Protocol of the Session on April 4, 2003

(Zuruf von der SPD: Sie haben doch keine Ahnung!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, inwiefern eine Liberalisierung des Trinkwassermarktes möglich ist, gilt es in Anbetracht der Wichtigkeit dieses Lebensmittels selbstverständlich ganz genau zu prüfen. Der mögliche Wettbewerb um den Markt sei an dieser Stelle nur als Stichwort genannt, meine Damen und Herren.

Ich möchte noch kurz auf die eher globalen Inhalte des Antrags eingehen. Zu glauben, dass ein Liberalisierungsstopp die Trinkwassersituation in Afrika verbessern könnte, ist meines Erachtens vermessen. Das hat auch Frau Zachow vorhin dargelegt. Täglich sterben dort viele tausend Menschen, weil sie keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Sie haben Recht, liebe Freunde von den Grünen, dass auch die Industrieländer hier in der Pflicht sind. Aber anderen Staaten über die EU-Kommission und über GATS etwas aufzuzwingen, halte ich für keine gute Sache, meine Damen und Herren. Die Frage, die sicherlich genau untersucht werden muss, ob und wie man den Trinkwassermarkt liberalisiert, gleich mit Nein zu beantworten - und damit möchte ich schließen -, ist jedenfalls nicht automatisch auch Trinkwasserschutz. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Minister Sander, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der Grünen greift das Thema Trinkwasser ganz global auf. Wir könnten uns jetzt lange über die Wasserknappheit in der Welt streiten. Aber die Bedeutung des Wassers für die weltweite Entwicklung ist wohl unbestritten. Das sollte jedoch nicht vorrangiges Thema im Landtag sein, sondern es geht um Niedersachsen. Es geht darum, wie die Wasserversorgung in Niedersachsen in Zukunft erfolgen soll.

Im Bereich der Trinkwasserversorgung heißt das: erstens nachhaltige Sicherung der Trinkwasserreserven, zweitens Sicherung der hohen Qualität unseres Trinkwassers - ich betone: Schutzgebiete bleiben weiterhin unter staatlicher Kontrolle -, drittens effiziente Leistungserstellung - ich meine, dass diese Dienstleistung gut auch von Privaten erbracht werden kann.

Das, meine Damen und Herren, ist Politik mit den Verbraucherinnen und den Verbrauchern. Das Wasser aus dem Hahn in Niedersachsen ist bestes Trinkwasser. Die Qualität stimmt. Niemand braucht bei uns Trinkwasser aus der Flasche zu trinken. Die geforderten Preise zeigen jedoch - Frau Zachow hatte bereits darauf hingewiesen ein Spektrum von 50 Cent bis 2,50 Euro. Ob diese unterschiedlichen Preise in allen Fällen mit den örtlichen Gegebenheiten begründet werden können, erscheint mir zweifelhaft. Sicherlich spielt es eine große Rolle, welche Qualität das Grundwasservorkommen hat, aus welcher Tiefe es gefördert wird, wie weit das Wasser transportiert werden muss und bei welcher Anschlussdichte es verteilt werden muss. Die Preisunterschiede hängen aber auch damit zusammen, wie die einzelnen Wasserversorger wirtschaften, wie gut sie ihre Kosten in den Griff bekommen und wie groß der Kreis der Abnehmer ist. Dass die Wahrnehmung mancher Aufgaben bei einer Verteilung, Herr Meinhold, z. B. in der Großstadt Hannover bei den Stadtwerken Hannover mit mehr als 100 000 Kunden in der Regel eher wirtschaftlich ist, als das bei der Versorgung von 1 000 Kunden der Fall ist, ist unbestritten und liegt auf der Hand.

An dieser Stelle komme ich auf den Bericht der Regierungskommission vom April 2002 zurück. Darin heißt es:

„Unsere Wasserversorgung erfüllt ihren Versorgungsauftrag zur Zufriedenheit der Bürger. Dennoch scheint es insbesondere zur Stärkung im Wettbewerb wichtig, noch weitere Optimierungspotenziale zu nutzen.“

Da müssen wir also heran. Das ist wohl auch das Wichtigste, was der Bürger von uns in diesem Bereich unter dem Stichwort „Liberalisierung“ erwartet. Wasser lässt sich, anders als Strom, schwer von wechselnden Anbietern durch die Leitungen schicken. Es wird also dabei bleiben, dass die Wasserversorgung ein regionales, natürliches Monopol bleibt. Das bedeutet: Wettbewerb muss im Wassersektor anders organisiert werden als auf dem Strom- und Gasmarkt. Dabei ist klar, dass es Abstriche an der Qualität oder bei der Sicherung der Trinkwasserressourcen nicht geben darf. Wettbewerb heißt zuallererst Vergleich. Der Vergleich setzt Transparenz voraus. Die Wasserkunden haben ein Anrecht darauf zu erfahren, wie sich ihr Wasserpreis zusammensetzt. Meine Damen und Herren, sie haben ein Recht darauf zu erfahren, warum die Kunden in dem einen Versorgungsgebiet ihr Wasser günstiger kaufen können als in einem anderen, und die Kunden haben ein Recht, zu erfahren, was ihr Wasserversorger unternimmt, um die Kosten zu senken. Das ist aktive Verbraucherpolitik. Daher werden wir uns bemühen und Vorschläge machen, wie man landesweit einen einheitlichen Kennzahlvergleich einführen kann, um dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, zu erfahren, wie in seinem Unternehmen die Preise zustande kommen. Wir wollen also den Druck der Kunden auf die Versorger erhöhen, damit eine durchsichtige und klare Preisfindung erfolgen kann.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend betonen, dass Veränderungen im Wassermarkt kein Selbstzweck sind. Lassen Sie uns in den Ausschüssen klar und deutlich beraten, wie wir die Rechte der Verbraucher auch in diesem Bereich stärken können. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Wer damit einverstanden ist, dass dieser Antrag federführend im Umweltausschuss und mitberatend im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien, im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und den ländlichen Raum, im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie im Ausschuss für Inneres und Sport behandelt werden soll, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann haben Sie so beschlossen.

Wir kommen zum letzten Tagesordnungspunkt dieses Tagungsabschnitts:

Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung: Schulreform in Niedersachsen - Elternwillen stärken und nicht einschränken - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/67

Zur Einbringung erteile ich Frau Korter das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einen Begriff haben wir in diesem Plenum und auch im letzten Plenum sehr oft gehört, nämlich den Begriff der Freiheit. Gerade haben wir wieder die leidenschaftliche Verfechtung des Freiheitsbegriffes durch Herrn Dürr gehört. Freiheit soll das neue Leitmotiv der neuen Landespolitik von CDU und FDP sein. Dieses Motiv spricht man uns neuerdings ab. Der Entwurf des Schulgesetzes, den Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, hier sehr schnell eingebracht haben, spricht da eine ganz andere Sprache.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Schnell zu sein ist nicht alles, Sie müssen auch gut und glaubwürdig sein. Wer so vollmundig von Freiheit redet, muss sich an diesem Anspruch auch messen lassen.

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion, anstatt die Freiheit der Entscheidung zuzulassen, versuchen Sie in Ihrem Schulgesetzentwurf, die freie Entscheidung der Eltern, in welche Schule ihr Kind gehen soll, massiv einzuschränken. Um es ganz klar zu sagen: Das wollen wir nicht!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ilse Hansen [CDU]: Das ist immer noch besser als ein Losverfah- ren! - Reinhold Coenen [CDU]: Das ist besser als zu losen!)

- Ich werde Ihnen das ausführen. Hören Sie sich das ruhig an.

Nach Ihrem Konzept soll in der 4. Klasse künftig wahrscheinlich eine Lehrerin entscheiden, auf welche der drei von Ihnen klar getrennten Schulen Gymnasium, Hauptschule und Realschule das Kind gehen sollen.

(Reinhold Coenen [CDU]: Wo steht das denn?)

- Natürlich nach der 4. Klasse und nicht mehr durch ein Kollegium. In den Grundschulen haben wir das Klassenlehrerprinzip. Wussten Sie das nicht?

(Wolfgang Wulf [SPD]: Die wissen vieles nicht!)

Wer soll das denn entscheiden, die Lehrer, die dort gar nicht unterrichten? - Wahrscheinlich wird eine Lehrerin entscheiden, in welche Schulform das Kind weiter gehen soll.

(Reinhold Coenen [CDU]: Das stimmt nicht!)

Bei der OS hatten wir ein Kollegium von beteiligten Lehrerinnen und Lehrern. Wie wollen Sie das sicherstellen?

(Zurufe von der CDU)

- Sie können sich ja gleich dazu äußern. Ich bringe erst einmal meinen Antrag ein.

Schicken die Eltern dann ihr Kind entgegen dieser Empfehlung in eine andere Schule und schafft das Kind im ersten Jahr das Klassenziel nicht, wird es von der Klassenkonferenz in eine andere Schulform abgeschult.

(Ursula Körtner [CDU]: Und wer sitzt da?)

Nach nur einem Schuljahr, nämlich nach dem fünften Schuljahr, ist Ihrer Auffassung nach bereits klar zu erkennen, ob ein Kind für das Gymnasium oder die Realschule geeignet ist und ob es begabungsgerecht beschult wird. Das ist aus Ihrer Sicht

logisch, weil Sie ja von einem statischen Begabungsbegriff ausgehen. Wir tun das nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die fünfte Klasse machen Sie damit zu einer verschärften Auslesestufe. In diesem Jahr, in dem sich Schülerinnen und Schüler in einer ganz neuen Lernumgebung zurechtfinden müssen - wir wissen das aus den Problemen der OS -, werden sie einem scharfen Überprüfungsdruck ausgesetzt, der über ihren ganzen weiteren Bildungsweg entscheiden wird. Viele werden sich schon nach einem Jahr als Gescheiterte erleben, und dies in einem Alter, in dem die Kinder bereits in die Vorpubertät kommen und in dem für sie ganz vieles im Umbruch ist. In diesem Alter, meine Damen und Herren, brauchen sie Unterstützung und nicht Auslese!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir gehen davon aus, dass sich Kinder auch später entwickeln können, dass sie erst später anfangen, sich für Schule, für besondere Fächer zu interessieren. Sie wissen, das betrifft ganz besonders die Jungen.

Meine Damen und Herren aus der Koalition, nennen Sie mir doch eine seriöse wissenschaftliche Untersuchung,

(Ursula Körtner [CDU]: Eine? Ich kann Ihnen zehn nennen!)

die mir belegt, dass die Leistungspotenziale von Schülerinnen und Schülern bereits klar und endgültig in der fünften Klasse erkennbar sind. Dazu können Sie vermutlich nichts anführen; denn dazu gibt es auch in Ihrer Gesetzesbegründung nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nichts außer dem vagen Begriff des Kindeswohls haben Sie dazu bis jetzt, auch in den Ausschussberatungen, angeführt. Dieses Kindeswohl legen Sie aber mit Ihrem traditionellen Gesellschaftsbild fest. Ich verstehe unter Kindeswohl nicht die frühe Auslese. Die Schule, in der das Kind mit Freude lernt, in der es gefordert und gefördert wird und in der es lange die Chance offen gehalten bekommt, einen möglichst qualifizierten Abschluss zu erreichen, in der es keine Diskriminierung und Trennung von anderen Kindern gibt, ist aus meiner

Sicht die Schule, die sich am Kind orientiert. Aber die wollen Sie ja überhaupt nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nein, die angeblichen Freiheitsverfechter wollen die Eltern und Kinder möglichst nach ihrem Gesellschaftsmodell einschränken und festlegen. Ich will Ihnen das vormachen. Sie verbieten nicht nur die Kooperativen Haupt- und Realschulen - das ist schon unverantwortlich, sage ich Ihnen -,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Lachen bei der CDU - Bernd Althusmann [CDU]: Gott sei Dank ist bei diesen Schulen endlich ein Ende erreicht!)

sondern auch kooperative und integrierte Gesamtschulen,