Protocol of the Session on October 28, 2004

Sie von den Fraktionen der CDU und der FDP versuchen, populistische Politik zu machen, obwohl es darauf ankommt, in der Substanz voranzukommen. Denn Sprayen auf Autobahntafeln, Gebäude, Busse etc. ist nicht nur ein Handeln wider die Vernunft, es ist auch kein Kavaliersdelikt. Die Entfernung von Farbschmierereien, vor denen die Eigentümer als Opfer geschützt werden müssen, ist sehr kostenintensiv.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

- Danke schön, meine Kollegen. - Dies bringt der Staat mit seinen Sanktionen zum Ausdruck. Sprayen führt in aller Regel zu einer strafrechtsrelevanten Substanzverletzung gemeinhin als Sachbeschädigung bekannt.

(Zustimmung bei der SPD)

Allerdings - da bin ich etwas anderer Auffassung als der Kollege Briese - gibt es einen kleinen Schönheitsfehler. Denn der Nachweis einer Substanzverletzung führt oftmals zu teuren Sachverständigengutachten - nicht immer, aber es kommt vor. Die Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft und bei der Polizei müssen sich darauf erstrecken, die Substanz der beschädigten Sache genauestens zu beschreiben, den Erhaltungszustand festzustellen und die verwendeten Werkstoffe - z. B. die Farbe - sowie den Anhaftungsgrad zu analysieren. Es sind immerhin zehn Punkte, die erfüllt werden müssen. Ein solcher Aufwand steht - genauestens betrieben - in keinem Verhältnis. Oft ist das Gutachten teurer als der Schaden selbst. Das macht keinen Sinn. Wir reden hier mitunter von mehreren tausend Euro. Deshalb sind wir als SPD-Fraktion der Auffassung, dass die GraffitiStrafbarkeit auf das äußere Erscheinungsbild und nicht auf das genauere Analysieren von Werkstof

fen abgestellt werden sollte. Im Übrigen hätten wir dann auch geklärt, was mit den berühmten Streitfällen passiert, wenn Graffiti auf einer abwaschbaren Farbe aufgetragen wird.

Das Land Niedersachsen, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat sich im Bundesrat, in dem seit 1999 diverse Initiativen gelaufen sind, immer für diese normative Klarstellung der GraffitiStrafbarkeit eingesetzt - sowohl die SPD-geführte Landesregierung im Jahre 1999 als auch die zurzeit existierende Landesregierung. Unter den heutigen Zustimmungsländern befindet sich auch das rot-grüne Nordrhein-Westfalen.

(David McAllister [CDU]: Aber nicht Schleswig-Holstein!)

- 15 von 16, Herr Kollege McAllister.

(David McAllister [CDU]: Aber das hilft nicht, weil die Bundestagsfraktion nicht mitmacht!)

- Hören Sie doch einfach einmal zu! Warum sind Sie denn so aufgeregt? Es gibt doch überhaupt keinen Grund dafür.

(David McAllister [CDU]: Aber Sie re- den so schlecht!)

Gerade weil wir diesen Handlungsbedarf sehen, fordern wir die Bundesregierung nach wie vor auf, gesetzgeberisch aktiv zu werden. Dies gilt für die niedersächsische SPD-Fraktion im Landtag seit 1999 bis zum heutigen Tage. Anders verhält es sich allerdings mit der Rechtsverordnung nach dem Vorbild von Hamburg, die Sie möglicherweise fordern. Schill lässt grüßen. Das so genannte Ordnungswidrigkeitenmodell soll eine Bußgeldandrohung bis zu 5 000 Euro enthalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, schauen Sie doch einfach einmal auf eine einschlägige Website der Sprayerszene. Da steht nämlich:

„Die These, dass jugendliche Täter eine vermeintliche Strafbarkeitslücke bewusst ausnutzen, ist abwegig. Fragen Sie einmal die Staatsanwaltschaften im Land, und Sie werden die Antwort bekommen, dass in der Praxis kaum Strafbarkeitslücken bestehen.“

Ich frage Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und der FDP,

welches verheerende Signal an diese Jungendlichen ausgehen soll, wenn man ihnen durch einen Ordnungswidrigkeitentatbestand suggeriert, dass es in einer Vielzahl von Fällen gar kein strafbares Handeln gibt. Es ist doch geradezu abenteuerlich, in welcher Form Sie Graffiti verharmlosen wollen. Graffiti ist strafbar und soll es bleiben. Es ist keine Ordnungswidrigkeit.

(David McAllister [CDU]: Was? Da klatscht noch nicht einmal einer von der SPD-Fraktion! Das ist völlig ab- surd!)

Auch den geschädigten Eigentümern wird letztlich nicht geholfen werden. Denn es ist schwieriger für Sie, Regress auszuüben. Die meisten jugendlichen heranwachsenden Täter müssen diese Geldbuße dann nämlich erst einmal an den Staat zahlen. Sicherlich wird sich Herr Minister Möllring darüber freuen. Aber die anerkannten Vorzüge des Jugendstrafrechts bestehen ja gerade darin, alternative Sanktionsmöglichkeiten anzubieten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die SPDFraktion hat überhaupt nichts dagegen, wenn ein jugendlicher Sprayer Schmierereien selbst beseitigen muss. Denn das wird eventuell verhindern, dass er die Spraydose ein zweites Mal in die Hand nimmt.

(Bernd Althusmann [CDU]: Mit der Zahnbürste!)

Das wichtigste aller Mittel allerdings - es ist bezeichnend für Sie, dass Sie das hier überhaupt nicht erwähnen - ist die Prävention. Diese lassen Sie einfach unter den Tisch fallen. Prävention verhindert nun einmal Farbschmierereien. Wir sind z. B. in Oldenburg dabei, eine Haupteinfahrtstraße graffitifrei zu gestalten. Das hat der Oldenburger Präventionsrat in die Hand genommen, um ein Zeichen zu setzen. Es soll auch eine Signalwirkung für andere Straßen geben. Immerhin haben sich dort Vertreter von 30 Institutionen zusammengeschlossen, u. a. Haus & Grund, Einzelhandel und Malerinnung etc. Mithilfe der Polizei und des Bundesgrenzschutzes wird in den umliegenden Schulen über die straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen aufgeklärt. Solche Maßnahmen helfen tatsächlich.

Aber gerade Sie kürzen die Mittel im Landespräventionsrat. Das hat sicherlich katastrophale Folgen. Wir halten jedenfalls nichts davon, die Bevölkerung an der Nase herumzuführen. Das ist aus

unserer Sicht unredlich. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lehmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte bei der Vorlage dieses Antrags durchaus den Eindruck, dass es sich hier um einen Antrag handeln müsste, dem eigentlich alle Fraktionen von der Intention her zustimmen müssten. Ich bin, ehrlich gesagt, überrascht, dass ich gerade etwas andere Signale gehört habe.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich schließe gleich an das an, was Frau Bockmann eben ausgeführt hat: Wenn Sie sagen, dass die Graffiti-Schmiererei eine Straftat ist - bis auf die streitigen Fälle bezüglich der abwaschbaren Wände, bei denen wir nicht genau wissen, ob es sich um eine Substanzverletzung handelt -, und auch sagen, dass das eine schlimme Sache ist, die wir nicht durch eine Ahnung als Ordnungswidrigkeit verharmlosen dürfen, dann verstehe ich nicht mehr, warum auf Bundesebene blockiert wird. Wir in Niedersachsen dürfen noch nicht handeln, weil noch nicht beschlossen ist, dass bei allen Arten von Graffiti-Schmierereien eine strafbare Handlung vorliegt, insbesondere bei denen nicht, die keine Substanzverletzung verursachen.

(Heike Bockmann [SPD]: Es ist straf- bar!)

Wir müssen in Niedersachsen die Möglichkeiten ausnutzen, zumindest die niedersächsischen Eigentümer davor zu schützen, dass diese Verunstaltungen stattfinden. Sie können doch nicht sagen, dass wir erst einmal nichts machen dürfen und das Ganze verharmlosen würden, wenn wir zunächst einmal die Möglichkeit der Ahndung als Ordnungswidrigkeit schaffen. Diese Logik habe ich nicht verstanden. Vielleicht können Sie das nachher noch kurz erklären.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - David McAllister [CDU]: Besser nicht!)

Die Versäumnisse bei der Entwicklung bezüglich der Veränderung des Strafgesetzbuches sind von Frau Lorberg schon im Wesentlichen geschildert worden. Deshalb will ich nicht näher darauf eingehen. Ich möchte aber sagen, dass nicht nur seitens der CDU/CSU-, sondern auch der FDP-Bundestagsfraktion wie auch verschiedener Landesregierungen mit FDP-Beteiligung immer wieder verschiedene Vorstöße unternommen worden sind, um eine Änderung des Strafgesetzbuches herbeizuführen. Es ist leider immer noch nicht gelungen, sie haben es gerade gehört, obwohl das schon seit 1999 unterstützt wird. Jetzt ist 2004, und es ist immer noch keine Änderung eingetreten. Da muss man sich schon Gedanken machen.

(Heike Bockmann [SPD]: Das ist nun einmal Bundesrecht und kein Landes- recht!)

- Das ist mir schon klar. Aber trotzdem sind fünf Jahre verstrichen, und noch immer ist nichts passiert. Da kommen wir doch automatisch in den Zugzwang, etwas zu machen, ein Signal zu setzen und zu sagen: Wir in Niedersachsen lassen uns das nicht bieten und wollen endlich auch den Schmierereien Einhalt gebieten, die wir bisher durch das Strafgesetzbuch nicht erfassen können. Das liegt doch eigentlich auf der Hand.

Man kann auch nicht einfach nur sagen, wie das beim Kollegen Briese anklang: Ich will hier nur präventiv handeln, ich will versuchen, auf die Leute einzureden; damit verhindere ich viel mehr, als ich durch eine Änderung des Strafgesetzbuches oder durch die Ahndung als Ordnungswidrigkeit verhindern würde. - Nein, es ist ganz wichtig - ich habe es vorhin schon gesagt -, dass wir hier ein Zeichen setzen und sagen: Moment mal, so geht es nicht weiter!

Natürlich müssen wir parallel auch im Bereich der Prävention handeln. Aber es ist doch genauso klar, dass präventives Handeln nicht die Normen außer Kraft setzen darf. Dann könnte man ja auch die einfache Körperverletzung weglassen und stattdessen versuchen, auf die Leute einzureden, möglichst keine Körperverletzung zu begehen. Wenn das so einfach wäre, dann bräuchte man letztlich gar keine Vorschriften mehr. Aber so einfach ist die Welt nun leider nicht.

Eben wurde zu Recht auch angesprochen, dass die Graffiti-Schmierereien das Sicherheitsgefühl der Menschen tangieren. Wer davon ausgehen

muss, dass sein Eigentum straffrei beschmutzt bzw. verunstaltet werden kann, der ist natürlich schon deswegen beeinträchtigt, weil er sich des Schutzes seiner Rechte nicht mehr sicher sein kann bzw. eine nicht zu akzeptierende Einschränkung seines Eigentums wehrlos hinnehmen muss. Zu Recht ist auch angesprochen worden, dass mit den Graffiti-Schmierereien ein Verlust von Werten einhergeht, nämlich der Verlust des Respekts vor dem Eigentum anderer. Schon deshalb ist es ganz wichtig klarzustellen - nämlich durch die Ahndung als Ordnungswidrigkeit -, dass wir in Niedersachsen so etwas nicht zulassen und deshalb der Verfolgung dieser Form der Eigentumsverletzung und damit dem Eigentumsschutz einen besonderen Stellenwert einräumen.

Meine Damen und Herren, es liegt doch auf der Hand: Wenn es so schwierig ist, diese Sachbeschädigungen im Einzelnen nachzuweisen, dann müssen wir den Tatbestand erweitern - dazu dient die Initiative auf Bundesebene - und auch dazu kommen zu sagen, dass jede Art von Verunstaltung geahndet wird. Mit der SPD-Bundestagsfraktion besteht darüber offensichtlich Konsens - es scheitert eigentlich nur noch an der Bundestagsfraktion der Grünen -, dass wir insofern das Strafgesetzbuch ändern müssen. Von daher habe ich im Übrigen nicht verstanden, dass die SPD bei den Ausführungen des Kollegen Briese geklatscht hat. Wenn Sie der Meinung sind, dass hier eine Änderung des Strafgesetzbuches vorgenommen werden muss, dann können Sie dem Vorbringen, Prävention reicht eigentlich aus, doch nicht zustimmen.

Wir wollen mit diesem Antrag auf Ahndung als Ordnungswidrigkeit dem Rechtsgefühl breiter Kreise in der Bevölkerung - nicht nur dem der Eigentümer, sondern eben auch dem aller, die solche Schmierereien zur Kenntnis nehmen müssen - gerecht werden und ihnen sagen: Wir haben erkannt, dass es hier eine Lücke gibt, die auf Bundesebene leider nicht so schnell geschlossen werden soll, weil sich insbesondere die Grünen dort verweigern. Deshalb wollen wir auf Landesebene handeln.

Ich kann Sie alle nur auffordern: Lassen Sie uns ein Zeichen in diese Richtung setzen. Hier muss gehandelt werden. Wir können nicht noch länger warten. Wir können vor allem nicht auf Präventionsmaßnahmen warten, sondern wir müssen die Ahndung als Ordnungswidrigkeit durchsetzen.

Deshalb bitte ich um Unterstützung für unseren Antrag.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Es wird empfohlen, mit der Federführung den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zu beauftragen und mitberatend den Ausschuss für Inneres und Sport zu beteiligen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 31: Ausbildungsplatzmisere in Niedersachsen: Landesregierung muss gegensteuern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1332

Wie ich vernommen habe, hat man sich fraktionsübergreifend dahin gehend verständigt, dass heute keine erste Beratung stattfindet, sondern der Antrag gleich an den Ausschuss überwiesen werden soll. - Ich höre keinen Widerspruch.

Dann lasse ich über die Ausschussüberweisung abschließen. Federführend soll sich mit diesem Antrag der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr befassen, mitberatend der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit sowie der Kultusausschuss. - Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der Tagesordnung. Wir sehen uns morgen früh um 9 Uhr frisch und munter wieder. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend!

Schluss der Sitzung: 19.05 Uhr.