Protocol of the Session on December 15, 2004

Meine Damen und Herren, der Staatsgerichtshof hat am 16. Mai 2001 bestätigt, dass die SPDLandesregierung das Gebot der Verteilungssymmetrie beachtet hat. Sie zählten übrigens zu den Klagenden und haben damals verloren. Ich bin sehr gespannt, wie die angekündigten Klagen vieler niedersächsischer Kommunen gegen die jetzt von CDU und FDP zu verantwortende Änderung

des kommunalen Finanzausgleichs ausgehen werden.

Ich will Ihnen einen kleinen Bericht über eine Anhörung im Innenausschuss geben, in der uns mit sehr dramatischen Worten der Vertreter der kommunalen Spitzenverbände deutlich gemacht hat, dass sie eigentlich kein Interesse daran haben zu klagen, sondern mit dem Land auf andere Weise klarkommen wollen, aber sich gezwungen sehen, diesen Weg zu gehen, was einige wahrscheinlich auch tun werden. Ich bin gespannt, was dazu der Staatsgerichtshof sagt.

Meine Damen und Herren, die CDU hat sich in ihrem Wahlprogramm damals ausdrücklich gegen jede Kürzung im öffentlichen Dienst ausgesprochen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit hat der heutige Ministerpräsident erklärt, dass die vom Land Berlin vorgelegte Bundesratsinitiative zur Einführung einer so genannten Öffnungsklausel für den Besoldungsbereich nicht zustimmungsfähig sei. Ich zitiere:

„Eine Öffnungsklausel, die offensichtlich allein den Zweck hat, den Landesetat auf dem Rücken des öffentlichen Dienstes zu sanieren, ist abzulehnen.“

Es geht noch weiter:

„Eine Öffnungsklausel im Besoldungsgesetz macht nur Sinn, wenn den Ländern auch eine Erhöhung der Bezüge ermöglicht wird. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei, ein solches Modell gemeinsam mit den Beschäftigten zu entwickeln, insbesondere um verbesserte Besoldungsbedingungen für die Einstellung von besonders qualifizierten Bewerbern zu ermöglichen.“

Das war versprochen. Nur ein paar Tage nach der Regierungsübernahme im März 2003 hat diese Landesregierung entgegen ihrer Wahlversprechen im Bundesrat der Öffnungsklausel zugestimmt, die die Streichungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld erst ermöglicht hat. Das Urlaubsgeld haben CDU und FDP bereits 2003 gestrichen, das Weihnachtsgeld wurde halbiert und soll jetzt nach dem Willen der Landesregierung vollständig gestrichen werden.

Ich muss auch den Herrn Innenminister fragen, wo er eigentlich war, als die CDU-Fraktion über das Thema Weihnachtsgeld diskutiert hat. Warum haben Sie nichts für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei erreichen können, die nach Auffassung der CDU-Fraktion kein Weihnachtsgeld verdienen? Warum lassen Sie es zu, dass ausgerechnet denjenigen, die tagtäglich für unsere Sicherheit ihre gesundheitliche Unversehrtheit riskieren, nach der Streichung des Urlaubsgeldes jetzt auch noch das Weihnachtsgeld gestrichen wird?

(Beifall bei der SPD)

Und sagen Sie bitte nicht, meine Damen und Herren: Die Streichung des Weihnachtsgeldes war erforderlich, um die Bezahlung der zusätzlichen Polizeianwärter zu finanzieren, die Sie einstellen wollen. Ich sage Ihnen dazu nur so viel: Polizeiarbeit, meine Damen und Herren, ist in ihrem Erfolg auch von der Motivation, der Einsatzbereitschaft des einzelnen Beamten abhängig. Mit diesen Entscheidungen haben Sie keinen Beitrag zur Motivation und zur Arbeitszufriedenheit geleistet.

(Beifall bei der SPD)

Das Übrige an Motivationsverlust bewirkt dann noch eine Organisationsreform der Polizei. Ich will Ihnen das Ergebnis anhand eines Artikels aus der Braunschweiger Zeitung schlaglichtartig illustrieren:

„Braunschweig geht personell geschwächt aus der Polizeireform hervor. Dabei ist die Stadt der Kriminalitäts-Schwerpunkt der Region. Rund 150 Polizisten weniger werden künftig auf den Straßen für Sicherheit sorgen.

Bei den zu Dienststellen degradierten Kommissariaten im Heidberg und in Querum werden in der Nacht keine Polizisten mehr, sondern nur noch Notrufsäulen Hilfe versprechen.

In Braunschweig gab es 2003 dreimal mehr Straftaten als in Wolfsburg. Gegen den Trend im Umland stieg die Kriminalität. Dennoch wird im Ballungszentrum abgebaut, aber in der Fläche aufgestockt. In Brome beispielsweise schieben künftig acht statt drei Beamte Dienst. ‚Dabei ist es eine Sensation, wenn da zwei Kühe aufeinander prallen‘...“

Und wenn doch noch etwas passiert - das will ich hinzufügen -, dann sperren zukünftig acht Kollegen den Tatort ab, damit nicht eine dritte Kuh die Spuren verwischt, bis die Spezialisten von der Inspektion da sind.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, diese Organisationsreform ist nicht zu Ende gedacht. Denn die niedersächsischen Polizeibeamtinnen und -beamten können verdammt mehr. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass die Polizei besser arbeiten kann, wenn gut ausgebildete und gut bezahlte Beamtinnen und Beamte Dienst machen und keine künstlichen Unterscheidungen zwischen Schupo und Kripo wiederbelebt werden. Ich halte es für falsch, meine Damen und Herren, den ländlichen Bereich zulasten der Großstädte zu stärken. Ich halte es insbesondere für falsch, die Bezahlung der zusätzlichen Polizeianwärter zu finanzieren, indem den aktiven Kolleginnen und Kollegen - und nicht nur denen - Weihnachts- und Urlaubsgeld gestrichen werden.

Ich habe in den vergangenen Monaten mit vielen Beamtinnen und Beamten gesprochen. Sie haben viel Verständnis dafür, dass die Bezahlung zusätzlicher Polizeianwärter, jedenfalls bei seriöser Haushaltsführung, gegenwärtig nicht zu finanzieren ist. Sie haben aber kein Verständnis dafür, dass sich diese Landesregierung zur Finanzierung ihrer abenteuerlichen Maßnahmen am Portmonee der aktiven Beamtinnen und Beamten vergreift.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Landesregierung greift den Polizistinnen und Polizisten nicht nur durch die Streichung des Urlaubsgeldes in die Tasche. Mit diesem Haushaltsentwurf wird der Eigenanteil in der Heilfürsorge erhöht, um dadurch 1,5 Millionen Euro einzusparen. Ich erinnere mich noch genau, weil natürlich auch mich das damals getroffen hat, wie die CDU gegen unsere Maßnahme im Bereich Heilfürsorge - ich hatte das 1999 zu verantworten - polemisiert hat. Der Kollege Biallas war der Meinung: Das war das Schäbigste, was es gibt. - Noch deutlichere Worte hat Herr Möllring gefunden: Das, was sich die Staatskanzlei und die Landesregierung gegen die Proteste der Polizei einfallen lassen, ist doch zynisch. Die Landesregierung stellt sich hin und sagt: Wir haben doch keinen gezwungen, zur Polizei zu

gehen. So gehen Sie mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um, und hier schreien Sie herum. - Das Protokoll notiert an dieser Stelle: Beifall bei der CDU.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Beifall bei der SPD!)

Das heißt, die Polizei bezahlt der SPD die Wahlgeschenke. - Ende des Zitats. Ich stelle fest: Heute, meine Damen und Herren, bezahlen alle Beamtinnen und Beamte die Wahlgeschenke der CDU, und die Polizisten werden dreifach zur Kasse gebeten: Urlaubsgeld gestrichen, das Weihnachtsgeld gestrichen und den Eigenanteil an der Heilfürsorge erhöht. Das ist das, was die CDU in diesem Landtag als glaubwürdige Politik versteht.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Jahr sehr viel über Verwaltungs- und Polizeireformen geredet. Ich möchte jetzt nichts dazu sagen, dass beide Reformprojekte nur höchst unzureichend im Haushaltsentwurf der Landesregierung Berücksichtigung gefunden haben. Mir macht aber noch etwas anderes Sorge. Mit diesem Haushalt sollen mehr als 100 zusätzliche Stellen im Innenministerium geschaffen werden. Insgesamt werden in den neun Fachministerien 264 zusätzliche Stellen eingerichtet - und das, obwohl zahlreiche, hoch besoldete Stellen in den Ministerien durch die Tricksereien der Landesregierung mit dem goldenen Handschlag frei werden. Ich erinnere nur an die Pro-forma-Versetzung an die Bezirksregierung, durch die der Anwendungsbereich des einstweiligen Ruhestandes weit über den hierfür vom Gesetzgeber geschaffenen Rahmen ausgeweitet werden soll. Ich erinnere dazu an den letzten Plenar-Tagungsabschnitt. Frau Justizministerin, Sie sollten einmal den heutigen rundblick lesen. Dann würden Sie feststellen, dass Ihre Aussagen damals zu der Frage, ob alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von den Bezirksregierungen schon wüssten, wohin sie gehen, nicht ganz richtig waren, um es vorsichtig zu formulieren.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Die waren richtig falsch!)

Meine Damen und Herren, die Schaffung von 264 zusätzlichen Stellen in der Ministerialverwaltung halte ich für einen eindrucksvollen Beleg für unsere Vermutung, dass die Landesregierung die Verwaltungsreform für eine Zentralisierung und nicht zuletzt auch für eine Politisierung der Landesver

waltung nutzen will. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass es in Niedersachsen jemals zuvor eine derartige Aufblähung der Ministerialverwaltung gegeben hat.

(Unruhe bei der CDU - Hans-Christian Biallas [CDU]: Seit 1990 10 000 neue Stellen in der Landesverwaltung!)

- Verehrter Herr Kollege Biallas, ich würde Ihnen empfehlen, sich einmal im Einzelnen aufzählen zu lassen - auch von der Landesregierung; die kann das -, wo diese Stellen geschaffen worden sind. Das würde ich an Ihrer Stelle einmal machen. Dann bekommen Sie ein anderes Ergebnis.

Da wir gerade beim Thema Politisierung sind: Was hat die damalige CDU-Opposition nicht gegen das von uns aufgelegte Konversionsprogramm gewettert, das einen Umfang von immerhin 12,8 Millionen Euro hat. Ich zitiere den Kollegen Althusmann aus dem Februar 2001:

„So weit zu Ihrem Konversionsprogramm von 26 Millionen DM. Das ist ein Feigenblatt, das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein.“

Derselbe Herr Althusmann hat einen Monat später gesagt:

„Nein, dieses Konversionsprogramm, das viel zu gering ist, muss allen Standorten, die von den Maßnahmen der Bundesregierunge betroffen sind, eine entsprechende finanzielle Ausstattung und eine entsprechende Kompensation verschaffen.“

Herr Althusmann, warum stellen Sie, wenn Konversion für Sie eine solche Herzensangelegenheit ist, den betroffenen Kommunen nicht einen müden Cent dafür zur Verfügung, dass sie die Folgen der Standortschließungen auffangen können? - Ich will Ihnen sagen warum: Weil bei Ihnen kommunalfreundliche Politik nur in Sonntagsreden stattfindet.

(Beifall bei der SPD)

Dann noch ein kleiner Beleg, meine Damen und Herren, für das Stichwort „Sonntagsreden“. Ohne Ihnen, Herr Althusmann, zu nahe treten zu wollen, muss ich dabei allerdings sehr an den Ministerpräsidenten denken. Kurz vor der Wahl hat er nämlich zum Thema Sportförderung erklärt:

„‚Die gesetzlich verankerten Zuwächse in der Sportförderung muss es geben.‘ Die Gesellschaft könne - etwa in den Bereichen Gesundheit und Soziales - durch den Sport sparen, sie solle nicht am Sport sparen.‘... ‚Der Sport braucht verlässliche Partner! Wenn unsere Verfassung jetzt fordert, dass Land und Kommunen den Sport schützen und fördern müssen, dann darf das kein Lippenbekenntnis bleiben, sondern muss Selbstverpflichtung sein. Deshalb darf die Sportförderung in Niedersachsen nicht bei jeder Haushaltsklausur wieder auf die Kürzungsliste kommen.“

(Beifall bei der SPD)

„Eine CDU-geführte Landesregierung steht deshalb nachdrücklich zur Planungssicherheit in der Sportförderung und damit zu den Verpflichtungen des Lotterie- und Wettwesengesetzes.‘“

Herr Ministerpräsident - er ist leider nicht hier -, mit diesen Äußerungen haben Sie sich und die gesamte CDU dermaßen diskreditiert, dass die Reden auf dem Landessporttag auch nicht gerade zu Begeisterungsstürmen führen.

Meine Damen und Herren, offenbar handelt diese Landesregierung gegenüber dem Sport frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, kürzt es sich ganz ungeniert.

(Beifall bei der SPD)

Wie anders ist es zu erklären, dass das Haushaltsbegleitgesetz auch dieses Jahr wieder in deutlichem Widerspruch zu den von mir zitierten Versprechungen des heutigen Ministerpräsidenten steht? - Immerhin hat die CDU-Fraktion Mittel dafür zur Verfügung gestellt, dass jetzt statt 11 „nur“ 10 % der Sportförderung gestrichen werden. Meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion, unter einem verlässlichen Partner hat sich der Sport etwas anderes vorgestellt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zunächst zu einem letzten Stichpunkt kommen. Andere Dinge wird man noch in der Debatte vertiefen können. Auch das Thema Integration sieht diese Landesregierung - ich will das einmal ganz vor

sichtig ausdrücken - mehr als Gelegenheit zur parteipolitischen Profilierung denn als realpolitisches Handlungsfeld. Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie sich finanziell aus der Integrationsverantwortung verabschieden und in Ihrem Haushalt in diesem Bereich 1 Million Euro einsparen wollen. Die SPD-Fraktion hält diese Kürzung für falsch und schlägt darüber hinaus vor, die Mittel aus der neuen Lotterie Keno von insgesamt 7 Millionen Euro gebündelt für Maßnahmen zur Integration zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei der SPD)

Ich halte es schlicht für einen Witz, meine Damen und Herren, dass die Landesregierung in Niedersachsen eine neue Lotterie zulässt, dann aber vergisst, die daraus entstehenden Einnahmen im Haushalt zu verbuchen. Wem wollen Sie eigentlich erzählen, dass sich die Regierungsfraktionen in ihrem Änderungsantrag die Keno-Lotterie ausgedacht haben? In Wahrheit scheint mir das ein billiger Trick zu sein, um den Regierungsfraktionen ein bisschen Geld an die Hand zu geben, mit dem Herr McAllister und Herr Rösler Haushaltspolitik spielen. Das sind Tricks, aber keine seriösen Haushaltsberatungen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.