Wir können den Menschen die Angst aber nur dann nehmen, wenn wir sie in die Lage versetzen, mit dem Fremden richtig umzugehen. Deshalb müssen wir von einer bestimmten Geisteshaltung abkommen. Ich sage es noch einmal: Die multikulturellen „Gutmenschen“ in unserer Gesellschaft belegen jede kritische Auseinandersetzung in unserer Gesellschaft, auch die Auseinandersetzung mit dem Fremden, mit dem Neuen, sofort mit einem Tabu. Diese Tabuisierung führt letztlich zu fremdenfeindlichem Verhalten und fremdenfeindlichem Denken. Sie provoziert dies geradezu.
Wir brauchen stattdessen eine offene und ehrliche Auseinandersetzung und das Ansprechen von Problemen von verschiedenen Kulturen miteinander sowie offenes und gemeinsame Ausdiskutieren von Problemen. Nur dann haben wir ernsthaft eine Chance, zu echter Integration zu kommen. Das hat nichts mit Institutionen zu tun. Der Erfolg wird vielmehr davon abhängen, ob wir in der Lage sind, die Menschen auf diese Reise mitzunehmen. Die erwähnten Tabus und die Political Correctness oder die so genannte Political Correctness führen eher dazu, dass Staat und Gesellschaft ohnmächtig werden. Das würde das Gegenteil von Toleranz bedeuten.
ihre klaren Grenzen. Diese klaren Grenzen muss man an der einen oder anderen Stelle auch einmal ansprechen dürfen. Wir treten dafür ein, dass wir diese klaren Grenzen nicht in einer etwas armseligen Leitkultur-Diskussion finden. Wir sagen vielmehr: Eine Gesellschaft kann nur dann stark sein, wenn sie sich auf einen gemeinsamen Wertekanon besinnt. Diesen Wertekanon brauchen wir nicht in irgendeiner traurigen Diskussion zu suchen, sondern wir finden ihn 1 : 1 in den Grundrechten, die in unserem Grundgesetz verankert sind.
Deswegen dürfen sich die Integration und die Diskussion über die Integration nicht einfach in der Sprachförderung erschöpfen, sondern, im Gegenteil, jeder, der in diesem Land leben will, muss sich klar zu dieser Werteorientierung bekennen, er muss sie akzeptieren, und er muss sie auch gemeinsam leben. Jeder, der das tut, ist in unserem Lande herzlich willkommen, er kann hier in der Tat nach seiner eigenen Fasson selig werden. Jeder, der diese Wertediskussion nicht akzeptiert, der diesen Wertekanon nicht annehmen will, der hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Das wäre sonst falsch verstandene Toleranz.
Deswegen fordere ich Sie auf, gemeinsam mit uns für eine solche Toleranz zu streiten und auch gemeinsam mit uns für eine solche Toleranz zu diskutieren und offen und ehrlich nicht jede Kritik auch an einer multikulturellen Gesellschaft mit Tabus zu belegen; denn das hindert, glaube ich, die Toleranz am Vorankommen. Wir als freie Demokraten treten für Toleranz ein. Denn der Wertekanon ist kein notwendiges Übel, das ich akzeptieren muss, wenn ich hier einwandere, sondern ist die Grundlage einer freien und toleranten Gesellschaft. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch die Erfahrung des Nationalsozialismus hat dazu geführt, dass sich Deutschland eine freiheitliche und rechtsstaatliche Verfassung gegeben hat, die die Unantastbarkeit der menschlichen Würde und die unveräußerlichen und unteilbaren Menschenrechte garantiert, und zwar für Menschen aller Herkunft, allen Glaubens, gleichgültig woher sie kommen und welche politische Heimat sie haben. Mit diesen Grundrechten verbinden sich allerdings auch Pflichten.
Kein freier und demokratischer Rechtsstaat ist gegen terroristische Anschläge oder feige Mordtaten einzelner Menschen oder Gruppen gefeit. Deshalb wäre es sicherlich falsch, sich an dieser Stelle in Sicherheit zu wiegen.
Sehr geehrte Damen und Herren, der feige Mord in den Niederlanden war nicht nur ein Anschlag auf die Grundwerte eines freien und demokratischen Staates, sondern er war auch ein Anschlag auf die Muslime, die den heiligen Fastenmonat als Sinnbild für Vergebung und Versöhnung und das Ramadan-Fest am vergangenen Sonntag als Aufruf zum Frieden sehen.
Zu allen Zeiten in der Geschichte hat es Menschen gegeben, die Religionen für ihre politischen Zwecke auf grausame Art und Weise missbraucht haben. Auch die christliche Kirche ist keineswegs frei von dieser Erfahrung und hat hier zum Teil eine unselige Vergangenheit.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Sie haben hinter den Titel Ihrer Aktuellen Stunde ein Fragezeichen gesetzt: „Islamistische Bedrohung auch in Niedersachsen?“ Ein Fragezeichen ist allemal besser als ein Ausrufezeichen; denn Sie sind mit diesem Fragezeichen schon weiter gegangen als in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage, die mein Fraktionskollege Hans-Albert Lennartz am 22. Januar dieses Jahres zur Sicherheitslage in Niedersachsen gestellt hat. Damals haben Sie, Herr Innenminister Schünemann, geantwortet: „Vor dem Hintergrund der anhaltenden Bedrohungslage durch den islamistischen Terrorismus stellt die Bekämpfung dieses Kriminalitätsphänomens einen Schwerpunkt in der Arbeit der niedersächsischen Sicherheitsbehörden dar.“ Sie konnten aber diese Behauptung nie belegen. Seit dem 11. September sind laut Ihrer eigenen Aussage, laut der Antwort auf die Anfrage meines Kollegen Lennartz ganze zwei Ermittlungsverfahren
eingeleitet worden. Eines war bereits zum Zeitpunkt der Antwort eingestellt. In keinem einzigen Fall ist es zu einer Anklageerhebung gekommen.
Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, in dem Titel Ihres Antrags zur Aktuellen Stunde fordern Sie auch die Pflicht zur Integration. Wenn Sie damit sagen wollen „Wir verlangen von Einwanderern, dass sie die deutsche Sprache lernen“, dann stimmen wir dem ausdrücklich zu. Wenn Sie damit auch sagen wollen „Wir verlangen von Einwanderern, dass sie Recht und Gesetz achten“, stimmen wir ebenfalls ganz eindeutig zu. Wenn Sie aber sagen wollen „Pflicht zur Integration heißt Aufgabe der eigenen kulturellen oder religiösen Identität“, dann liegen Sie falsch.
Meine Damen und Herren, in den Niederlanden wurden genau wie in Deutschland erhebliche Fehler gemacht. Eine wirkliche Integration hat es in den Niederlanden nicht gegeben, auch wenn der Eindruck, den wir von unserem Nachbarland immer hatten, ein anderer war. Auch in den Niederlanden haben sich, wie in der Bundesrepublik, Parallelgesellschaften gebildet. Allerdings hat unser Nachbar schon frühzeitig dafür Sorge getragen, dass nicht nur Neuzuwanderer die Sprache erlernen, sondern es hat, zumindest was die Sprache angeht, auch eine nachholende Integration gegeben. Aber Integration bedeutet eben nicht allein, dass Zuwanderer die jeweilige Sprache erlernen, sondern Integration bedeutet auch ein gegenseitiges Aufeinanderzugehen. Es handelt sich hier um eine wechselseitige Beziehung.
Schaut man sich die Integrationsbemühungen der letzten Jahre an, bestehen hier nach unserer Auffassung erhebliche Defizite. Eine wirklich offene Debatte über die Vereinbarkeit der Werte des Islams mit den Werten der rechtsstaatlich verfassten westlichen Gesellschaften ist nicht geführt worden. Individuelle Menschenrechte, demokratische Grundsätze und die Trennung von Staat und Kirche stehen nicht zur Disposition. Im Zweifel müssen diese Werte auch konsequent verteidigt und durchgesetzt werden. Menschenrechte sind nicht teilbar, auch nicht unter dem Vorwand der Religionsfreiheit. Die Gesellschaft darf nicht zulassen, dass mitten unter uns Frauen und Mädchen ihrer elementarsten Rechte beraubt, gefangen gehalten, zwangsverheiratet oder geschlagen werden.
Nach dem 11. September beschränkte sich aber die öffentliche Debatte zu oft auf die Stilisierung von diffusen Bedrohungsszenarien. Menschen muslimischen Glaubens sahen sich oft pauschalen Verdächtigungen und Diffamierungen ausgesetzt, die verletzend und ehrabschneidend wirken.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen den Dialog mit den muslimischen Organisationen verstärkt suchen, und wir müssen gemeinsam über einen rechtlichen Rahmen nachdenken, der das Verhältnis zwischen dem Staat und den Menschen muslimischen Glaubens gestaltet, mit Rechten und Pflichten ausgestaltet. Vorbild könnte beispielsweise der Loccumer Vertrag mit der evangelischen Kirche sein, der den Religionsunterricht ebenso regelt wie die Ausbildung von Religionslehrern, die Lehrbefähigung, die Einrichtung einer wissenschaftlichen Ausbildung, beispielsweise auch an einer Hochschule hier bei uns in Niedersachsen.
Meine Damen und Herren, wir haben in Deutschland zu lange eine Lebenslüge gepflegt. Die Union weigert sich bis heute, anzuerkennen, dass Deutschland faktisch seit den 60er-Jahren ein Einwanderungsland ist. Stattdessen wurde lange von „Gastarbeitern“ gesprochen.“ Ein Zitat von Ihrer Kollegin Rita Süssmuth:
„Integration war bisher nicht das Ziel, sondern Rückkehr. Über Jahre haben wir ein Nebeneinander geduldet und selbst gefördert.“
Wir müssen diese deutsche Wirklichkeit endlich anerkennen - ich bin froh, dass sich die FDP in dieser Frage auch ganz klar und deutlich positioniert hat -, und wir müssen die Integration auf neue Füße stellen. Das fordert alle gleichermaßen - uns ebenso wie diejenigen, die hier zu uns nach Deutschland kommen. Das erfordert ideelle und materielle Anstrengungen.
Ich möchte an dieser Stelle nicht die Haushaltsdebatte vorwegnehmen. Deswegen werde ich auf die einzelnen Fragen, die in diesem Zusammenhang auch uns beschäftigen werden, nicht im Detail eingehen. Aber wir müssen uns alle darüber im Klaren sein, dass es neben diesen ideellen Aspekten auch diese materielle Komponente gibt. Das ist - da bin ich ganz sicher - Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in Deutschland und in Europa. Es ist aber auch eine wechselseitige Be
reicherung, für die die Geschichte einige Beispiele kennt. Einige der großartigsten wissenschaftlichen und kulturellen Errungenschaften sind in Spanien zu einer Zeit entstanden, als Muslime, Juden und Christen friedlich zusammenlebten.
Sehr geehrte Damen und Herren, in den Niederlanden wurden Fehler gemacht, und auch in Deutschland wurden Fehler gemacht. Falsch wäre es aber, jetzt wieder dem alten politischen Reflex zu folgen und mit leichter Hand ein paar Maßnahmenkataloge zu skizzieren. Stattdessen auch einmal zuzugeben, dass Politik manchmal ratlos vor Entwicklungen steht, könnte eine Chance bedeuten, das Miteinander der Kulturen auf eine neue Grundlage zu stellen.
Zwei Wahrheiten sind aus meiner Sicht aber unumstößlich: Wir sind ein Einwanderungsland, und Menschenrechte sind unteilbar. - Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Panikmache ist im Bereich der inneren Sicherheit, aber auch im Bereich der Ausländerintegration der schlechteste Ratgeber. Worauf kommt es an? Wir müssen die Fakten benennen, wir müssen die Fakten analysieren, wir müssen Konsequenzen daraus ziehen und entschlossen Maßnahmen ergreifen. Das ist das Gebot der Stunde.
Wie sehen die Fakten aus, meine Damen und Herren? Trotz zahlreicher Festnahmen auch im Umfeld von al-Qaida müssen wir damit rechnen, dass es in Deutschland und auch in anderen europäischen Ländern ein funktionierendes Netzwerk von arabischen Mudschahedin gibt, die sich nicht nur hierhin zurückziehen, um Deutschland oder andere europäische Länder als Vorbereitungsraum zu nutzen, sondern die Deutschland und andere eu
Meine Damen und Herren, wie sieht es in Niedersachsen aus? Um es klar zu sagen: Uns liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass in unserem Land konkrete Anschläge geplant werden. Allerdings unterliegen wir einer abstrakten Bedrohung vor dem Hintergrund, den ich gerade geschildert habe.
Niedersachsen ist kein Kernbereich des Islamismus. Das liegt u. a. daran, dass es hier keine überregionalen islamischen Zentren gibt. Aber Niedersachsen ist durchaus Missionierungsgebiet von islamistischen Organisationen; ich nenne hier z. B. die Muslimbruderschaft. Außerdem gibt es in Niedersachsen islamistisch-extremistische Organisationen, die vor allen Dingen ein Ziel haben, nämlich Parallelstrukturen und Parallelgesellschaften zu etablieren.
Meine Damen und Herren, hier müssen wir mit aller Konsequenz gegenhalten. Sonst können wir nicht ausschließen, dass das, was wir jetzt in den Niederlanden erleben, auch auf Niedersachsen und auf Deutschland insgesamt übergreift. Das, meine Damen und Herren, muss mit aller Konsequenz verhindert werden.
Ich muss in diesem Zusammenhang auch Milli Görüs nennen. Milli Görüs öffnet sich durchaus nach außen und zeigt sich z. B. mit Kommunal- oder Landes- und Bundespolitikern, um deutlich zu machen, dass sie eine ganz andere Entwicklung wollen, als man ihr bisher unterstellt hat. Aber, meine Damen und Herren, wir haben klare Erkenntnisse darüber, dass Milli Görüs unumstößlich an dem Ziel festhält, bei ihren Anhängern ein gleichsam türkisch-nationalistisches wie islamistisches Gedankengut zu verbreiten.
Wie schafft man das? Das schafft man, indem man in den Bereichen Bildung, Freizeitangebote, Koranschulen eigene Strukturen schafft und indem man im Bereich der Wirtschaft die Anzahl der Export- und Importgeschäfte ausbaut, um den türkischen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern heimische Lebensmittel auch hier anbieten zu können, sodass sie sich gar nicht in die Gesellschaft einzubinden brauchen. Und genau das, meine Damen und Herren, ist das Ziel von Milli Görüs. Deshalb müssen wir aufpassen und dürfen uns
nicht von dem täuschen lassen, was da vorgegeben wird. Wir müssen Milli Görüs nicht nur beobachten, sondern wir müssen auch entschieden dagegen angehen, damit diese Parallelgesellschaften sich in Niedersachsen nicht bilden.
Bei der Aufzählung der Fakten darf nicht übersehen werden, dass wir durchaus Erkenntnisse darüber haben, dass es in niedersächsischen Moscheen vereinzelt zu Hasspredigten kommt. Meine Damen und Herren, es muss völlig klar sein: Wenn sich diese Erkenntnisse verdichten und wir Beweise finden, dann müssen, nachdem das Zuwanderungsgesetz zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, diese Hassprediger unser Land verlassen.