Ich muss das leider abkürzen. Ich möchte Ihnen einen Zeitungsartikel aus der Welt vom 26. März vorstellen. Wenn das, was darin steht, zutrifft, dann halte ich das schlichtweg für einen Skandal. Hier steht:
„Es war vor vielen Jahren schon klar zu erkennen: Unter den hier zu Lande gegebenen Bedingungen können leistungsstärkere Schüler in leistungsgemischten Lerngruppen von weiterführenden Schulen nicht begabungsgerecht gefördert werden.“
Das hat das Max-Planck-Institut, bei dem Sie Ihre Experten angefordert haben, festgestellt. Diese Forschungsergebnisse sind bewusst nicht veröffentlicht worden. Das war damals eine vernichtende Prognose für alle Versuche in der Bundesrepublik, die Effektivität des Unterrichts in den weiterführenden Schulen durch die Einführung von leistungsgemischten Klassen zu verbessern. Die Bilanz sieht so aus: Nur durch die Zurückhaltung
dieser Ergebnisse des Max-Planck-Instituts waren die Gründungen der vielen Gesamtschulen und Orientierungsstufen und die entsprechenden Fehlinvestitionen in Milliardenhöhe möglich. Diese Aussage werden wir noch mehrfach untersuchen und die Ergebnisse hier vortragen.
Es tut mir Leid, es war zu viel Beifall von der einen und zu viel Kritik von der anderen Seite. Insofern habe ich etwas Zeit verloren.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU hat den Bürgerinnen und Bürgern in Niedersachsen vor der Landtagswahl klar und unmissverständlich gesagt, was sie im Falle eines Regierungswechsels tun wird: einen konsequenten Kurswechsel in der Schulpolitik einleiten, damit niedersächsische Schülerinnen und Schüler nicht auf der Verliererseite bleiben. Meine Damen und Herren, wir haben gemeinsam mit der FDP einen klaren Regierungsauftrag bekommen. Jetzt halten wir, was wir vor der Wahl zugesagt haben.
Meine Damen und Herren, dass das für die linke Seite des Hauses noch etwas gewöhnungsbedürftig ist, das wissen wir. Aber überall im Land wollen die Eltern die schnellstmögliche Umsetzung unseres Konzeptes. So schnell können wir das gar nicht machen.
Meine Damen und Herren, Ihr Konzept der großen Freiheit wollte niemand und will auch jetzt noch niemand. Das müssen wir dazu sagen.
Das gegliederte Schulwesen ist pädagogisch überzeugend, wissenschaftlich begründet und durch Vergleichsstudien belegt.
Wir haben im Jahr 2001 unsere Qualitätsschule für Niedersachsen entwickelt, lange bevor der frühere Herr Ministerpräsident Gabriel in seinen schlaflosen Nächten vor dem Computer ein Konzept nach dem anderen sozusagen in die Breite warf und das Schulchaos in Niedersachsen wirklich ins Unerträgliche gesteigert hat.
(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD - David McAllister [CDU]: Wo ist er denn? - Bernd Althusmann [CDU]: Er arbeitet schon wieder an seinem PC! - Heiterkeit)
Meine Damen und Herren, unser Leitgedanke für unser verlässliches Schulkonzept war und ist ein modernes Menschenbild und ein modernes Modell menschlichen Lernens auf der Basis exakter Wissenschaften, Frau Korter. Sie sind die Grundlagen der Konzeption einer gegliederten Schule, und diese ist verbunden - das sage ich hier ganz ernst mit einer hohen Achtung vor den Möglichkeiten und Grenzen eines jeden Menschen. Das ist unsere Prämisse.
Meine Damen und Herren, unser Schulgesetz schreibt den Elternwillen nach Klasse 4 ausdrücklich vor, und zwar verbunden mit der hohen Durchlässigkeit. Die beiden Dinge müssen Sie miteinander verbinden. Wenn festgestellt wird, dass ein Kind ohne die entsprechende Schullaufbahnempfehlung in der fünften Klasse seiner angewählten Schulform Schwierigkeiten hat, werden ab Mitte der fünften Klasse die Eltern informiert und in weitere Entscheidungen, auch über Fördermaßnahmen, einbezogen. Wir haben die besondere Verantwortung der Schule bei Überforderung eines Kindes ausdrücklich in das Schulgesetz aufgenommen. Eltern und Pädagogen sind gehalten, diese Überforderung des Kindes aufzufangen. Wir alle wissen doch, dass Überforderung bei Kindern eine Schwächung des Selbstwertgefühls, seelische Unausgeglichenheit bis hin zu gesundheitlichen Schäden hervorrufen kann. Die Möglichkeit des Korrigierens einer gewählten Schulform wird in Gemeinsamkeit von Elternhaus und Schule eingeleitet. Hier wird in pädagogischer Verantwortung unter Einbeziehung der Eltern über den richtigen
Meine Damen und Herren und liebe Frau Korter, wie lange wollen Sie denn eine Überforderungssituation für ein Kind mit allen dadurch entstehenden Nachteilen überhaupt hinnehmen? Wie lange soll es denn eine Schule besuchen, die seinen Fähigkeiten und seinen Fertigkeiten, seinem individuellen Lernverhalten nicht entspricht? - Wir schwächen den Elternwillen nicht, sondern wir stärken die Erziehungspartnerschaft zwischen Elternhaus und Schule.
Im Übrigen, meine Damen und Herren und Frau Korter, Sie müssen es jetzt einfach einmal hinnehmen und sich einmal sehr genau mit PISA beschäftigen.
Schon in der vierten Klasse der Grundschule sind die kognitiven Leistungsunterschiede zwischen den einzelnen Schülerinnen und Schülern relativ stabil. Die immer wieder gebetsmühlenartig aufgewärmte Behauptung, dass bei vielen Kindern aus entwicklungspsychologischen Gründen eine Eignung für Hauptschule, für Realschule und für Gymnasium erst im fünften oder sechsten Schuljahr erkennbar sei, entbehrt jeder - ich sage: jeder - empirischen, jeder abgesicherten wissenschaftlichen Grundlage.
Meine Damen und Herren, viele Studien - die SCHOLASTIK-Studie, die BIJU-Studie, die PISAStudie - bestätigen - man muss sie aber wenigstens einmal lesen -, dass sich spätestens ab der vierten Jahrgangsstufe - das ist ausdrücklich so übernommen; ich zitiere - die individuellen Leistungsunterschiede bei der Mehrzahl der Grundschüler auch in den kommenden Schuljahren nicht mehr dramatisch verändern. Das heißt, nur noch in Ausnahmefällen gibt es eine starke Veränderung. Exakt für diese Ausnahmefälle, meine Damen und Herren, haben wir unsere hohe Durchlässigkeit zwischen allen Schulformen ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen.
Herr Kollege Meinhold, wenn ich halbwegs gut durchkomme, nehme ich die Frage gerne am Ende meiner Rede auf, weil ich weiß, dass das immer solche kollegialen Steilvorlagen von Ihnen sind.
Meine Damen und Herren, eine Verschiebung der Prognose nach hinten bietet überhaupt keine erkennbaren Vorteile, wohl aber eine Reihe von Nachteilen für viele Schülerinnen und Schüler. Diese betreffen nicht nur die Leistungsaspekte, sondern tangieren die gesamte Persönlichkeitsentwicklung und damit letztendlich die Zukunftschancen der Jugendlichen. Gegenteilige Behauptungen, Frau Kollegin Korter - da muss man einfach einmal ein bisschen redlich bleiben -, entbehren jeder Grundlage. Hierfür gibt es keine empirisch gesicherten Beweise.
Meine Damen und Herren, die logische Konsequenz all dessen kann doch dann nur die Forderung nach Verstärkung und nicht nach einer Reduzierung unterrichtlicher und schulischer Differenzierungsmaßnahmen sein. Genau diesen wissenschaftlich belegten Erkenntnissen folgen wir im Interesse der niedersächsischen Schülerinnen und Schüler.
Nun zu dem, was Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben. Natürlich können niedersächsische Eltern ihre Kinder auf der Grundlage unseres Schulgesetzes auch in ländlichen Regionen auch zum Gymnasium schicken.
Die Einrichtung von zweizügigen Gymnasien der Klassen fünf bis zehn im ländlichen Raum ist schulgesetzlich geregelt. Dann kann man eine Kooperation mit einem voll ausgebauten Gymnasium eingehen, damit man den Übergang in die gymnasiale Oberstufe gewährleisten kann. Das ist ein ausgesprochen gutes qualitatives Modell, das wir entwickelt haben. Hier von einer Auslese, hier von einer Nichtbeachtung von Eltern zu sprechen, ist eine unredliche Diskussion, meine Damen und Herren.
Da ich nur noch wenig Zeit habe, möchte ich zum Schluss nur noch eines sagen: Wir diskutieren hier immer verspannt und häufig auch sehr an dem vorbei, was wir eigentlich sehen müssten: den Zukunftschancen der Kinder. Wir sehen die Vielfalt der Begabungen von jungen Menschen als Reichtum an und werden sie individuell fördern.
Meine Damen und Herren, unsere zentrale Botschaft für die bildungspolitische Zukunft in unserem Land ist: Lernen macht Freude und Lernen macht Spaß. - Daran haben wir vom 4. März an hart gearbeitet und werden das im Interesse eines jeden einzelnen Kindes in Niedersachsen auch weiterhin so machen.
Frau Kollegin Steiner, ich werde Ihnen heute und jetzt keinen Ordnungsruf erteilen, weil hier keine Bestätigung erfolgen konnte, dass Sie das Wort „Lüge“ gesagt haben.
Ich will alle - insbesondere die neuen Kolleginnen und Kollegen - darauf aufmerksam machen, dass solche Worte für uns unparlamentarisch sind und einen Ordnungsruf nach sich ziehen werden; vorausgesetzt, man kann genau herausfinden, wer es gesagt hat. Ein wenig Disziplin ist, so meine ich, für uns alle wünschenswert und erforderlich. Dem sollten wir alle Rechnung tragen.
(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Selbst- verständlich habe ich Frau Körtner nicht fromme Lügen unterstellt, son- dern fromme Legenden! - Unruhe)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Körtner, Sie haben Recht. Auch ich glaube, dass Ihre Rede auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Nur sind diese wissenschaftlichen Erkenntnisse mindestens 50 Jahre alt und längst durch neue Untersuchungen überholt.
Frau Körtner, Sie haben auch Recht, dass in Ihrem Gesetzentwurf viel drinsteht. Da steht etwas von Durchlässigkeit, von Elternverantwortung, von Erziehungspartnerschaft. Nur, Sie konkretisieren diese Begriffe in keinem einzigen Punkt in irgendeinem Paragrafen. Nehmen wir doch einmal das Beispiel Elternverantwortung. Da wird im vorliegenden Gesetzentwurf gleich in mehreren Paragrafen und auch in Ihren Reden von Elternmitarbeit und Elternmitbestimmung gesprochen. Aber sie wird in diesen Paragrafen auch gleich wieder ausgeschlossen. Ich gebe Ihnen dazu vier Beispiele.
Erstens. Der freie Elternwille bei der Entscheidung über die Schullaufbahn. Zwar dürfen die Eltern - das ist richtig - nach der vierten Klasse über die Schullaufbahn ihres Kindes entscheiden. Das heißt, sie dürfen entscheiden - wie nannte es Herr Schwarz? Er nannte es „Entscheidungshilfen“ nach Entscheidungshilfen durch die Schule, auf welche Schule - Hauptschule, Realschule oder Gymnasium - das Kind gehen soll. Wenn Eltern diese Entscheidungshilfen aber nicht annehmen und sagen, dass ihr Kind auf eine andere Schulform gehen soll, dann wollen Sie, dass diese Kinder aufgrund von Zensuren aus diesen Schulen herausgeschmissen werden dürfen, obwohl Untersuchungen gerade zu dem Ergebnis gekommen sind, dass diese Zensuren ungerecht sind und keine wirklichen Aussagen über die Leistungen der Kinder treffen.