Protocol of the Session on December 15, 2004

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das wollen wir mithilfe der Bundesmittel fortsetzen. Aber was machen Sie? - Aussetzen und dann einmal weiter gucken.

Generell scheint der Begriff der sozialen Infrastruktur für diese Landesregierung ein Fremdwort zu sein. Zur sozialen Infrastruktur gehört auch die Gesundheitspolitik. Ich glaube, sogar in Ihrer Koalitionsvereinbarung steht, dass Sie mehr im Bereich der Prävention und der Gesundheitsförderung tun wollen. Gerade in diesem Bereich haben Sie aber ganz heftig gekürzt bzw. die Ansätze gleich auf null gesetzt. - Ich nenne die Gesundheitszentren in Osnabrück und Göttingen. Sie vernichten einfach Einrichtungen. Dort haben wir Einrichtungen, in denen mit viel ehrenamtlichem Engagement wirklich etwas für die Menschen auf den Weg gebracht wird. Sie zerschlagen das jetzt ein

fach. Sie treten den Menschen vors Schienbein. Sie sind es doch, die immer Eigenverantwortlichkeit predigen. Aber hier hauen Sie drauf.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ehrenamtliches Engagement ist nicht zum Nulltarif zu haben. Man braucht im Hinblick auf die Personal- und Sachkosten schon eine angemessene Infrastruktur.

Ihre Streichorgien und Kürzungen bedeuten keine Einsparungen für das Land. Sie bewirken genau das Gegenteil, wenn Sie von Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit reden. Wenn gesundheitsfördernde und präventive Maßnahmen wegfallen, kommen auf die Gesellschaft gewaltige Folgekosten zu. Vor diesen Folgekosten verschließen Sie einfach die Augen.

Beim EMZ haben Sie die Augen gerade noch einmal aufbekommen und zumindest einen Teil der Mittel wieder eingestellt. Aber Sie planen, die Mittel in den Präventionstopf zu verlagern. Das ist ganz einfach: So entlastet sich das Land zulasten der GKV-Präventionsstiftung. Dort entsteht höchstwahrscheinlich ein bürokratisches Monstrum unter Beteiligung der Ministerin in der Bund-Länder-AG.

Ich halte diese Politik für verantwortungslos. Sie trifft in diesem Bereich die Schwachen, die Minderheiten und die kranken Menschen; sie haben bei ihnen keine Lobby.

(Norbert Böhlke [CDU]: Stimmt nicht!)

Drogensuchtpolitik - das ist ein Bereich, der von Ihnen bereits beim letzten Mal hart geschoren wurde. Jetzt fällt auch noch die externe Suchtberatung in den Knästen weg. Die hat sich die Gesundheitsministerin einfach vom Hals geschafft. Dafür ist jetzt die Justizministerin zuständig, die aber keine Haushaltsmittel hat. Dort gibt es fachlich ab sofort keine hoch kompetente Arbeit mehr. Die Folgen werden - das kann ich Ihnen schon jetzt sagen - fatal sein. Auch in diesem Bereich kommen Folgekosten auf die Kostenträger, auf die GKV und die Rentenversicherungsträger zu. Hier organisiert die Landesregierung einen Verschiebebahnhof zulasten anderer Kostenträger.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie haben heute auch die Beratungs- und Präventionsarbeit der Aidshilfe

abgefeiert. De facto wird doch aber gerade der minimale Standard so eben gehalten. Das ist nicht ausreichend. Die Arbeit ist doch weiterhin unterfinanziert. Alarmierend ist die Sorglosigkeit vieler Jugendlicher im Umgang mit den Risiken einer HIV-Infektion. Die immensen krankheitsbedingten Folgekosten stehen in keiner Relation zu einem vergleichsweise minimalen finanziellen Einsatz. Das sollten Sie sich ins Stammbuch schreiben, wenn Sie Ihre Aufgabe und Verantwortung als Landesgesundheitsministerin ernst nehmen. HIV/Aids kennt keine Grenzen. Die Folgekosten hat die Gesamtgesellschaft zu tragen. Aids macht auch kostenmäßig an keiner Grenze Halt. Gegen Aids gibt es immer noch keinen Impfstoff. Das sollten Sie auch bei den Impfkampagnen, die Sie im Lande propagieren, deutlich machen. Man kann und wird sich auch zukünftig nicht gegen alles und jedes impfen lassen können. Prävention hat eindeutig im Vordergrund zu stehen. Diesen Grundsatz treten Sie hier mit Füßen.

Meine Damen und Herren, das gesundheitspolitische Bewusstsein der schwarz-gelben Landesregierung passt eigentlich hervorragend zu dem Agieren der Ministerin auf Bundesebene, wenn es um die Kopfprämie geht. Das von Ihnen unterstützte Modell ist Murks, bleibt Murks und wird hoffentlich ein Papiertiger bleiben. Aber es zeigt doch deutlich den Weg, den die CDU auf Bundesebene gehen will und der hier in Niedersachsen schon einmal geebnet wird, den Weg nämlich in eine ungerechte und vor allem unsolidarische Privatisierung der Gesundheitsrisiken bei geringer Basisversorgung. Sie wollen den Weg in den Thatcherismus, komme, was da wolle. Das werden wir aber verhindern; das verspreche ich Ihnen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, nun noch ein paar Worte zur Kinder- und Jugendpolitik. Außer dem Mehrgenerationenhaus haben Sie in diesem Bereich nicht allzu viel auf den Weg gebracht. Eigentlich lassen Sie die Familien mit Kindern insbesondere in schwierigen Verhältnissen im Regen stehen. Gestrichen haben Sie - das ist ja positiv - die kostenintensive und unsinnige Unterbringung in geschlossenen Einrichtungen. Diesen Kinderknast mit pädagogischem Anstrich haben wir immer abgelehnt. Doch anstatt jetzt innovative Konzepte zur Unterstützung der Familien und der kommunalen Jugendhilfe im Umgang mit mehrfachdelinquenten Kindern auf den Weg zu bringen, legen Sie die

Hände in den Schoß. Sie haben die Einsparsumme gebraucht. Die Kinder sind Ihnen egal. Soll die Justizministerin in den nächsten Jahren, wenn die Schlagzeilen wieder groß sind, nach dem Altenknast auch den Kinderknast übernehmen? Dann ist zumindest die Sozialministerin die finanziellen Sorgen los.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wo bleibt Ihre Unterstützung für diese Kinder, für diese Familien und für die kommunale Jugendhilfe?

Der Bereich der Jugendsozialarbeit ist trotz aller schönen Worte ein Stiefkind Ihrer Politik. Die Beratung und Vermittlung jugendlicher Arbeitsloser ist vorerst übergangsweise gesichert, aber auch nur deshalb, weil die Landesregierung ansonsten bis 2006 EU-Mittel verschenken würde. Was nach 2006 kommt, ist unklar. Viele Mitarbeiter in RAN-, RABaZ- und Pro-Aktiv-Centern bangen jetzt schon, was kommen wird und was sich diese Landesregierung noch alles einfallen lässt.

Verweisen Sie bitte nicht nur auf Hartz IV, und reden Sie bitte nicht nur über Mehrkosten, Frau Meißner. Die Kosten werden doch vom Bund durchgereicht. Das Land soll sie an die Kommunen weitergeben. Sie belasten das Land nicht so, wie Sie dies dargestellt haben.

Nun noch einmal zum Jugendbereich. Er hat bereits beim letzten Mal ganz heftig geblutet. Jetzt haben Sie noch einmal etwas weggenommen. Die Auswirkungen spüren wir alle doch vor Ort in der Jugendverbandsarbeit. Jeder Einzelne von Ihnen, der Kommunalpolitiker ist, weiß, welche Einschränkungen in diesem Bereich passiert sind und noch weiter geschehen werden.

Aber Ihnen ist ein einmaliges Husarenstück gelungen. Sie haben mit einem Schlag die politische Bildungsarbeit von über 30 Jahren in Niedersachsen zerschlagen. Sie wickeln nicht nur die Landeszentrale für politische Bildung einfach ab, sondern Sie treiben den Jugendhof Steinkimmen in die Insolvenz. Auch für die Jugendbildungsstätte Juist ist die Situation äußerst kritisch. Die Arbeit der Bildungsstätte ist aus unserer demokratischen Geschichte nicht wegzudenken.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

In diesem Bereich ist sehr viel in der Landesjugendakademie getan worden. Sie ist eine tragende Säule der überverbandlichen Jugendbildungsarbeit. Aber Sie reißen diese Säule um. Sie sind nicht einmal bereit, an einer Übergangsfinanzierung zu arbeiten, geschweige denn, darüber nachzudenken. Es soll einfach in die Insolvenz gehen. In meinen Augen ist dieses Verhalten schon fast schizophren. Auf der einen Seite treiben Sie den Jugendhof Steinkimmen in die Insolvenz, und auf der anderen Seite bauen in unmittelbarer Nähe Volksverhetzer eine Bildungsstätte auf, um rechte politische Agitation zu betreiben. Das kann doch wohl nicht wahr sein!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Schauen Sie noch einmal in den Haushalt, ob wir den Jugendhof nicht retten können.

Meine Damen und Herren, diese Art von Politikgestaltung, die Sie uns heute nahe zu bringen versuchen, ist nicht motivierend, sie ist nicht innovativ und auch nicht nachhaltig. Mit Gerechtigkeit hat sie beileibe nichts zu tun. Sie ist einfach nur deprimierend, zerstörerisch und destruktiv.

Herr Sander, was sagen Sie immer? - Wir machen Politik mit den Menschen und nicht gegen die Menschen. - Hier machen Sie Politik gegen die Menschen im Lande Niedersachsen. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich der Ministerin von der Leyen das Wort erteile, möchte ich kurz etwas zu den Zeitbudgets sagen. An Redezeit stehen noch zur Verfügung für die CDUFraktion 30 Minuten, für die SPD-Fraktion 12 Minuten, für die FDP-Fraktion 17 Minuten und für die Fraktion der Grünen 11 Minuten. Die Landesregierung hat bereits um 2 Minuten überzogen. Es sind noch zwei Politikbereiche zu besprechen. Sofern die Landesregierung jetzt noch weiter überzieht, können die Fraktionen von der Möglichkeit Gebrauch machen, zusätzliche Redezeit zu beantragen. Diese zusätzliche Redezeit müsste dann aber von der Mittagspause abgehen, weil wir pünktlich um 15 Uhr weitermachen müssen. Sie haben das selbst in der Hand.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Die Landes- regierung hat das in der Hand!)

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mir ist klar, dass ich mich kurz halten muss. - Herr Schwarz, jedes Ihrer Schmähworte, das Sie über die Bedingungen der Blindenhilfe gesagt haben, trifft für die Behindertenhilfe nach SGB XII in Gänze zu, das die Bundesregierung mit allen Ländern beschlossen hat. Mit anderen Worten: Jedes Ihrer Worte müssen Sie also mit Ihrer Partei vor jedem Menschen in Deutschland verantworten, der Leistungen nach dem SGB XII beansprucht. So weit zu diesem Punkt.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Die Frage, über die wir hier streiten, ist Folgende: Können wir den Nachteilsausgleich noch in Gänze, frei von allen finanziellen Bedingungen, zahlen, oder müssen wir Transferleistungen dort leisten, wo der Staat subsidiäre Hilfe leisten muss? Die Entscheidung ist uns schwer gefallen; das zeigt auch die Debatte hier. Sie löst viele kontroverse Diskussionen aus. Aber niemand kann sich vor der Frage nach der Subsidiarität drücken.

Frau Janssen-Kucz, Sie haben zu Recht eingefordert, wenn wir auf Dauer die soziale Marktwirtschaft auch in Zeiten einer dramatischen Wirtschaftsschwäche - ich möchte hier nicht thematisieren, woher sie kommt - sichern wollen, dann müssen wir akzeptieren, dass der Staat denen hilft, die sich nicht alleine helfen können. Wir haben die Rahmenbedingungen gehört, unter denen das Land handeln muss.

Deshalb lassen Sie mich in der Kürze der Zeit, die der Landesregierung noch zur Verfügung steht, ganz knapp ein paar Worte zu den Themen sagen, die bereits dankenswerterweise von Frau Jahns ausführlich angesprochen worden sind.

In der Wohngeldreform - Hartz IV - werden wir die Entlastungen an die Kommunen wie verabredet in Höhe von 105 Millionen Euro weitergeben. Wir werden die Städtebauförderung für ein Jahr aussetzen. Das ist auch richtig so. Wir werden aber 2006 wieder einsteigen. Frau Janssen-Kucz, Sie sagten zu Recht, jeder Bereich muss seinen Bei

trag leisten, und auch in der Städtebauförderung muss dies erfolgen.

Das Programm für Nichtsesshafte muss neu überarbeitet werden. Es hat bei der Evaluierung schlecht abgeschnitten. Wir haben jetzt Hartz IV. Wir werden Mittel einstellen, sie sind im Haushalt verankert, sodass wir bis spätestens Mitte August eine Übergangszeit haben werden, in der die neuen Träger, die für die Qualifizierung und Beschäftigung Nichtsesshafter zuständig sind, ihre Arbeit aufnehmen können.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich möchte noch einige Worte zu den politischen Schwerpunkten, die auch hier schon thematisiert worden sind, sagen. Zunächst einmal gehe ich auf das Thema Integration in das Arbeitsleben ein. Wir haben für benachteiligte Jugendliche im ganzen Land Pro-Aktiv-Centren geschaffen, die in der wissenschaftlichen Evaluation als wegweisend, als effizient und als zukunftsträchtig ausgezeichnet worden sind. Wir werden dieses Programm weiterführen. Alle Landkreise und Kommunen - 44 haben sich bereits beteiligt; die letzten vier sind dabei, sich zu beteiligen - arbeiten mit. Das zeigt, dass wir auf diesem Weg mit großem Erfolg arbeiten, um die benachteiligten Jugendlichen mithilfe eines gebündelten Programms in Arbeit zu bringen.

Für die Integration von Frauen in das Arbeitsleben stellen wir 2,5 Millionen Euro Landesmittel und 6,3 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds bereit. Selbstverständlich legen wir den Schwerpunkt auf eine familienbewusste Arbeitswelt. Für Väter und Mütter ist es wichtig, das Recht und die Möglichkeit zu erstreiten - auch mit den Möglichkeiten, die das Land hat -, Teilhabe an der modernen Arbeitswelt zu haben. Ich nenne einige Programme stichwortartig: Die Offensive mit den Unternehmerverbänden in Niedersachsen, die Qualifizierung der Tagesmütter und das Programm für junge allein erziehende Mütter in einer dualen Ausbildung in Teilzeit mit Kinderbetreuung, um eine Chance auf den ersten Arbeitsmarkt und eine Chance, aus einer fast sicheren Sozialhilfekarriere herauszukommen, zu haben. Ferner nenne ich unser Programm zur Unterstützung von Existenzgründerinnen, die Mehrgenerationenhäuser und den Familien-TÜV. Der Fokus, meine Damen und Herren, liegt in der Tat - das ist ein politischer Schwerpunkt dieser Landesregierung darauf, Vätern und Müttern mit Kindern eine reelle Chance

in der modernen Arbeitswelt zu geben; denn sozial ist, was Arbeit schafft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Beim Gewaltschutz ist ausgeführt worden, dass wir das Gesamtvolumen von 3,8 Millionen Euro nicht angetastet haben und es dennoch gelungen ist, das Modellprojekt BISS, das zunächst auslaufen sollte, das wir aber für richtig gehalten haben, weiterhin fortzuführen. Wir werden im nächsten Jahr an einen flächendeckenden Ausbau herangehen.

Meine Damen und Herren, wir tragen mit dem Entwurf dieses Sozialhaushaltes einer sehr schwierigen Haushaltslage Rechnung. Das ist die Anerkennung der Realitäten, vor denen wir uns nicht drücken können. Wir ziehen den Kopf nicht ein. Wir verhökern nicht weiterhin die Zukunft der Kinder, wie das hier die SPD mit der Landespolitik vorgemacht hat und wie sie es im Bund weiterhin tut.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Auch wenn es unpopulär ist: Wir stellen uns weiterhin der Tatsache, dass Deutschland unter RotGrün ärmer geworden ist.