Das war die Realität. Aus diesem Grunde klingen Ihre Einlassungen zum freien Elternwillen nicht nur unglaubwürdig, meine Damen und Herren, sondern regelrecht scheinheilig. Ich muss es so sagen. Sie sind scheinheilig!
Herr Meinhold, Ihre persönliche Haltung, die Sie hier dargestellt haben, mag ich Ihnen abnehmen, weil ich ja weiß, wie Sie denken. Warum haben Sie als Mitglied des Parlaments und der SPD-Fraktion damals dem ganzen Unsinn zugestimmt? Das müssen Sie sich fragen und vorhalten lassen.
Unsere Grundschullehrer haben zu Beginn des Schuljahres sehr wohl gute und verantwortbare Schullaufbahnempfehlungen gemacht. Übrigens, obwohl sie es 25 Jahre lang nicht mehr gemacht hatten, konnten sie das, übrigens trotz Ihrer vielen Unkenrufe. Sie haben es möglicherweise gerade wegen Ihrer vielen Unkenrufe gemacht. Die Grundschullehrer haben sich als gute Fachleute erwiesen. Sie sollten ihnen nicht ständig sagen, was sie nicht können, sondern Sie sollten ihnen auf ihrem schwierigen Weg Mut machen und ihnen den Rücken stärken.
Wir haben trotzdem die Bedingungen für die Erstellung von Schullaufbahnempfehlungen jetzt aktuell erheblich verbessert. Ich bin mir ganz sicher, dass wir damit erreichen, dass das Vertrauen der Eltern in die Schullaufbahnempfehlung weiter erhöht wird.
Erstens. Die Grundschule kann jetzt besser als vorher grundlegende Bildung vermitteln. Das heißt, es gibt für Deutsch und Mathematik mehr Unterrichtsstunden. Das hilft bei der Prognose ganz erheblich.
Zweitens. Wir haben Englisch als Pflichtfremdsprache mit einer vernünftigen und klaren Zensierung eingeführt. Auch das wird dazu beitragen,
Drittens. Jede Klasse muss jetzt mindestens zwei Lehrkräfte haben. Die müssen dort unterrichten. Auch dieses Mehr-Augen-Prinzip wird dazu führen, dass wir zu einer Verbesserung bei den Empfehlungen kommen.
Viertens. Die Durchlässigkeit hat jetzt Gesetzescharakter. Wenn sich ein Kind weiterentwickelt, haben die Eltern die Möglichkeit, dieses Kind mit Rechtsanspruch auf eine andere Schule zu schicken und dem Kind dann besser gerecht zu werden.
Fünftens. Wir haben die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus verbessert, indem wir den Dialog in das Gesetz geschrieben haben. Das bedeutet insbesondere, dass dann, wenn die Schullaufbahnempfehlung erstellt wird, die Zusammenarbeit sehr intensiv stattfindet. Auch das wird dazu beitragen, dass die Akzeptanz der Schullaufbahnempfehlung erhöht wird.
Alle diese Maßnahmen zusammen führen dazu, dass unsere Grundschullehrer eine verbesserte Ausgangslage bekommen, wenn sie Schullaufbahnempfehlungen erstellen, und es wir dazu führen, dass die Eltern in höherem Maße akzeptieren, was in der Schullaufbahnempfehlung steht. Das erhoffe ich mir davon.
Herr Meinhold, Sie haben zur Hauptschule nichts gesagt, aber im Antrag vermitteln Sie den Eindruck, als wenn Sie die Hauptschule stärken wollten und Sorgen über die Zukunft der Hauptschule hätten. Ich kann dazu nur sagen: Nach alldem, was ich von Ihrer Politik verstanden habe, ist das pure Heuchelei gegenüber den Hauptschülerinnen und Hauptschülern!
Sie haben immer respektlos über Hauptschullehrerinnen und Hauptschullehrer geredet. Das hat gestern Ihre Kollegin aus Wolfsburg hier auch noch einmal gemacht: Hauptschule ist Restschule, Hauptschule führt in die Sackgasse. Sie haben mehr als ein Jahrzehnt lang die Hauptschule personell und inhaltlich ausgeblutet. Das ist leider die Wahrheit. Und dann haben Sie sie sogar faktisch
Meine Damen und Herren, jetzt wundern Sie sich, dass die Eltern die von Ihnen schlecht gemachte Hauptschule nicht in ausreichendem Maße anwählen. Was halten Sie eigentlich von unseren Eltern? Das ist doch eine Haltung, meine Damen und Herren, die an Zynismus grenzt. Das muss ich Ihnen sagen. Und das ist Zynismus auf dem Rücken der Kinder. Das können wir nicht akzeptieren. Wir können diese Art und Weise von Politik überhaupt nicht nachvollziehen. Für mich ist diese Art und Weise scheinheilig; ich muss das wiederholen.
Angesichts Ihrer jahrelangen Negativmeldungen ist das Ergebnis der Anwahl an die Hauptschule gar nicht schlecht. So muss man das verstehen. Ich behaupte sogar, Herr Meinhold, dass sich Ihre Partei eine schlechtere Anwahl gewünscht hätte, damit sie ihr politisches Süppchen weiter kochen kann. Das ist leider die Realität. Indem Sie jahrelang auf die Hauptschule geschimpft und die Hauptschüler ausgegrenzt haben, haben Sie eine Politik gemacht, die die Schüler bewusst von der Hauptschule weggetrieben hat. Das muss man einfach sagen, weil es leider politische Realität ist.
Wir haben der Hauptschule jetzt einen höheren Stellenwert gegeben, endlich ein Profil für die Hauptschule, die die Hauptschule auch erkennbar macht. Das ist keine Gleichmacherei; das kann ich Ihnen sagen. Wir eröffnen den Kindern wieder neue Chancen. Wir haben die Hauptschule inhaltlich und organisatorisch auf die Arbeitswelt ausgerichtet, und zwar mit Sozialpädagogen, mit Ganztagsbetreuung. Ich bin ganz sicher, meine Damen und Herren, wenn diese neue Hauptschule so, wie sie sich jetzt entwickelt, bei den Eltern und bei den Ausbildungsbetrieben bekannt wird, wird sie wieder sehr, sehr attraktiv und voll akzeptiert. Das braucht natürlich Zeit. Die Hauptschüler, die diese Hauptschule verlassen, sind fit für eine Ausbildung; das kann ich Ihnen sagen.
Ich kann Ihnen auch sagen: Wer das so macht, wie Sie es über Jahre gemacht haben, dass Ihnen 20 % der Abgänger der Hauptschule, die nicht die Ausbildungsfähigkeit hatten, völlig egal waren, weil Sie sich gar nicht darum gekümmert haben, der kann hier nicht über Hauptschule sprechen und nicht den Eindruck erwecken, als wenn ihm das ernst sei.
Ich bin mir ganz sicher, dass die Eltern, dass die Lehrkräfte, dass die Schüler sehr wohl wissen, wer sie bei ihren Problemen, bei ihren Chancen ernst nimmt, wer sich um ihre Zukunft kümmert. Und ich bin mir auch sicher, dass die Leute merken, wer sich nicht darum kümmert.
Der Antrag der SPD-Fraktion ist eine reine parteipolitische Taktiererei. Das muss man leider in der Realität so feststellen. Das ist nicht verboten. Wenn man aber eigene Überzeugungen verleugnen muss, um parteitaktische Vorteile zu gewinnen, dann ist das bei einem Thema, bei dem es um die Zukunftschancen der Kinder geht, denkbar ungeeignet. Das muss ich Ihnen ins Stammbuch schreiben.
(Walter Meinhold [SPD]: Freiheit! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das kann der Höhepunkt des Tages werden, Herr Kollege! - Walter Meinhold [SPD]: Nun langen Sie mal zu! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Gib Gas!)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Meinhold und Frau Korter, am Kern der Sache haben Sie komplett vorbeigeredet. Ich komme gleich darauf zurück. Der Antrag der SPD-Fraktion ist aus Sicht der FDP-Fraktion nicht geeignet, die Qualität an unseren Schulen zu verbessern. Die SPD-Fraktion stellt in der Begründung zu ihrem Antrag fest, dass es zum Beginn des laufenden Schuljahres 32,5 % Hauptschulempfehlungen gegeben habe, dieser Empfehlung aber nur 21 % der Eltern gefolgt seien. Das ist ein Vorgang, mit dem wir es seit Jahren zu tun haben.
Es war genau meine Absicht, nicht nur auf diesen Missstand hinzuweisen und auf ihn aufmerksam zu machen - denn das kann ja jeder -,
Ich habe die Auswirkungen dieser Regelung, die aus dem Jahr 1979 stammt, in dem die Orientierungsstufe eingeführt worden ist, hautnah mitbekommen, ganz intensiv z. B. in meiner Eigenschaft als Vertrauenslehrer. Jemand, der diesen Beruf mag, den schmerzt es enorm, wenn er sieht, wenn ein Kind mit gutem Willen, aber völlig hoffnungslos gegen Überforderung hilflos ankämpft, wenn er sieht, wie sich der Frust von Monat zu Monat vergrößert und welche Schwierigkeiten es für genau dieses Kind bedeutet, sich nach einer Rückstufung in einer anderen Schulform zurechtzufinden.
Ganz abgesehen davon, dass die damit verbundenen Probleme ja nicht nur den betroffenen Schüler oder die betroffene Schülerin belasten, sondern auch vermeintlich völlig unbeteiligte Mitschüler in eine Situation hineinziehen, die dem persönlichen Fortkommen absolut nicht zuträglich ist. Hinzu kommt, dass Lehrkräfte verpflichtet sind, sich auch um die Schwächsten in ihrem Klassenverband zu kümmern, wofür sie viel Zeit investieren müssen, wobei der Lernfortschritt logischerweise gebremst wird. Das hat mit Qualitätsentwicklung und mit Eröffnung von Chancen für die niedersächsischen Schüler, Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden, nichts, aber auch gar nichts zu tun. Jeder, der sich mit dieser Problematik auch nur ansatzweise beschäftigt hat, weiß, dass ich Recht habe. Und was geschieht hier? - Die Diskussion über dieses Thema verläuft genau so, wie ich mir parlamentarische Arbeit nicht vorstelle. Sie verläuft genau so, wie ich es von der SPD und von der Partei der bekennenden Besserwisser erwartet habe. Sie wollen Denkverbote erteilen
nach dem Motto: Die FDP hustet, die SPD bekommt die Grippe, die FDP macht einen Vorschlag, und die SPD formuliert mit unglaublicher Ignoranz angesichts eines offen liegenden Problems einen Totschlagantrag, der jede Diskussion zunichte machen soll: Blockade im Kopf und unfä
hig, Hilfestellung genau denjenigen zu gewähren, die unter dieser Situation gelitten haben und auch in Zukunft noch leiden werden. Uns Klienteldenken vorzuwerfen, ist absurd. Ich weise dies aufs Schärfste zurück.
Was tun Sie, Frau Korter und Herr Meinhold, um genau diesen Kindern zu helfen? - Antwort: Nichts, gar nichts!
Begründung: Weil Ihnen der Mut fehlt, sich mit Eltern auseinander zu setzen, die in bester Absicht für ihre Kinder trotz intensiver Beratung zu schwerwiegenden Fehleinschätzungen kommen. Nach unserem Vorschlag bleiben die Eltern an dem Verfahren selbstverständlich beteiligt. Wenn Empfehlung und Elternwunsch nicht deckungsgleich sind, müssen die Eltern die Möglichkeit der Mitwirkung haben. Was ist eigentlich so dramatisch verkehrt daran, dass man in einem solchen Fall dem Kind die Chance einräumt, einen Nachweis dafür zu erbringen, dass es doch für diejenige Schulform geeignet ist, die sich die Eltern vorstellen?
Glücklicherweise hat sich Kultusminister Busemann zu dieser Frage auch früher schon einmal geäußert. Er hat erklärt, dass es in dieser Diskussion kein Tabu geben dürfe. Wir haben ein Problem offen angesprochen, das unangenehm ist und von allen Parteien unter den Tisch gekehrt wird. Wir haben das im Sinne der Kinder getan, die unter der bestehenden Situation gelitten haben. Für den Antrag der SPD-Fraktion gibt es keine Grundlage. Üblicherweise braucht man nichts abzulehnen, was bisher noch nicht beantragt worden ist. Der Sinn dieses Antrages war aber auch nur der, die Diskussion im Keim zu ersticken. Ich rufe Sie alle auf: Diskutieren Sie mutig und vorurteilsfrei mit uns.
Das Wort für die SPD-Fraktion hat noch einmal Herr Walter Meinhold. Herr Meinhold, Sie haben noch fünfeinhalb Minuten Redezeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Klar ist erstens: Die FDP-Fraktion bleibt bei ihrem Vorschlag, den sie am 15. September hier im Plenum gemacht hat. Die CDU-Fraktion wird sich dazu noch einmal äußern müssen; denn Herr Klare hat hier gesagt, es gebe in dieser Frage keine Irritationen. Wir nehmen ihn hier beim Wort.
Zweitens. Losverfahren, so haben Sie, Herr Klare, gesagt, bedeuten eine Einschränkung des Elternwillens. Was steht nun aber im geltenden Schulgesetz? Es wird auch bei Ihnen in einem Fall immer ein Losverfahren geben müssen, nämlich dann, wenn die Zahl der Anmeldungen an einer Schule deren Kapazitäten überschreitet. In diesem Fall muss die Schule eine Möglichkeit haben, um zu sagen: Wir können 250 Schülerinnen und Schüler aufnehmen, 30 aber nicht. Es muss ein Verfahren geben. Das ist üblicherweise ein Losverfahren. Mit einer Einschränkung des Elternwillens hat das nichts zu tun, weil die Kinder, die das Gymnasium X nicht besuchen können, dann an das Gymnasium Y gehen können. Das bedeutet lediglich eine Einschränkung in der Wahl des Standorts des Gymnasiums, nicht aber im Hinblick auf die Schullaufbahn.
Drittens. Über das Thema Hauptschulprogramm reden wir gleich noch. Herr Klare, Sie haben die Mittel zweimal abgesenkt. Von 5,2 Millionen auf 5 Millionen und jetzt noch einmal. Das ist Ihre Stärkung des Hauptschulprogramms. Außerdem ist der groß angekündigte Praxistag des Ministers gleich null, nichts läuft. Der für die Klassen 8 und 9 angekündigte Praxistag, der einmal pro Woche stattfinden soll, ist an den Realitäten - übrigens wussten das alle schon vorher - gescheitert. Es gab also nur eine große Ankündigung. Das, was jetzt gemacht wird, machen die Hauptschulen schon seit langem.