Protocol of the Session on December 16, 2004

Herr Albers, es ist, wie es ist.

Ich spreche jetzt noch ein Thema an, bei dem mir das letzte Quäntchen fehlt. Das letzte Quäntchen, das mir fehlt, ist die stringente Durchführung der Dreistufigkeit. Die Justizministerinnen und -minister haben sich in dem Eckpunktepapier auf eine funktionelle Zweistufigkeit verständigt. Das ist weniger als die konsequent durchgeführte Dreistufigkeit.

In diesem Zusammenhang - ich bin gestern leider nicht mehr dazu gekommen, ich hätte es gestern gerne in der Haushaltsrede angesprochen - werden wir im kommenden Jahr sehr wohl überprüfen, ob wir trotz alledem doch noch von der Experimentierklausel Gebrauch machen werden. Diese Öffnungsklausel ermöglicht es, in einem bestimmten Bereich die Dreistufigkeit umzusetzen. Wir werden das aber davon abhängig machen, ob die Laufzeit der Experimentierklausel vom Bund verlängert wird. Die Experimentierklausel existiert nur bis zum Jahr 2006, aber muss verlängert werden, sonst macht sie keinen Sinn.

Im Übrigen bezieht sich die Experimentierklausel nur auf die Ziviljustiz und nicht auf den strafrechtlichen Bereich. Auch deshalb ist sie für die Dreistufigkeit zu kurz gesprungen. Die funktionelle Zweigliedrigkeit bezieht sich hingegen auf den gesamten Bereich. Ich würde mir wünschen, dass man die Dreistufigkeit im Rahmen dieser funktionellen Zweigliedrigkeit auf den gesamten Bereich ausdehnt.

Das fehlt mir noch zu meinem Glück. Ansonsten würde ich mich freuen, wenn alles andere kommt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Merk, bitte!

Frau Ministerin, in der letzten Zeit habe ich gemerkt, dass die Landesregierung immer dann,

wenn sie sparen möchte, gern über die Rückführung auf Kernaufgaben spricht. Sie haben das heute auch getan. Ich hätte gerne von Ihnen eine Definition, was Sie unter der Rückführung auf die Kernaufgaben verstehen. Was sind aus Ihrer Sicht die Kernaufgaben? Bitte setzen Sie das in einen Zusammenhang zu den Reformen, zu denen Sie gerade vorgetragen haben.

Frau Ministerin Heister-Neumann, bitte!

Die Beschreibung der Kernaufgaben ist etwas sehr Wichtiges.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Ja!)

- Schön, dass Sie das auch erkennen.

Deshalb habe ich bei der Erstellung des Eckpunktepapiers „Zukunftsfähige Justiz“ auch darum gebeten, dass man sich mit diesem Punkt unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten sehr intensiv beschäftigt. In dem Eckpunktepapier steht Sie haben es ja gelesen -, dass die Kernaufgaben der Justiz schlicht und ergreifend in der spruchrichterlichen Tätigkeit bestehen. Alles, was darüber hinaus geht, ist weitestgehend dem exekutiven Bereich zuzuordnen und unterliegt der Prüfung in Bezug auf eine Auslagerung auf Dritte. Es muss nicht sein, dass deshalb alle diese Aufgaben ausgegliedert werden, weil sie eventuell einen sehr engen Bezug zur spruchrichterlichen Tätigkeit haben, aber sie unterliegen der Prüfung. Der Kernbereich ist die spruchrichterliche Tätigkeit, und der bleibt komplett unangetastet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Helmhold, bitte!

Frau Ministerin, nachdem mit der weitgehenden Abschaffung der Widerspruchsverfahren eine für die Bürgerinnen und Bürger sehr kostengünstige Möglichkeit entfallen ist, und Sie im Zuge der Justizreform weitere Einschränkungen von Rechts

mitteln planen und gleichzeitig auch angekündigt haben, sich die Prozesskostenhilfe vorzunehmen, frage ich Sie, wie Sie sicherstellen wollen, dass im Zuge der Prozesskostenreform sozial benachteiligte und finanzschwache Bevölkerungskreise nicht in besonderem Maße in der Wahrnehmung ihrer Rechte benachteiligt werden.

Frau Heister-Neumann, bitte!

Frau Helmhold, es wird auch zukünftig Prozesskostenhilfe geben, denn niemandem soll der Weg zum Gericht verbaut sein, schon gar nicht aus finanziellen Gründen. Das ist ein grundrechtlich verankerter Grundsatz in der Justiz, und daran werden wir auf keinen Fall etwas ändern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Was wol- len Sie denn dann ändern?)

Bei der Prozesskostenhilfereform geht es im Wesentlichen darum, dass Verfahren, die bislang keiner Gebührenpflicht unterliegen, gebührenpflichtig werden sollen, z. B. die sozialgerichtlichen Verfahren. Landläufig wird angenommen, dass ausschließlich finanzschwache Menschen den Weg zum Sozialgericht gehen. Das ist aber nicht der Fall; dort sind auch ganz andere Parteien vertreten. Deshalb ist es nicht einzusehen, dass man keine Gerichtsgebühren einführt. Wenn man aber Gerichtsgebühren einführt, führt man parallel dazu auch Prozesskostenhilfe ein, sodass genau die Klientel, von der Sie sprechen, auch künftig die Möglichkeit hat, vor Gericht zu gehen.

Allerdings wollen wir die Prozesskostenhilfe dergestalt verändern, dass es bei ihr immer auch eine gewisse Eigenbeteiligung gibt. Das rührt schlicht und ergreifend aus dem Erfahrungsgrundsatz her, dass vor Gericht vielfach Streitigkeiten geführt werden, bei denen man annehmen sollte, dass man die Gerichte dafür eigentlich nicht in Anspruch nehmen müsste. Mit der Eigenbeteiligung soll ein gewisser Merkposten dafür geschaffen werden, dass die Inanspruchnahme dieser hohen Leistung unseres Staates für diese Gesellschaft tatsächlich einen Wert hat, auch in finanzieller Hinsicht. Wir müssen unsere Ressourcen auf die wirklich

schwierigen Dinge konzentrieren und sollten nicht der Prozesshanselei Vorschub leisten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Dr. Noack zur zweiten Frage, bitte!

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Auslagerung der Register auf die Handelskammern, wie sie zunächst von der Landesregierung beabsichtigt war, am hartnäckigen und unverständlichen Widerstand der Bundes-SPD gescheitert ist, frage ich die Landesregierung, ob wenigstens jetzt gewährleistet ist, dass die Bundes-SPD nicht bremst, sondern mit im Boot ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Ontijd [CDU]: Sehr gut! - Zurufe von der SPD)

Frau Heister-Neumann, bitte!

Vor Gericht, auf hoher See und in der Bundespolitik ist man nie sicher, was kommt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Elke Müller [SPD]: Bei der Landespo- litik auch nicht!)

Herr Kollege Klein, bitte!

Mit dieser Dringlichen Anfrage soll offensichtlich auch die Botschaft transportiert werden, dass die Urheberschaft für die vorgelegten Eckpunkte bei der Niedersächsischen Justizministerin liegt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dr. Harald Noack [CDU]: Jawohl!)

Bitte fragen Sie, Herr Klein!

Ist mein Eindruck richtig, dass sich die geistige Leistung darauf beschränkt, diverse Reformvorschläge der letzten 20 Jahre - sicherlich sinnvoll zusammengestellt zu haben?

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Nein!)

Frau Ministerin, bitte!

Für diese Justizreform sind viele Vorschläge aus der Vergangenheit aufgegriffen worden. Darüber hinaus gibt es auch neue Ansätze.

Wie ich eingangs schon gesagt habe, macht man ein System am besten dadurch zukunftsfähig, dass man es in seiner Gesamtheit betrachtet. Es ist in der Vergangenheit nun einmal vielfach versucht worden, Verbesserungen zu erreichen, die nicht bis ins Letzte durchdacht waren. Manche Dinge muss man schlicht und ergreifend auch handwerklich gut in einer Gesamtkonzeption erledigen.

Wir machen das, wir haben die Vorstellungen, wir haben die Vision, wir haben das Handwerkszeug, und wir haben mittlerweile in allen Bereichen den Willen dazu, auf Länderebene und auch auf Bundesebene; davon gehe ich aus. Wenn das in dieser Gemeinschaft funktioniert, dann hat unsere Demokratie etwas geleistet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Grote zu ihrer zweiten Frage, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, wie sie den Stellabbau in der Justiz verantworten kann - Herr Kollege Helberg hatte schon gefragt, ob Sie die konkreten Zahlen nennen können -, und zwar vor dem Hintergrund, dass die Verfahrensdauer bei Gericht schon jetzt sehr hoch ist und im Zuge der Abschaffung der Widerspruchsverfahren noch höher werden wird. Wie ist dafür personell Vorsorge getroffen worden?

Frau Ministerin Heister-Neumann, bitte!

Zu den Zahlen darf ich zunächst darauf verweisen, dass auch die SPD Stellen abgebaut hat, und zwar 90. Wir haben die Stellenanzahl von 1 773,1 im Jahr 2003 auf 1 761,9 verringert.

Die Abschaffung der Widerspruchsverfahren soll dazu führen, dass die Verfahren insgesamt schneller bearbeitet werden, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und der Rechtsuchenden.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Weil mehr Prozesse drohen!)

- Das ist durchaus umstritten.

(Widerspruch von den Grünen)

Wenn Sie den Haushalt lesen, werden Sie feststellen, dass es dazu einen Haushaltsvermerk gibt, wonach die Entwicklung bei den Verwaltungsgerichten vor dem Hintergrund der Abschaffung der Widerspruchsverfahren sehr genau beobachtet wird und gegebenenfalls noch im Verlauf dieser Entwicklung darauf reagiert werden kann. Wenn es wider Erwarten zu mehr Verfahren bei den Verwaltungsgerichten kommen sollte, werden wir dafür die entsprechenden Ressourcen bekommen. So ist es im Haushalt festgehalten.