Ich stimme Ihnen zu: Es ist wichtig, dass die deutsche Sprache gelernt wird. Aber bevor ich einen Imam öffentlich auffordere, in der Moschee auf Deutsch zu predigen - was ich im Zweifel auch gut fände; in deutschen Schulen muss Unterricht allemal in deutscher Sprache erteilt werden; auch da
bei sind wir uns, glaube ich, einig -, frage ich Sie, Herr McAllister: Wie erklären Sie den Unterschied zwischen dem Reden im Landtag und dem Handeln im Lande?
Die Landesregierung, die Sie mit Ihrer Fraktion unterstützen, hat die Hausaufgabenhilfe im letzten Jahr für 11 000 lernschwache Schülerinnen und Schüler komplett gestrichen, und zwar gegen die Zusage Ihres Ministerpräsidenten.
Unter diesen Schülerinnen und Schülern sind sehr viele Kinder aus Ausländer- und Aussiedlerfamilien. Ich sage Ihnen: Bezüglich der Zukunft Deutschlands wird bei niedrigeren Geburtenraten auch entscheidend sein, ob diese Kinder in zehn Jahren Paletten schleppen oder im Labor stehen. Wir sind dafür, dass sie ins Labor, an die Uni, in die Ausbildung kommen.
Ihr Kultusminister hat den muttersprachlichen Unterricht um 13 % gekürzt, obwohl wir wissen, dass jeder die deutsche Sprache als Fremdsprache besser erlernt, wenn er zuerst seine Muttersprache begriffen hat. Jeder Lehrer, der so etwas unterrichtet, weiß das. Deswegen frage ich Sie: Warum kürzen Sie ausgerechnet da, wo die Voraussetzung dafür verbessert werden soll, dass Kinder die deutsche Sprache erlernen?
Wenn Sie die Mittel nach dem Motto „besser deutsch lernen als die Muttersprache“ in die Sprachförderung gegeben hätten, dann könnte ich das aus Ihrer Sicht ja noch verstehen. Aber Sie tun nicht einmal das. Wir haben in unserer Regierungszeit die Sprachförderung im Kindergarten eingeführt. Sie kürzen die Mittel dafür um 1,2 Millionen Euro. Sie können doch nicht fordern, dass die Leute die deutsche Sprache lernen sollen, wenn Sie gleichzeitig die Bedingungen für ihre Kinder, die deutsche Sprache zu erlernen, durch Ihr Handeln verschlechtern, meine Damen und Herren.
Herr McAllister, besonders gewundert hat mich, dass Sie den Mut hatten, zu sagen, dass man auch in Fortbildungen, in Tagungen, in Seminaren lernen muss, wie sich die deutsche Gesellschaft, die deutsche Kultur, das deutsche Rechtswesen und die Demokratie bei uns entwickeln. Wenn das so ist, Herr McAllister, warum wagt es dann Niedersachsen als einziges Land in Deutschland, ausgerechnet zu einer Zeit, in der Fanatismus und übrigens auch Rechtsradikalismus wieder anwachsen, die Landeszentrale für politische Bildung zu schließen?
Warum kürzen Sie ausgerechnet bei der Prävention, bei Präventionsprojekten gegen rechte Gewalt? - Wenn der Innenminister des Landes Niedersachsen darauf verweist - was richtig ist -, dass die Sprachförderung gefördert werden muss, insbesondere die nachholende Sprachintegration, Herr McAllister, warum gibt es dann ausgerechnet in der Titelgruppe für Integration und Betreuung von Ausländern im Einzelplan Ihres Innenministers eine Kürzung um 1 Million Euro auf 1,2 Millionen Euro? Was hat das mit der Rede zu tun, die Sie hier gehalten haben? Was hat das mit der Förderung zu tun, die der Innenminister verlangt?
Meine Damen und Herren, ich sage noch einmal: Solange wir uns in den Reden einig sind, in der politischen Praxis aber das Gegenteil tun, werden wir nicht wirklich etwas bewegen, und zwar weder bei der Integrationsleistung im Bereich der Sprache noch in allen anderen Bereichen.
Eine letzte Bemerkung zu der Behauptung, Herr Schünemann habe im Integrationsgesetz und an anderen Stellen durchgesetzt, dass man etwas dagegen tun könne, dass jemand Hilfe - z. B. Sozialhilfe oder in Zukunft Arbeitslosengeld II - bekommt, wenn er nicht an Integrationsmaßnahmen teilnimmt. Meine Damen und Herren, das ist geltende Rechtslage, und zwar sowohl im alten Bundessozialhilfegesetz als auch in dem neuen SGB II und auch im SGB XII, das ab 1. Januar 2005 greifen wird. Es ist schlicht und ergreifend so - das war übrigens schon immer so -, dass immer dann, wenn Maßnahmen verweigert werden, die helfen können, sich z. B. im Arbeitsleben zu integrieren, die Sozialhilfeleistung gekürzt werden kann. Es gibt nach dem neuen Sozialhilferecht übrigens so
gar Eingliederungsvereinbarungen, in denen dies vorgesehen wird. Danach wird, wenn man als Hilfeempfänger einer Eingliederungsmaßnahme nicht Folge leistet, im ersten Schritt die Sozialhilfe um 10 % gekürzt. Wenn man an den Sprachkursen nicht teilnimmt, wird die Sozialhilfe sogar noch wesentlich stärker reduziert. Es gibt sogar die Möglichkeit, bei der Sozialhilfe, wenn dadurch das Existenzminimum nicht gefährdet wird, auf null zu gehen. Beim Arbeitslosengeld II ist diese Möglichkeit ebenfalls vorgesehen. Ich kann mich nicht erinnern, dass Sie die Hartz IV-Gesetze durchgesetzt haben. Es waren SPD und Grüne, die dies im Deutschen Bundestag getan haben.
(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Das haben wir gemeinsam gemacht! Das wissen Sie ganz ge- nau!)
Warum komme ich auf dieses Thema zu sprechen? Ich komme nicht darauf zu sprechen, um zu kritisieren, wer dieses oder jenes getan hat. Mir geht es darum: Wenn man bei der Sprache, die man spricht, nicht aufpasst, trifft man wieder die Falschen. Wenn Sie so tun, als müsse man in Zukunft erst einmal dafür sorgen, dass den Ausländern, die Sozialhilfe bekommen, anständig auf die Füße getreten wird, und wenn dann auch noch gesagt wird, man müsse die Sozialhilfe gänzlich streichen, bedienen Sie damit Leute - dessen bin ich sicher -, die Sie gar nicht meinen. Deswegen bin ich dafür, dass Seriosität in der Debatte absoluten Vorrang hat.
Sie müssen also klar sagen: Das alles steht im Gesetz; das alles beinhaltet bereits das Bundessozialhilferecht. Wenn Sie dann der Überzeugung sind, dass das Instrumentarium in der Vergangenheit nicht ausreichend angewandt worden ist, finden Sie uns im Zweifel sogar an Ihrer Seite. Das ist dann aber eine andere Debatte, als wenn Sie so tun, als müsse man Sozialhilfeempfängern, die aus dem Ausland kommen, erst einmal richtig auf die Füße treten.
Es ist völlig klar: Jemand, der in Deutschland integriert werden will, erreicht das am besten durch Arbeit. Diejenigen, die keine Arbeit haben, müssen unbedingt dazu gebracht werden, die deutsche Sprache zu erlernen. Das gilt im Grunde für alle, mit Ausnahme von holländischen Talkmastern, ita
- Wenn Menschen hierher kommen, die die deutsche Sprache nicht können, aber in der Öffentlichkeit eine wichtige Rolle spielen - beispielsweise im Fußball -, fällt uns nicht ein, ihnen vor der Einreise abzuverlangen, dass sie die deutsche Sprache lernen.
Deshalb habe ich folgende Bitte: Wenn wir ernsthaft etwas verändern wollen, brauchen wir erstens eine seriöse Diskussion.
Zweitens müssen wir dafür sorgen - das gilt für die Seite des Hauses, die ich hier anspreche, ganz besonders -, dass zu dem, was man sagt - -
- Ich konnte mir vorstellen, dass Ihnen das nicht gefällt. Ich sage es Ihnen deshalb noch einmal: Solange Sie Sprachintegration in Niedersachsen streichen, sind es hohle Parolen, wenn Sie hier in der Aktuellen Stunde solche Reden halten.
Toleranz das Auseinandersetzen mit dem anderen, mit dem Fremden. Unsere Gesellschaft ist zurzeit zu verunsichert, als dass sie in der Lage wäre, sich wirklich angstfrei mit dem Fremden auseinander zu setzen. Das ist in der Tat unser eigentliches Problem. Angst macht eine Gesellschaft schwach. Aus dieser Schwäche heraus wird allzu häufig und manchmal auch etwas leichtfertig der starke Staat gefordert, der in der Tat teilweise Gutes tut, denn er bekämpft die Feinde der Demokratie - Hassprediger, Islamisten und auch Neonazis, die offensichtlich Gegner dieses Rechtsstaates sind -, und das ist richtig und notwendig. Nur eine starke Gesellschaft ist in der Lage, das tolerante Miteinander verschiedener Kulturen dauerhaft zu garantieren. Deswegen sagen wir Ihnen: Wir brauchen natürlich einen gut funktionierenden Staat. Was wir aber vor allem brauchen, ist eine starke Gesellschaft.
Das eigentliche Problem in unserer Gesellschaft ist nicht das des gewaltbereiten Islamismus oder Extremismus und übrigens auch nicht die finanzielle Ausstattung von staatlichen Institutionen wie der Landeszentrale für politische Bildung. Das eigentliche Problem ist vielmehr das sehr weit verbreitete Phänomen der Alltagsintoleranz. Ich sagte, dass Toleranz etwas damit zu tun hat, dass man das Fremde annimmt bzw. sich mit ihm auseinander setzt. Man kann feststellen, dass diese Fähigkeit in unserem Lande ein wenig verloren gegangen ist. Dies hat unserer Meinung nach wenigstens zwei Gründe.
Der erste Grund ist die Angst. Aus Angst vor dem Fremden wird jede Auseinandersetzung mit dem anderen von vornherein gemieden. Der zweite Grund ist, dass aus einer naiven Multikulti-Geisteshaltung heraus,
genau wie jetzt, kritiklos jede Form des Fremden einfach hingenommen und schlichtweg akzeptiert wird. Längst hat in dieser Hinsicht die Toleranz der aktiven Ignoranz Platz gemacht.
Beides schadet letztlich der Integration, denn wir leben dann nur noch nebeneinander und nicht gemeinsam miteinander. Genau deshalb ist es Aufgabe von Politik, wieder für mehr Toleranz in der Gesellschaft zu werben.
Wir stehen in der Pflicht, den Menschen beispielsweise die Angst zu nehmen, sich mit dem Fremden auseinander zu setzen. Wir können dies tun, indem wir deutlich machen, dass unser Land und auch unser Bundesland durch seine eigene Geschichte - angefangen bei den Flüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg über die Boat People bis hin zu Aussiedlern der verschiedenen Gruppen immer Einwanderungsland gewesen ist, bleiben wird und auch bleiben muss.
Einwanderung ist für uns keine Bedrohung, sondern ein stetig fortschreitender Prozess. Angesichts unserer demografischen Entwicklung sage ich Ihnen: Einwanderung ist geradezu eine Notwendigkeit für unsere Gesellschaft.