Protocol of the Session on October 29, 2004

Meine Damen und Herren, Moorschutz und Naturschutz sind oft nicht so schnell zu verwirklichen, wie man es sich wünscht. Er hat etwas mit Grundund Bodenrechten zu tun und mit erforderlichen Geldmitteln, vor allem aber mit Menschen, die mitgenommen werden müssen. Das kann man nicht so schnell über das Knie brechen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir sollten die bisherigen Erfolge nicht klein reden, sondern sie wahrnehmen und sie kontinuierlich weiterführen: unter Einbeziehung aller interessierten und aller daran beteiligten Menschen.

(Clemens Große Macke [CDU]: Nur so geht das!)

Wenn Sie, meine Damen und Herren, einmal gut praktizierten Moorschutz kennen lernen wollen, dann lade ich Sie herzlich gerne in den Landkreis Diepholz ein. Dort haben wir Moore unterschiedlicher Art, in denen Sie eine Tier- und Pflanzenwelt kennen lernen können, die Sie sonst nirgendwo mehr finden, wo viele Landwirte sehr große Rücksicht auf Natur nehmen, weil es langsam gewachsen ist. Nur so wird es auch in Zukunft gehen.

Der Moorschutz wird von uns weitergeführt und weiter ausgebaut. Sie alle können sicher sein, dass dieses einzigartige Naturerbe erhalten bleibt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Frau Kollegin Schröder. - Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Kollegin Somfleth zu Wort gemeldet. Bitte schön!

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Klär‘ die mal auf! - Gegenruf von Christian Dürr [FDP]: Das mache ich dann!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als wir das letzte Mal in diesem Hause zum Thema Moorschutz gesprochen haben - das war im November 2002 -, hat uns die Kollegin Ortgies darauf

hingewiesen, dass wir uns in regelmäßigen Abständen mit dem Thema Moorschutz beschäftigen und dass deshalb an sich keine großen Reden mehr gehalten werden müssten. Damals habe ich Ihnen zugestimmt, Frau Ortgies. Seinerzeit herrschte noch große Einmütigkeit hier im Hause. Die CDU-Fraktion hatte dem SPD-Antrag „Den Schutz der niedersächsischen Moore fortentwickeln“ zugestimmt. Ich würde mich freuen, wenn es auch heute und in Zukunft bei diesem Thema eine gemeinsame Position gäbe. Aber Redebedarf gibt es zurzeit wieder mehr als genug, Frau Ortgies, auch wenn er vor Jahren nicht zu bestehen schien.

Frau Kollegin Somfleth, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Ortgies?

Bitte, wenn das nicht zu viel Zeit in Anspruch nimmt.

Sie sehen vielleicht, wer diesen Antrag eingebracht hat. Wir hätten das in Gesprächen fraktionsübergreifend hinbekommen. Dieser Antrag ist nicht von der CDU-Fraktion und auch nicht von der SPD-Fraktion, sondern von den Grünen eingebracht worden.

(Zuruf von den GRÜNEN: Ist das schlimm?)

Jetzt ist es schwierig, Frau Somfleth, eine Frage zu beantworten.

Ich akzeptiere, dass Frau Ortgies, die ja in der letzten Legislaturperiode sehr engagiert an diesem Thema gearbeitet hat,

(Clemens Große Macke [CDU]: Bei- spielhaft!)

eine Stellungnahme abgeben wollte.

Ich möchte an dieser Stelle gerne, ebenso wie Frau Steiner, auf ein aktuelles Beispiel zurückkommen. Dieses Beispiel macht meiner Meinung

nach den Antrag der Fraktion der Grünen nachvollziehbar und zeigt vor allem, dass dieser Antrag notwendig ist. Trotz des großen Einverständnisses, das in der Landtagssitzung im November 2002 herrschte, hat sich unter der neuen, CDU/FDPgeführten Regierung in Sachen Moorschutz einiges wesentlich verändert und, wie ich fürchte, verschlechtert. Herr Minister Sander, das sind keine Klagelieder, sondern Tatsachen.

Ich erinnere mich noch gut, dass unser damaliger Umweltminister Jüttner in seiner Rede zum Thema Moorschutz die Esterweger Dose explizit angesprochen hat. Damals, vor fast zwei Jahren, hat er ausgeführt, dass für das Gebiet der Esterweger Dose die Ausweisung zum Naturschutzgebiet unmittelbar vor dem Abschluss stehe. Auch Frau Steiner hat schon darauf hingewiesen. Wie sieht es heute unter dem neuen Umweltminister aus, der doch angeblich Politik mit den Menschen macht?

(Zuruf von der CDU: Nicht „angeb- lich“!)

Ausweisung der Esterweger Dose? - Fehlanzeige! Die Esterweger Dose ist mit mehr als 5 000 Hektar das größte und wichtigste Moorschutzgebiet in Niedersachsen. Das hat auch schon Ministerpräsident Albrecht 1981 erkannt und das angesprochene Moorschutzprogramm erlassen, das dann Mitte der 90er-Jahre fortgeschrieben wurde. Die Zielsetzung war und bleibt die weitestgehende Wiederherstellung natürlicher Moore und die Renaturierung der abgetorften Flächen.

Wie einige von Ihnen vielleicht noch wissen, hat das Land damals, zu SPD-Zeiten, unter hohem finanziellen und personellen Aufwand in intensivsten Verhandlungen mit Kommunen, mit Landwirten und der Torfindustrie für die zukünftige Entwicklung des Gebietes einen Plan entwickelt und in eine Naturschutzgebietsverordnung einfließen lassen. Dabei haben gerade die Abtorfungsflächen eine entscheidende Bedeutung z. B. für die Bruterfolge des Goldregenpfeifers, auch wenn Herr Minister Sander das, wie ich einer Aussage vom Mittwoch entnehme, etwas anders sieht.

Trotzdem - das war ein Ergebnis dieser intensiven Verhandlungen - kann die Torfindustrie in diesen Flächen immer noch flexibel gemäß ihren Bedürfnissen arbeiten. Aber der Naturschutz ist als verlässlicher Partner in der Region anerkannt. In den vergangenen Jahren konnten viele Konflikte entschärft oder beseitigt werden.

Dies ist Politik mit den Menschen, Herr Minister, die Sie doch an sich lediglich fortsetzen müssten. Nun aber, 23 Jahre nach Verabschiedung des CDU-Moorschutzprogrammes, scheint die CDU/FDP-Landesregierung neue Ziele zu verfolgen. Anders kann ich mir die Schlagzeilen der letzten Wochen aus der Region nicht erklären, die da lauteten: „Ackern im Vogelschutzgebiet“ oder „Pachtverlängerung als Präzedenzfall“. Was ist dort passiert? - Herr Umweltminister Sander, dort ist, weil die Naturschutzgebietsverordnung auch nach zehn Jahren immer noch nicht beschlossen ist und wahrscheinlich noch beim Staatssekretär in der Schublade liegt - oder haben Sie sie ähnlich wie am Mittwoch dabei? -, einem einzelnen Landwirt eine Verlängerung seiner auslaufenden Pachtverträge in der Esterweger Dose zugesagt worden - erst einmal für ein Jahr, aber mit der Option auf eine jährliche Verlängerung. Das stellt meines Erachtens aber das gesamte Entwicklungskonzept für die Esterweger Dose in Frage und gefährdet obendrein auch noch den dauerhaften Schutz der angrenzenden Flächen. Man könnte uns - den Grünen und der SPD - ja vorwerfen: Da sind mal wieder ideologisch verblendete Naturschützer am Werk, die nur gegen den Minister stänkern wollten.

(Christian Dürr [FDP]: Davon haben auch wir gehört!)

Aber, Herr Minister Sander, in diesem Fall trifft es nicht nur den Naturschutz, sondern auch die Landwirtschaft in der Region. Denn obwohl es ein Gesamtkonzept für die Esterweger Dose gibt, das mühsam, aber konstruktiv in der Region vor allem mit den Landwirten abgestimmt worden ist, verschaffen Sie nun einem einzelnen Landwirt einen Vorteil.

In diesem Zusammenhang möchte ich gerne noch einmal auf die Kollegin Ortgies zurückkommen. Die Flächen der Esterweger Dose sind in den vergangenen Jahren mit hohem finanziellen Aufwand vom Land erworben worden. Sie, Frau Ortgies, haben im November 2002 die Position Ihrer Fraktion sehr deutlich gemacht. Sie haben gesagt: Der Schutz der landeseigenen Moorflächen muss weiter verfolgt werden, und eine ausreichende Kontrolle zur Verwirklichung des Schutzzweckes muss gewährleistet sein.

(Ulrike Schröder [CDU]: Genau rich- tig!)

- Genau. Wo sonst, wenn nicht auf landeseigenen Flächen kann dies ohne Wenn und Aber passieren? Und was geschieht jetzt? - Jetzt wird, weil die Naturschutzgebietsverordnung noch nicht beschlossen ist, für einen einzelnen Landwirt eine Pachtverlängerung auf landeseigenen Flächen gewährt mit der Option auf Verlängerung.

(Clemens Große Macke [CDU]: Um ein Jahr!)

Warum das? - Dort kann intensiver Landbau betrieben werden. Es ist wirklich die Frage, ob dies mit der Schutzgebietsverordnung übereinstimmt.

(Clemens Große Macke [CDU]: Es ändert sich nichts!)

Ich bin der Meinung, der Moorschutz in Niedersachsen war auch mit Ihnen, Frau Ortgies und meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, bis zum Jahre 2003 auf einem guten Weg. Ich hoffe, dass wir gemeinsam den Umweltminister wieder auf diesen guten Weg zurückführen können.

(Christian Dürr [FDP]: Er ist schon viel weiter!)

Wir alle wissen, was passiert, wenn man im Moor vom Weg abkommt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Dann muss man sich am eigenen Schopf wieder aus dem Sumpf zie- hen!)

- Wenn man das schafft. - Ich freue mich auf eine konstruktive Diskussion im Ausschuss und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. - Für die FDPFraktion hat nunmehr Herr Kollege Dürr das Wort. Bitte sehr, Herr Dürr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Niedersachsen ist das Land mit den meisten Mooren. Ohne jeden Zweifel ist der Moorschutz ein wichtiges umweltpolitisches Ziel. Darin sind wir uns alle einig. Das ist gerade deutlich ge

worden. Nicht umsonst hat der Moorschutz, wie bereits von der Kollegin Schröder ausgeführt, eine lange Tradition in diesem Land. Aber, meine Damen und Herren, man darf auch nicht beiseite schieben, dass es in der Vergangenheit hier und da Konflikte gegeben hat. Letztendlich geht insbesondere ein vom Land geförderter Moorschutz nicht ohne die betroffenen Menschen vor Ort. Wenn ich sage „nicht ohne die Betroffenen“, dann meine ich vor allem auch die Flächennutzer, Herr Kollege Janßen. Gerade die Landwirte, die wir für den Naturschutz der Zukunft ganz dringend brauchen, müssen wir beim Moorschutz mit einbinden. Sie dürfen nicht das Gefühl bekommen, es würde über ihre Köpfe hinweg entschieden. Das schürt nämlich Misstrauen, meine Damen und Herren. Dann droht, dass wir das, was wir mit dem Moorschutz aufbauen wollten, mit dem Hintern wieder umstoßen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von der SPD: Das ist aber nicht parlamentarisch!)

Hier einen Vorwurf abzuleiten, die Ausweisung von Naturschutzgebieten würde behindert, ist nicht richtig. Es geht nicht um Verhindern, sondern um zielorientierte Entscheidungen zugunsten aller Beteiligten. Das sind eben nicht nur die Naturschützer,

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das Moor!)

sondern auch die Grundeigentümer. Neben den bereits angesprochenen Landwirten ist es auch die dort tätige Torfwirtschaft. Bei Entscheidungen über die Inanspruchnahme von Natur ist es fast immer notwendig, Kompromisse zu schließen. Dies mit Augenmaß zu tun, sollte dabei unser aller Ziel sein.

(Zuruf von Hans-Joachim Janßen [GRÜNE])

- Herr Kollege Janßen, ganz ruhig! Jetzt kommt nämlich ein Lob für die Grünen. Das kommt bei mir ganz selten vor. Ich möchte einmal die Rede von Frau Kollegin Steiner loben, die deutlich gesagt hat - ich werde mir das auch noch aus dem Stenografischen Bericht herausziehen -: Die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Moorgebieten darf nicht verhindert werden. - Ich frage mich nur, wie dazu der Satz in Ihrem Antrag passt: „Naturschutzziele werden zu Gunsten der Interessen der Torfindustrie zurückgenommen.“

(Dorothea Steiner [GRÜNE]: Das ha- be ich erklärt!)