Protocol of the Session on June 25, 2004

ausschusses als auch im Wege der Fachaufsicht Gebrauch gemacht.

Die genaue Zusammensetzung der in den genannten Ländern bereits bestehenden Härtefallkommissionen ist hier nicht bekannt. In alle Kommissionen sind neben Vertretern der jeweiligen obersten Landesbehörden auch Vertreter der freien Wohlfahrtspflege, der Kirchen und der Interessenvertretungen von Migrantinnen und Migranten berufen worden.

Zu 2: Im Rahmen des Vermittlungsverfahrens zum Zuwanderungsgesetz besteht für die Länder im Bundesrat entsprechend der Absprache in der Arbeitsgruppe nicht mehr die Möglichkeit, einzelne Vorschriften des Gesetzes zu unterstützen oder abzulehnen. Möglich ist vielmehr nur, dem Gesetzentwurf insgesamt zuzustimmen oder ihn abzulehnen.

Zu 3: Wie eingangs dargestellt, wird die Landesregierung vor einer Entscheidung über die Einrichtung einer Härtefallkommission den endgültigen Text des Gesetzes abwarten und ihre Entscheidung von einer eingehenden Überprüfung der rechtlichen und verwaltungsmäßigen Konsequenzen abhängig machen, die selbstverständlich auch den personellen Aufwand einschließt. Diese Prüfung wird sich zwangsläufig auch auf die Frage der Besetzung einer derartigen Kommission erstrecken.

Anlage 9

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 14 des Abg. Roland Riese (FDP)

Geschlechtsbezogene Leistungsunterschiede bei Schulergebnissen

Im Spiegel 21/2004 erschien unter dem Titel „Angeknackste Helden“ ein umfänglicher Bericht über unterschiedliche Benotungen in deutschen Schulen, denen zufolge Koedukation der Geschlechter in der Regel zu signifikant schlechteren Lernergebnissen männlicher Schüler führt. Der dort veröffentlichten Statistik zufolge verließen im Schuljahr 2002/2003

54 395 männliche, aber nur 30 919 weibliche Schüler die Schule ohne Hauptschulabschluss,

136 642 männliche, aber nur 101 253 weibliche Schüler die Schule mit Hauptschulabschluss,

194 132 weibliche, aber nur 182 070 männliche Schüler die Schule mit Realschulabschluss und

126 546 weibliche, aber nur 96 708 männliche Schüler die Schule mit allgemeiner Hochschulreife.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Führt sie angesichts der Tatsache, dass der Leistungsvorsprung der Mädchen in den letzten Jahren stetig zugenommen hat, die angeführten Zahlen auf grundsätzliche Begabungsunterschiede zwischen den Geschlechtern, auf gesellschaftliche Einflüsse oder auf politische Entscheidungen der Vergangenheit zurück?

2. Wie lauten die entsprechenden Zahlen für das Schuljahr 2002/2003 für Niedersachsen?

3. Mit welchen Mitteln will die Landesregierung den auftretenden Unterschieden in Zukunft begegnen, falls sich ein ähnliches Leistungsgefälle in Niedersachsen zeigt?

Über längere Zeit schien es eine pädagogische Gewissheit zu sein, dass die Schule Mädchen benachteiligt. Doch Zahlen und Fakten belegen: Mädchen haben im Schnitt bessere Noten, bleiben seltener sitzen und haben einen höheren Abituranteil als Jungen. Auch die PISA-Studie bestätigt den Mädchen bessere Leistungen: Zwar schneiden sie in Mathematik und den Naturwissenschaften (außer in Biologie) immer noch schlechter ab. Aber die Leistungsunterschiede zu den Jungen fallen relativ gering aus. Ganz anders ist es im Lesen, der Basiskompetenz: Hier lassen die Mädchen die Jungen weit hinter sich, nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt. Insbesondere in der höchsten Kompetenzstufe „Reflektieren und Bewerten“ schneiden Mädchen wesentlich besser ab als Jungen.

In der Entwicklung ihres schulischen Leistungspotenzials sind Jungen offensichtlich benachteiligt. Die Erklärungsversuche hierfür sind vielfältig. So weisen Schulforscher darauf hin, dass sich die Anforderungen verändert haben und heute andere Qualitäten zählen als früher: Mädchenstärken wie Sprachbegabung, Lesefreude, Kommunikationstalent und Teamfähigkeit gelten als Schlüsselqualifikationen für eine erfolgreiche Bildungskarriere. Auf den negativen Einfluss von übermäßigem Fernseh- und Medienkonsum auf die schulischen Leistungen weist der Kriminologe Dr. Christian Pfeiffer hin. Insbesondere Jungen drohten in eine „Medienverwahrlosung“ abzugleiten, deren Folge auch schlechtere schulische Leistungen seien. Andere Daten stützen die Annahme von Zusammenhängen zwischen dem Fehlen männlicher

Rollenvorbilder und den schwächeren schulischen Leistungen der Jungen.

Jungen und Mädchen brauchen ein flexibles und individuelle Leistungen förderndes Bildungssystem. Deshalb wurde mit der Novellierung des Schulgesetzes das begabungsgerechte, gegliederte Schulwesen gestärkt. Die Förderung der individuellen Lernentwicklung ist wesentlicher Bestandteil des neuen Schulgesetzes. Individualisierung des Unterrichts ist nötig, um jeder Schülerin und jedem Schüler eine optimale Entfaltung der Lern- und Entwicklungspotenziale zu ermöglichen, auch in geschlechtsspezifischer Hinsicht.

Die verbindliche „Dokumentation der individuellen Lernentwicklung“ ist ein weiterer wichtiger Baustein in einem die individuelle Leistung förderndes und anerkennendes Bildungssystem. Ein weiteres Projekt ist die intensivierte Leseförderung: Eine Vielzahl von Vorschlägen hierzu steht zur Verfügung und ist den Schulen zugänglich. Auch die neu gegründete Akademie für Leseförderung setzt einen inhaltlichen Schwerpunkt im Bereich der geschlechtsspezifischen Entwicklung von Leseförderkonzepten.

Wie die Ergebnisse der PISA-Studie belegen, bildet die Beherrschung der deutschen Sprache die wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht und für eine positive Lernentwicklung in allen Fächern. Deshalb hat die Landesregierung mit dem neuen Schulgesetz geregelt und im laufenden Schuljahr bereits umgesetzt, dass bei allen Kindern zehn Monate vor der Einschulung der individuelle Stand der deutschen Sprachkenntnisse festgestellt wird. Kinder, die noch unzureichende Deutschkenntnisse haben, nehmen ab dem 1. Februar des Einschulungsjahres an einer halbjährigen Sprachförderung teil. Die Sprachförderung richtet sich nach den individuellen Lernvoraussetzungen der Kinder und schließt eine kontinuierliche Sprachstandsdiagnostik ein, auf deren Grundlage die Sprachförderung in der Grundschule fortgeführt wird.

Es ist zu erwarten, dass sich mit den eingeleiteten Maßnahmen zur Verbesserung der Sprachkompetenz die in der PISA-Studie insbesondere bei Jungen festgestellten Lerndefizite verringern und sie dadurch zu besseren Lernergebnissen gelangen werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Der Leistungsvorsprung der Mädchen ist keinesfalls auf grundsätzliche Begabungsunterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen, jedoch bedarf die Entfaltung von Begabungen und Talenten der Beachtung individueller und damit auch geschlechtsspezifischer Unterschiede. Die pädagogische Praxis in den Schulen wird hier weiterzuentwickeln sein.

Schulen werden diesem Anspruch jedoch nicht allein gerecht werden können. Rollenbilder und -erwartungen werden ganz entscheidend durch das Elternhaus und die Gesellschaft geprägt und beeinflusst.

Zu 2: In Niedersachsen verließen im Schuljahr 2002/2003

- 6 096 Schüler und 3 680 Schülerinnen die Schule ohne Hauptschulabschluss, der Jungenanteil liegt mit 62,4 % um 1,4 Prozentpunkte günstiger als der Bundesdurchschnitt,

- 12 597 Schüler und 8 971 Schülerinnen die Schule mit Hauptschulabschluss, der Jungenanteil (58,4 %) liegt um 1 Prozentpunkt über dem Bundesdurchschnitt,

- 19 298 Schülerinnen und 19 355 Schüler die Schule mit Realschulabschluss, das ist im Unterschied zum Bundesdurchschnitt ein nahezu ausgewogenes Verhältnis,

- 10 526 Schülerinnen und 7 935 Schüler die Schule mit allgemeiner Hochschulreife, die Relation von 57 % zu 43 % entspricht annähernd dem Bundesdurchschnitt.

Zu 3: Siehe Vorbemerkung.

Anlage 10

Antwort

des Justizministeriums auf die Frage 15 des Abg. Andreas Meihsies (GRÜNE)

Situation der Gefangenenmitverantwortungen in den niedersächsischen Justizvollzugsanstalten

StVollzG § 160 - Gefangenenmitverantwortung -: „Den Gefangenen und Untergebrachten soll ermöglicht werden, an der Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Inte

resse teilzunehmen, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für ihre Mitwirkung eignen.“

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. In welchen niedersächsischen Justizvollzugsanstalten existieren die so genannten Gefangenenmitverantwortungen, wie unterstützt die Landesregierung die Einrichtung der Gefangenenmitverantwortungen, und welchen Stellenwert misst die Landesregierung den Gefangenenmitverantwortungen im Rahmen der jeweiligen Vollzugskonzepte in den Anstalten bei?

2. Warum kommt es immer wieder zu sehr kurzfristigen Einladungen an die Gefangenenmitverantwortungen wie zuletzt in Celle, wenn der Unterausschuss „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“ eine Justizvollzugsanstalt bereist?

3. Sind der Landesregierung Probleme bei der Einrichtung von Gefangenenmitverantwortungen bekannt, wenn ja, in welchen JVAen?

Das Strafvollzugsgesetz von 1976 sieht in § 160 vor, dass den Gefangenen und Untergebrachten ermöglicht werden soll, „an der Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamen Interesse teilzunehmen, die sich ihrer Eigenart und der Aufgabe der Anstalt nach für eine Mitwirkung eignen.“ Dieser Gesetzesauftrag wird im niedersächsischen Justizvollzug auch im Hinblick auf § 4 StVollzG ernst genommen. Nach dieser Vorschrift wirkt der Gefangene an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern.

Die Vorbereitung auf ein straffreies Leben in Freiheit in sozialer Verantwortung, wie § 2 StVollzG als Vollzugsziel formuliert, setzt voraus, dass die Gefangenen wie andere Bürgerinnen und Bürger auch bestimmte Teilhaberechte haben, die allerdings durch das Strafvollzugsgesetz in nicht unerheblichem Umfang eingeschränkt werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Eine Gefangenenmitverantwortung besteht in allen niedersächsischen Justizvollzugsanstalten mit Ausnahme der Justizvollzugsanstalten Braunschweig, Bückeburg und Hildesheim. Die Landesregierung unterstützt die Einrichtung von Gefangenenmitverantwortungen. Sie hat in den Niedersächsischen Ausführungsvorschriften für den Strafvollzug - NAV - zu § 160 StVollzG eine Verwaltungsvorschrift erlassen, die den Zweck, den

Umfang und die Ausübung der Mitverantwortung sowie die Einrichtung und - was besonders wichtig ist - die Betreuung der Organe der Gefangenenmitverantwortung vorgibt. Dementsprechend spiegelt sich die Gefangenenmitverantwortung auch in den konzeptionellen Vorstellungen der jeweiligen Vollzugsanstalten wider.

Zu 2: Zu kurzfristigen Einladungen des Unterausschusses „Justizvollzug und Straffälligenhilfe“ anlässlich von Bereisungen von Justizvollzugsanstalten durch diesen Unterausschuss kommt es verständlicherweise dann, wenn die Gefangenen das Gespräch mit Abgeordneten dieses Unterausschusses suchen, aber von der Gesprächsmöglichkeit erst verhältnismäßig kurz vor dem Bereisungstermin erfahren. In der JVA Celle waren die Mitglieder der Gefangenenmitverantwortung bedauerlicher Weise nicht rechtzeitig von dem Bereisungstermin informiert worden.

Zu 3: Der Landesregierung sind Probleme bei der Einrichtung von Gefangenenmitverantwortungen nicht bekannt geworden. Es ist aber schon vorgekommen, dass sich einzelne Gefangene gegen Vorschriften von anstaltseigenen Wahlsatzungen gewandt haben in der Meinung, persönlich in der Ausübung des passiven Wahlrechts benachteiligt worden zu sein. Schwierigkeiten, eine funktionsfähige Gefangenenmitverantwortung einzurichten, ergeben sich immer dort, wo die Fluktuation der Gefangenen sehr groß ist. Das betrifft in erster Linie die Untersuchungshafteinrichtungen (JVAen Braunschweig und Hildesheim), aber auch Justizvollzugsanstalten mit einer vergleichsweise kurzen durchschnittlichen Verweildauer der Gefangenen (JVA Bückeburg). Auch im offenen Vollzug lässt das Interesse Gefangener, sich in eine Gefangenenmitverantwortung einzubringen, mit zunehmender Lockerung (z. B. bei Gewährung von Frei- gang) nach. Probleme ergeben sich eher bei der Umsetzung der Vorstellungen einzelner Gefangenenmitverantwortungen vor Ort, die sich durch die gesetzlichen Vorgaben und die Vorschrift der NAV zu § 160 StVollzG eingeschränkt fühlen. Auch darf man nicht verkennen, dass vereinzelt Gefangene versuchen, die Gefangenenmitverantwortung für sehr persönliche eigene Zwecke zu instrumentalisieren.

Anlage 11