Protocol of the Session on April 4, 2003

(Ursula Körtner [CDU]: Welche denn, Frau Seeler? Welche Studien denn? Welche? Welche Studien?)

Das heißt, wenn ein Kind auf der einen Schule für die gleichen Leistungen schlechtere Zensuren bekommt als ein anderes Kind auf einer anderen Schule, dann muss dieses Kind gehen, während das andere bleiben darf. Was ist denn das für eine leistungs- oder begabungsgerechte Schule?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ursula Körtner [CDU]: Welche Studien denn? Eine einzige!)

Zweites Beispiel dafür, dass Sie die Elternrechte einschränken: Es kommt ja immer wieder einmal vor, dass Schülerinnen oder Schüler in der Schule Probleme machen. Dafür gibt es die so genannten Ordnungsmaßnahmen, über die heutzutage in Klassenkonferenzen beschlossen wird. Heutzutage haben die Eltern - die Schüler übrigens auch – selbstverständlich ein Mitspracherecht, wenn es

um die Entscheidung über solche Ordnungsmaßnahmen geht. CDU und FDP allerdings wollen die Eltern von diesen Entscheidungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten ausschließen. Das heißt, sie dürfen im Fall der Entscheidung über Ordnungsmaßnahmen nicht mehr an den Klassenkonferenzen teilnehmen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das Ge- genteil ist der Fall! - David McAllister [CDU]: Das ist doch Quatsch! - Ur- sula Körtner [CDU]: Wo steht das denn?)

- Das steht in Ihrem Schulgesetz. Frau Körtner, wir haben doch schon in den Ausschussberatungen gemerkt, dass Sie das noch nicht gelesen haben. Vielleicht tun Sie es endlich einmal!

(Beifall bei der SPD)

Drittes Beispiel: Abitur nach 12 oder 13 Jahren.

(Zuruf von der CDU: 12 bitte!)

Bis jetzt konnten Schüler und Eltern darüber entscheiden, ob sie bzw. ihr Kind das Abitur schon nach 12 oder aber erst nach 13 Jahren machen soll. Also: Je nach Leistungsfähigkeit. Diese Wahlmöglichkeit wird den Eltern und Schülern von CDU und FDP einfach genommen.

Viertes Beispiel: das regionale Schulangebot. Bisher konnten bei Bedarf sowohl Kooperative Hauptund Realschulen als natürlich auch Gesamtschulen eingeführt werden. Eltern und Schüler hatten bis jetzt die Wahl, welcher dieser Schulformen sie den Vorzug geben wollen. Die Schullandschaft konnte sich dann den wandelnden Bedürfnissen von Eltern und Schülern, aber auch den wandelnden Bedürfnissen der Schulträger anpassen. Jetzt aber wollen CDU und FDP die Gesamtschulen einfach aus dem Schulgesetz streichen,

(Bernd Althusmann [CDU]: Stimmt doch gar nicht! Bestehende bleiben erhalten!)

obwohl an diese Schulform Jahr für Jahr mehr Kinder angemeldet werden, als Plätze an ihnen vorhanden sind. Zwar wollen CDU und FDP die bestehenden Gesamtschulen nicht abschaffen. Die dürfen weiterhin bestehen. Sie dürfen sich allerdings nicht weiter entwickeln. Diejenigen Eltern, die für ihr regionales Schulangebot eine neue Gesamtschule durchsetzen wollen, können dies jedoch nicht mehr.

(Bernd Althusmann [CDU]: Man muss ein gescheitertes Schulmodell doch aufhalten!)

Wie viel Hochmut Ihrerseits steckt eigentlich hinter Ihrer Absicht, den Eltern vorzuschreiben, auf welche Schulform sie ihr Kind zu schicken haben?

(Beifall bei der SPD)

Wie viel Ignoranz auch gegenüber den örtlichen Gegebenheiten?

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Darf ich Sie einmal fragen, wie Sie Ihre Aus- sagen belegen? - Gegenruf von Wolf- gang Jüttner [SPD]: Das steht so in Ihrem Schulgesetz! - Karl-Heinz Kla- re [CDU]: Ein völlig falscher Ansatz! Sie haben es einfach nicht verstan- den!)

Warum machen CDU und FDP das eigentlich? Antwort im Kultusausschuss: Zwei Schulsysteme nebeneinander - Herr Klare, Ihre Aussage - sind uns zu teuer. Wir wollen ein einfaches Schulsystem. Also: Einfalt statt Vielfalt! Elternmitbestimmung wird einfach abgeschafft.

(Beifall bei der SPD)

Wie passt das, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion und von der FDP-Fraktion, eigentlich zu der von Ihnen hier immer wieder vorgetragenen Geschichte von „Freiheit statt Staat“? Oder, wie Herr Dürr hier gesagt hat: Was der Staat nicht regeln muss, dass sollte er nicht regeln. - Warum machen Sie das eigentlich im Schulgesetz?

(Beifall bei der SPD)

Warum wollen Sie Zwang und Dirigismus? Warum organisieren Sie im Schulgesetz Zentralismus statt regionale Möglichkeiten? Warum wollen Sie statt Elternverantwortung Elternentmündigung? Das machen wir von der SPD nicht mit!

(Beifall bei der SPD)

Deshalb unterstützen wir die Forderung von Landes- und Bundeselternrat, vom Schulleitungsverband, von den kommunalen Vertretern, von der GEW, vom VBE und natürlich auch den Antrag der Grünen. Wir sagen hier sehr deutlich: Finger weg vom Elternrecht!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Minister Busemann.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal sollten wir meiner Meinung nach den einen oder anderen Punkt klar stellen. Frau Korter, eigentlich sind Sie eine ganz vernünftige Frau. Sie dürfen uns aber nicht in die Ecke stellen, wir würden etwas verbieten wollen, was die Eltern wollten. Wenn Sie hier sozusagen auf das Modell der Kooperativen Haupt- und Realschule aus dem sozialdemokratischen Schulgesetz abstellen, in dem auch von der Förderstufe die Rede ist, dann kann ich Ihnen nur sagen: Nehmen Sie wahr, dass es den 2. Februar gegeben hat. Dieses Modell ist eindeutig abgewählt worden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben schon im November/Dezember hier im Parlament mit einer Transparenz und Offenheit, die ihresgleichen sucht, einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem wir klar gesagt haben, was wir nach der Wahl machen werden. Deshalb dürfen Sie nicht sagen: Die verbieten irgendetwas, was die Eltern wollen. Darüber sollten wir miteinander Klarheit bekommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben uns im Wahlkampf auch ganz eindeutig zu der Frage geäußert: Gesamtschulen - ja oder nein? Im Wahlkampf wollte man das ja nicht wahrhaben. Wir haben gesagt: Die vorhandenen Gesamtschulen bleiben, und neue wird es nicht geben. - Das muss auch gelten. So machen wir es auch.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Seeler, wer vertritt hier eine konservative Schulpolitik, und wer befindet sich auf dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse?

(Zuruf von Silva Seeler [SPD])

- Ja, ja, ja. Sie sollten sich einmal selbst Zeit zum Lesen und Nachdenken gönnen. Vorhin war von „50 Jahre“ oder so ähnlich die Rede. Ich kann Ihnen sagen: Gucken Sie einmal genau nach. Nehmen Sie z. B. einmal die Gesetzesvorlage. Ich möchte Ihnen den neuen § 55 ausdrücklich anheim stellen, der genau regelt, wie der Dialog zwischen Eltern und Schule immer zum Wohle des Kindes gehandhabt werden soll und wo Verantwortlichkeit ausgeübt werden soll. Ich füge an dieser Stelle hinzu: Auch das Miteinander der Eltern von Schülern, die 18 bis 21 Jahre alt sind, ist sehr wichtig und wird von den Elternräten auch gelobt. Wenn wir solch ein Miteinander schon früher gehabt hätten - z. B. in Thüringen -, dann hätte es Erfurt nicht gegeben. Wir machen das an dieser Stelle.

(Beifall bei der CDU)

Noch ein Wort zu der Frage, wer den Elternwillen ernst nimmt. Ich weiß ja, dass Sie bei der Wahl mit Ihrem Schulmodell dramatisch gescheitert sind, woran dies auch immer gelegen hat und wer auch immer sich dies ausgedacht hat. Sie sind dramatisch gescheitert und haben noch immer kein neues Modell. Das Gleiche gilt für die Grünen. Ein richtiges Modell habe ich bei Ihnen in den letzten Jahren eh nicht ausmachen können. Bei Ihnen war immer von der sechsjährigen Grundschule, von integrativen Modellen und von möglichst lange zusammen bleiben, keine Zensuren und kein Sitzen bleiben die Rede. Damit sind Sie auch gescheitert. Ich weiß gar nicht, was für ein Modell Sie eigentlich heute vortragen wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weil Sie gescheitert und ratlos sind, gucken Sie - das muss eine Opposition ja auch machen -, wo Sie überhaupt noch einen Anknüpfungspunkt finden, um im politischen Geschäft zu bleiben. Da wird dann ein bisschen auf die Gesamtschule geguckt. Wir werden Ihnen einen Zahn nach dem anderen ziehen. All die Verbände, die Sie, Frau Seeler, für sich reklamiert haben, waren auch schon bei uns am Tisch. Wir werden auch mit den Verbänden sachgerechte Lösungen finden. Von daher werden Sie am Ende niemanden mehr für sich vereinnahmen können. Auch das sei an dieser Stelle einmal gesagt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der andere Punkt: Wenn einem dann nichts mehr einfällt und man merkt, dass man die Wahl insbesondere wegen des Themas „Elternwille“ verloren hat, dann versucht man, die jetzige Regierung dadurch zu diskreditieren, dass man fragt, ob sie auch wirklich alles so macht, wie sie es gesagt hat, ob das wirklich alles so richtig ist und ob man da den Fuß wieder in die schulpolitische Tür kriegt. - Sie lachen, Herr Kollege. Gehört ja irgendwo auch zum politischen Geschäft. Ich sage Ihnen aber jetzt schon: Sie werden da scheitern. Eindeutig; Sie werden scheitern!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, so viel an Vorbemerkungen. Die Durchlässigkeit des Schulwesens und der freie Elternwille haben zentrale Bedeutung für die Schulpolitik der Landesregierung. Der Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP hält nicht nur an der freien Elternentscheidung über den Besuch einer weiterführenden Schule fest. Erstmalig wird im Gesetz der Zusammenarbeit zwischen Grundschule und Erziehungsberechtigten ausdrücklich ein hoher Stellenwert beigemessen. Deshalb ist auch die Beratungspflicht der Grundschule in den Gesetzentwurf aufgenommen worden, und zwar generell, nicht nur im Zusammenhang mit der Empfehlung über den Besuch einer geeigneten weiterführenden Schule. Damit das auch klar ist, noch einmal nachtragend an Sie, Frau Korter: Da entscheidet nicht irgendwo eine Lehrerin ganz allein über ein Kind. Es sind qualifizierte Leute. Es werden Klassenkonferenzen im Bereich der Grundschule entscheiden, was die Empfehlung anbelangt, und es werden Klassenkonferenzen im Bereich der Jahrgänge 5 und 6 entscheiden, wenn es um das jeweilige weitere Beschulen des Kindes geht. Stellen Sie das nicht in irgendeine Ecke, als würde man larifari sagen: Da macht irgendwo jemand etwas alleine, irgendwo im Kämmerlein.

(Ina Korter [GRÜNE]: Dann führen Sie mal die Fachlehrerpflicht an der Grundschule ein!)

So soll es nicht sein, und so ist es auch nicht. Das wissen Sie auch.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, durch einen kontinuierlichen Dialog mit den Erziehungsberechtigten soll die Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Schulformentscheidung der Erziehungsberechtig

ten gelegt werden. Da der Übergang nach Klasse 4 von besonderer Bedeutung ist, werden hier die Erziehungsberechtigten auch in besonderer Weise einbezogen. Nach einer Empfehlung der Schule treffen die Erziehungsberechtigten die Wahl der für das Kind geeigneten weiterführenden Schulform in eigener Verantwortung.

Ich gehe davon aus, dass die Erziehungsberechtigten in ihrer großen Mehrheit die Schulformentscheidung am Kindeswohl orientiert treffen. Wenn wir diesen Mechanismus - noch einmal § 55 richtig miteinander hinbekommen, die Rechte der Eltern, aber auch den Informationsaustausch zwischen Schule und Eltern stark herausstellen, das Kind einbeziehen und vernünftig organisieren, dann kann garantiert werden, dass ein gutes, am Kindeswohl orientiertes Ergebnis dabei herauskommt.