Die FDP geht sogar noch einen Schritt weiter als der Minister. Sie will die freie Elternentscheidung gleich ganz abschaffen.
Es ist nicht die Aufgabe der Schule, Herr Schwarz, Kinder auszusortieren, sondern ihre Aufgabe ist es, allen Schülerinnen und Schülern die nötigen Qualifikationen zu vermitteln, die sie für den Arbeitsmarkt der Zukunft brauchen. Die Direktorin des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung, Frau Professor Allmendinger, hat heute - der Kollege Jüttner hat vorhin schon darauf hingewiesen - in der Presse erneut erklärt, dass dies in der überkommenen dreigliedrigen Schule nicht möglich ist.
Dass es in einer anderen Schule aber sehr wohl möglich ist, haben uns Finnland und Schweden deutlich gezeigt. Herr Schwarz, ich wäre froh, Sie würden endlich einmal dazu kommen, unsere Vorstellung von einer gemeinsamen Schule für alle zur Kenntnis zu nehmen und nicht immer die Gesamtschulen zu diffamieren, die ja durch KMKBeschluss gezwungen sind, eine äußere Differenzierung vorzunehmen. Wenn Sie diese abschaffen,
Warum wir in der Schulpolitik nicht endlich von Finnland lernen? Sie waren mit Ihrer Fraktion ja auch dort. Herr Busemann meint aber, wir sollten nicht ins Ausland gucken. Sein Horizont reicht über die Grenzen Niedersachsens nicht hinaus.
- Manchmal reicht sein Horizont bis Bayern; das stimmt. Heute hat er sich in der Regierungserklärung auf niedersächsische Orte bezogen.
Herr Busemann, Sie haben Ihre vielen Zahlen in der Regierungserklärung heute mit einigen Zitaten garniert. Nun gut, auch wir wissen, wie man die Suchmaschinen im Internet bedient, Herr Minister. Hören Sie einmal, was für ein passendes LutherZitat wir heute für Ihre Regierungserklärung gefunden haben.
Ich zitiere Martin Luther: Ihr könnt predigen, über was ihr wollt, aber predigt niemals über 40 Minuten.
(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD - Bernd Alt- husmann [CDU]: Sie sind jetzt bei Mi- nute 39!)
Meine Damen und Herren, die echte Bewährungsprobe der schwarz-gelben Schulstrukturreform fand nicht am 19. August dieses Jahres statt. Die Bewährungsprobe wird erst kommen, wenn sich zeigt, wie viele Schülerinnen und Schüler in diesem System erfolgreich sind und wie viele scheitern. Ich fürchte leider, dass das PISA-Tal in Niedersachsen dann noch tiefer sein wird. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich wirklich bemüht, der Diskussion aufmerksam zu folgen. Wenn ich es richtig bewerte, hat sich wie ein rot-grüner Faden durch die Diskussion gezogen, dass es um Vermutungen und Vorhersagen geht, was alles eintreten und passieren könnte. Es gab aber nicht einen einzigen echten Beleg dafür, dass wir irgendwo einen richtigen Fehler gemacht hätten. Einen solchen Beleg habe ich hier nicht gehört. Deswegen sage ich: Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Geduld aufbringen und uns die Chance geben, dieses System umzusetzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Regierungserklärung von Herrn Minister Busemann ist noch einmal deutlich geworden, dass die Regierungskoalition ein Wahlversprechen umgesetzt hat. Die ungeliebte Orientierungsstufe in Niedersachsen ist Geschichte. Gegen teilweise erbitterte Widerstände ist eine Schulstruktur auf den Weg gebracht worden, die eine wichtige Grundlage für die Verbesserung der Unterrichtsqualität ist und damit den niedersächsischen Schülerinnen und Schülern mehr Chancen gibt.
Die CDU/FDP-Koalition hat sich - im Gegensatz zu denen, die jetzt hier dazwischenreden - nicht aus der Ruhe bringen lassen und ist den einmal beschrittenen Weg konsequent weitergegangen. Das von interessierter Seite aus befürchtete Chaos ist ausgeblieben. Die von der Opposition an die Wand gemalten Horrorszenarien sind realitätsfremd. Herr Jüttner, ich gebe gerne zu, man kann durchaus unterschiedliche Wahrnehmungen haben, wenn man in die Schulen hineingeht. Wir sind in den Schulen gewesen. Unsere Wahrnehmung ist eben eine andere als die, die Sie oder auch Frau Korter hier beschrieben haben.
Herr Kollege Schwarz, das geht nicht zulasten Ihrer Redezeit. Viel besser wäre es, Sie würden für einen wohltätigen Zweck spenden.
Für die FDP bedeutet das bisher Geleistete ein Stück Zufriedenheit, aber nicht mehr, weil wir genau wissen, dass wir erst am Anfang stehen, wenn es darum geht, Qualität an unseren Schulen weiterzuentwickeln. Das Bemerkenswerteste an der Entwicklung der Schulstrukturreform war die Arbeit, die vor Ort in den Städten und in den Gemeinden an den Schulen geleistet worden ist. Angesichts des hohen, aus meiner Sicht manchmal auch zu hohen Tempos kann der Respekt nur denjenigen gelten, die durch Bereitschaft und mit Engagement dazu beigetragen haben, gute Voraussetzungen für die Zukunftsfähigkeit der Bildungslandschaft in Niedersachsen zu schaffen.
Ich meine damit in erster Linie die Schulleitungen mit ihren Kollegien. Sie sind es gewesen, die diese Reform getragen haben. Nach einem Kraftakt ohnegleichen mit den Stichworten Abschaffung der OS, Abitur nach zwölf Jahren, Zentralabitur, Lehrund Lernmittelfreiheit, Stärkung der Hauptschule usw. ist es jetzt zwingend erforderlich, dass den Schulen zum Durchatmen Zeit gegeben wird, damit man in aller Ruhe der eigentlichen Aufgabe, nämlich dem Unterrichten, nachkommen kann. Die Belastungen lagen aber auch bei den Schulträgern, denen entsprechend Dank gesagt werden muss. Es mussten zum Teil extreme Herausforderungen bewältigt werden. Dass das in dieser Weise gelungen ist, verlangt wirklich Respekt.
Jetzt gilt es aber, den Blick nach vorne zu richten, denn wir haben bislang nichts anderes als einen, wenn auch wirklich wesentlichen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Mittelfristig gehört eine Menge mehr dazu, um die Qualität des Bildungswesens in Niedersachsen spürbar zu verbessern.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die für die FDP-Fraktion wirklich wichtigen Dinge anzusprechen. Wie Sie wissen, ist der Begriff „eigenverantwortliche Schule“ auf unsere Initiative hin in das Schulgesetz aufgenommen worden. Wir sind nämlich der Überzeugung, dass Persönlichkeitsentwicklung und Eigenverantwortung untrennbar miteinander verbunden sind, wenn es darum geht, den Lebensweg so zu gestalten, dass er zu einer inneren Zufriedenheit führt.
Besonders beeindruckt hat uns eine ausgeprägte Autonomie an den Schulen des PISA-Siegerlandes. Die hohe Eigenständigkeit überträgt sich positiv auf das gesamte Schulwesen. Nach unseren Erfahrungen werden die Kinder schon sehr früh vor Entscheidungen gestellt, an die sie sich dann auch zu halten haben. Bemerkenswert ist das ausgesprochen hohe Vertrauen der Eltern in die Institution Schule.
Der Lehrerberuf hat in der finnischen Gesellschaft den höchsten Stellenwert. Das ist ein beliebter und begehrter Beruf. Man muss sich die Frage stellen, warum das eigentlich so ist. Die Antwort ist sehr interessant. Die Lehrer sehen es als ihre Aufgabe an, die Gesellschaft durch ihre Arbeit prägen zu können. Sie wollen eigenverantwortlich junge Heranwachsende in die Arbeitswelt entlassen, die ihre Fähigkeiten dazu verwenden, sich selbst und ihr Land nach vorne zu bringen. Das Urteilsvermögen der Lehrkräfte wird von der Öffentlichkeit kaum infrage gestellt. Auch wir müssen wieder lernen, den Lehrkräften Vertrauen entgegenzubringen. An dieser Stelle ist ein gesellschaftspolitisches Umdenken dringend erforderlich.
Hier liegt aus unserer Sicht übrigens auch einer der Schlüssel zum Erfolg. Stichwort: Lehrerausbildung. In erfolgreichen Ländern ist es so, dass ein Teil der Zugangsberechtigung zum Lehramtsstudium der Nachweis sozialer Kompetenz und pädagogischer Fertigkeiten ist. Ich halte das für richtig. Es hilft doch niemandem, wenn ich Lehrkräfte habe, die über ein exzellentes Fachwissen verfügen, dieses Fachwissen aber gleichzeitig nicht vermitteln können, die vielleicht noch nicht einmal in der Lage sind, Vertrauen zu ihren Schülern aufzubauen.
sefähigkeit eine wesentliche Rolle spielen muss. Wir helfen sowohl den Bewerbern als auch - das ist bei weitem wichtiger - den Schülern, wenn wir in dieser Frage neue und andere Wege gehen.
Vertrauen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist übrigens ein wichtiges Stichwort im Zusammenhang mit dem Begriff „Elternwille“. Wir stehen in Niedersachsen doch seit Jahren vor der schwierigen Situation, dass Empfehlungen von denjenigen ausgesprochen werden, die sich aufgrund ihres Berufes tagtäglich mit dem Leistungsvermögen und dem persönlichen Umfeld des Kindes befassen. Diese Empfehlung wird von den Lehrern ausgesprochen. Auf der anderen Seite sind es die Eltern, die diesen Empfehlungen, aus welchen Gründen auch immer, nicht trauen oder vertrauen.
Das Ergebnis ist leider allzu oft niederschmetternd. Angst, Frust und Resignation sind die Folge, einmal ganz abgesehen davon, dass die Weiterentwicklung vieler eigentlich unbeteiligter Schüler nicht unbedingt positiv beeinflusst wird. Folgendes, meine Damen und Herren, macht daher Sinn: Wenn sich Schullaufbahnempfehlung durch die Schule und Elternwille nicht decken, dann sollte für das betreffende Kind nach zu entwickelnden Kriterien eine Aufnahmeprüfung darüber entscheiden, welche Schulform für dieses Kind die Richtige ist.
Übrigens, damit das noch einmal klar ist: Einen Elternwillen kann man nicht abschaffen. Entweder haben die Eltern einen Willen, oder sie haben keinen.