Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gabriel, ich meine, das, was Sie hier gemacht haben, bringt uns in der Sache überhaupt nicht weiter.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Gut, dass Sie jetzt kom- men!)
- Es ist vielleicht ganz gut, dass ich jetzt spreche. Was mich dabei wirklich stört, ist: Ich halte überhaupt nichts davon, wenn man jetzt von Tätern spricht und die Situation anheizt,
wenn es in Wirklichkeit darum geht, die Versorgung für Kinder und Jugendliche sicherzustellen, die behandelt werden müssen. Das ist nämlich der Hintergrund.
Meine Damen und Herren, ich möchte einmal unterbrechen. - Es muss doch in diesem Raum noch möglich sein, dass man demjenigen zuhört, der hier vorne redet. Frau Kollegin Merk, wenn Sie sehen könnten, wie die Zuschauer dort oben das bewerten, dann hätten Sie jetzt den Mund gehalten. Das möchte ich Ihnen einmal sagen.
Danke schön, Herr Präsident. Das Problem ist, diese Störungen gehen von meiner Redezeit ab. Jetzt habe ich nur noch zwei Minuten. Ich versuche daher, das jetzt frei darzustellen.
Die Situation ist - Sie haben es schon gesagt -: In der Tat sind einige Kieferorthopäden aus dem System ausgestiegen. Hierfür gibt es zweierlei Gründe. Einer dieser Gründe ist der BEMA, d. h. die niedrigere Bewertung der kieferorthopädischen Leistungen zugunsten von präventiven zahnerhaltenden Maßnahmen bei den Zahnärzten. Das ist ein internes Zahnärzteproblem. Das ist völlig richtig. Hinzu kommt aber auch das GMG, sodass meines Erachtens darüber nachgedacht werden
muss, ob hier nicht nachgebessert werden sollte. Wenn man nämlich die Jahresarbeitsstunden festlegt und dann herauszurechnen ist, dass eine kieferorthopädische Praxis, die viele Patienten behandelt und auch lange behandeln muss, nur noch sechs Stunden am Tag arbeiten kann, ohne in den Geruch zu kommen, Doppelabrechnungen vorzunehmen, dann geht das einfach nicht. Ich habe mich mit vielen Kieferorthopäden, insbesondere vielen Kieferorthopädinnen, unterhalten und mich davon überzeugen lassen, dass eben nicht die Abzocke und die Honorare, die sie haben wollen, obenan stehen. Dieses Bild in der Öffentlichkeit ist einseitig und meines Erachtens nicht richtig. Ich habe mich von einigen überzeugen lassen, die gesagt haben: Ihnen geht es um ihre Patienten. Sie wollen rechtlich korrekt behandeln können. Das geht aber so nicht, weil sie sehr lange am Tag arbeiten müssen, um alle Patienten behandeln zu können. Dies können sie mit dem GMG rechtlich nicht vereinbaren. Ihr Angebot war ja, zum reduzierten BEMA-Satz gegen Kostenerstattung zu arbeiten.
Die Verhandlungen mit den Kassen sind gescheitert. Dabei gab es vehemente und starre Positionen auf beiden Seiten - bei den Kassen und bei den Zahnärzten. Tatsache ist: Die Verhandlungen sind gescheitert. Die Situation ist ziemlich verfahren. Ich befürchte, dass es, wenn wir uns nicht noch einmal zusammensetzen - alle Beteiligten: Politik, Kieferorthopäden, Kassen usw. -, wirklich zu einer Unterversorgung von Kindern und Jugendlichen in Niedersachsen kommt. Das wollen wir alle sicherlich nicht. Daher sollten wir überlegen, wie wir in diesem Fall die Versorgung der Patienten in Niedersachsen sicherstellen können. Das ist das eigentliche Ziel.
Die Ministerin musste handeln und hat auch formal richtig gehandelt, indem sie den Versorgungsauftrag auf die Kassen übertragen hat. Aber jetzt muss weiter verhandelt werden.
Nun noch zu dem Antrag der SPD-Fraktion. Sie haben geschrieben: Zahnärztegewerkschaften und Funktionäre. Dass ausgerechnet die SPDFraktion gegen Gewerkschaften und Funktionäre ist, wundert mich. Das habe ich immer anders eingeschätzt.
Wichtig ist die Botschaft, die mir am Herzen liegt: Es geht um die Versorgung von jungen Patientinnen und Patienten. Diese Versorgung muss gewährleistet sein. Dazu müssen wir neu diskutieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach längerem Zögern und nach der heftigen Debatte im Mai hat die Gesundheitsministerin die Feststellung getroffen, dass die KZVN den Sicherstellungsauftrag nicht erfüllt, und den Sicherstellungsauftrag in den Regionen Hildesheim, Cuxhaven und im alten Landkreis Hannover den Kassen übertragen. Endlich wurde im Interesse der jungen Patienten und der Beitragszahler gehandelt. Dieser Schritt war überfällig. Ich meine, darin sind wir uns einig. Die Aktionen der Kieferorthopäden haben aber deutlich gemacht, dass sie im Hintergrund ganz offen von der KZVN unterstützt werden. Selbst in Fachzeitschriften haben sie ihr Tun propagiert und weitere Mitstreiter gesucht. Das alles lässt die KZVN mehr oder weniger aktiv geschehen.
Die KZVN ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft und hat sich gesetzeskonform zu verhalten. Wenn sie das nicht tun will, gehört sie abgeschafft.
Die KZVN gebärdet sich seit langem wie ein politischer Kampfverband. Aber wir brauchen keine Kammerfürsten, die reine Lobbypolitik für Kieferorthopäden betreiben. Deshalb finde ich es so bedauerlich, dass es nicht gelungen ist, sich im Ausschuss über die Nr. 3 und 4 des Entschließungsantrages der SPD-Fraktion zu verständigen. Wieso haben wir den ersten Teil nicht einstimmig verabschiedet? Die Ministerin hat in diesem Sinne gehandelt. Wir wären diesen zweiten Weg auch trotz Differenzen weiter gemeinsam gegangen. Geben Sie sich doch einen Ruck! Bringen wir doch gemeinsam eine Bundesratsinitiative auf den Weg, um die Zwangsmitgliedschaft von Zahnärzten in den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen abzuschaffen, und schaffen wir doch die Möglichkeit direkter Vertragsverhandlungen mit den Krankenkassen!
- Sie haben diese Möglichkeit, die vonseiten der Grünen gewollt war, in den Verhandlungen zum GMG verhindert.
Frau Ministerin, Sie haben selbst gesagt, dass das nicht der letzte Konflikt mit den Kieferorthopäden sein wird. Ich meine, dass die KZVN dann, wenn wir ein Ende der Konfliktsituation wirklich wollen, abgeschafft gehört. Diese Art von Standesvertretung ist veraltet und überholt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich die aktuelle Situation ansprechen. Aufgrund des langen Hinauszögerns haben die Krankenkassen nur vier Wochen Zeit, die Sicherstellung auf den Weg zu bringen und die entstandenen Lücken zu schließen.
Diese Zeit ist äußerst knapp. Aber die Kassen werden es in einem einmaligen Kraftakt in diesen drei Bezirken schaffen - ob mit polnischen oder tschechischen Kollegen oder über die Verpflichtung in Kliniken. Die Hauptsache ist doch die Versorgung der Patienten. Ich befürchte, dass dieser Kraftakt zum 1. Oktober wiederholt werden muss. Wir haben 44 Bezirke, die gerade noch die Quote von 50 % halten. Holzminden steht auch auf der Kippe. Ich sage das, damit Sie alle wissen, wo demnächst die Krankenkassen aktiv sein werden.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu den Sprüchen der KZVN anfügen. Sie spricht plötzlich von politischer Sauerei und Unverantwortlichkeit vonseiten der Landesregierung. Das zeigt doch nur, dass diese Damen und Herren ein Eigentor geschossen haben und ihnen langsam bewusst wird, dass es ein Eigentor ist. Ich frage mich, was dieses Jammern eigentlich soll. Es geht nicht um ausländische Kieferspezialisten, es geht um europäische Kieferspezialisten.
Ja. - Wir haben einen freien Markt, meine Damen und Herren. Die Kieferorthopäden aus Niedersachsen, die hier nicht zufrieden sind, können, wenn sie sich solche Gedanken über die Versorgung der dortigen Bevölkerung machen, im Rahmen der Daseinsfürsorge gerne nach Tschechien oder nach Polen gehen. - Danke schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat in der Auseinandersetzung mit den Kieferorthopäden schnell, gründlich und entschlossen gehandelt.
Darüber scheint hier offensichtlich Einigkeit zu herrschen. Wir sind jedem Versuch entgegengetreten, die gesetzlichen Grundlagen auszuhöhlen. Weil Sie jetzt mit solch einer Leichtigkeit darüber sprechen, dass der Sicherstellungsauftrag übertragen werden soll, will ich noch einmal darauf hinweisen, dass es seit Bestehen der Kassenärztlichen Vereinigungen, seit Übertragung des Monopols der Behandlung auf Kassenärzte in der Bundesrepublik Deutschland das allererste Mal ist, dass der Sicherstellungsauftrag diesen entzogen und auf die Krankenkassen übertragen worden ist. So ein Schritt will wohl überlegt und wohl abgewogen und juristisch wasserdicht sein. Ich meine, dass wir diesbezüglich hervorragend gearbeitet haben.
Dies ist sowohl juristisches als auch politisches Neuland. Ich sage noch einmal ganz deutlich, dass die Landesregierung diese Auseinandersetzung nicht gesucht hat, ihr aber auch nicht ausgewichen ist, sondern sich ihr gestellt und damit auch Recht und Gesetz verteidigt hat.
Mit der Übertragung des Sicherstellungsauftrages auf die Krankenkassen haben wir eine völlig neue Situation. Inzwischen hat die KZVN über die Presse angekündigt, Klage gegen unseren Bescheid vom 3. Juni erheben zu wollen. Dies ist bis heute nicht geschehen. Der Fristablauf endet am 3. Juli.
Es mag durchaus sein - das will ich an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen -, dass aus mancherlei Gründen Ärzte allgemein im Gesundheits
wesen unzufrieden sind, weil sie in der täglichen Praxis spüren, dass natürlich die verfügbaren Ressourcen knapp sind. Aber die Finanzierungsgrundlage der Krankenversicherung kann nur in einem demokratischen Verfahren verändert werden. Darum ringen wir gerade in der politischen Auseinandersetzung. Es geht meines Erachtens nicht - für welche Arztgruppe auch immer -, aus dem System aussteigen und über die Patienten, die dann die Kosten privat finanzieren müssen, mehr Honorare erhalten zu wollen.
Denn entweder haben wir das Monopol bei der Kassenärztlichen Vereinigung - dann muss man sich auch an die Regeln halten -, oder man verlässt das Monopol, aber dann auch mit allen Bedingungen des offenen Marktes. Das muss man an dieser Stelle ganz deutlich sagen.
Ich habe mich bemüht, dies auch den Kieferorthopäden in Niedersachsen deutlich vor Augen zu führen - ich habe schon in der letzten Debatte gesagt, dass ich mir nicht immer so ganz sicher bin, was bei diesen 250 Kieferorthopäden schlussendlich ankommt -, indem ich ihnen einen offenen Brief geschrieben habe. Und wir haben ihnen deutlich gemacht, dass es demjenigen, der jetzt wieder in das System einsteigen will, weil er realisiert hat, dass der Staat auch handelt und nicht nur angekündigt, bis zum 1. Juli gestattet sei. Denn dahinter steht natürlich immer auch die wirtschaftliche Existenz einer Praxis. Deshalb habe ich so offen an die Kieferorthopäden geschrieben. Ich kann Ihnen heute berichten, dass gestern Abend der Zulassungsausschuss getagt hat. Der Stand der Dinge war am 28. April gewesen: 44 Kieferorthopäden geben ihre Zulassung zurück. - Inzwischen haben sechs weitere ihre Zulassung zurückgegeben, aber zwei sind auch wieder in das System eingestiegen. Das heißt, diese Auseinandersetzung und diese Diskussion beweist auch, dass es unter den Zahnärzten heterogene Gruppen gibt, und sie beweist auch, dass man mit den Sachargumenten und mit konsequentem Handeln klarmachen muss, dass es in diesem Land Spielregeln gibt und dass derjenige, der sich daran hält, in dem System willkommen ist, dass aber derjenige, der sich nicht daran hält, akzeptieren muss, dass er außerhalb des Monopols bleibt.
Ich sage an dieser Stelle auch ganz deutlich, dass das Niedersächsische Sozialministerium die Entwicklung in allen Planungsbereichen in Niedersachsen auch weiterhin mit großer Aufmerksamkeit verfolgen wird. Das heißt, wir werden auch weiterhin jedem Einzelfall nachgehen, in dem Patienten eine zeitnahe Behandlung als GKVVersicherte verweigert wird.
Ich meine, dass sich die Krankenkassen jetzt mit großem Engagement der Aufgabe stellen werden, für die Betroffenen in den berührten Bereichen die kieferorthopädische Versorgung sicherzustellen. Ich beobachte auch mit großem Interesse, dass die Medizinische Hochschule Hannover erkannt hat, welche Chance sich dort bietet. Wenn der Markt einmal offen ist, dann sollte man nicht glauben, dass der Status quo gehalten wird. Die Medizinische Hochschule bemüht sich jetzt natürlich, ihre Chance zu ergreifen. Ich gehe davon aus, dass sie diese Chance als hoch qualifizierte Institution verantwortungsbewusst nutzen wird.
Ich habe mit erheblichem Befremden die Pressemitteilung der KZVN vom 22. Juni zur Kenntnis genommen,