Es gibt weitere Projekte, die relativ gut arbeiten und vernünftig sind. Beispielhaft erwähnen möchte ich das Projekt „Prävention gegen Rechts“ oder das Präventionsund Integrationsprogramm PRINT, worüber wir in diesem Plenum auch schon gesprochen haben, als wir den Kultusminister dazu befragt haben. Wir werden sehr genau darauf achten, meine sehr verehrten Damen und Herren, was mit diesen Projekten und Programmen geschieht und ob auch diese ausgetrocknet werden.
Es ist klar - auch das hat der Innenminister hier gerade gesagt -, dass der Kampf gegen den politischen Extremismus nicht politisch von oben verordnet werden kann. Darin sind wir uns sehr einig. Vielmehr muss der Kampf gegen den Extremismus aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Das ist ganz klar. Dort - Herr Innenminister, das müssen wir heute einmal besprechen - setzen zwar nicht Sie den Rotstift an, aber wir haben gestern eine sehr schöne Debatte zur Kulturförderung in Niedersachsen gehabt. Auch im Kulturbereich werden jetzt kleine Projekte ausgetrocknet. Aber gerade diese kleinen Projekte fördern zivilgesellschaftliches Engagement, befördern die Auseinandersetzung mit Extremismus in der Debatte und bringen Toleranz und Zivilcourage in der Gesellschaft hervor. Aber auch dort wird der Rotstift von dieser Landesregierung angesetzt. Angesichts dessen frage ich mich: Wo soll der Kampf gegen den Extremismus aus der gesellschaftlichen Mitte herkommen, wenn diese kleineren Projekte ausgetrocknet werden?
Ich möchte jetzt zu einer abschließenden Bewertung der Antwort der Landesregierung zum Problem Rechtsradikalismus und Antisemitismus in
Niedersachsen kommen. Ich stelle fest: Das Niveau an rechtsradikalen Umtrieben in Niedersachsen ist hoch. Die NPD formiert und organisiert sich neu. Im Raum Verden besitzen geistige Brandstifter und bekennende Antisemiten eine Vielzahl von Liegenschaften und planen dort arische Fruchtbarkeitsforschung. Nach wie vor gibt es in beängstigend großem Umfang rechtsradikale Musik und Internetauftritte, um Jugendliche zu werben. Die Maßnahmen zur Eindämmung dieser Programme sind von Hilflosigkeit gezeichnet. Das geben Sie ja sogar in der Antwort auf unsere Anfrage zu.
Die Landesregierung streicht vielen kleinen Kulturprojekten die Mittel und schädigt damit die demokratische Zivilgesellschaft. Noch gibt es zwar in Niedersachsen einige funktionierende Projekte gegen Rechtsradikalismus. Allerdings fängt die Landesregierung an, jetzt auch einzelne dieser Projekte finanziell auszutrocknen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein entschlossener Kampf gegen rechte Umtriebe sieht anders aus. Er besteht eben nicht nur aus Worten, Ankündigungen und Kürzungen, sondern er geht entschlossen und mit Nachdruck an die Aufgabe.
Zum Abschluss eine vielleicht doch etwas traurige Tatsache: Auch die NPD saß schon einmal in diesem Landtag. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu darf es nicht wieder kommen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Namens der CDU-Fraktion danke ich der Landesregierung für die ausführliche und umfassende Beantwortung der von Bündnis 90/Die Grünen gestellten Fragen. Ich danke hier ausdrücklich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Polizei, des niedersächsischen Verfassungsschutzes, der verschiedenen Landesministerien und anderer Dienststellen im Lande für ihre bisher geleistete hervorragende Arbeit in diesem wichtigen Aufgabenfeld.
Die Ausführungen der Landesregierung, die Herr Minister Schünemann hier vorgetragen hat, zeigen, dass die Landesregierung die Gefahrenpotenziale des Rechtsextremismus und des Antisemitismus sehr ernst nimmt und mit ihren Maßnahmen auf dem richtigen Weg ist, um diese Gefahr in Niedersachsen weiter zu minimieren.
Bevor ich auf einzelne Fragen der Großen Anfrage und auf die Antworten eingehe, gestatten Sie mir vorweg ein paar allgemeine Anmerkungen zu dieser wichtigen Thematik, auf die Herr Schünemann am Ende seiner Rede und der Kollege von Bündnis 90/Die Grünen am Anfang seiner Rede schon eingegangen sind. Ich gehe davon aus, dass alle Mitglieder dieses hohen Hauses darin übereinstimmen, dass alle Demokraten und alle demokratischen Parteien den Kampf gegen jede Form des radikalen politischen Extremismus gemeinsam führen, dass sie ihn gemeinsam führen müssen, um das Ziel der Extremisten, die Umwandlung unserer freiheitlichen pluralistischen Demokratie in eine totalitäre Staatsform, zu verhindern.
Wir sollten über alle Parteigrenzen hinweg gegen jegliche Form des politischen Extremismus von rechts und links gemeinsam angehen.
Meine sehr verehrten Damen, meine sehr geehrten Herren, mit der Großen Anfrage an die Landesregierung sind viele Fragen, auch kluge Fragen, gestellt worden. Mit einem Blick in die Verfassungsschutzberichte und in andere Publikationen des Landes und der Landesregierung hätten diese Fragen zum Teil schon beantwortet werden können; man muss nur einmal nachblättern und lesen. Gerade wir Deutschen haben allerdings eine besondere Verantwortung aus unserer Geschichte, uns den Fragen und der Suche nach Antworten im Kampf gegen Gewalt und Rechtsextremismus für die nachfolgenden Generationen zu stellen. Die Antworten der Landesregierung geben uns eine Zustandsbeschreibung der rechten Szene in Niedersachsen
und beschreiben die vielfältigen Anstrengungen der Landesregierung bei der Bekämpfung rechtsextremistischer Straftäter und der Vorbeugung zur Verhütung solcher Straftaten.
Von Bündnis 90/Die Grünen wurde gerade beklagt, dass zu geringe Geldmittel für den Kampf gegen den Rechtsextremismus ausgegeben werden,
und sie bedauern institutionelle Veränderungen. Ich meine, die Frage, welche Institution des Landes entsprechende Maßnahmen initiiert oder koordiniert oder Geld verteilt, ist völlig zweitrangig. Die Inhalte, um die es hierbei geht, sind entscheidend. Die Frage der Höhe der staatlichen Mittel muss vor dem Hintergrund leerer Kassen neu gewichtet werden. Der Staat ist heute nicht mehr allein in der Lage, die notwendigen Gelder bereit zu stellen. Gesellschaftliche Gruppen und Verbände sind hier mehr denn je gefordert, diese Arbeit mit zu tragen.
Viele haben das in der Vergangenheit auch schon getan - ich weiß das sehr wohl -, aber die gesellschaftliche Verantwortung liegt nicht allein bei staatlichen Einrichtungen. Es gilt, in Einrichtungen, die von gesellschaftlichen Gruppen getragen werden, auch die politische Bildung in das Bewusstsein aller Verantwortlichen zu rücken. Die großen politischen Stiftungen z. B. leisten hier schon gute Arbeit. So hat beispielsweise die KonradAdenauer-Stiftung
die Ausrufung des 27. Januar zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus durch Bundespräsident Herzog zum Anlass genommen, einen Schülerwettbewerb zu veranstalten und damit diesen Gedenktag in eine breite Öffentlichkeit hineinzutragen. Am Schülerwettbewerb beteiligen sich jedes Jahr rund 2 500 Jugendliche. Auf der Internetseite „Denktag“ der Stiftung sind jedes Jahr über 1 Million Zugriffe zu verzeichnen. Dies ist nur ein Beispiel, das zeigt: Politische Bildung kann erfolgreich auch von nichtstaatlichen Stellen initiiert und durchgeführt werden.
Mir ist bewusst, dass auch andere Stiftungen, wie z. B. die Friedrich-Ebert-Stiftung oder die HeinrichBöll-Stiftung, in dieser Richtung arbeiten.
Alle sind gefordert, in allen gesellschaftlichen Bereichen, z. B. auch am Arbeitsplatz. Betriebsräte und Vorgesetzte sollten die Problematik rechtsextremistischer Auswüchse am Arbeitsplatz und in den Betrieben sehr ernst nehmen und, wenn nötig, auch einschreiten. Auch im öffentlichen Dienst dürfen wir keine Rechtsextremisten beschäftigen. Die Vorgesetzten sind hier gefordert, bei eventuellen Vorkommnissen sofort dienst- bzw. arbeitsrechtlich zu handeln, denn den Beamten obliegt eine besondere politische Treuepflicht gegenüber dem Staat und seiner Verfassung. Auch die Angestellten schulden dem Dienstherrn Loyalität. Sie dürfen den Staat, in dessen Diensten sie stehen, und seine Verfassungsorgane nicht ohne weiteres angreifen.
Die Hinweise auf sehr wenige Einzelfälle in der Antwort der Landesregierung bestätigen unseren Eindruck: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes sind keine politischen Extremisten.
Mit großer Sorge erfüllt uns die Entwicklung der Nutzung des Internet durch Extremisten. An dieser Stelle wird deutlich, dass Rechtsextremismus nicht nur ein deutsches Problem ist. Es belastet die Gesellschaften vieler Staaten, und es wird deutlich, dass dieses Problem nicht von uns allein gelöst werden kann. Nur in internationaler Zusammenarbeit, durch internationale Konzepte und durch gemeinsames Handeln können die vielfältigen Probleme bewältigt werden. Die Landesregierung hat in ihrer Antwort schon darauf hingewiesen.
Bei allem Respekt vor den recht detaillierten Fragen in der Drucksache 1108: Die wichtige Frage nach den tieferen Ursachen der augenfälligen Zunahme der Zahl von rechtsextremistischen Gruppen und rechtsextremistischen Straftaten seit 1990 in Deutschland wird ausgeblendet. Die aus den Erkenntnissen über die Ursache abzuleitenden möglichen Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung rechtsextremistischer Rattenfänger werden nicht erfragt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, den Prozess des Hineinwachsens in rechtsextremistische Positionen gilt es zu beleuchten.
konkreten Alltagsbezügen. Sozialisationsforscher wie z. B. der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer stellen seit Ende der 80er-Jahre auch ökonomisch-soziale Alterserfahrungen in den Mittelpunkt ihrer Analysen und kommen dabei zu dem Ergebnis: Rechtsextremismus entsteht als politisches Problem nicht am Rande der Gesellschaft, sondern hat seine Quellen im ökonomisch-sozialen Bereich der hochindustriellen Gesellschaft, ist also ein Folgeproblem.
Die Ursachen sieht die Forschung im Zusammenfließen einer Ideologie der Ungleichheit und der Gewaltakzeptanz. Die Ideologie der Ungleichheit ist durch nationalistische Überholung mit rassistischen Sichtweisen und ein totalitäres Normenverständnis mit der Betonung des Rechts des Stärkeren gekennzeichnet. Die Gewaltakzeptanz einschließlich der Akzeptanz personaler Gewalt basiert auf der Gültigkeit von Feindbildern und der Ablehnung von Konfliktlösung durch Verhandlungen.
Der gesellschaftliche Rahmen, in dem diese Prozesse stattfinden, ist durch drastische Veränderungen der Lebensbedingungen gekennzeichnet. Es ergeben sich zum Teil beträchtliche Niveauverschiebungen, insbesondere beim Einkommen. Subkulturelle Klassenidentitäten gehen durch Enttraditionalisierung verloren, und eine Individualisierung von Lebenslagen und Lebenswegen ist zu beobachten. Diese Entwicklung wird durch soziale und geografische Mobilität ermöglicht, wie z. B. die Herauslösung aus der Herkunftsfamilie oder den Zerfall der Familie. Auch durch Mangel an Solidarität aufgrund sozialstaatlicher Sicherungs- und Steuerungssysteme und durch Abschottung und Vereinzelung in urbanen Großstadtsiedlungen wird diese Entwicklung bewirkt. Schließlich entstehen neue, unausgefüllte Zeiträume, Zeit, in denen sich die Gruppen entsprechend betätigen.
Diese Unsicherheitserfahrung und Orientierungsprobleme fördern soziale Desintegrationstendenzen, die sich leicht politisch umformen lassen. - Da meine Redezeit abläuft, werde ich abkürzen.
Wenn Sie diese sehr geraffte Beschreibung der tieferen Ursachen der augenfälligen Zunahme der Zahl von rechtsextremistischen Gruppen und rechtsextremistischen Straftaten seit 1990 in Deutschland im Hinterkopf behalten und einen Blick auf die ganz aktuelle Situation in der Bundesrepublik Deutschland werfen, dann können Sie feststellen, dass wir uns in Deutschland in einer
Phase ökonomisch-sozialer Umbrüche befinden, die leider durch das unverantwortliche Handeln einiger Politiker nicht leichter, sondern nur noch viel schwerer zu ertragen ist.
In den letzten Tagen und Wochen tingelten die Herren Bisky, Gysi und Lafontaine in unheiliger Allianz durch die Lande, um gegen die notwendige Reformpolitik in Deutschland zu Felde zu ziehen. Während sich Bisky um die Ängste der Bürgerinnen und Bürger sorgt, die von seiner Partei in Berlin und Schwerin in der Regierung mitzuverantworten sind, sind Gysi und Lafontaine, wie es die Wochenzeitschrift Die Zeit formulierte,
„Vabanquespieler, die selber schon lange nichts mehr riskieren. In ihrer demonstrativen Verantwortungslosigkeit enthüllt sich der Charakter des grassierenden deutschen Populismus.“
Nach meinem Dafürhalten ist das verantwortungslose Handeln besonders von Herrn Lafontaine noch viel schlimmer. Er polemisiert auf niedrigstem Niveau mit hohlen Parolen, die nahezu wortgleich von Linksextremisten und Rechtsextremisten verbreitet werden. Er treibt die von ihm noch mehr verunsicherten Menschen den politischen Extremisten in die offenen Arme. Hier ist der erste Ansatz, wie es gelingen kann, den Extremisten keinen weiteren Zulauf zu bescheren. Lassen Sie uns bei allen Differenzen in der Sache zusammenstehen.
Ich komme zum Ende. - Lassen Sie uns die notwendigen Reformen in Deutschland umsetzen, um durch eine Besserung der wirtschaftlichen Lage, durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze die Grundlage für eine Verbesserung der sozialpolitischen Lage in unserem Land zu erreichen und um die notwendigen Veränderungsprozesse der Lebensbedingungen für die Betroffenen erträglich gestalten zu können. Der damalige Ministerpräsident Gerhard Schröder hat Recht, wenn er in einer