Protocol of the Session on October 28, 2004

Unbestritten ist weiterhin der massive Zugang zu den Gymnasien. Genauso ist unbestritten, dass die Hauptschule von den Eltern nicht ganz so gewählt worden ist, wie es prognostiziert wurde. Aber insgesamt hat der größte Teil der Eltern, der Lehrer und aller an der Schule Beteiligten dem riesigen Vorhaben Schulstrukturreform insgesamt „bestanden“ attestiert. Bestanden!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Von vielen Kritikern ist ein Desaster erwartet worden; ich sage nicht: erhofft worden.

(David McAllister [CDU] - an die SPD gewandt -: Doch, erhofft!)

Zudem gilt es festzustellen - ich bin immer noch bei den objektiven Daten - , dass es, solange es das Land Niedersachsen gibt - und wir haben nun gerade erst Geburtstag gehabt -, noch nie so viele Lehrer an niedersächsischen Schulen gegeben hat wie in diesem Schuljahr mit über 68 500 festen Stellen.

(Zuruf von der CDU: Das ist gut so!)

Auch das heiße Eisen Lehrmittel und die Einführung des Ausleihverfahrens ist insgesamt - seien wir doch aufrichtig! - ziemlich unaufgeregt verlaufen.

(Beifall bei der CDU)

Der Dank gilt nicht uns selber, der Dank gilt nicht den Abgeordneten, sondern der Dank gilt den ach so viel gescholtenen Lehrern. Diejenigen, denen sonst doch immer ein Organisationsunvermögen attestiert wird, haben das hervorragend organisiert.

Diese Schulstruktur - das ist nun mein Appell - ist langfristig angelegt, und sie wird es bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Diese Schulstruktur wird von Jahr zu Jahr an Erfolg gewinnen. Davon bin ich überzeugt. Welches ist die Messlatte hierbei? - Die Messlatte ist, die Anzahl der qualifizierten Abschlüsse zu erhöhen. Die Messlatte ist, dass die Zahl der Schulabbrecher radikal reduziert wird. Die Messlatte ist schließlich - das ist etwas, was fast in Vergessenheit geraten ist und wozu man sich mittlerweile schon gar nicht mehr bekennt - der Mut zur Erziehung und die Frage, welche Erziehungsziele eine Gesamtkonferenz angeht. - Das sind die Messlatten, die wir anlegen.

Ich bin überzeugt davon, dass ein ganz wesentlicher Bestandteil nicht nur der weitere Bestand der IGSen und KGSen, sondern - und das meine ich aufrichtig - auch ihre Weiterentwicklung ist, zu der der Minister ausdrücklich aufgefordert hat.

Ein Beispiel dafür ist die KGS Tarmstedt, wobei ich nicht weiß - Herr Kollege Klare, Sie nicken gerade -, ob ich die Einrichtung in Tarmstedt, die mit ihren Integrationsbemühungen sehr weit geht, noch als KGS oder schon als IGS bezeichnen darf. Die KGS Tarmstedt hat, beginnend mit dem 1. August, eine reformierte Oberstufe dazu bekommen. Warum denn auch nicht? - Es erstaunt mich ein wenig, warum die Möglichkeit des Ausbaus bis zur Achtzügigkeit nur so verschämt angegangen wird.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich haben wir nicht das Recht, die besonderen Verdienste der Gesamtschule zu negieren. Dazu zähle ich - ich sage das aus eigenem Erfahren im Rahmen der Begleitung von zwei Gesamtschulmodellen über einen Zeitraum von 15 Jahren, beginnend mit der Einrichtung - übrigens auch die Schule Ihrer Frau, Herr Jüttner. Zum einen sind die

Integrationsbemühungen und Integrationserfolge der Gesamtschulen insbesondere in diesem sozial sehr anspruchsvollen Umfeld unbestritten. Zum anderen möchte ich den Gesamtschulen attestieren - ich sage das sehr deutlich, weil mich das bei meinem letzten Besuch einer IGS sehr beeindruckt hat -, dass die Dichte der erfolgreichen lehrerseitigen Begleitung von Schulabgängern aus dem Praktikum in die berufliche Qualifikation sehr hoch ist. Ich empfehle den Gesamtschulen, durch ihre tägliche Arbeit den Grund dafür zu liefern, dass sie auch in Zukunft bei den Schulaspekten berücksichtigt werden.

Aber - und das möchte ich Ihnen auch sagen - die Gesamtschulen hatten auch besondere Konditionen,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Konditionen, die sonst keine Schule gehabt hat. Ich muss hier nicht mehr über den Verfügungstopf und anderes sprechen. Es gab einfach besondere Bedingungen. Ich denke z. B. an das Kleingruppenmodell, das in mancher integrierter Gesamtschule angeboten wurde. Das waren fantastische schulische Bedingungen: doppelt besetzt, kleine Gruppen von fünf bis sechs Kindern, in die die Eltern total mit eingebunden waren. Das war natürlich was!

Nur, wenn Sie dieses Modell auf das ganze Land übertragen wollten: Das können Sie nicht bezahlen, auch wenn Sie noch den letzten Polizisten von der Straße jagen. Insofern war das nicht haltbar.

Die IGS und die KGS waren natürlich auch deshalb so beliebt, weil sie die ersten Schulen waren, die Ganztagsangebote mit Mittagsangebot und einer Betreuungsinfrastruktur par excellence unterbreitet haben. Diesem Angebot haben viele Eltern, die im Beruf gestanden haben, nicht widerstehen können.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die bürgerliche Mehrheit in diesem Hause, die bürgerliche Mehrheit im Land will das dreigliedrige Schulwesen.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen das begabungsgerechte, das durchlässige dreigliedrige Schulwesen. Das Schulwesen soll nicht statisch sein, sonders es soll sich pädagogisch weiterentwickeln. Das ist unsere Absicht, und das ist ganz selbstverständlich. Ich bin über

zeugt davon, dass uns hier der Erfolg zuteil werden wird.

Lassen Sie mich abkürzen. Zu der Kritik in Sachen Schulaufsicht, die in den letzten Tagen erhoben worden ist, sage ich deutlich: Eine derart sensible Entscheidung bedarf - darin werden mir alle Kollegen des Kultusausschusses zustimmen - natürlich der Korrespondenz und des Austausches mit dem Fachausschuss; das ist doch selbstverständlich. Wenn zum Thema gemacht wird, wie die Schulaufsicht über die einzelnen Schulformen in Zukunft strukturiert werden soll, dann kann ich mir aufgrund meines demokratischen Selbstverständnisses nicht vorstellen, dass das ohne eine ausgiebige Analyse im Fachausschuss geschieht. Man wird sehen, worin die Vorteile und Nachteile liegen. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass der Fachausschuss in elementare Veränderungen in Bezug auf die schulaufsichtliche Begleitung einbezogen sein wird, und mache meinen Leuten Mut, diese Veränderungen in diesem Sinne im Ausschuss zu begleiten.

Herr Kollege, ich gehe davon aus - -

Sie gehen davon aus, dass ich aufhöre, und das mache ich hiermit. - Danke schön.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Eckel das Wort. Ich erteile es ihr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zahl der Gesamtschulen in Niedersachsen entspricht nicht der Nachfrage. Wenn die Strukturreform, die in diesem Schuljahr zum ersten Mal wirkt, so gut angenommen worden ist, wie Herr Koch es soeben geschildert hat, warum leisten sich die Regierungsfraktionen und das Ministerium nicht die Großzügigkeit, Eltern weiterhin die Wahlmöglichkeit zwischen dem dreigliedrigen Schulsystem und der Gesamtschule einzuräumen?

(Beifall bei der SPD)

Warum behindern Sie stattdessen die Weiterentwicklung einer Schulform, die doch schon so lange zur Vielfalt der niedersächsischen Schullandschaft beigetragen hat?

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Darf ich Sie fragen: Warum haben Sie es denn nicht selbst bewerkstelligt seit 13 Jah- ren?)

- Wir haben es.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Die Wahl- möglichkeit?)

Wir waren gerade dabei, die Möglichkeit, Gesamtschulen zu gründen, so zu lockern, dass solche auch überall hätten entstehen können. Sie wissen genau, dass es häufig die Kommunen waren, die die Gründung behindert haben, und zwar aus finanziellen Gründen.

Was beabsichtigt die CDU/FDP-Koalition denn mit dieser Missachtung des Elternwillens? - In der ersten Beratung dieses Antrags im Juni - wir haben es auch heute wieder gehört - ist dazu eine Reihe von Aussagen gemacht worden, davon einige zum wiederholten Male, was ihren Wahrheitsgehalt auch nicht stärkt.

Herr Koch hat schon in seinem Redebeitrag aus dem Juni behauptet, in der Vergangenheit seien die Gesamtschulen zulasten der allgemein bildenden Schulen gepäppelt worden. Dabei hat er besonders auf die angeblich bessere Unterrichtsversorgung hingewiesen; das hat er eben auch wieder getan. Doch die resultierte vor allem aus den Ganztagszuschlägen und den Zuschlägen für die zahlreichen Integrationsklassen, die an Gesamtschulen zu finden sind.

(Beifall bei der SPD)

Beide Zuschläge wurden allen Schulformen gewährt. Nur haben die integrativen Systeme mehr als die anderen Ganztagsangebote gehabt und Integrationsklassen in sehr viel stärkerem Maße an ihren Schulen ermöglicht.

Inzwischen haben Sie mit Streichungen bei Zusatzbedarfen, Ganztagszuschlägen und Sollstundenreduzierung die Gesamtschulen billiger gemacht und - wie Sie es nennen - die Gleichbehandlung mit den Schulformen im dreigliedrigen System erreicht. Erreicht haben Sie auch, dass es den Gesamtschulen nur unter großer Anstrengung möglich ist, ihr pädagogisches Konzept überhaupt

noch aufrecht zu erhalten. Nicht erreicht haben Sie bisher, dass die Nachfrage zurückgegangen ist. Aber es ist leider so: Sie arbeiten daran.

Als Neuestes planen Sie mit der Auflösung der Bezirksregierungen auch die Abschaffung gesonderter Ansprechpartner für Gesamtschulen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Unmöglich ist das!)

Meine Kollegin Korter hat das eben schon gesagt. Im neuen Landesschulamt soll es keine eigenen Abteilungen für KGS und IGS geben.

Absicht kann doch nur sein, dass das Gesamtschulkonzept weiter eingeengt werden soll. Was veranlasst den Innenminister und die Regierungsfraktionen zu dieser Antihaltung gegenüber einer Schulform, die im Moment - das gilt jetzt für die Integrierten Gesamtschulen - nur von 4,8 % der jetzigen Fünftklässler besucht wird, die immer auch Gegner hatte und die den Bestand des dreigliedrigen Schulsystems eigentlich nie gefährdet hat? Bisher, denn durch die vorgezogene Aufteilung der Kinder nach der 4. Klasse könnte der Ruf nach Gesamtschulen lauter werden. In Hannover oder Göttingen besuchen etwa 25 % eines Jahrgangs Gesamtschulen. Fürchten Sie, diese Beliebtheit könnte auch in den Teilen Niedersachsens Einzug halten, in denen das Angebot dünn oder gar nicht vorhanden ist?

(Zustimmung von Wolfgang Jüttner [SPD] und Ina Korter [GRÜNE])

Durch Ihr rückwärtsgewandtes Schulgesetz werden die Gesamtschulen erst zu einer echten Konkurrenz für Realschulen und Gymnasien und besonders natürlich für die Hauptschulen.