Protocol of the Session on April 4, 2003

(Beifall bei der FDP)

Leider geht es heute um ernstere Probleme, denn Dyskalkulie, also Rechenschwäche, ist für die betroffenen Kinder und ihre Eltern genauso schlimm wie Legasthenie, Dyslexie oder Lese- und Rechtschreib-Schwäche, wie immer Sie sagen wollen.

Wenn es darum ginge, nur auf die Notengebung im Fach Rechnen oder Mathematik in der Grundschule zu verzichten, wären die Dinge relativ einfach. Aber der Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und Grünen zum Beschluss des Ausschusses zielt auf eine umstandslose Gleichstellung der Behandlung von Dyskalkulie und Lese- und Rechtschreib-Schwäche von Anfang an. Die FDPFraktion glaubt im Gegensatz zu Ihnen, Herr Vorredner, dass es noch verfrüht wäre, da die Datenlage noch nicht so eindeutig ist. Es gibt zwar sehr viele Erkenntnisse; allerdings sind diejenigen über Dyskalkulie relativ neu. Weder über die Definition noch über Prävalenz noch über Therapiekonzepte ist man sich heute wirklich schon einig.

Sie haben erwähnt, dass sich die Kultusministerkonferenz damit schon seit zwei Jahren beschäftigt und bislang zu keinem Ende gekommen ist. Das hat aber seinen Grund darin, dass es indirekte Schwierigkeiten gibt. Die Kultusministerkonferenz tut sich mit Recht schwer, und es sind neue Bedenken aufgekommen. Allerdings ist unser Kultusministerium, soweit ich weiß, sehr aktiv und sehr beteiligt. Wir hoffen, dass wir bald eine Lösung finden werden, die wirklich Hand und Fuß haben wird.

Deswegen sind wir dafür, diese Eingabe der Landesregierung als Material und nicht zur Berücksichtigung zu überweisen, wie Sie dies wollen; das wäre nämlich verfrüht. Ich befürchte im Übrigen, im konkreten Fall wird weder die Überweisung als Material noch würde die Überweisung zur Berücksichtigung den Betroffenen schnell helfen können. Da sind Maßnahmen vor Ort gefordert. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Körtner!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin dem Kollegen Voigtländer sehr dankbar, dass er diese Angelegenheit heute noch einmal ins Plenum gebracht hat, damit wir erstens auch dokumentieren können, dass wir in der Sache völlig gleich ausgerichtet sind. Zweitens ist jetzt sichergestellt, dass zumindest alle Kolleginnen und Kollegen über Dyskalkulie Bescheid wissen und wissen, was das heißt; denn genau das ist das Problem.

Wir kennen die Lese-Rechtschreib-Schwäche. Dafür gibt es auch einen Erlass. Dyskalkulie kennen wir aber nicht. Das ist eine Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist.

Aber, meine Damen und Herren, hinter diesem Begriff verbergen sich Schicksale von Kindern. Wir haben die Lese-Rechtschreib-Schwäche mit einem Erlass geregelt. Wir wollten auch für Dyskalkulie eine Erlassregelung in Niedersachsen treffen; das wollte schon die vorherige Landesregierung. In der Kultusministerkonferenz ist man aber nicht weitergekommen. Dort hat das Land Bayern noch weiteren Klärungsbedarf angemeldet. Von daher sind wir jetzt in der Situation, dass es hier noch nicht per Erlass geregelt ist.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat sich im Ausschuss für die Überweisung der Eingabe als Material entschieden, weil auch im Ministerium noch sehr viele Dinge geklärt werden müssen, völlig unabhängig von der Kultusministerkonferenz. Ich meine auch, wir können das Anliegen der Petenten, lieber Herr Voigtländer, überhaupt nicht erledigen, weil noch viel Klärungsbedarf besteht. Man hätte ihnen viele Hoffnungen gemacht, ohne in der Lage zu sein, sie zu erfüllen. Von daher ist diese Entscheidung richtig.

Aber eines ist klar: Wir treten für eine schnellstmögliche Klärung der Voraussetzungen für eine Erlassregelung ein - mit oder ohne Kultusministerkonferenz-Länderregelung. Das sage ich ganz deutlich. Wenn die dort nicht in die Strümpfe kommen, dann sollten wir, wie inzwischen vier andere Bundesländer auch, eine eigene Erlassregelung auf der Grundlage der Empfehlungen der Kultusministerkonferenz treffen; denn Lesen, Rechtschreiben und Rechnen sind unabdingbare Grundlagen und Voraussetzungen für ein erfolgreiches Lernen im gesamten schulischen Werdegang eines Kindes. Fünf Kinder von 100 leiden - nach allerdings nicht repräsentativen Schätzungen - an Dyskalkulie, Herr Kollege Voigtländer. Das sind Schicksale. Wir alle sollten uns bemühen, diesen Kindern so schnell wie möglich zu helfen.

(Beifall bei der CDU und Zustim- mung bei der FDP)

Frau Korter, Sie haben noch eine Restredezeit von einer Minute.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus der Stellungnahme des Kultusministeriums zu dieser Eingabe geht klar hervor, dass die Notwendigkeit, die Belange von Kindern mit besonderen Schwierigkeiten beim Rechnen in entsprechenden Regelungen zu berücksichtigen, deutlich gesehen wird. Es geht um eine Regelung, die die Aussetzung der Benotung im Fach Mathematik unter bestimmten Bedingungen zulässt. Wir haben gehört, die Kultusministerkonferenz hat sich seit Jahren mit dieser Frage befasst. Entsprechende Verordnungen gibt es bereits in vier anderen Bundesländern. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache kann ich nicht verstehen, dass wir diese Eingabe der Landesregierung nur als Material überweisen sollen. Wir empfehlen in jedem Fall, diese Eingabe zur Berücksichtigung zu überweisen, und setzen uns dafür ein. Denn jede weitere Verzögerung trägt dazu bei, dass dieses Mädchen und auch viele andere Kinder, die von diesem Problem betroffen sind, keine Freude mehr an der Schule haben, weil sie durch die Probleme in diesem Fach so abgestuft werden, dass sie kein gutes Zeugnis haben. Ich bitte Sie, doch noch einmal über Ihre Entscheidung nachzudenken. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt hat der Abgeordnete Behr das Wort. - Er zieht zurück.

Herr Minister Busemann hat sich gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ganz kurz dazu: Manchmal ist es für die richtige Politik ganz gut, dass Politiker auch selber betroffen sind. Ich hatte vor zwei, drei Jahren bei einer meiner Töchter genau diese Problematik zu bedenken, ob Dyskalkulie vorliegt oder nicht. Das hat sich Gott sei Dank auf andere Weise geregelt. Es war jedenfalls keine Dyskalkulie. Auch sonst nimmt das Kind einen guten Fortschritt. Ich kenne aber das Thema. Das will ich damit nur deutlich machen.

Ich habe mir auch diesen Vorgang angesehen. Die Eltern weisen uns auf einen Handlungsbedarf hin. Wenn jemand sagt „Ihr müsst mehr für Lesekompetenz tun; wir schreiben euch ein bestimmtes Buch vor“, dann müssen wir dem vielleicht nicht folgen. Das Anliegen ist aber richtig. Wir müssen hier handeln. Die Vorredner haben alle recht anspruchsvoll dargelegt, wie die Problematik gelagert ist. Das ist der typische Fall, ob eine Petition der Landesregierung zur Berücksichtigung oder als Material überwiesen wird. Wenn es aber so ist, dass die Angelegenheit im Interesse Niedersachsens - wir bringen uns da ja ein - in der Kultusministerkonferenz, ich hoffe, recht zeitnah zu einem vernünftigen bundeseinheitlichen Gesamtergebnis geführt wird, dann sollten wir uns dem anschließen und hoffen, dass das zeitnah passiert. Somit ist es auch parlamentarisch richtig zu sagen: zurzeit Überweisung als Material. Ich sage Ihnen: Wenn mir das zu lange dauert, dann muss das geregelt werden, dann gibt es einen Erlass. - Danke.

(Beifall bei der CDU - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Es ist aber sehr au- ßergewöhnlich, dass die Regierung uns bei Petitionen Empfehlungen gibt! - Gegenruf von Klare [CDU]: Vor al- lem, weil geholfen wird! Das ist ganz ungewöhnlich!)

Man muss auch mal außergewöhnliche Dinge zulassen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wir stimmen zuerst über die Eingabe 5991/14 betreffend Kommunalabgaben - hier: Müllgebühren - ab. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, diese Eingabe der Landesregierung als Material zu überweisen. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? – Das Zweite war die Mehrheit.

Dann kommen wir jetzt zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses, die Einsender der Eingabe über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten. Wer stimmt dem zu? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Eingabe 5650/14 betreffend die Geruchsimmissionen durch Begasungen mit Pestiziden. Auch hierzu liegt ein Änderungsantrag

der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, diese Eingabe der Landesregierung als Material zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? – Das Zweite war die Mehrheit.

Dann kommen wir jetzt zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses, den Einsender der Eingabe über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Wir kommen zur Eingabe 5165/14 betreffend den Schutz des Kormorans. Auch hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, diese Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? – Das Zweite war die Mehrheit.

Dann kommen wir jetzt zur Beschlussempfehlung des Ausschusses, den Einsender der Eingabe über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Das ist so beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Eingabe 5661/14 betreffend die Deichsanierung im Bereich des Dorfes Laasche. Auch hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, diese Eingabe entgegen der Ausschussempfehlung der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? – Das Zweite war die Mehrheit.

Dann kommen wir jetzt zur Beschlussempfehlung des Ausschusses, über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Wir kommen jetzt zur Eingabe 5782/14 betreffend Dyskalkulie. Hierzu liegen gleichlautende Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD vor, diese Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? - Das wurde abgelehnt.

Jetzt kommen wir zur Beschlussempfehlung des Ausschusses, diese Eingabe der Landesregierung als Material zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu dem von Mittwoch auf heute verschobenen

Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung: Qualifizierte Ganztagsangebote an Niedersachsens Schulen ausbauen - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/35

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, würden Sie diesen Raum bitte etwas leiser verlassen? - Zuerst hat sich der Abgeordnete Wulf zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte und geschätzte Präsidentin! Meine Damen und Herren!

(Zurufe von der CDU: Oh!)

- Das musste doch einmal gesagt werden, oder?

Meine Damen und Herren, Ganztagsschulen sind in Deutschland endlich zum Thema geworden. Zwar gibt es bei den politischen Parteien durchaus Unterschiede in der Verbindlichkeit bzw. Ausformung dieser Idee, aber dass Ganztagsschulen ein Gebot der Stunde sind, ist hoffentlich auch in diesem Hause Konsens.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Selbst im Bereich der Wirtschaft ist inzwischen die Forderung nach Ganztagsschulen Bestandteil der bildungspolitischen Programmatik geworden. Außerordentlich begrüßenswert ist z. B. die gemeinsame Erklärung der Gewerkschaften und der Arbeitgeber vom 5. März dieses Jahres zum Thema Ganztagsschulen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, BDA, und der Deutsche Gewerkschaftsbund, DGB, haben in dieser gemeinsamen Erklärung den Ausbau von Ganztagsangeboten gefordert. Ebenso wie BDA und DGB sollte es der Niedersächsische Landtag für erforderlich halten, mehr Ganztagsschulen ein

zurichten und sollte die damit verbundenen Anstrengungen - insbesondere der Bundesregierung begrüßen.

(Unruhe)

Entschuldigen Sie, Herr Wulf. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um etwas mehr Ruhe. Diejenigen, die sich unterhalten möchten, gehen doch bitte nach draußen.

Ich finde, Sie sollten drinnen bleiben, das Thema ist wichtig. - In der Tat müssen, wie DGB und BDA es fordern, Ganztagsschulen mit neuen Formen des fächerübergreifenden Unterrichts, des Projekt- und des integrierten Unterrichts einhergehen.

Im vorliegenden Antrag, meine Damen und Herren, haben wir Qualitätskriterien als Maßstab für den Ausbau des Ganztagsschulbetriebes zugrunde gelegt. Ganz besonders wichtig erscheint uns dabei die Realisierung der Bildungsziele Leistungsförderung, Integration und Chancengleichheit. Daher sollten die gezielte und schnelle Förderung bei Lernproblemen, das selbstverantwortliche Lernen, die individuellen Persönlichkeits-, Lern- und Leistungsentwicklungen der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund stehen.

Außerdem darf das nicht nur freiwillig sein, so wie es von der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion vorgeschlagen wird. Ich möchte Ihnen aus einer Reihe von Gründen drei nennen, die dafür sprechen, zumindest an zwei Tagen in der Woche verpflichtende Angebote zu machen.

Erstens. Die zumindest an zwei Tagen in der Woche am Nachmittag verpflichtende Teilnahme am Unterricht ermöglicht den beteiligten Schulen eine flexible Planung von Förderung, Betreuung und Unterricht, sodass die Schülerinnen und Schüler einen eigenen Lernrhythmus entwickeln können abseits der üblichen 45-Minuten-Strukturierung des normalen Schulunterrichts. Man kann neue Modelle entwickeln, Unterricht am Nachmittag und Förderung am Vormittag machen, und umgekehrt. Das ist sehr wichtig auf dem Weg zu mehr Eigenverantwortung von Schulen, wie es Herr Busemann ja fordert.