Drittens. Über das Thema Hauptschulprogramm reden wir gleich noch. Herr Klare, Sie haben die Mittel zweimal abgesenkt. Von 5,2 Millionen auf 5 Millionen und jetzt noch einmal. Das ist Ihre Stärkung des Hauptschulprogramms. Außerdem ist der groß angekündigte Praxistag des Ministers gleich null, nichts läuft. Der für die Klassen 8 und 9 angekündigte Praxistag, der einmal pro Woche stattfinden soll, ist an den Realitäten - übrigens wussten das alle schon vorher - gescheitert. Es gab also nur eine große Ankündigung. Das, was jetzt gemacht wird, machen die Hauptschulen schon seit langem.
Nun, Herr Klare, eine persönliche Anmerkung. Zu Ihrer Unterstellung, die Sie mir als engagiertem Hauptschulleiter und meiner Fraktion gemacht haben, dass nämlich das, was wir zu den Hauptschülern gesagt hätten, absolut falsch sei, kann ich nur sagen: Es tut mir Leid, dass Sie auf dieses Niveau abrutschen.
- das ist keine Hilfe für Kinder - mit zwischengeschobenen Diktaten, Rechtschreibarbeiten oder was auch immer ein Kind in die Beweispflicht bringen. Das ist riskant. Ich sage Ihnen etwas: Wir, die Lehrerinnen und Lehrer und die Schule, stehen in der Verantwortung, den Kindern zu helfen und den Kindern Fördermöglichkeiten zu eröffnen. Ich frage jetzt aber nur: Wer hat die Hausaufgabenhilfe für diese Kinder denn gestrichen? - Damit das ganz klar ist. Das ist die eine Geschichte. Gucken Sie sich einmal die Summen an, die im Bereich der Sprachförderung gestrichen worden sind. Sie haben nicht einen einzigen Lehrer für Sprachförderung eingestellt. Sie haben gesagt, Sprachförderung werde aus dem Bedarf gedeckt. Nach unserem Konzept sollten 350 Lehrerinnen und Lehrer für Sprachförderung flächendeckend eingestellt werden, und mit der Sprachförderung sollte ein halbes Jahr vor Schulbeginn begonnen werden. Dafür braucht man Lehrerinnen und Lehrer. Sie aber haben genau diesen Bereich der Förderung komplett gestrichen. Dafür sagen Sie: Einschränkung des eigenverantwortlichen Elternwillens. - Sie wissen ganz genau, dass die Hausaufgabenhilfe und auch bestimmte Sprachfördermaßnahmen nie Ihre Klientel treffen. Sie wissen, welche Klientel diese Maßnahmen treffen. Genau diese Klientel wollen Sie weder an der Realschule noch am Gymnasium sehen. Deshalb wollen Sie die Beweispflicht den Schülerinnen und Schülern zuschieben. Schlimmer, Herr Schwarz, geht Ihre Begründung nicht, wenn Sie vom Wohl des Kindes reden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin der SPD-Landtagsfraktion außerordentlich dankbar dafür,
dass Sie der Landesregierung die Möglichkeit gibt, ihre bildungspolitischen Grundsatzpositionen noch einmal deutlich zu machen. Für Steilvorlagen, Herr Meinhold, ist man immer dankbar.
Ich muss aber ehrlich sagen: Über Ihren Antrag habe ich geschmunzelt. Das ist aber beinahe untertrieben. Leider ist Herr Gabriel nun wieder nicht da. Er fehlt schon seit heute Morgen, seit 20 Minuten sogar entschuldigt.
(Walter Meinhold [SPD]: Er ist doch regulär entschuldigt! Das wissen Sie doch! - Weitere Zurufe von der SPD)
- Wir müssen uns bei dieser Thematik schon mit Herrn Gabriel befassen, damit wir hier wissen, wer der richtige Anwalt für die Sache ist. Ansonsten fällt mir zu Herrn Gabriel nur ein: Der Bock von gestern versucht heute, Gärtner zu spielen.
Nun sehe ich, dass Herr Gabriel diesen Antrag auch noch unterschrieben hat. Da kann ich ihm nur noch so etwas wie eine bildungspolitische Amnesie unterstellen. Ich will das noch einmal in Erinnerung rufen: Die Förderstufe von Herrn Gabriel, also die Änderung des Niedersächsischen Schulgesetzes in der Auslaufphase der Regierung Gabriel, hat - ich zitiere den Landeselternrat aus seiner Presseerklärung vom 19. Februar 2002 - „den Elternwillen ad absurdum geführt, weil die Kinder über Lostopf oder Schulbezirke einer Zwangsförderstufe zugewiesen werden konnten.“
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat sich am 20. Januar 2003 mit Gabriels Schulpolitik und mit der Problematik Elternwillen befasst:
„Das Sinnlose verstehen: Sigmar Gabriels Schulpolitik. So funktioniert das also. Schüler ganz unterschiedlicher Leistungsstärke bekommen einen Unterricht an ganz unterschiedlichen Schulen, von dem der Gesetzgeber aber befindet, er sei gleichwertig, weshalb man die Kinder auch ihren Schulen zulosen oder per Bezirksfestlegung zuweisen kann. Die Devise für das zukünftige private Bildungsglück in Niedersachsen lautet: Daumen drücken oder umziehen.“
Jetzt setzen Sie sich bitte einmal mit dem alten Prinzip des Etikettenschwindels auseinander! Was wollen Sie eigentlich? Die Förderstufe nach altem Modell, die neue Regionalschule, die neue Verbundschule oder das alte Einheitsschulkonzept, bei dem man dann noch fragen darf, Klassen 1 bis 9 oder 1 bis 10?
Ich kann zu dem, was sich bei Ihnen konzeptionell abzeichnet und was für 2008 vorgelegt werden soll, nur sagen: Da findet der Elternwille überhaupt nicht mehr statt.
Eine Schule für alle! Wo muss denn da noch der Elternwille abgefragt werden? Wenn die Kinder die 9. oder 10. Klasse absolviert haben, sind sie fast volljährig, und dann haben die Eltern auch nichts mehr zu sagen. Ich kann mich über die Vorstellungen, die Sie entwickeln, nur wundern. Danach gibt es überhaupt kein Elternwahlrecht mehr, eben weil alle Kinder auf die Einheitsschule vor Ort geschickt werden sollen.
Die Alternativen für die Eltern in Niedersachsen lauten also: Unter dieser Landesregierung können sie die richtige Schule für ihr Kind auswählen, unter einer roten oder rot-grünen Landesregierung hingegen würden die Kinder auf die Einheitsschule geschickt. Ich bin ganz sicher, meine Damen und Herren, dass viele Eltern bei der Wahl 2008 von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden und zwischen diesen Alternativen dann schon die richtige wählen. Wenn ich die Umfragen, die es dann und wann schon gibt, richtig deute, sagen zwei Drittel der Bevölkerung, dass sie gegen die Einheitsschule und für das Elternrecht auf freie Schulwahl sind. Das finde ich auch richtig.
Der Elternwille ist in der Tat ein nicht ganz unkompliziertes Thema. In Niedersachsen hat er seit fast 30 Jahren einen ganz hohen Stellenwert, fast schon einen historischen Rang.
Wir haben bei unseren Beratungen zum Schulgesetz die Thematik Elternwille natürlich kritisch hinterfragt, haben uns dann aber für den Gesetzes
text entschieden, der hier mit den Stimmen von CDU und FDP beschlossen wurde und den ich Ihnen noch einmal ans Herz legen darf.
Der Elternwille - ich sagte es schon - hat bei uns einen außerordentlich hohen Stellenwert. Man darf sogar sagen, dass wir möglicherweise das elternfreundlichste Schulgesetz in ganz Deutschland und darüber hinaus haben. Das ist schon ein gewisser Anspruch in sich, der natürlich auch bedient sein will.
Im Schulgesetz ist im Übrigen an gleicher Stelle ausdrücklich auch die Zusammenarbeit zwischen Grundschule und Erziehungsberechtigten geregelt. So hat die Schule im vierten Schuljahrgang das Gespräch mit den Erziehungsberechtigten zu suchen, damit diese auf der Grundlage der Empfehlung der Grundschule eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung treffen können.
Dass das nicht immer problemlos abläuft, zeigen schon die Erfahrungen mit der Orientierungsstufe, deren Empfehlungen zu einem erheblichen Teil, gerade auch zu Zeiten der SPD-Vorgängerregierung, nicht befolgt wurden. Ein Teil der Eltern folgt eben nicht der Empfehlung, wohl weil sie die Leistungsfähigkeit ihres Kindes überschätzen, manchmal aber auch aus Prestigegründen.
Wer den Elternwillen aber will, der muss ein Stück weit in Kauf nehmen, dass zwischen der Empfehlung der Schule und dem faktischen Wahlverhalten eine Differenz besteht.
Dann muss man allerdings gucken, ob sich hinter dieser Differenz ein Problem verbirgt, das es zu lösen gilt, oder aber ob sich diese Differenz in dem zu erwarten gewesenen Korridoren bewegt, wie ich
persönlich es einschätze. Das ausführliche Zahlenmaterial hierzu haben wir im Rahmen der Beantwortung der Großen Anfrage vorgelegt.
Man kann nun alle Dinge immer negativ oder positiv sehen: Ist das Glas halb voll oder halb leer? Ich finde, es ist erfreulich, dass der Anteil der Eltern, die der Übergangsempfehlung nicht gefolgt sind, im 5. Schuljahr, also im ersten Jahr nach der Grundschule, deutlich geringer ist als im 6. und insbesondere im 7. Schuljahr. Nur 18 % der Eltern sind der Grundschulempfehlung nicht gefolgt. Das heißt im Umkehrschluss: 82 % der Eltern sind schon beim ersten Durchgang verantwortungsvoll mit der Herausforderung umgegangen. Das ist nach dieser großen Umstellung kein schlechtes Ergebnis.
Das kann noch besser werden, und wir arbeiten auch daran, aber ich finde, man muss Dinge auch einmal positiv darstellen dürfen.
Schließlich darf man niemals aus den Augen verlieren, dass dieser Schuljahresbeginn infolge der Vielzahl der bildungspolitischen Reformen dieser Landesregierung in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme darstellt. Das Elternwahlverhalten bewegt sich, gerade vor dem Hintergrund dieser Ausnahmesituation, im schon vorher erwarteten Rahmen. Ich warne deshalb vor voreiligen Schlussfolgerungen und bildungspolitischen Schnellschüssen. Man sollte diesem System eine Chance geben und zunächst einmal die Entwicklung in den nächsten zwei oder drei Jahren abwarten. Ich bin da recht optimistisch.
Wir werden die Erfahrungen aus dem letzten Schuljahr selbstverständlich in regionalen Dienstbesprechungen mit den Schulleiterinnen und Schulleitern auswerten. Die Ergebnisse werden wir in einer Broschüre mit Anregungen und Hilfen für Schulleitungen, Lehrkräfte und Eltern zur Schullaufbahnempfehlung und zur Schullaufbahnwahl zusammenfassen. Auch die Lehrerschaft kann noch ein bisschen besser werden. Um dort die Kompetenzen zu stärken, bieten wir für alle Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer der 4. Klassen eintägige Veranstaltungen zum Thema „Beratungsgespräche mit den Eltern zur Schullaufbahnempfehlung“ an. Ich denke, dass wir mit diesem Bündel von Maßnahmen noch günstigere Werte bekommen werden.
Wir sind uns aber auch einig, meine Damen und Herren, dass Kinder vor Scheitern, Lernunlust oder gar völligem Schulversagen geschützt werden müssen, wenn Elternentscheidungen zu einer Überforderung des Kindes durch eine falsche Schulformwahl führen. Der Landtag hat sich nach den Beratungen im Kultusausschuss seinerzeit auch darauf verständigt, dass angesichts der pädagogischen und entwicklungsspezifischen Herausforderungen gerade des fünften und sechsten Schuljahrgangs eine erforderliche, am Kindeswohl orientierte Korrektur der Elternentscheidung erst nach Klasse 6 erfolgen soll. An eine Vorverlegung der Korrekturmöglichkeit ist nicht gedacht, schon weil hinreichende längerfristige Erfahrungen mit den neuen Instrumenten wie Dialog und Beratung und mit diesem individuellen Förderplan noch nicht vorliegen. Auch Förderkonzepte müssen erst reifen, bevor man sich das Thema wieder zu Gemüte führt.
Ich finde diesen Mechanismus - weil niemand perfekt sein kann, auch Eltern nicht - durchaus klug: den Elternwillen nach der Klasse 4 freizugeben, aber am Ende der Klasse 6 Korrektivmöglichkeiten vorzusehen. Das sollte man erst einmal wirken lassen.
Ich bin auch von manchen Lehrerverbänden enttäuscht, die während der Anhörung zum Gesetz nicht mit großartigen Vorschlägen aufgewartet haben, die aber jetzt, nur weil ein Verbandstag stattfindet und weil sie auf Schlagzeilen aus sind, genau wissen, was richtig und was verkehrt ist, obwohl das Schuljahr erst vier Wochen alt ist. Und Schlagzeilen bekommt man nun einmal am ehesten, wenn man den Kultusminister anmacht.