Protocol of the Session on April 3, 2003

Was wir natürlich nicht wollen, ist - wie es so schön heißt - die Entstehung, Verfestigung und Erweiterung von Splittersiedlungen - das Gesetz hält es ja so fest - mit den bekannten Ver- und Entsorgungsschwierigkeiten und den Problemen bei der Infrastruktur. Wir wollen, dass die Siedlungsstruktur und die alte Bausubstanz erhalten bleiben. Wir können uns auch vorstellen, dass neben den Dauerwohnungen Ferienwohnungen eine interessante Nutzung sein können. Was wir aber nicht wollen, ist das, was wir auch in einigen Gebieten kennen, nämlich einen neuen Wohnfeudalismus - so will ich das einmal nennen und etwas drastisch beschreiben -, den Herrn Neureich, der sich ein entsprechendes Anwesen kauft, es mit den Erleichterungen im Baugenehmigungsrecht entsprechend entwickelt, den alten Gulfhof dann mit Gelsenkirchener Barock verschandelt und am Schluss eine 3 m hohe Mauer mit einer Stacheldrahtkrone um sein Anwesen zieht. Ich glaube, das kann niemand wollen, und das müssen wir auch bei allen Veränderungswünschen verhindern.

Im Bereich Arbeiten ist auch uns daran gelegen, dass Menschen ihre Geschäftsideen im ländlichen Raum umsetzen und damit einen kleinen Beitrag zur regionalen Wirtschaftsentwicklung im ländlichen Raum leisten können. Als Beispiel nenne ich den Internetshop mit einem kleinen Warenlager, das Antiquitätengeschäft und, wenn Menschen im ländlichen Bereich ihre Kreativität entwickeln wollen, das Kunsthandwerk oder ähnliche Dinge. Wir haben ja bald wieder die Gelegenheit, in der kulturellen Landpartie zu betrachten, wie das Wendland mit diesen Dingen hervorragend umgeht.

Was wir natürlich nicht wollen - ich komme wieder zur anderen Seite -, ist die Autoklitsche, als Ich-AG aufgezogen, die sich dann nach und nach zum Autohaus auf der grünen Wiese auswächst. Wir wollen keine Abfallverwertungsanlagen im ländlichen Raum, die Wasser, Luft und Boden verschmutzen, und wir wollen keine Entwicklung,

wie sie sich z. B. durch die Privilegierung des Stallbaus ergeben hat.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir wollen hier auch - damit komme ich zu den generellen Voraussetzungen - keine planungstechnischen Perfektionismussüchte ausleben. Aber es muss natürlich gesichert sein, dass alles ohne zusätzliche Umweltbelastungen geht, dass alles ohne unwirtschaftliche öffentliche Investitionen und ohne Beeinträchtigungen der öffentlichen Belange abgeht.

Ich meine, § 35 Abs. 3 und 4 regelt eigentlich ganz gut, was wir wollen. Von daher bin ich auf die Ausschussberatungen gespannt. Auch wir werden offen in diese Beratungen gehen. Wir wollen prüfen, ob und, wenn ja, welchen Handlungsbedarf es gibt, ob dieser Handlungsbedarf tatsächlich im Baugesetzbuch, im rechtlichen Bereich oder vielleicht vielmehr in der Behördenpraxis liegt, die wir untersuchen müssen. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Die Beweislast, dass hier Handlungsbedarf besteht, liegt natürlich beim Antragsteller. Ich hoffe, Sie haben gutes Material. Dann werden wir eine gute Diskussion führen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Zur Ausschussüberweisung hat der Kollege Kethorn jetzt das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet. Der Ältestenrat hat empfohlen, diesen Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und den ländlichen Raum zu überweisen. Man hat uns eben aufgeklärt: Das Baurecht ressortiert nicht im Landwirtschaftsministerium, sondern die Zuständigkeit liegt im Sozialministerium. Insofern müssen wir die Empfehlung ändern. Federführend soll sich der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und mitberatend der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und den ländlichen Raum mit diesem Antrag befassen. Ich gehe davon aus, dass wir dann alle Fragen, die hier angesprochen und in der Debatte deutlich geworden sind, auch im Landwirtschaftsausschuss beraten können, Herr Klein.

Zur Ausschussüberweisung? - Bitte schön!

Ich meine, gerade in den Anmerkungen des Kollegen Kethorn wird der Zwiespalt deutlich, über den wir bereits im Ausschuss diskutiert haben und der geklärt werden muss; sonst werden wir jedes Mal eine Debatte über diese Problematik der Zuständigkeit des Ministeriums für den ländlichen Raum führen. Nach der deutlichen Aussage von Herrn Minister Ehlen im Ausschuss handelt es sich dabei um eine Querschnittsaufgabe, und er hat gesagt, er habe ein starkes Ministerium für den ländlichen Raum. Von daher muss die Frage der Zuständigkeit sowohl des Ministeriums als auch des Fachausschusses hinsichtlich der Behandlung von Themen, die ausdrücklich den ländlichen Raum betreffen, geklärt werden. Das ist bei allen Rednern deutlich geworden.

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir fühlen uns von diesem Antrag und auch von dieser Problematik betroffen, weil sie den ländlichen Raum insgesamt betrifft. Das hilft trotzdem nichts, so leid es mir selbst tut. Diese Angelegenheit gehört ins Sozialministerium, zu der Kollegin von der Leyen. Wir werden uns aber daran beteiligen und auch so einbringen, wie Sie es wollen. Ich glaube, dass das unter vernünftigen Menschen auch möglich ist. Wir können nicht daran drehen. Das ist vom Gesetz her so. Ich gehe davon aus, dass wir dann in der Debatte in den Ausschüssen auch zu den richtigen Beschlüssen kommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, man kann sich über alles streiten. Aber ich glaube, in den 29 Jahren erlebe ich es jetzt zum ersten Mal, dass es über die Ausschussüberweisung kontroverse Auffassungen gibt. Ich finde, das geht doch ein bisschen weit. Ich will es einmal so versuchen: Antragsteller sind die

Fraktionen von CDU und FDP. Wenn die Antragsteller meinen, dass der Sozialausschuss mit der Federführung beauftragt werden sollte, dann sollten wir darüber abstimmen. Ich würde daraus keine Gewissensfrage machen wollen, Herr Kollege Klein. Da gebe ich Ihnen völlig Recht.

Es ist also eine veränderte Ausschussüberweisung beantragt worden. Federführend soll sich der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und mitberatend sollen sich der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und den ländlichen Raum sowie der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr mit diesem Antrag befassen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Das haben wir mit knapper Mehrheit beschlossen.

Meine Damen und Herren, die Dinge sind klar. Wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Der Ältestenrat tritt unmittelbar nach Beginn der Mittagspause zusammen. Um 14.30 Uhr sehen wir uns wieder.

Unterbrechung: 12.35 Uhr.

Wiederbeginn: 14.30 Uhr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe zu Beginn dieser Nachmittagssitzung noch einmal kurz die Sitzungsleitung übernommen, um Sie über die Sitzung des Ältestenrates zu unterrichten, der - wie Sie wissen - während der Mittagspause getagt hat.

Wir haben uns sehr intensiv mit der Frage befasst, was Gegenstand von Geschäftsordnungsdebatten sein kann und darf und wie das Präsidium in Zukunft diesbezüglich verfahren wird. Maßstab - darauf lassen Sie mich hinweisen - für Geschäftsordnungsdebatten ist § 75 unserer Geschäftsordnung. Dort heißt es, dass einem Mitglied des Landtages, das zum Verfahren sprechen will, das Wort zu erteilen ist, wenn es sich zur Geschäftsordnung zu Wort meldet. Dabei darf sich das Mitglied des Landtages nur zur verfahrensmäßigen Behandlung des gerade anstehenden oder des unmittelbar vor ihm behandelten Beratungsgegenstandes oder zum Ablauf der Sitzung des Landtages äußern.

(Zustimmung bei der CDU)

Es darf dabei nicht länger als fünf Minuten sprechen. - Im Ältestenrat bestand Einigkeit darüber, dass es große Schwierigkeiten bereitet, Beiträge zur Geschäftsordnung auf rein verfahrensmäßige Argumente zu beschränken, weil sie auch begründet werden müssen. Sicherlich ist es deshalb in einem gewissen Umfang erforderlich, zur Begründung von Geschäftsordnungsanträgen in diese Debatte auch Sachargumente einfließen zu lassen. Dabei obliegt es letztlich dem amtierenden Präsidium, einzugreifen, wenn eine solche im Grundsatz auf Verfahrensfragen gerichtete Debatte zu einer Sachdebatte gemacht wird. Ich habe im Ältestenrat sehr deutlich darauf hingewiesen, dass sowohl die Geschäftsordnungsdebatte von gestern als auch die von heute mindestens zu zwei Dritteln nichts mit den Verfahrensvorgängen, so wie sie die Geschäftsordnung vorsieht, zu tun hatten. Nach den Erfahrungen vom gestrigen Tage und auch von heute Vormittag werde ich in Absprache mit den Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten darauf achten, dass bei zukünftigen Geschäftsordnungsdebatten die Grenzen zur Sachdebatte nicht überschritten werden und auch der Geschäftsordnungsruf nicht missbraucht wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Im Übrigen appelliere ich an die Fraktionen, dass in Geschäftsordnungsdebatten - wenn irgend möglich - für jede Fraktion nur eine Rednerin oder ein Redner auftritt. Auch darüber haben wir gesprochen.

Das wollte ich Ihnen gerne mitteilen. Jetzt wird Frau Kuhlo die weitere Sitzungsleitung übernehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

(Vizepräsidentin Ulrike Kuhlo übernimmt den Vorsitz)

Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Beratungen ein.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung: Hilfe für Intensivtäter - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/59

Herr McAllister hat das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität messen wir, die neue bürgerliche Mehrheit in diesem Hause, der Prävention, also der gezielten Vorbeugung von Straftaten durch Aufklärung und Beratung, eine hohe Priorität bei. Daher unterstützen wir eine enge Zusammenarbeit aller in diesem Bereich Verantwortung tragenden öffentlichen und freien Institutionen bei diesem wichtigen Thema. Doch wir alle wissen, dass es auch in Niedersachsen eine nicht unbeträchtliche Zahl jugendlicher Intensivtäter gibt, die eine erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung und nicht zuletzt für gleichaltrige Jugendliche darstellen. Die Menschen haben den Anspruch, vor diesen Tätern geschützt zu werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im September 2002 haben wir uns letztmalig intensiv mit dem Thema schwerstkriminelle jugendliche Straftäter befasst. Damals terrorisierte ein erst Zwölfjähriger einen ganzen Stadtteil in Hannover. Jüngst fiel wieder ein ebenfalls Zwölfjähriger auf, der in den vergangenen zwei Jahren sage und schreibe 58 Straftaten begangen hat. Zurzeit prüft das so genannte Kriseninterventionsteam der Landesregierung 69 Fälle von straffälligen Kindern.

Die allermeisten Kinder und Jugendlichen bewältigen ihr Leben Gott sei Dank ohne große Krisen, Gewalt und Kriminalität. Aber es ist Fakt, dass es eine kleine Minderheit von Jugendlichen gibt, die eindeutig als kriminell angesehen werden müssen und ungewöhnlich brutal und skrupellos vorgehen. Ein Unrechtsbewusstsein gibt es bei diesen sehr jungen Tätern leider kaum. Das ist die Realität. Wir können diesen jugendlichen Intensivtätern auch in Niedersachsen nicht allein mit Milde und Nachgiebigkeit begegnen und nur soziale Gründe für ihr kriminelles Verhalten verantwortlich machen. Jugendlichen Schwerstkriminellen müssen frühzeitig deutliche Grenzen aufgezeigt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wer dies nicht tut, tut weder den Kindern noch der Gesellschaft einen Gefallen. Er ermutigt erst recht zu kriminellen Karrieren. Die Diskussion um das Thema „Betreuung von Intensivtätern“ hat dieses Haus bereits viele Jahre beschäftigt. Leider wird im Zeitraum von 1997 bis 2002 das Versagen der Sozialdemokraten dokumentiert. Vor fast sechs Jahren hat dieser Landtag einen Beschluss über ein so genanntes Interventionsprogramm gefasst, das die „zeitlich befristeten Maßnahmen zur Inobhutnahme von auffälligen Kindern, die durch mehrfaches oder schwer rechtswidriges Verhalten auffällig geworden sind,“ vorsah. 1997 hat die CDULandtagsfraktion im Rahmen eines Entschließungsantrages Maßnahmen gegen die wachsende Jugendkriminalität gefordert und sich erstmalig für die geschlossene Heimunterbringung von jugendlichen Intensivtätern ausgesprochen. Kurz darauf, im November 1997, hat der damalige SPDFraktionsvorsitzende Sigmar Gabriel vollmundig ein Interventionsprogramm für hochgefährdete Kinder in Niedersachsen angekündigt. 1998 hat der Landtag in einem Beschluss die Verstärkung von Präventions- und Integrationsmaßnahmen gefordert. Im Sommer 1998 hat die CDULandtagsfraktion in diesem Hause angesichts aktueller Straftaten von Kindern und Jugendlichen diese Problematik erneut aufgegriffen und den Entschließungsantrag „Fehlende Maßnahmen gegen die wachsende Jugendkriminalität - Geschlossene Heimunterbringung“ eingebracht. Es folgte im Oktober 1998 eine Landtagsdebatte zu diesem Thema. Ende 1998 haben wir dieses Thema erneut angesprochen und gefordert, dass es möglich sein müsste, gerade hochgefährliche Kinder, Jugendliche und Heranwachsende, die durch mehrfaches oder schweres rechtswidriges Verhalten auffällig geworden sind, zumindest zeitlich befristet in Obhut zu nehmen. Zwei Jahre nach dem Landtagsbeschluss 1998 - das ist eine Missachtung des Parlaments - stellten wir fest, dass nach wie vor nichts passiert war. Sigmar Gabriel, der Fraktionsvorsitzende und die Landesregierung haben trotz Aufforderung durch dieses Landesparlament ihre Ansage, 30 bis 40 Plätze für die Unterbringung krimineller und hochgradig auffälliger Kinder und Jugendlicher in geschlossenen Heimen zu schaffen, schlicht und ergreifend nicht umgesetzt.

Wir haben im Jahre 2000 die Untätigkeit der Landesregierung erneut gerügt und diese zum Handeln aufgefordert. Dann, verehrte Frau Ministerin a. D.

Dr. Trauernicht, sind Sie ins Amt gekommen. Im Jahre 2001 ist ebenfalls nichts passiert. Sie haben sich sogar grundsätzlich gegen das Konzept der geschlossenen Heimunterbringung ausgesprochen.

(Zustimmung bei der FDP)

Ein weiteres Jahr ging bei dieser Diskussion verloren.

Im September 2002 sorgte schließlich Arthur für Schlagzeilen in der Presse. Die Situation hat sich in unserer Landeshauptstadt wieder einmal zugespitzt. Auch nach 29 Straftaten bleibt dieser zwölfjährige Junge unbehelligt. Minister Bartling äußerte sich am 14. September 2002 zu diesem Fall in der Nordwest-Zeitung:

„Wir müssen zusammen mit den Möglichkeiten der Sozialarbeit intervenieren und jemanden zwei bis drei Monate wegschließen können, um ihn anschließend wieder therapeutisch zu betreuen.“

Auch der Ministerpräsident hat im Rahmen des bevorstehenden Wahlkampfes noch einmal angekündigt, er fordere schnelle Konsequenzen. Aber es ist wieder nichts passiert.

Meine Damen und Herren, wir, die neue bürgerliche Koalition, beenden jetzt eine jahrelange Debatte zu diesem Thema. Wir wollen nicht länger reden, wir wollen jetzt handeln!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Jugendliche, die immer wieder Straftaten begehen, müssen besonders behandelt werden und benötigen besondere erzieherische und strafrechtliche Maßnahmen. Unsere Rechtslage gebietet grundsätzlich ausreichende Möglichkeiten der Unterbringung zur Erziehung schwer verhaltensauffälliger Kinder und Jugendlicher.

Gemeinsam mit der Kollegin Astrid Vockert, die dieses Thema viele Jahre im Plenarsaal behandelt hat, und dem heutigen Ministerpräsidenten Christian Wulff sind wir vor einigen Jahren in einer solchen Institution gewesen, nämlich in Gauting bei München. Wir haben uns vor Ort erkundigt und sind mit sehr guten Erkenntnissen nach Niedersachsen zurückgekehrt. Ich empfehle allen denjenigen aus der Opposition, die sich zu diesem Thema einmal schlau machen wollen: Fahren Sie nach Gauting!