanagement und mit gemeinsamen Anerkennungsregeln. Gerade im Bereich Bildung ist es außerdem wichtig, auf neue Einflüsse zu achten, die es nötig machen, bundeseinheitlich zu reagieren. Da ist die höhere Zahl von Regelungen, die von EU-Seite vorgegeben werden. Da ist die Teilnahme an internationalen Bildungsberichten und Untersuchungen wie PISA und IGLU. Mit Recht haben die Bundesländer dar

auf gemeinsam reagiert, u. a. mit diesem Plan zur Formulierung länderübergreifender Standards. Wer aber gemeinsame Bildungsstandards fordert, der muss auch daran mitarbeiten, und der muss sich an ihnen orientieren.

(Zuruf von der CDU: Tun wir doch!)

Es gibt auch auf konservativer Seite durchaus nachdenkliche Stimmen. Im „Forum Föderalismus 2004“ der Konrad-Adenauer-Stiftung, der FriedrichNaumann-Stiftung, der Bertelsmann-Stiftung und anderer schreibt Professor Buse, seine Grundposition des Wettbewerbsföderalismus dürfe „nicht mit dem uneingeschränkten Streben nach Verlagerung weiterer Zuständigkeiten auf die Länder verwechselt werden“.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Hört, hört!)

Er fährt dann fort - ich zitiere leicht gekürzt -: Nicht nur durch die sehr stark beachtete PISA-Studie der OECD und die jährliche Berichterstattung über die Entwicklung der Bildungssysteme - Education at a Glance -, sondern auch durch die Beschlüsse der Europäischen Räte von Lissabon, Stockholm, Barcelona und Madrid, durch das Memorandum der EU-Kommission zum lebenslangen Lernen und durch das Zehnjahresarbeitsprogramm der EU zur Verwirklichung der Ziele für die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung in Europa usw. ist deutlich geworden, dass die internationalen und supranationalen Organisationen verstärkt Einfluss auf die Bildungssysteme ihrer Mitgliedsstaaten genommen haben und nehmen werden.

Ich kann die Details an dieser Stelle nicht ausführen, aber das Fazit geht jedenfalls dahin, dass Kleinstaaterei nicht hilft. Das Gezerre - jetzt zitiere ich noch einmal - um die Bildungsberichterstattung in Deutschland ist auf europäischer Ebene längst entschieden. Dort wird Deutschland eine nationale Berichterstattung abzuliefern haben.

(Ursula Körtner [CDU]: Das ist aber nicht mit dem kompatibel, was Herr Jüttner immer gesagt hat! Ganz und gar nicht!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jeder einzelne Satz im Antrag der Grünen ist unter diesen Prämissen sinnvoll, korrekt und nachvollziehbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie von den Regierungsfraktionen können mit diesem Antrag so umgehen wie üblich und mit der bekannten Überheblichkeit der Macht sagen, dass möge ja zum guten Teil richtig sein, aber Sie hätten die Mehrheit. Dem Problem ausweichen können Sie allerdings nicht. Machtspiele auf Kosten wichtiger Bildungsbereiche zu spielen, das ist einfach unseriös.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Soll ich Ih- nen mal Zitate von SPD-Leuten vorle- sen? Wollen Sie mal welche hören?)

Dem Ziel der größeren Einheitlichkeit hat das öffentliche Hickhack um die KMK erheblich geschadet. Dass sich Niedersachsen inzwischen wieder zur KMK bekennt, ist zu begrüßen. Eine triumphalistische Pose, alle Reformen seien von Niedersachsen ausgegangen, ist hingegen völlig unangebracht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um bei dem Bild des Elefanten im Porzellanladen, das ich am Anfang meiner Rede gewählt habe, zu bleiben: Man kann es sich wie in einer Geschäftsstraße mit Läden vorstellen, an denen „Rechtschreibreform“, „KMK“ oder „Rundfunkstaatsvertrag“ steht.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Ich habe schöne Zitate von Herrn Gabriel!)

Nachdem der Elefant durch alle Läden getobt ist, Herr Schwarz, schaut er sich die Berge von Scherben an und trompetet: Da habe ich aber mal richtig aufgeräumt! - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung spricht Herr Minister Busemann. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Poppe, ich weiß gar nicht so recht, was ich mit Ihrer Rede anfangen soll. In Teilen klingt sie so, als hätte das alte Generalsekretariat der KMK diese Rede sozusagen verteidigungshalber geschrieben. Auf der einen Seite werfen Sie uns vor: Ihr seid es gewesen. - Aber, wenn auf der anderen Seite Erfolge da sind, dürfen wir nicht sagen, dass

wir es gewesen sind. Da müssen Sie sich schon ein bisschen festlegen.

Als der Antrag von der Opposition im Oktober gestellt wurde, hatte ich den Eindruck, dass gesagt wurde: Halt, da verheben sie sich jetzt bei der KMK. Da holen sie sich blutige Finger. Da kriegen sie richtig was auf den Frack. - Nichts davon!

(Zuruf von Walter Meinhold [SPD])

- Die Ergebnisse sprechen doch eine ganz andere Sprache, Herr Meinhold.

(Zuruf von Walter Meinhold [SPD])

- Ja, wir klären gleich noch, wie sich das Ganze entwickelt hat.

Eigentlich sind wir jetzt doch mit guten Ergebnissen gemeinsam unterwegs. Bitte sehr, nicht immer dem Generalsekretariat nach dem Munde reden, sondern vielleicht einmal des Volkes Meinung und des Volkes Einschätzung in diese Dinge einbeziehen. Dazu kann ich dann nur sagen: Da liegen wir aber goldrichtig.

Tatsache ist: Nach drei Monaten ist das Thema beinahe schon durch, und wir dürfen feststellen, dass Niedersachsen mit seinem Vorstoß, das Abkommen bezüglich des Generalsekretariats zu kündigen, sehr viel erreicht hat. In drei Monaten haben wir dort eine ganze Menge zuwege gebracht. Man mag zugeben, dass es nicht unbedingt der Regel in der Bundesrepublik Deutschland entspricht, ein solches Abkommen zu kündigen, und dass das ganze Verfahren vielleicht auch etwas unorthodox war. Aber wir haben mit der Kündigung des Sekretariatsabkommens einen Handlungsdruck erzeugt, wie ihn die KMK noch nicht erlebt hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es entsprach der allseitigen Erkenntnis eigentlich aller, die gesagt haben: Jawohl, diese KMKBürokratie ist reformbedürftig. - Aber so richtig haben wir das nie in den Griff bekommen.

Damit wir die Historie auch richtig auf die Reihe kriegen, Herr Jüttner, Herr Meinhold und all die anderen: 1996 war mein Amtsvorgänger Wernstedt auch KMK-Präsident. Er und seine Staatssekretärin haben gemeint, da muss reformiert werden. Dann hat Frau Jürgens-Pieper eine Kommission geleitet, die ein 40 Seiten starkes Papier erarbeitet hat. Das entsprach in etwa dem, was wir uns auch

vorgestellt haben, was reformiert werden musste. Aber die haben es noch nicht einmal geschafft, den Berg kreißen zu lassen. Bei der Geburt kam damals noch weniger als eine Maus heraus, nämlich knappe 10 % Personalkürzung. Die KMK hat acht Jahre dafür gebraucht, um diese 10 % überhaupt abzubauen.

(Walter Meinhold [SPD]: Und wir acht Wochen!)

Die letzten vier Thebaner wollen sie jetzt, also in diesem Jahr, schaffen.

Wie auch immer, ich will damit nur sagen: Sie haben doch auch selbst den entsprechenden Reformbedarf erkannt. Nun tun Sie nicht so, als hätten wir etwas völlig Neues aus der Tasche gezogen. Ich kenne niemanden - „in Deutschland“ muss man in diesem Fall sagen -, der ernsthaft bestreitet, dass die KMK in Organisation, Struktur, Entscheidungsabläufen und Schnelligkeit sowie in dem großen Sekretariat - ich habe es erwähnt dringend gründlichen Reformbedarf hatte, wie man jetzt ja sagen muss. Daher bin ich auch sicher, dass jetzt alle unter dem Strich sagen: Gott sei Dank, dass da mal ein Land zugepackt hat und diesen Weg gegangen ist. - Dass das nicht einfach war, will ich Ihnen gerne bestätigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich glaube sogar, es war in der 50-jährigen Geschichte der KMK noch nie der Fall, dass die KMK eine Sondersitzung - so geschehen am 2. Dezember - in eigener Angelegenheit abgehalten hat, die sich nur dem Thema der Reform der KMK widmete.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Wolfgang Jüttner [SPD])